Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Landgericht“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 453454
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Landgericht. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 453–454. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Landgericht (Version vom 22.10.2022)

[453] Landgericht, nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz ein Kollegialgericht, welches mit einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von Direktoren und Mitgliedern (Landgerichtsräten, Landrichtern) besetzt ist. Bei dem L. werden Zivil- und Strafkammern gebildet und Untersuchungsrichter je für ein Geschäftsjahr bestellt. Die Landgerichte fungieren teils in Strafsachen, teils in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten; sie entscheiden teils in erster, teils in zweiter Instanz. Der Bezirk eines Landgerichts umfaßt die Bezirke mehrerer Amtsgerichte (s. d.). Das L. ist für die in seinem Bezirk gelegenen Amtsgerichte die richterliche Aufsichtsbehörde. Der Präsident bestimmt für jedes Geschäftsjahr, [454] welcher Kammer er sich anschließt. Im übrigen setzt das Präsidium, bestehend aus dem Präsidenten, den Direktoren und dem dem Dienstalter nach ältesten Mitglied, für jedes Geschäftsjahr fest, in welcher Weise die Geschäfte auf die Kammern zu verteilen sind. Den Vorsitz in den Kammern führen der Präsident und die Direktoren. – Die Zivilkammern bilden die erste Instanz in allen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche nicht vor die Amtsgerichte gehören, also namentlich in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 300 Mk. übersteigt (deutsches Gerichtsverfassungsgesetz, § 58 ff.). Soweit die Landesjustizverwaltung ein Bedürfnis hierfür als vorhanden annimmt, können zur Entscheidung von Handelsstreitigkeiten bei dem L. Kammern für Handelssachen gebildet werden, besetzt mit einem Mitglied des Landgerichts als Vorsitzendem und zwei Handelsrichtern. Letztere werden auf Vorschlag der Vertretung des Handelsstandes ehrenamtlich auf drei Jahre ernannt. Die Zivilkammern sind ferner die Berufungs- und Beschwerdeinstanz in den vor die Amtsgerichte in erster Instanz gehörigen Rechtssachen. Sie entscheiden in der Besetzung von drei Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. – Die Strafkammern entscheiden in erster Instanz über leichtere Verbrechen und über die Vergehen, insoweit sie nicht den Schöffengerichten (s. d.) überwiesen sind. Die schweren Verbrechen gehören vor die Schwurgerichte (s. d.), welche bei den Landgerichten periodisch zusammentreten. Die Strafkammern sind in zweiter Instanz zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die erstinstanzlichen Urteile der Schöffengerichte und ebenso über Beschwerden gegen Entscheidungen der letztern. Ferner haben die Strafkammern über Beschwerden gegen Verfügungen des Untersuchungsrichters zu entscheiden, und ebenso haben sie im Lauf der Voruntersuchung diejenigen Entscheidungen zu erteilen, welche nach der Strafprozeßordnung vom Gericht und nicht von dem Untersuchungsrichter ergehen. Die Strafkammern sind in der Hauptverhandlung mit fünf Mitgliedern, in der Berufungsinstanz bei Übertretungen und in den Fällen der Privatklage mit drei Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden, besetzt. Letztere Besetzung ist für Entscheidungen, die nicht in der Hauptverhandlung erteilt werden, gleichfalls genügend. Bei größerer Entfernung des Landgerichtssitzes kann bei einem Amtsgericht für einen oder für mehrere Amtsgerichtsbezirke eine (detachierte) Strafkammer gebildet werden. Vgl. Gericht.