Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Krim“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 222224
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Krim. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 222–224. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Krim (Version vom 28.10.2022)

[222] Krim (russ. Krym, franz. la Crimée), Halbinsel im südlichen Rußland, zum Gouvernement Taurien gehörig und daher auch Taurische Halbinsel genannt, bildet eine 25,700 qkm (466,7 QM.) große Landmasse, die nur durch die schmale, 5–7 km breite Landenge von Perekop zwischen dem Schwarzen und Asowschen Meer mit dem russischen Festland zusammenhängt (s. Karte). Die Küsten bilden eine Menge von Buchten und mehr oder weniger brauchbaren Häfen. Neben der Landenge von Perekop liegt westlich der Karkinitische Busen oder das Tote Meer, östlich der Siwasch oder das Faule Meer. Die K. zerfällt physisch in zwei Abteilungen: eine monotone Ebene (Krimsche Steppe), die, eine Fortsetzung der großen südpontischen Steppe, sich über drei Viertel der ganzen Halbinsel erstreckt und unzählige Viehherden ernährt, sonst aber fast gar nichts erzeugt, und eine Bergregion, welche den südlichen Teil einnimmt und die großartigsten und schönsten Landschaftsbilder darbietet. Südlich von Simferopol nimmt das Land mit den ansteigenden Höhen allmählich einen reichern Charakter an; herrliche Wiesen wechseln mit Feldern, Gärten und Wäldern ab. Jüngeres Kalkgebirge steigt in Hügeln und Bergzügen auf und bildet die Vorstufe zu dem isolierten System des Taurischen Gebirges (s. d.). Die beträchtlichsten Gewässer sind: der Salghir mit dem Karasu, die Alma, Katscha, der Belbek und die Tschernaja Reetschka, die sämtlich auf der Nordseite des ältern Gebirges entspringen, in ihrem Oberlauf in zahllosen Kaskaden durch enge, üppig bewaldete Schluchten sprudeln, dann durch die geräumigen Thäler des Gebirgsvorlandes an zahllosen Dörfern vorbeifließen und endlich das jüngere Kalkgebirge durchbrechen, um in weit ausgewaschenen Thalniederungen langsam durch die Steppe dem Meer zuzufließen. Das Gebirge hält die erstarrenden Winterwinde aus N. und NO. ab und macht auf diese Weise bei dem vorzüglichen Klima den schmalen Küstensaum mit den malerisch steilen Bergabhängen zwischen Neusudak und Balaklawa zu einer paradiesischen Region, die bei subtropischer Vegetation den mannigfachsten Wechsel von prächtigen Villen, Festen und Ruinen der Vorzeit, Klöstern und tatarischen Moscheen, schönen Gärten, Weinbergen und herrlichen Olivenhainen darbietet und längst ein Lieblingsaufenthalt [223] russischer Großen geworden ist. Während die Gebirge von Eichen-, Buchen- und Nadelwäldern (Pinus sylvestris und laricio) bedeckt sind, wachsen am Fuß derselben Lorbeerbäume, Cypressen und Feigenbäume. Vollständig akklimatisiert haben sich auf diesem schmalen Küstenstrich auch: Oleander, Magnolien, Tulpenbäume, Bignonien, Myrten, Kamelien, Mimosen, Granaten, Papiermaulbeerbaum etc. Die hauptsächlichsten Produkte der K. sind: Getreide, Hirse, Tabak, vortrefflicher Wein und eine Menge des vorzüglichsten Obstes. Auch die Bienen-, Seidenraupen-, Pferde-, Kamel-, Rindvieh- und Schafzucht ist erheblich. Die krausen, unter dem Namen der Merluschki oder krimschen Baranken bekannten Lämmerfelle sind ein gesuchter Handelsartikel. An Mineralien werden

Karte der Halbinsel Krim.

gewonnen: Porphyr, verschiedenfarbiger Marmor, Kalkstein und Salz aus den Seen, welche, an 400, in drei Gruppen verteilt, alle stark salzhaltig sind. Die reichste Ausbeute geben die südlich von Perekop, eine geringere die auf der Halbinsel Kertsch und um Eupatoria gelegenen. Außer diesen drei Seegruppen befinden sich auch einige Salzseen auf der Landzunge von Arabat. Über die ethnographischen und wirtschaftlichen Verhältnisse der K. s. Taurien.

Die Halbinsel hieß im Altertum Taurische Chersonesos von den Tauriern, die man für Reste der von den Skythen in das Gebirge gedrängten Kimmerier hält. Neuere Forscher in der K. verlegen das in der Sage vom Argonautenzug beschriebene Land Kolchis hierher. Seit 600 v. Chr. blühten daselbst griechische, von Milet gegründete Kolonien. Zur Zeit der Perserkriege bildete sich das Bosporanische Reich (s. d.), welches nicht bloß die Halbinsel umfaßte, sondern auch auf die Ostküste des Asowschen Meers sich ausdehnte, unter Mithridates seine höchste Macht erlangte, 47 v. Chr. von den Römern unterworfen wurde und sich unter römischer Oberherrschaft bis in die Völkerwanderung erhielt, wo die Hunnen es gänzlich zerstörten. Nach diesen wurde die K. von den Chasaren eingenommen und 640 unter dem Kaiser Heraklios mit dem byzantinischen Reich vereinigt. Nachdem in den folgenden Jahrhunderten Kumanen, Petschenegen und andre Barbarenvölker das Land verwüstet hatten, drangen 1237 die Tataren herein und gaben ihm den Namen K. („Festung“). Die Venezianer trieben bedeutenden Handel dahin, wurden aber von den Genuesen verdrängt, welche 200 Jahre lang den Alleinhandel in der K. besaßen und, wie die Griechen, an der Südküste Städte und Burgen bauten. Ihre Hauptniederlagen waren: Kaffa, Sudak und Balaklawa. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. wurden die Genuesen von den Türken vertrieben, und 1478 ernannte Mohammed II. den Tataren Mengli Gherai zum Chan der K. und der nördlichen Pontusküste (Kleinen Tatarei) unter Oberherrschaft der Pforte. 1736 drangen die Russen zum erstenmal verwüstend in die K. ein; 1757 wurde der seinen Unterthanen verhaßte Alyn Gherai von den nogaischen Tataren vom Thron gestoßen und Kerim Gherai zum Chan ernannt. Im Frieden von Kütschük Kainardschi mußte die Pforte die K. als unabhängig anerkennen, die jedoch in Wirklichkeit nun ganz in Abhängigkeit von Rußland kam. Als 1779 die Tataren ihren Chan Sahib Gherai vertrieben, setzten die Russen ihn wieder ein, zwangen ihn aber nachher, gegen ein Jahrgeld der Herrschaft ganz zu entsagen, und 1783 wurde die Halbinsel dem russischen Reich völlig einverleibt. In den Jahren 1854–56 war die K. Schauplatz des vorletzten russisch-türkischen Kriegs (s. Krimkrieg). Vgl. Koch, Die K. und Odessa (Leipz. 1855); Th. v. Grimm, Die Taurische Halbinsel (Berl. 1855); Remy, Die K. in ethnographischer, landschaftlicher und hygienischer Beziehung (Leipz. 1872); Telfer, The Crimea and Transcaucasia (London 1876, 2 Bde.); Ssonogorow, Führer durch die K. (russ., [224] 2. Aufl., Odessa 1880); Canale, Della Crimea e dei suoi dominatori dalle sue origini fino al trattato di Parigi (Genua 1856, 3 Bde.); „Antiquités du Bosphore cimmérien“ (Petersb. 1854, 3 Bde.).