MKL1888:Korrespondenzblatt zum achten Band

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 8 (1887), Seite 10251028
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Korrespondenzblatt zum achten Band. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 1025–1028. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Korrespondenzblatt_zum_achten_Band (Version vom 17.07.2021)
[1025]
Korrespondenzblatt zum achten Band.
Ausgegeben am 18. August 1887.

K. Walter in B. Die vor kurzem in 2 Teilen von Karl Hegel herausgegebenen „Briefe von und an Hegel“ bilden zugleich den 19. Band der Originalausgabe von Georg Wilhelm Friedrich Hegels Werken. Von den Briefen des großen Philosophen waren bisher nur einzelne, teils im 17. Band seiner Werke („Vermischte Schriften“, herausgegeben von F. Förster und L. Boumann, 2. Teil), teils in der Biographie von Rosenkranz, in v. Knebels litterarischem Nachlaß (herausgegeben von Varnhagen von Ense und Th. Mundt) und in Reichlin-Meldeggs „Paulus und seine Zeit“, veröffentlicht worden. Die weit überwiegende Mehrzahl der Briefe war bisher noch nicht gedruckt, und auch die hier jetzt vorliegende Sammlung enthält nur einen Teil des brieflichen Nachlasses, aus welchem der Sohn des Philosophen, der Professor Dr. Karl Hegel in Erlangen, diejenigen ausgewählt hat, die sein Vater mit den hervorragendsten seiner Zeitgenossen: Cousin, Goethe, Schelling, Niethammer, Fr. v. Raumer, v. Altenstein, Ludwig Feuerbach, Fichte, Gans, W. v. Humboldt, Schlosser, Voß, Leo u. a., gewechselt, bez. von denselben empfangen hat. Der Herausgeber hat nicht nur die einzelnen Abschnitte mit biographischer Einleitung versehen, ohne welche viele Stellen der Briefe nicht verständlich sein würden, sondern er hat auch bei jedem einzelnen Brief in Anmerkungen oder Vorworten alle nur wünschenswerten Aufklärungen über die im Text benannten Persönlichkeiten oder erwähnten Beziehungen gegeben, so daß sich diese Sammlung zu einer wertvollen Biographie Hegels gestaltet.

J. Cz. in Posen. Zur Herstellung einer unmittelbaren Verbindung der durch die Meerenge von Messina voneinander getrennten Eisenbahnnetze der Insel Sizilien und des italienischen Festlandes ist einerseits die Untertunnelung, anderseits die Überbrückung der genannten Meerenge in Vorschlag gebracht worden. Der Ausführung sowohl des einen als des andern der geplanten Bauten stehen jedoch große Schwierigkeiten entgegen, deren Bewältigung vor allem unverhältnismäßig hohe Geldopfer erfordern würde. Von dem in Italien durch Verdienste um die Flußdampfschiffahrt bekannten Ingenieur Guscetti ist nun der Vorschlag gemacht worden, die Verbindung des Festlandes mit der Insel Sizilien durch eine Eisenbahnfähre herzustellen. Zwei je 52 m lange und 15 m breite Prahme sollen diese Fähre bilden, indem sie, nebeneinander liegend, so miteinander verbunden werden, daß zwischen ihnen ein Raum von 2 m Breite bleibt. In diesem Zwischenraum sollen Rollen und sonstige Vorrichtungen angeordnet werden, welche zum Betrieb mittels eines zwischen Messina und San Giovanni zu verlegenden 5500 m langen Seils erforderlich sind. Das Seil soll aus Stahldraht bestehen und 37 mm Durchmesser erhalten. Die bewegende Kraft würde eine auf der Fähre befindliche Dampfmaschine liefern. Eine ausführliche Besprechung derartiger Projekte gehört nicht ins Konversationslexikon. – Des weitern verweisen wir Sie auf den Artikel Fjorde. Der Ausdruck ist von der Erdkunde angenommen.

Rud. Kohlstock in Neiße. Durch Anführung des Borsigwerkes im Artikel „Biskupitz“ ist die Sache erledigt.

Subskribent in St. Pölten. Eine Enkelin (Elisabeth) von Samuel Heinicke ist die Frau des jetzigen Direktors der Taubstummenanstalt in Leipzig, des Herrn Dr. Eichler.

Mendel in Gr.-K. in Schlesien. Die Hufsalbe (Hufschmiere), eine Fettmischung zum Schutz der Hufe der Pferde gegen das Eindringen von Feuchtigkeit, muß zum Teil von dem Hufhorn absorbiert werden, damit letzteres nicht spröde und bröckelig wird. Man bereitet sie aus Teer und Pferdefett zu gleichen Teilen, aus Schweineschmalz mit Rüböl, in neuerer Zeit auch aus Lanolein. Die „Weimarische Hufschmiere“ von Fabricius besteht im wesentlichen aus Vaselin und Kammfett mit Zusatz von Karbolsäure und Schwefelkohlenstoff. Die Anwendung der Hufschmiere geschieht am zweckmäßigsten des Morgens gelegentlich der Anschirrung. Sind die Hufe spröde, so kann die Bestreichung derselben mit der Hufsalbe am Abend regelmäßig wiederholt werden.

Abonnent in Regensburg. „Ignorabimus“ ist die Form, zu welcher der Berliner Physiolog E. du Bois-Reymond mit Anspielung auf den altschottischen Wahrspruch „Ignoramus“ seinen Satz zugespitzt hat, daß es für unser Naturerkennen gewisse unüberschreitbare Grenzen gebe. Unter dem Eindruck der großen Triumphe der Naturwissenschaft in neuerer Zeit hatte sich unter den Naturforschern die Vorstellung mehr und mehr befestigt, daß es überhaupt keine Rätsel, weder im materiellen noch im geistigen Gebiet, gebe, welche nicht rein mechanisch gelöst werden könnten. Dieser Meinung trat du Bois-Reymond in einer Rede „Über die Grenzen des Naturerkennens“ entgegen, welche er 1872 bei der in Leipzig tagenden Naturforscherversammlung hielt, und welche mit dem Wort ignorabimus endete. Diese Rede ist in sechs Auflagen erschienen und auch in die erste Folge von du Bois-Reymonds gesammelten Reden aufgenommen. Sie ward der Gegenstand zahlreicher, teils günstiger, teils tadelnder, Besprechungen, welche 1880 den Verfasser veranlaßten, unter dem Titel: „Die sieben Welträtsel“ (Leipz. 1881 u. 1884) eine zweite, den gleichen Zweck verfolgende Rede zu veröffentlichen, worin er die Beweise für seine Aufstellungen erweitert und vertieft und verschiedene Mißverständnisse berichtigt. Unter den sieben Welträtseln, welche aber auch als ein einziges Weltproblem zusammengefaßt werden können, unterscheidet du Bois-Reymond transcendente, welche er für dem menschlichen Intellekt grundsätzlich unerreichbar hält, und nichttranscendente, welche lösbar wären, wenn die Lösung der vorhergehenden transcendenten vorläge. Die beiden ersten Welträtsel sind transcendent; das sind das Wesen von Materie und Kraft und der Ursprung der Bewegung. Die Entstehung des Lebens dagegen hält du Bois-Reymond, welcher somit an die Urzeugung zu irgend einer weit zurückgelegenen Zeit glaubt, für kein transcendentes Problem, da es sich dabei schließlich nur um Bewegung und Anordnung von Stoffteilchen handle. Das vierte Rätsel, die Zweckmäßigkeit in den Einrichtungen der organischen Natur, welche die Deisten zum Schluß von der Uhr auf den Uhrmacher benutzen, betrachtet er als bedingungsweise gelöst durch Darwins Selektionstheorie, mithin als nichttranscendent. Als absolut transcendent dagegen [1026] erscheint ihm das Zustandekommen des Bewußtseins auch in seiner einfachsten und niedersten Gestalt als bloße Empfindung sinnlicher Qualitäten oder von Schmerz oder Lust. Dies ist unter du Bois-Reymonds Aufstellungen die, welche das größte Aufsehen machte, indem sie den Anschein erweckte, als ginge ihr Urheber, der bis dahin für einen Vorkämpfer der monistischen Weltanschauung galt, in das dualistische Lager über. Mit Recht aber beklagt sich in den „sieben Welträtseln“ der Verfasser über das geringe dialektische Vermögen seiner Gegner, welche nicht im stande waren, zu unterscheiden zwischen der Behauptung, die er widerlegte: Bewußtsein kann mechanisch erklärt werden, und der Behauptung, die er verteidigte: Bewußtsein ist an materielle Vorgänge gebunden. Besonders auf die Unmöglichkeit, das Bewußtsein mechanisch zu erklären, bezieht sich das berufene ignorabimus. Keineswegs ist übrigens, wie du Bois-Reymond selber betont, diese Einsicht neu; sie findet sich schon bei Locke, Leibniz, Lamettrie, Rousseau u. a. Ihm eigen aber ist sein Beweis für diesen Satz. Er nennt astronomische Kenntnis eines materiellen Systems solche Kenntnisse, wie wir sie annähernd vom Planetensystem haben, eine Kenntnis, welche es uns ermöglicht, Bewegungen und Lagen aller betrachteten Massen zu einer gegebenen Zeit vor- und rückwärts zu berechnen. Solche Kenntnis ist, wie er ausführt, die vollkommenste Einsicht, welche wir von einem materiellen System haben können, und sie läßt unserm Kausalbedürfnis nichts zu wünschen übrig, als das Verständnis von Materie und Kraft und vom Ursprung der Bewegung. Stellen wir uns nun vor: wir hätten die astronomische Kenntnis von einem noch ganz rätselhaften organischen Vorgang, beispielsweise[WS 1] der Befruchtung, so würde an diesem Vorgang nichts mehr zu erklären übrigbleiben als das Wesen von Materie und Kraft, es wäre so völlig durchschaut, wie die Natur unsers Intellekts es erlaubt. Stellen wir uns dagegen vor, wir hätten die astronomische Kenntnis vom Gehirn, so würde uns auch die einfachste geistige Thätigkeit noch ebenso rätselhaft und unvermittelt erscheinen wie vorher. Verständen wir aber das Bewußtsein auch niederster Stufe aus mechanischen Gründen, so ließe sich wohl von hier aus eine Stufenleiter geistiger Aktionen herstellen bis zu den höchsten Leistungen der mit dem Werkzeug der Sprache operierenden Vernunft. Daher dies sechste Welträtsel für kein transcendentes gelten kann. Als siebentes Welträtsel betrachtet du Bois-Reymond die Willensfreiheit in ihrem Widerspruch mit dem Naturmechanismus. Doch würde dies Problem aus einem transcendenten zu einem gegenstandslosen, sobald man sich entschlösse, die Willensfreiheit zu leugnen und das subjektive Freiheitsgefühl für Täuschung zu erklären. – Bei der Beurteilung dieser Sätze darf man nicht aus den Augen verlieren, daß du Bois-Reymond sich streng auf den Standpunkt des theoretischen Naturforschers stellt und als wissenschaftliches Verständnis allein die mathematisch ausdrückbare Abhängigkeit zwischen zwei Zuständen eines materiellen Systems gelten läßt. „Wo Supernaturalismus sich einmischt“, sagt er in dem Vortrag ‚über die Übung‘ (in der zweiten Folge der Reden), „hört Wissenschaft auf. Wie der Jurist das Recht findet, unbekümmert um Billigkeit und mildernde Umstände, so denkt der Naturforscher mechanisch, unbekümmert um altersheilige Überzeugungen, über welche seine Schlüsse hinwegschreiten; diese Schlüsse mit jenen Überzeugungen zu versöhnen, ist nicht seines Amtes.“

Ernst Kirchner in St. Man kann die Monatstage des französischen Revolutionskalenders wegen der beiderseitigen Schalttage nicht ein für allemal auf diejenigen des gregorianischen Kalenders übertragen. So läuft der Brumaire des Jahrs VIII allerdings vom 23. Okt. bis 21. Nov. inkl., dagegen im Jahr I z. B. vom 22. Okt. bis 20. Nov. inkl. etc. Aus dieser Schwierigkeit mag es sich wohl erklären, daß in allen Geschichtswerken die französischen Daten so häufig ganz unrichtig auf den gregorianischen Kalender reduziert sind. Selbst das treffliche „Handbuch der historischen Chronologie“ von Brinckmeier (Berl. 1882) ist bezüglich des französischen Revolutionskalenders teils unrichtig, teils nicht ganz vollständig. Eine eigenartige Vergleichungstabelle des französischen Revolutionskalenders mit dem gregorianischen finden Sie im Artikel „Kalender“ abgedruckt.

Die neueste italienische Übersetzung von Dichtungen Heinr. Heines ist die vom Grafen Secco-Suardo. Sie erschien unter dem Titel: „Poesie complete“ in 2 Bänden bei Casanova in Turin.

Dr. E. L. Browski in Mosul (asiatische Türkei). Durch den § 1 des Reichsgesetzes vom 11. März 1887 wird die Friedenspräsenzstärke des Deutschen Heers für die Zeit vom 1. April 1887 bis 31. März 1894 auf 468,409 Mann ohne die Einjährig-Freiwilligen festgesetzt. Die Infanterie ist in 534 Bataillone, die Kavallerie in 465 Eskadrons, die Feldartillerie in 364 Batterien, die Fußartillerie in 31, die Pioniere in 19 und der Train in 18 Bataillone formiert. Der Mannschaftszuwachs soll zu Neuformationen und zur Etatsverstärkung vorhandener Truppenteile verwendet werden. Es werden neu formiert:

1) 2 Divisionsstäbe, die 32. und 33. Division, erstere wird dem 12. (sächsischen), letztere dem 15. Armeekorps zugeteilt;
2) die den vorgenannten Divisionen unterstellten Stäbe der 63., 64. (32. Div.), 65. und 66. (33. Div.) Infanterie-Brigade.
3) Bei der Infanterie: 5 Regimenter Nr. 139 beim 12. Armeekorps (sächsisch), Nr. 135–138 als preußische beim 15. Armeekorps; ferner 15 Bataillone als 4. Bataillone bei den preußischen Regimentern Nr. 13, 14, 16, 17, 18, 39, 40, 53, 65, 80, 83, 112, 113, 114 und 129. Die Kompanien dieser Regimenter erhalten die Nrn. 1–16.
4) Bei den Jägern: 1 Bataillon Nr. 15 als 3. königlich sächsisches beim 12. Armeekorps.
5) Bei der Feldartillerie. Bei jeder Feldartilleriebrigade hatte bisher das 1. (Korpsartillerie-) Regiment 3 Abteilungen à 4 und 3 Batterien, jedes 2. (Divisionsartillerie-) Regiment 2 Abteilungen à 4 Batterien, letztere Regimenter sollen jetzt in 3 Abteilungen zu 3 Batterien formiert werden, und demnach sind neu zu formieren 21 Abteilungsstäbe, davon 16 in Preußen, 2 in Bayern, 1 in Sachsen, 2 in Württemberg, ferner 24 Batterien, davon 17 in Preußen, 2 in Bayern, 3 in Sachsen, 2 in Württemberg.
6) Bei den Eisenbahntruppen: 3 Bataillonsstäbe und zwar: 2 preußische und 1 bayrischer; ferner 9 Kompanien, davon 6 preußische und je 1 sächsische, bayrische und württembergische. Hieraus wird gebildet: das Eisenbahnregiment in Berlin zu 4 Bataillonen mit zusammen 16 Kompanien, von denen die 15. die Bezeichnung königlich sächsische, die 16. königlich württembergische erhält. Bayern hat bereits 1 Eisenbahnkompanie, welche mit der neuformierten das bayrische Eisenbahnbataillon bilden wird.

[1027]

7) Die Luftschifferabteilung, deren Offiziere und Mannschaften von andern Truppenteilen abkommandiert waren, wird etatmäßig. Sie steht zum Eisenbahnregiment in gewissem Dienstverhältnis, mit dessen Offizieren die ihrigen ein einheitliches Offizierkorps bilden.
8) Beim Train 14 Kompanien, von diesen werden 12 in Preußen und je 1 in Sachsen und Württemberg aufgestellt. Es bestehen nunmehr sämtliche preußische Trainbataillone aus 3 Kompanien.

Die künftigen Etatstärken sind folgende:

  Preußen Sachsen Württemb. Bayern Summa Zuwachs
Infanterie 242540 21188 13597 35110 312435 33298 Mann
Jäger 7840 1637   2328 11805 749   
Landwehr-Bezirkskommandos 3761 253 291 572 4877 98   
Kavallerie 50673 4183 2712 7022 64590  
Feldartillerie 29677 2338 1942 4102 38059 3242   
Fußartillerie 13282 1234 462 2298 17276 927   
Pioniere und Eisenbahntruppen 9524 629 600 1582 12335 1488   
Train 4516 316 296 984 6112 1293   
Besondere Formationen 639 11 48 157 855 40   
Nicht regimentierte Offiziere etc. 52 3 3 7 65  
Überhaupt 362504 31792 19951 54162 468409 41135 Mann
Die bisherige Etatstärke betrug 330629 27606 18815 50224 427274  
Mithin Zuwachs 31875 4186 1136 3938 41135  

B. B. in Debreczin. 1) Die Photographie gibt mit guten Apparaten allerdings ein treues Bild, dasselbe entspricht aber sehr häufig nicht dem Eindruck, den uns das Original macht, weil bei unserm Sehen das Gehirn eine große Rolle spielt, während wir in der Photographie das Bild erhalten, wie es die Linsenwirkung allein liefert. Wenn eine uns gegenüberstehende Person den Kopf nach vorn senkt, so erscheint auch dem Auge die Stirn sehr hoch; bei Änderung der Kopfhaltung gewinnen wir aber alsbald wieder einen andern Eindruck, und somit lassen wir uns nicht täuschen. Die Photographie dagegen fixiert eine momentane Haltung für immer, und so können Sie dasselbe Gesicht bald mit übergroßer Stirn, bald mit zu großem Untergesicht erhalten. Der Photograph kann wählen, was ihm am besten gefällt, er kann auch den Blick hoch oder niedrig richten, und er kann vor allem das Gesicht in sehr verschiedener Weise beleuchten. Auf solche Weise kann man einem Gesicht einen sehr viel vorteilhaftern Ausdruck geben, als es gewöhnlich besitzt, und dann kommt noch die feine Arbeit des Retoucheurs hinzu, der durch die subtilsten Mittel das Auge feuriger oder sanfter, milder, die Form der Nase edler machen kann etc. Der Photograph ist also sehr wohl im stande zu schmeicheln, wenn auch nicht in dem Maß wie der Maler.

Fabrikbesitzer Z. in Chemnitz. Zahlennachweise über die in Deutschland bestehenden Hilfskassen u. dgl. fehlten bisher gänzlich. Der Bundesrat hat nun durch Beschluß vom 9. Okt. 1884 Nachweisungen zur Statistik der auf dem Reichsgesetz vom 15. Juni 1883 beruhenden Krankenversicherung der Arbeiter angeordnet, welche zuerst für das Kalenderjahr 1885 aufgestellt sind und jährlich fortgesetzt werden sollen. Zwei „vorläufige Mitteilungen“ darüber sind (im November- und Dezemberheft der „Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reichs“ 1886) bereits veröffentlicht, von denen die erste über die Zahl der Vereine und der Mitglieder, die andre über die finanziellen Ergebnisse berichtet. Wir bringen das Wesentlichste daraus im Artikel Krankenkassen.

K. Wilm in Prag. Der Allgemeine deutsche Sprachverein besteht gegenwärtig aus 65 Zweigvereinen und zählt erheblich über 5000 Mitglieder. Der Verein hat sich, wie bekannt, die Aufgabe gestellt, dahin zu wirken, daß die deutsche Sprache möglichst von unnötigen fremden Bestandteilen gesäubert werde, daß der wahre Geist und das echte Wesen derselben gepflegt, und daß auf diesem Weg das nationale Bewußtsein im deutschen Volk gekräftigt werde. Die von ihm herausgegebene Zeitschrift, durch welche der Verein diese Aufgabe zunächst zu erfüllen sucht, ist ausschließlich für die Mitglieder bestimmt. Man kann ohne weiteres einem der schon bestehenden Zweigvereine beitreten oder sich auch als unmittelbares Mitglied des Gesamtvereins unter Einzahlung von mindestens 3 Mk. an den ersten Vorsitzenden, Museumsdirektor Professor Dr. Riegel in Braunschweig, einschreiben lassen.

Ernst Pauer in Dresden. Gesprungene Glocken zu reparieren, gilt im allgemeinen für unthunlich. In Schweden wurde indes 1805 ein Verfahren entdeckt, durch welches gesprungene Glocken den frühern Klang und die frühere Stärke wiedererhalten. Dies Verfahren, ein Familiengeheimnis, wird jetzt nach Zeugnissen, die uns vorgelegt worden sind, mit gutem Erfolg von dem Enkel des Erfinders, O. Ohlsson in Lübeck, ausgeübt. Für den dritten Teil der Kosten, die das Umgießen erfordern würde, stellt er die Glocke wieder her und leistet Garantie für Klang und Dauerhaftigkeit. Im allgemeinen verfährt Ohlsson in folgender Weise: Der Riß wird mit dem Meißel auf ca. 1,5 cm erweitert, dann macht man in der Nähe desselben Vertiefungen, legt eine Anzahl Klammern quer über den Riß und befestigt dieselben in geeigneter Weise. Nachdem an dem entsprechenden Teil der Glocke ein Mantel von Thon und Blech angebracht worden, und nachdem auch die unmittelbar an dem Riß liegenden Teile der Glocke durch starkes Kohlenfeuer erhitzt worden sind, wird die Fuge mit einer Legierung, deren Zusammensetzung Geheimnis ist, ausgegossen. Bei Gelegenheit dieser Reparatur wird in der Regel auch der Klöppel versetzt, weil das Metall, gegen welches er jahrelang geschlagen hat, spröde geworden ist und leicht springt.

Abonnent in Magdeburg. In Belgien, wo vorwiegend die Kreditgenossenschaften größere Ausdehnung genommen haben (Ende 1885 zählte man 15 Volksbanken mit etwa 10,000 Mitgliedern und 2,01 Mill. Frank eignem Kapital; die Vorschüsse betrugen 1885: 31,1 Mill., die Rücklagen 0,281 Mill.), fehlen bisher eigentliche Erwerbsgenossenschaften. Dagegen ist die Zahl der Konsumvereine stark im Zunehmen; zuverlässige Angaben fehlen. Die Beamten des Ministeriums für Verkehrswesen haben 1886 einen Konsumverein gegründet. Auch die sozialistische Bewegung ist der Gründung von Konsumvereinen förderlich. Die Genter Arbeiterschaft besitzt in der Samenwerkende Maatschappij Vooruit mit einer bedeutenden Bäckerei, Schanklokal, Zeitungsdruckerei, [1028] Kleiderladen, mehreren Apotheken etc. die mustergültige Einrichtung, nach welcher in der letzten Zeit in Belgien manche Konsumvereine, meist Bäckereien, unter den Arbeitern gegründet wurden. Vor der Arbeiterbewegung kamen nur wenige Neugründungen von Genossenschaften zu stande, die bestehenden fristeten ein kümmerliches Dasein.

K. E. in Halle. Zur weitern Aufklärung über die in den Artikeln „Appenzell“ und „Glarus“ erwähnte Landsgemeinde diene Ihnen folgendes. Man nennt so die aus den mittelalterlichen Gaugerichten hervorgegangene, in den altschweizerischen Berg- und Hirtenkantonen Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus und Appenzell noch bestehende Institution, daß sich alljährlich, gewöhnlich am Maisonntag, die sämtlichen stimmfähigen Landesangehörigen, „die getreuen lieben Landsleute“, auf dem Landsgemeindeplatz versammeln, um die Landesangelegenheiten zu entscheiden und für das laufende Jahr die Landesbehörden zu bestellen. Die Versammlung beginnt mit dem feierlichen Aufzug, unter Vortragung des Banners; auf dem „Stuhl“, einem erhöhten Sitz, nehmen Landammann und Rat Platz; die Menge sammelt sich dicht gedrängt um diese Bühne. Die Geschäfte, welche der Landsgemeinde vorliegen, bestehen gewöhnlich in der Abnahme der Landesrechnung, in der Beratung und Abstimmung über Gesetzesvorlagen und Initiativvorschläge sowie in den alljährlich wiederkehrenden Wahlen. Die Abstimmung geschieht durch Aufheben der rechten Hand; dieses „Handmehr“ entscheidet. Ist das Ergebnis zweifelhaft, so wird die Abstimmung wiederholt, und es entscheidet, nötigen Falls unter Beizug weiterer „Landsleute“, die Landesbehörde, auf welche Seite das Mehr gefallen sei.

Schiller hat in der Rütliszene seines „Wilhelm Tell“ ein getreues und ansprechendes Abbild einer Landsgemeinde in verkleinertem Maßstab gezeichnet. Die wirkliche Landsgemeinde gewährt ein imponierendes Schauspiel. Da steht, um die Landesväter versammelt, die festlich gekleidete Gemeine des Hirtenlandes und übt in gehobener Stimmung, aber in Ruhe und Würde die Rechte eines souveränen Volkes; der Landammann spricht vom „Stuhl“ herab, im Ton des echten Volksredners, oft mit packender Gewalt, zu der versammelten Menge, und aus dieser selbst lassen sich die Ansichten des schlichten Landmanns in längerer oder kürzerer Äußerung vernehmen. Nur in aufgeregten Zeiten gehen die Wogen der Volksstimmung höher; selten jedoch kommt es zu förmlicher Störung. Das Hirtenvolk hängt mit zäher Liebe an der althergebrachten Institution; nur Schwyz ist nach dem Sonderbundskrieg von 1847 zum Repräsentativsystem der größern Kantone übergegangen, hat jedoch seither, wie diese selbst, dem alten Geiste durch Einführung des Referendums (d. h. Abstimmung in den einzelnen Gemeinden) sich wieder genähert.

Gutsbesitzer Hermann E. auf Gr.-S. Nach dem im „Archiv für Anthropologie“ erstatteten Gesamtbericht des Professors Dr. Virchow über die von der Deutschen anthropologischen Gesellschaft veranlaßten Erhebungen über die Farbe der Haut, der Haare und der Augen der Schulkinder in Deutschland lassen sich die Ergebnisse dieser Statistik dahin zusammenfassen: daß in einem großen Gebiet von Zentraleuropa zwei Varietäten des europäischen Menschen überall nebeneinander wohnen und die ethnischen Einheiten, die Völker, vom rassenanatomischen Standpunkt aus betrachtet, ein kompliziertes Gemisch mindestens zweier Varietäten und ihrer Mischlinge sind. Die Statistik umfaßt 6,758,827 Schulkinder. Darunter waren jüdische 75,377 = 1,1 Proz. Von der Gesamtzahl gehörten dem blonden Typus 2,149,027 = 31,80 Proz., dem brünetten Typus 949,822 = 14,05 Proz., den Mischformen 3,659,978 = 54,15 Proz. an. Mehr als die Hälfte aller Schulkinder fiel also den Mischlingen zu. Der Rest von 46 Proz. verteilt sich in der Weise, daß etwa 2/3 dem rein blonden und 1/3 dem brünetten Typus angehörten. Von besonderm Interesse ist, daß die territoriale Verbreitung dieser beiden Haupttypen ziemlich genau den geographischen Grenzen von Nord-, Mittel- und Süddeutschland entspricht. Von dem rein blonden Typus entfallen auf Norddeutschland 43,3–33,6, auf Mitteldeutschland 32,5–25,3 und auf Süddeutschland 24,5–18,4 Proz. Aus der Statistik geht ferner hervor, daß die Blonden nicht nach Osten abnehmen, sondern nach Süden und Westen, Die Provinz Posen zeigt fast dieselbe Zahl (36,2 Proz.) wie die Provinz Sachsen. Schlesien steht in dem gleichen Rang mit der Rheinprovinz, und Hessen-Nassau nimmt erst die neunte Stelle ein. Diejenigen Länder, welche mehr als 35 Proz. Blonde zählen, bilden ein zusammenhängendes Gebiet, welches den ganzen Norden Deutschlands umfaßt. Bremen, Oldenburg, Westfalen, Waldeck, Hannover, Braunschweig, Schleswig-Holstein, Provinz Sachsen, Lübeck; beide Mecklenburg, Brandenburg, Pommern, Preußen, ja sogar Posen differieren untereinander nur um 8 Proz. In dem eigentlichen Mitteldeutschland, Rheinprovinz, Hessen, Nassau, beide Lippe, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß jüngere Linie, Königreich Sachsen, Anhalt, Koburg-Gotha, zeigen die Blonden schon geringere Prozentsätze (25 Proz.), und in Süddeutschland haben Württemberg 24,5, Baden 24,3, Bayern 20,4, Elsaß-Lothringen 18,4 Proz. Blonde. Es ergibt sich hieraus, daß der größere Teil der Länder und Provinzen aus der südlichen Zone von Mitteldeutschland genau genommen mehr der süddeutschen als der norddeutschen Art entspricht. Die Mainlinie hat also eine nicht abzuleugnende anthropologische Bedeutung, nur daß sie in Thüringen eine gewisse Strecke über das Nordufer des Flusses hinaufreicht; während in Württemberg, Baden und Elsaß das Verhältnis ein sehr homogenes ist, zeigt Bayern hingegen große Gegensätze. Niederbayern weist den geringsten Bestand, 14,7 Proz., an Blonden auf, dann folgen Oberbayern mit 16,9, die Oberpfalz mit 18,2, Schwaben mit 19,8 und Mittelfranken mit 22,2 Proz. Von dem brünetten Typus entfallen auf Norddeutschland 6,9–11,2, auf Mitteldeutschland 11,1–14,7 und auf Süddeutschland 15,4–25,2 Proz. Die Frequenz der Brünetten in den einzelnen Ländern und Provinzen steht somit im allgemeinen in einem umgekehrten Verhältnis zu der der Blonden. Von den gezählten 949,822 brünetten Schulkindern entfallen auf das Königreich Preußen 480,678, auf das übrige Deutschland 469,144.




Druck vom Bibliographischen Institut in Leipzig.
(Holzfreies Papier.)

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: bespielsweise