Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Mörtel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 815816
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Mörtel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 815–816. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:M%C3%B6rtel (Version vom 27.10.2024)

[815] Mörtel (Mauerspeise, Speise), aus gelöschtem Kalk und Sand bereitete breiartige Mischung, die teils zur Verbindung der Mauersteine, teils zum Abputz etc. dient. Man unterscheidet Luftmörtel (gemeinen Kalkmörtel) und Wassermörtel (hydraulischen M., s. Zement). Ersterer erstarrt bei Luftzutritt, aber nicht, wie letzterer, unter Wasser, wird vielmehr von diesem ausgewaschen und vollständig in seine Bestandteile zerlegt. Der zur Mörtelbereitung taugliche Sand muß frei von Thon und Humus sein, und man zieht allgemein eckigen und kantigen dem rundkörnigen vor. Am besten ist Sand von verschiedener Größe des Korns, der aber mehr fein als grob ist. Je fetter der Kalk (s. d.) ist, um so mehr Sandzuschlag verträgt er. Man rechnet auf 1 cbm steifen Kalkbrei (aus fettem Kalk) 3–4 cbm Sand; bei magerm, magnesiahaltigem Kalk nimmt man nur 1–2,5 cbm Sand, weil die fremden Gemengteile darin sich schon selbst wie Sand verhalten. Beim Auftragen müssen die Mauersteine genetzt werden, damit dem M. nicht zu schnell Wasser entzogen wird. Guter M. soll so viel Kalk enthalten, daß die Zwischenräume im Sand nur, aber auch vollständig mit Kalkbrei ausgefüllt sind. Ist der M. fetter (kalkreicher), so schwindet und reißt er; ist er magerer (kalkärmer), so wird er mürbe und zerfällt, besonders unter dem Einfluß des Frostes. Ist grober Sand mit feinem gemischt, so erspart man Kalkbrei; die Kalkschicht wird dünner und reißt weniger leicht, und die Adhäsion wird vergrößert. Für geringern Bedarf bereitet man den M. in den Löschbutten, indem man zuerst den Kalk zu Brei löscht und dann den feuchten Sand einrührt; für größere Bauten benutzt man Mörtelmaschinen, in welchen eine mit Armen versehene rotierende Welle die Bestandteile mischt. Die bindende Kraft des Mörtels ist auf die Absorption von Kohlensäure durch den Ätzkalk und auf Flächenanziehung zurückzuführen. Je scharfkörniger, oberflächenreicher der Sand und je dünner die Mörtelschicht ist, um so fester haftet diese. Schon auf Chausseesteinen, welche mit Kalkmilch besprengt werden, bildet sich eine sehr fest haftende Schicht von kohlensaurem Kalk. Allmählich trocknet der M. unter Aufnahme von Kohlensäure aus, und es bildet sich unter dem Druck des Mauerwerks ein fest werdendes Konglomerat. Jedenfalls schreitet die Erhärtung des Mörtels sehr langsam vor und erreicht selbst nach Jahrhunderten noch nicht ihr Maximum. Die Menge der absorbierten Kohlensäure ist dabei sehr verschieden. Oft enthält alter M. nur kohlensauren Kalk, in andern Fällen bleibt die Kohlensäure um 20–70 Proz. hinter der zur Bildung von neutralem Carbonat erforderlichen Menge zurück. War der M. mit Quarzsand bereitet, so kann sich kieselsaurer Kalk bilden. Doch trägt dieser zur Erhärtung nicht wesentlich bei, denn einmal gibt Kalksand oder dolomitischer Sand ebenfalls sehr festen M., und dann wird der kieselsaure Kalk später durch eindringende Kohlensäure zersetzt, so daß sich freie Kieselsäure im M. findet. Da das erste Stadium des Erhärtungsprozesses des Mörtels durch Frost gestört wird, so darf man bei einer Temperatur von −4° nicht mehr mauern; polizeiliche Verordnungen haben die Minimaltemperatur mehrfach auch auf −2° festgesetzt. Über Gipsmörtel s. Gips, S. 357. Lehm, mit Wasser erweicht und, falls er zu fett ist, mit Sand magerer gemacht oder mit gehacktem Stroh vermischt, gibt den Lehmmörtel, welcher als Bindemittel für Lehmsteinwände und bisweilen auch zum Vermauern der Backsteine im Innern der Gebäude verbraucht wird. Der Lehmmörtel erhärtet bei weitem nicht in dem Maß wie der Kalkmörtel, auch treten keine chemischen Veränderungen [816] ein. Da er sehr weich verarbeitet wird, so schwindet er stark. Einmal getrocknet, scheidet der Lehmmörtel nicht weiter (wie der Kalkmörtel durch Aufnahme von Kohlensäure aus der ausgeatmeten Luft der Bewohner) Wasser aus; die mit Lehmmörtel verputzten Zimmer sind daher auch früher bewohnbar als die mit Kalkmörtel verputzten. Dagegen zieht der Lehmmörtel sehr leicht Feuchtigkeit an. Ausgedehnte Anwendung findet er zum Aufführen des Mauerwerks für gewöhnliche Feuerungsanlagen; auch dient er als Schutzmittel gegen Feuersgefahr, insofern das damit überzogene Holz ziemlich lange dem Feuer widersteht. Schamottemörtel besteht aus feuerfestem Thon (s. Thon) und dem Pulver der Porzellankapseln, der Schamottesteinbruchstücke oder Quarzsand. Man benutzt ihn zu feuerfesten Mauerwerken. Mischt man Kalkbrei mit gröblich gepulvertem Kalkspat oder kristallinischem Marmor, so erhält man die Masse, aus welcher der Stuck bereitet wird. Vgl. Heusinger v. Waldegg, Kalk-, Ziegel- und Röhrenbrennerei (3. Aufl., Leipz. 1875); Rühne, Lehrbuch der Kalk-, Zement-, Gips- und Ziegelfabrikation (Braunschw. 1877); Zwick, Kalk- und Luftmörtel (Wien 1879); Feichtinger, Chemische Technologie der Mörtelmaterialien (Braunschw. 1885).