MKL1888:Korrespondenzblatt zum siebenten Band

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 7 (1887), Seite 10251028
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Korrespondenzblatt zum siebenten Band. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 1025–1028. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Korrespondenzblatt_zum_siebenten_Band (Version vom 18.07.2021)
[1025]
Korrespondenzblatt zum siebenten Band.
(Ausgegeben am 21. April 1887.)

J. v. W. in Weimar. Die im Verlag des Bibliographischen Instituts erschienene „Geschichte der neuern Litteratur“ von Professor Adolf Stern umfaßt sieben Bände folgenden Inhalts:

Band I: Frührenaissance und Vorreformation.
II: Hochrenaissance und Reformation.
III: Gegenreformation und Akademismus.
IV: Klassizismus und Aufklärung.
V: Rückkehr zur Natur und die goldene Zeit der neuen Dichtung.
VI: Liberalismus und Demokratismus.
VII: Realismus und Pessimismus.

Wie Hettners „Litteraturgeschichte des 18. Jahrhunderts“, so ist auch Sterns Darstellung der europäischen Litteraturentwickelung während der letzten sechs Jahrhunderte bestimmt, das Interesse weiterer Bildungskreise für die Leistungen der Dichter und Schriftsteller anzuregen. Von Dante und Chaucer bis herab auf Heyse, Zola, Carducci und Turgenjew werden uns die bedeutendern Dichter aller europäischen Völker und Nordamerikas in ihrem Leben und nach ihren Werken geschildert. Ohne Voreingenommenheit sucht Stern den verschiedensten Persönlichkeiten und entgegengesetztesten Richtungen gerecht zu werden, und als besonderer Vorzug ist zu rühmen, daß der Verfasser durch kluges Maßhalten und ebenso kurze wie scharfe Charakteristik es verstanden hat, die Dichter und ihre Werke vor unsern Augen lebendig und anschaulich werden zu lassen. Wir wissen ihm Dank für die persönliche Wärme, die er mit der vom Historiker geforderten objektiven Haltung zu vereinen weiß. Die Erscheinungen der Litteratur setzt er mit Recht stets in enge Beziehung zu der politischen Entwickelung der Epoche. Indem er auf die allgemein herrschenden Strömungen, welche den Gang der Litteraturgeschichte mit bestimmen, hinweist, wird er doch auch den einzelnen Individualitäten gerecht. Die bewußte und unbewußte Abhängigkeit des Einzelnen von der bestimmten Richtung seiner Zeit, wie der Einzelne die eingebornen Anlagen unter dem Druck der allgemeinen Entwickelung verwertet, wird von Stern in trefflicher Weise zur Anschauung gebracht. Indem er von den großen Wandlungen der politischen Geschichte ausgeht, tritt er doch völlig unbefangen an die einzelnen poetischen Leistungen heran. Er bleibt, und man wird im Hinblick auf andre Litteraturgeschichten diesen Vorzug zu würdigen wissen, frei von aller systematischen Voraussetzung, der zuliebe so oft den historischen Thatsachen Gewalt angethan wird. Nach jeder Seite hin hat Stern seine gewaltige Aufgabe, die nur in Angriff zu nehmen einen kühnen Mut erforderte, glänzend gelöst. Fleiß und Wissen wie Sicherheit des Urteils und Geschmack in der Darstellung, Größe der historischen Auffassung im ganzen wie philologische Genauigkeit im einzelnen zeichnen die Arbeit aus, die nicht nur in weitern Kreisen der Gebildeten das Verständnis für die Litteratur und ihre Geschichte fördern kann, sondern auch den Fachgenossen vielfach Anregung bietet („Archiv für Litteraturgeschichte“, Bd. 14, 1886).

H. P. in Friedland (Mecklenb.). Wir haben die nämliche Frage schon im Korrespondenzblatt (Heft 5/6 des 5. Bandes) beantwortet.

J. Wöller in Posen. Die Erklärung des neuen deutschen Infanteriegewehrs M/71.84 (mit den nötigen Abbildungen) werden Sie im Artikel „Handfeuerwaffen“ finden.

Maler H. in Leipzig. Ihr schönes Bild von den Sinterterrassen in Neuseeland, welches wir in vorliegendem Band unserm Artikel „Geiser“ beigegeben haben, besitzt leider nur noch historisches Interesse. Am 10. Juni 1886 sind diese wunderbaren Bildungen durch vulkanische Kräfte zerstört worden. Die Zeitungen und Journale haben viel über die Katastrophe berichtet, und es wird genügen, wenn wir hier ein kurzes Referat nach dem Bericht des Landesgeologen Hector geben. Das Seen- und Geisergebiet liegt auf der Nordinsel zwischen den thätigen Vulkanen Tongariro und Wakari. Als erloschen galt der Taraweraberg im O. des gleichnamigen Sees mit seinen drei Gipfeln Wahanga, Ruawahia und Tarawera, dessen Zusammensetzung aus rezenten vulkanischen Gesteinen indes auf ein jugendliches Alter hindeutet. Und in der That brach aus diesem Vulkan nach unbedeutenden Vorboten 10. Juni das Unheil hervor. Morgens um 12½ Uhr traten heftige Erderschütterungen ein, dann folgten Ausbrüche aus allen drei Gipfeln des Tarawera, und es öffnete sich eine lange Spalte an der Ostseite des Gebirges, die, wie es scheint, vollkommen weggeblasen wurde. Weitaus heftiger gestaltete sich die zweite Phase. Kurz vor 4 Uhr öffnete sich die Rotomahanaspalte, und enorme Mengen von Wasserdampf und Bimssteinstaub wurden ausgeschleudert. Die Höhe der Aschensäulen schätzte man auf 6700 m, und noch in einer Entfernung von 200 km von der Küste wurden Schiffe mit Asche beworfen. Sturm, Gewitter und Regengüsse waren die Begleiter dieser Katastrophe. Die ganze Gegend erhielt ein verändertes Ansehen. Von der Südseite des Tarawera, wo sich eine kolossale Vertiefung gebildet hat, zieht sich die erwähnte Kluft bis zum Okarosee, so daß ihre Richtung mit der Linie Tongariro-Wakari zusammenfällt. Der Rotomahanasee, welcher ganz innerhalb der Kluft fällt, hat sich in einen siedenden Schlammsumpf verwandelt, und die berühmten Sinterterrassen sind weggeblasen. Als Hector das Terrain besuchte, stiegen aus der Kluft noch immer Dampfsäulen von 200 m Durchmesser und 3700 m Höhe empor. Die Auswurfsmassen bestanden teils aus losgerissenem Gestein des Untergrundes, teils aus Bimssteinsand und grauem Schlamm. Der Bimssteinsand bedeckt in beträchtlicher Mächtigkeit ca. 200 qkm im NO. und S. des Tarawerabergs, feinerer Niederschlag gelangte 2 km weit vom Eruptionsherd. Die Schlammablagerungen breiten sich 3 km südlich von der völlig zerstörten Ortschaft Wairoa bis zur Plentybai aus und haben bei Wairoa eine Mächtigkeit von 30 cm. Trotz der Großartigkeit der Katastrophe betrachtet sie Hector doch nur als ein lokales Phänomen. Nach langer Trockenheit fielen 9. Juni heftige Regengüsse, und durch die vorhergegangenen Erdbeben war dem Wasser der Zugang zu den unterirdischen Wärmeherden geöffnet worden. Die Explosion erfolgte daher lediglich durch heftige und massenhafte Dampfbildung.

L. Schumann in Luxemburg. Die Angabe in unserm Artikel „Australien“, daß dieser Erdteil im S. vom Indischen Ozean begrenzt wird, beruht auf der von den meisten Geographen angenommenen Abgrenzung der Ozeane, wonach der Meridian des Südkaps der Insel Tasmania den Indischen vom Stillen Ozean scheidet. Will man aber, wie das einige englische Geographen thun, den Meridian des Kap Leeuwin als Ostgrenze des Indischen Ozeans gelten lassen, [1026] so darf man doch nicht den östlich davon bis zum vorgedachten Meridian Tasmanias gelegenen Meeresteil dem Stillen Ozean zurechnen. Die Engländer nennen denselben Südlichen Ozean (Southern Ocean). Unsre von der großen Mehrzahl der Geographen vertretene Einteilung, die wir auch sonst durchweg festgehalten haben, ist ganz ohne Zweifel jener andern, die sich nicht einmal in England volles Bürgerrecht hat erwerben können, bei weitem vorzuziehen.

Joseph Czech in Langendorf. Wir glauben kaum, daß jemand das Vertrauen zu unserm Lexikon verlieren wird, weil in demselben eine Biographie von Konrad Deubler fehlt. Übrigens ist der Mann in der Biographie Ludwig Feuerbachs erwähnt. Wir wollen nun auch an dieser Stelle noch ein paar Worte hinzufügen. Deubler, der „Bauernphilosoph“ von Goisern bei Ischl, wurde geboren 26. Nov. 1814 als Sohn eines armen Bergarbeiters, er erlernte die Müllerei und fand neben schwerer Arbeit Zeit und Lust, sich zu unterrichten. Auf Reisen nach Wien, Venedig, Dresden lernte er die Welt kennen und geriet nach seiner Heimkehr in schwere Konflikte mit der Obrigkeit. Als Hochverräter und Religionsstörer erntete er Zuchthausstrafe, wurde wiederholt interniert und zuletzt vom Kaiser begnadigt, um in Ruhe seine Tage zu beschließen. Er starb 31. März 1884. Deubler war ein hochbegabter Autodidakt, seine Lebensphilosophie schöpfte er aus den Werken von Feuerbach, Strauß, Häckel u. a., und in der Biographie Feuerbachs ist erwähnt, daß letzterer ihn seiner Freundschaft würdigte. Auch Verse, die teilweise recht gelungen sind, hat er geliefert, und in seinem Nachlaß fand sich eine äußerst sinnig geschriebene Autobiographie. Dies ist, was etwa über Konrad Deubler zu sagen wäre. Die Biographie, seine Tagebücher und seinen Briefwechsel hat Dodel-Port (Leipz. 1886, 2 Bde.) herausgegeben und zwar mit der Tendenz, zu zeigen, „daß der Mensch auch ohne Religion ein braver Bürger, ein tugendhaftes Mitglied der Gesellschaft sein könne, daß das eine Lüge sei, als führe der naturwissenschaftliche Materialismus zur Vertierung des Menschen“. Wir haben hier keine Kritik des Buches zu geben, aber so viel darf bemerkt werden, daß das immerhin interessante und lesenswerte Werk weniger des Konrad Deubler als jener Tendenz halber geschrieben zu sein scheint, daß Deublers bisweilen wohl etwas zugestutztes Lebensbild nur als ganz brauchbares Beispiel benutzt worden ist.

Buchhandlung V. in Bremen. Ein den Sprachschatz der lateinischen Sprache in der gedachten Weise darstellendes Werk ist nicht vorhanden, nur Vorarbeiten dazu, ganz besonders in Pauckers Schriften. Für Plautus gibt eine im wesentlichen vollständige Gruppierung des Substantivschatzes die im Verlag von B. G. Teubner in Leipzig 1881 erschienene Arbeit von H. Rassow: „De Plauti substantivis“.

H. Keil in Breslau. Die summarischen Ergebnisse der am 30. Mai 1886 vollzogenen Volkszählung in Frankreich (und Algerien) sind am 5. Jan. 1887 im „Journal officiel“ veröffentlicht worden. Sie beziehen sich auf die Bevölkerung in den Departements und in den 53 Städten über 30,000 Einw., während offizielle Angaben über die Orts-, resp. Gemeindebevölkerung im allgemeinen zur Zeit noch nicht vorliegen. Nach jener amtlichen Bekanntmachung hat sich die Bevölkerung Frankreichs seit der vorangegangenen Zählung (Dezember 1881) von 37,672,048 auf 38,218,903 Seelen, also um 546,855, vermehrt. Näheres ist aus der nachfolgenden Aufstellung ersichtlich, die Ihnen gleichzeitig zur Berichtigung der bisherigen Artikel dienen mag.

I. Bevölkerung der Departements 30. Mai 1886.
Ain 364408
Aisne 555925
Allier 424582
Alpen: Niederalpen 129494
 Oberalpen 122924
 Seealpen 238057
Ardèche 375472
Ardennen 332759
Ariége 237619
Aube 257374
Aude 332080
Aveyron 415826
Calvados 437267
Cantal 241742
Charente 366408
 Unter-Charente 462803
Cher 355349
Corrèze 326494
Corsica 278501
Côte d’Or 381574
Côtes du Nord 628256
Creuse 284942
Dordogne 492205
Doubs 310963
Drôme 314615
Eure 358829
Eure-et-Loir 283719
Finistère 707820
Gard 417099
Gers 274391
Gironde 775845
Hérault 439044
Ille-et-Vilaine 621384
Indre 296147
Indre-et-Loire 340921
Isère 581680
Jura 281292
Landes 302266
Loir-et-Cher 279214
Loire 603384
 Ober-Loire 320063
 Unter-Loire 643884
Loiret 374875
Lot 271514
Lot-et-Garonne 307437
Lozère 141264
Maas (Meuse) 291971
Maine-et-Loire 527680
Manche 520865
Marne 429494
 Ober-Marne 247781
Mayenne 340063
Meurthe-et-Moselle 431693
Morbihan 535256
Nièvre 347645
Nord 1670184
Obergaronne 481169
Oberrhein (Belfort) 79758
Ober-Saône 290954
Oise 403146
Orne 367248
Pas de Calais 853526
Puy de Dôme 570964
Pyrenäen, Nieder- 432999
 Oberpyrenäen 234825
 Ostpyrenäen 211187
Rhône 772912
Rhônemündungen 604857
Saône-et-Loire 625885
Sarthe 436111
Savoyen 267428
 Ober-Savoyen 275018
Seine 2961089
 Niederseine 833386
Seine-et-Marne 355136
Seine-et-Oise 618089
Sèvres (Deux-) 353766
Somme 548982
Tarn 358757
Tarn-et-Garonne 214046
Var 283689
Vaucluse 241787
Vendée 434808
Vienne 342785
 Obervienne 363182
Vogesen (Vosges) 413707
Yonne 355364
Zusammen: 38218903
II. Bevölkerung der Städte über 30,000 Seelen.
Amiens 80288
Angers 73044
Angoulême 34647
Avignon 41007
Besançon 56511
Béziers 42785
Bordeaux 240582
Boulogne
 (Pas de Calais) 45916
 (Seine) 30084
Bourges 42829
Brest 70778
Caen 43809
Calais 58969
Cette 37058
Cherbourg 37013
Clermont-Ferrand 46718
Dijon 60855
Douai 30030
Dunkerque 38025
Grenoble 52484
Havre, Le 112074
Laval 30627
Levallois-Perret 35649
Lille 188272
Limoges 68477
Lorient 40055
Lyon 401930
Mans, Le 57591
Marseille 376143
Montpellier 56765
Nancy 79038
Nantes 127482
Nice 77478
Nîmes 69898
Orléans 60826
Paris 2344550
Pau 30626
Perpignan 34183
Poitiers 36878
Reims 97903
Rennes 66139
Rochefort 31256
Roubaix 100299
Rouen 107163
St.-Denis 48009
St.-Etienne 117875
St.-Quentin 47353
Toulon 70122
Toulouse 147617
Tourcoing 58008
Troyes 6972
Tours 59585
Versailles 49852
III. Bevölkerung in Algerien.
Departements Zivilterritorium Militärterritorium Zusammen
Algier 1202768 177773 1380541
Konstantine 1369153 197266 1566419
Oran 752554 117951 870505
Zusammen: 3324475 492990 3817465

[1027] v. M. in Neiße. Es liegt durchaus außerhalb unsrer Aufgabe, zu den Angaben über das Heerwesen der verschiedenen Staaten auch die geschichtliche Entwickelung derselben ausführlich zu behandeln, da dem allgemeinen Interesse mit einer zuverlässigen Darstellung der gegenwärtigen Verhältnisse doch viel mehr gedient sein muß. Indessen entsprechen wir gern Ihrem Wunsch und lassen nachstehend einen kurzen Abriß der Geschichte des englischen Heerwesens folgen.

In der angelsächsischen Zeit war jeder Mann verpflichtet, zur Verteidigung des Vaterlandes die Waffen zu führen, Schild, Schwert und Lanze, oder Bogen und Speer. Diese bewaffnete Macht hieß „Fyrd“. Aber Knut d. Gr. hielt sich schon eine Leibwache von 6000 Mann, die „Huskarle“, um gegen die Überfälle der Dänen stets schlagfertig zu sein. Wilhelm der Eroberer teilte das Land in Ritterlehen. Die Ritter mit ihren Hörigen mußten sich jährlich 14 Tage bewaffnet dem König zu Diensten stellen. Aber die hundertjährigen Kriege gegen Frankreich zwangen zum Söldnerwesen, zumal durch Gesetz von 1328 bestimmt war, daß kein Engländer zum Kriegsdienst außer Landes verpflichtet sei. Die insulare Lage Englands und die steigende Bedeutung seines Handels waren Ursache, daß es so blieb, so daß noch heute das Gesetz von 1328 als die Grundlage der englischen Kriegsverfassung gilt. Inzwischen war aus den Fyrd (1181) die Miliz durch Parlamentsbeschluß hervorgegangen, wonach jeder Freie (seit 1285) zwischen 15 und 60 Jahren sich zu bewaffnen hatte. 1352 wurde zwar durch Gesetz bestimmt, daß der König ohne Zustimmung des Parlaments keine Truppen ausheben dürfe; doch wurde in der Folge oft dagegen verstoßen, um ein stehendes Heer zu schaffen. So mußten die nach ihrer Rückkehr aus Spanien 1625 unter Waffen gehaltenen Truppen 1628 aufgelöst werden. Die Armeen des Bürgerkriegs waren Söldnertruppen. Nach der Restauration 1660 wurde das stehende Heer auf Antrag des Parlaments aufgelöst, und die Bill of Rights, der Vertrag Wilhelms von Oranien mit der englischen Nation, von 1683 erklärte die Errichtung oder Beibehaltung eines stehenden Heers im Königreich ohne Bewilligung des Parlaments für unzulässig. Auf Grund dieser Bill, welche keinerlei Wehrpflicht des englischen Volkes im stehenden Heer kennt, muß die Mutiny-Akte jährlich noch jetzt dem Parlament vorgelegt werden, der Act of Settlement (1706) verbietet Anstellung Fremder im Heer aus Besorgnis, daß bei der Käuflichkeit der Offizierstellen, einer das englische Heerwesen recht charakterisierenden Einrichtung, welche erst 1871 (gegen den Willen des Oberhauses) abgeschafft wurde, diese von Fremden erworben werden könnten. Ein Haupthindernis der Unterhaltung eines stehenden Heers war das Verbot, Truppen bei den Bürgern einzuquartieren. Die Krone suchte zwar Hilfe im Barackenbau, doch wurde auch dieser vom Parlament beschränkt; 1697 waren 5000 Mann so untergebracht. 1792 lagen 20,847 Mann in 43 Festungen und Garnisonen, für Verstärkungen wurden Zeltlager errichtet. Neben dem stehenden Söldnerheer und der Miliz hatte sich schon frühzeitig die Institution der Freiwilligen entwickelt. Nach der Vereinigung der drei Königreiche wurden bei drohender Gefahr von den Landherren und Städten mit Hilfe der Krone, welche Waffen und Ausrüstung lieferte, Freiwilligenkorps errichtet, später geschah dies in den Grafschaften durch das Parlament. Auch die Miliz war nach der Restauration reorganisiert und je nach Größe der Grafschaft in eine Anzahl Infanterie- und Kavalleriekorps geteilt worden. Die Offiziere wurden mit Genehmigung der Krone vom Lord-Lieutenant ernannt. 1786 bestätigte das Parlament die Reorganisation, durch welche nun in jeder Grafschaft eine bestimmte Anzahl Männer zu dreijähriger Dienstpflicht in der Miliz oder zur Stellung eines Stellvertreters verpflichtet wurde. Die heutige Organisation der Miliz beruht im wesentlichen auf den Gesetzen von 1802, 1859 und 1875.

Das englische Landheer ist somit geblieben, was es seit Jahrhunderten war, ein Söldnerheer, und nimmt in dieser Beziehung eine Sonderstellung unter den Heeren Europas ein, die in der sozialen und politischen Entwickelung des Landes ihre Begründung und in den Handelsrepubliken Karthago und Venedig ihre geschichtlichen Vorbilder hat. Allerdings ist England dadurch, daß es von jeher verstand, den Hauptteil seiner Kriegsarbeit durch Fremde verrichten zu lassen, militärisch zurückgeblieben, wie seine Kriege in Südafrika und im Sudân beweisen; aber durch Geld wußte es zu erreichen, was den Waffen nicht gelang. Ob dies bei der fortschreitenden moralischen Entartung der Armee auf die Dauer möglich sein wird, bleibt abzuwarten.

England ist durch seine insulare Lage auf den Seeverkehr angewiesen, aus dem sich naturgemäß der Seehandel entwickeln mußte. Es ist ein besonderes Verdienst Heinrichs VIII., durch einsichtsvolle Unterstützung der seemännischen Erziehung des englischen Volkes die Entwickelung des Seehandels sehr gefördert zu haben. Auch für die Beförderung zum Seeoffizier machte er die seemännische Ausbildung von unten herauf zur Vorbedingung. Das durch die Entdeckung Amerikas und die Bildung der Ostindischen Kompanie erweiterte Seehandelsgebiet unter Gründung überseeischer Kolonien hatte mit der Vermehrung der Handelsflotte auch naturgemäß die der Kriegsflotte zu deren Schutze zur Folge. Die Königin Elisabeth wurde so zur Begründerin der englischen Seemacht. Bei ihren Unternehmungen gegen Spanien konnte sie bereits eine Flotte von 42 größern Kriegsschiffen mit 8526 Mann Besatzung in See gehen lassen. Die Handelsschiffe der Ostindischen Kompanie erhielten eine Ausrüstung wie Kriegsschiffe, um die Kriegsflotte unterstützen zu können. 1689, bei der Vertreibung Jakobs II., zählte die Kriegsflotte 173 Schiffe mit 6930 Kanonen und 43,000 Mann Besatzung und gelangte unter Wilhelm III. zu einer die Meere beherrschenden Machtstellung, die sie in den bis in den Anfang unsers Jahrhunderts fortdauernden Kämpfen mit Frankreich sich zu erhalten vermochte, obgleich auch die französische Marine durch Richelieu und Seignelay zu hoher Blüte entwickelt wurde. In jenen Zeiten gewann die englische Marine den volkstümlichen Charakter, der sich bis heute erhalten. Im J. 1755 zählte sie 263 Schiffe, darunter 121 Linienschiffe und Fregatten, mit 11,720 Kanonen und 80,200 Mann Besatzung. Unter der genialen Führung Nelsons im Kampf gegen die französische Republik erreichte sie dann um 1800 das Maximum ihrer Stärke von 1108 Kriegsschiffen, darunter 293 Linienschiffe, 258 Fregatten mit 29,000 Kanonen und 175,000 Mann. In der Folgezeit erwarb sich die englische Kriegsflotte Ruhm im Dienste der Wissenschaft auf Erforschungsreisen und der Humanität zur Unterdrückung des Sklavenhandels. Größere Umwälzungen bahnten sich dann an durch Einführung der Dampfschiffe und des Panzers. Dem Vorgang Frankreichs, wo 1858 das erste Panzerschiff auf Stapel gelegt wurde, mußte Großbritannien, trotzdem es dem Bau der Panzerschiffe, [1028] die man ein kostspieliges Experiment nannte, wenig Sympathie entgegenbrachte, doch zu folgen sich entschließen und legte im Mai 1859 das erste Panzerschiff, den Warrior, auf Stapel. Hiermit beginnt der Wettstreit zwischen England und Frankreich im Bau immer stärkerer Panzerschiffe, der wahre Unsummen Geldes verschlang. Das Bestreben, allen andern Marinen den Vorrang abzulaufen, brachte der englischen Flotte die zahllosen Schiffstypen, die ihr nicht nur als ein taktischer Mangel an Kampfstärke angerechnet werden müssen, sondern auch deshalb nicht immer ein Zuwachs an Kampfkraft wurden, als sie, wie die Erfahrung lehrte, nicht selten keinen Fortschritt im Schiffbau bekundeten.




Totenschau.
Von den in Band I–VII aufgenommenen Personen starben bis Ende Dezember 1886:
Abd ul Kerim Pascha, türk. General (Februar 1885)
Abercorn, James Hamilton, Herzog von (31. Okt. 1885)
Abich, Wilh. Herm., Geolog und Reisender (2. Juli 1886)
Abt, Franz, Liederkomponist (31. März 1885)
Äby, Christoph Theodor, Anthropolog (7. Juli 1885)
Adam, Franz, Schlachten- u. Pferdemaler (30. Sept. 1886)
Adams, Charles Francis, Jurist und Staatsmann (21. Nov. 1886)
Aksakow, Iwan Sergéjewitsch, Schriftsteller (8. Febr. 1886)
Albert, Joseph, Photograph (5. Mai 1886)
Alexander Karageorgewitsch, ehemaliger Fürst von Serbien (3. Mai 1885)
Alexander, Sir James Edward A. of Westerton, engl. Offizier und Reiseschriftsteller (April 1885)
Alfons XII., König von Spanien (25. Nov. 1885)
Ansdell, Richard, engl. Tiermaler (April 1885)
Arthur, Chester Allan, Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika (18. Nov. 1886)
Assolant, Alfred, franz. Schriftsteller (Mai 1886)
Avellaneda, Nicolas, Präsident der Argentinischen Republik (26. Nov. 1885)
Baeyer, Jos. Jakob, preuß. Generalleutnant und Geodät (11. Sept. 1885)
Baschet, Armand, franz. Schriftsteller (Februar 1886)
Baudry, Paul, franz. Maler (17. Jan. 1886)
Bauer, Edgar, philosoph. Schriftsteller (18. Aug. 1886)
Baumgärtner, Karl Heinrich, Mediziner (11. Dez. 1886)
Becker, Hermann Heinrich (der rote B.), Politiker (9. Dez. 1885)
Beckmann, Adele, Soubrette, Gattin von Friedrich B. (November 1885)
Beecher, Harriet: ihr Gatte Calvin E. Stowe starb im August 1886
Beetz, Wilhelm v., Physiker (22. Jan. 1886)
Berndal, Karl Gustav, Schauspieler (31. Juli 1885)
Bert, Paul, franz. Gelehrter und Politiker, seit Anfang 1886 Generalresident von Tongking und Anam (11. Nov. 1886 in Hanoi)
Bertani, Agostino, ital. Politiker (30. April 1886)
Beust, Friedrich Ferdinand, Graf von, sächs. und österreich. Staatsmann (24. Okt. 1886)
Bianchi, Nicomede, ital. Historiker (Anf. Febr. 1886)
Birch, Samuel, engl. Sprachforscher und Archäolog (27. Dez. 1885)
Bitter, Karl Hermann, ehemaliger preuß. Finanzminister (12. Sept. 1885)
Bludow, Andrei, Graf, russ. Gesandter (11. April 1886)
Borghese, Marco Antonio, Fürst, Sohn von Francesco B. (5. Okt. 1886)
Bosboom, Anna Lucia Gertrude, niederländ. Romanschriftstellerin (April 1886)
Boyen, Hermann, preuß. General, Sohn von Leopold Herm. Ludwig v. B. (19. Febr. 1886)
Breier, Ed., österreich. Romanschriftsteller (3. Juni 1886)
Bressant, Jean Baptiste Prosper, franz. Schauspieler (Januar 1886)
Brown, Henry Kirke, nordamerikan. Bildhauer (11. Juni 1886)
Bürde-Ney, Jenny, Opernsängerin (17. Mai 1886)
Burnitz, Karl Peter, Landschaftsmaler (18. Aug. 1886)
Cardwell, Edward, Lord, engl. Staatsmann (12. Febr. 1886)
Carpenter, William Benjamin, Physiolog (10. Nov. 1885)
Chambord, Maria Theresia, Prinzessin von Modena, Gattin des Grafen von Chambord (25. März 1886)
Chimay, Joseph de Riquet, Fürst von Caraman und C., belg. Diplomat (März 1886)
Colomb, Enno v., preuß. General (10. Febr. 1886)
Corvin-Wiersbitzki, Otto Julius Bernhard v., Schriftsteller (3. März 1886)
Cunitz, August Eduard, protest. Theolog (16. Juni 1886)
Czajkowski, Michael, poln. Emigrant und Novellist (18. Jan. 1886)
Decazes, Louis Charles Elie Armanieu, Herzog D. und von Glücksbjerg (17. Sept. 1886)
Desjardins, Erneste, Archäolog und Historiker (23. Okt. 1886)
Dielmann, Johann, Bildhauer (24. Okt. 1886)
Duncker, Maximilian Wolfgang, Geschichtschreiber (21. Juli 1886)
Eichthal, Gustave d’, franz. Hellenist und Ethnograph (9. April 1886)
Elvenich, Peter Joseph, kathol. Theolog und Philosoph, Verteidiger des Hermesianismus (16. Juni 1886)
Flegel, Eduard Robert, Afrikareisender (starb, auf einer Forschungsreise begriffen, in der Oase Ain-Salah 11. Sept. 1886)
Forsyth, Thomas Douglas, engl. Diplomat und Reisender (17. Dez. 1886)
Frieb-Blumauer, Minona, Schauspielerin (31. Juli 1886)
Garcia Gutierrez, Antonio, span. Dramatiker (August 1884)
Georgens, Jan Daniel, Pädagog (9. Nov. 1886)
Gerold, Friedrich, Buchhändler (8. Okt. 1886)
Golownin, Alexander Wasiljewitsch, Sohn von Wasilij Michailowitsch (15. Nov. 1886)




Druck vom Bibliographischen Institut in Leipzig.
(Holzfreies Papier.)