Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Landfriede“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 452453
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Landfriede. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 452–453. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Landfriede (Version vom 22.10.2022)

[452] Landfriede (Constitutio pacis, Pax instituta, jurata), eine Institution zur Beseitigung der Fehden und Sicherung des öffentlichen Friedens im deutschen Mittelalter. Auch der öffentliche Friede selbst wurde L. (Pax publica) genannt, indem die Staatsidee seit der Entwickelung der Monarchie im fränkischen Reich zuerst in der Gestalt eines Königsfriedens, d. h. in der Form eines vom König über den ganzen Staat ausgehenden Rechtsschutzes, hervortrat. Einschränkungen des Fehdeunwesens wurden nun zuerst dadurch bewirkt, daß man die Fehde (s. d.) zwar [453] nicht für unstatthaft erklärte, jedoch gewisse Formen vorschrieb, welche bei einer solchen beobachtet werden mußten, namentlich die förmliche Ankündigung der Fehde. Dazu kam das Institut des sogen. Gottesfriedens (s. d.). Ein weiterer Schritt geschah dadurch, daß man für bestimmte Zeit und für gewisse Landesteile einen Landfrieden zu stande brachte. Zuerst im 11. Jahrh. begannen die Könige und Fürsten Deutschlands sich und alles Volk eidlich zu verpflichten, für eine bestimmte Zeit (2, 4, 5 Jahre und mehr) allen Fehden und Gewaltthätigkeiten zu entsagen, Mörder und Räuber zu verfolgen, nicht bloß selbst jede Störung des Friedens zu meiden, sondern auch bei andern nach Kräften zu hindern. Zwar waren Gewaltthätigkeiten und Verbrechen schon durch Gesetz allgemein verpönt; indes weil die herkömmlichen Rechtsinstitutionen gegen das überhandnehmende Raub- und Fehdewesen nicht ausreichten, suchte man Abhilfe in den beschwornen Friedenseinigungen. In der Regel wurde nach einer solchen Vereinbarung ein Friedebrief erlassen, in welchem die Fälle der Friedensstörung sowie die Bestrafung der Friedensbrecher genau bestimmt waren. Diese Landfriedenskonstitutionen nahmen allmählich den Charakter von Reichsgesetzen an. Wirkliche Reichsfriedenskonstitutionen ohne Zeitbeschränkung wurden zuerst von den Kaisern Friedrich I., Friedrich II. und Heinrich VII. erlassen; doch fanden es auch diese für nötig, ihre Friedensgebote von Fürsten und Volk beschwören und diesen Schwur von Zeit zu Zeit wiederholen zu lassen. So hat sich auch Rudolf von Habsburg begnügt, das Gesetz vom Jahr 1235 in einzelnen Teilen des Reichs immer wieder von neuem für einige Jahre beschwören zu lassen. Beim Verfall der Reichsgewalt und der Mangelhaftigkeit des Reichsgerichtswesens mußten seit dem 13. Jahrh. die Territorialgewalten auf die Aufrechthaltung von Recht und Ordnung bedacht sein. So haben Ottokar von Böhmen und die Herzöge von Bayern landesherrliche Friedensordnungen erlassen. Die kleinern Fürsten, Städte und Herren suchten dies durch Landfriedensbündnisse zu erreichen, indem sie sich gegenseitig verpflichteten, ihre Streitigkeiten nicht mit den Waffen, sondern auf dem Weg Rechtens vor erwählten Schiedsrichtern zum Austrag zu bringen. In dieser Richtung war besonders der rheinische Städtebund thätig. König Wenzel versuchte 1383, 1389 und 1398 vergeblich, diesen Separatbündnissen ein Ende zu machen und eine allgemeine Einigung, die in mehrere Landfriedenskreise zerfallen sollte, zu stande zu bringen. Mit Mühe brachte Siegmund 1431 während des Hussitenkriegs einen allgemeinen Landfrieden auf ein Jahr zu stande. Die sogen. Reformation Friedrichs III. von 1442 sowie die Landfrieden von 1467, 1471, 1474, 1486 waren verunglückte Versuche. Erst Maximilian I. proklamierte zu Worms 7. Aug. 1495 durch eine Einigung aller Reichsstände den Ewigen Landfrieden, der jede Fehde für immer verbot; das Reichskammergericht wurde eingesetzt, das Reich in Landfriedenskreise eingeteilt, an deren Spitze ein Kreishauptmann stand, zur Beschaffung der Geldmittel für das Gericht und die bewaffnete Exekution seiner Urteile der Gemeine Pfennig (s. d.) eingeführt. Diese Reformen gerieten allerdings bald wieder in Verfall, und der L. mußte in den Reichstagsabschieden immer von neuem geboten werden. Auch der Augsburger Religionsfriede von 1555 war zugleich ein L. Daneben erhielt sich freilich 1488–1530 die Separatlandfriedenseinigung des Schwäbischen Bundes. Während die ältern Landfrieden eine Menge andrer Verbrechen und Vergehen verboten und mit Verfolgung bedrohten, dagegen unter Beobachtung gewisser beschränkender Formen eine Fehde erlaubten, erklärte der L. von 1495 jede eigenmächtige Anwendung von Waffengewalt, auch eine früher erlaubte Fehde, für Landfriedensbruch und belegte sie mit einer Strafe von 2000 Mark lötigen Goldes; die andern Verbrechen und Vergehen blieben der Kriminalgerichtsordnung vorbehalten. Der L. von 1548 erklärte auch jede „Konspiration oder Bündnuß wider den andern“ für einen Landfriedensbruch, doch hat man dies später wieder fallen lassen. Einer der letzten energisch unterdrückten Landfriedensbrüche, gewöhnlich der letzte Bruch des Landfriedens genannt, sind die Grumbachschen Händel (s. Grumbach). Vgl. Böhlau, Novae constitutiones domini Alberti, d. i. der L. vom Jahr 1235 (Weim. 1858); Busson, Zur Geschichte des großen Landfriedensbundes deutscher Städte (Innsbr. 1874); Eggert, Studien zur Geschichte des Landfriedens (Götting. 1876); Göcke, Anfänge des Landfriedens (Düsseld. 1875); Nitzsch, Heinrich IV. und der Gottes- und Landfriede (in „Forschungen zur deutschen Geschichte“, Bd. 21); Herzberg-Fränkel, Die ältesten Land- und Gottesfrieden (das., Bd. 22); Lehmann, Der Königsfriede der Nordgermanen (Bresl. 1886).