Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Heliographie“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 355356
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Heliographie. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 355–356. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Heliographie (Version vom 19.04.2021)

[355] Heliographie (griech., „Sonnenschrift“), die Kunst, mittels Photographie erzeugte Bilder direkt auf mechanischem Weg durch Druckerschwärze und Presse zu vervielfältigen, zerfällt der Hauptsache nach in drei verschiedene Methoden, je nachdem die Druckplatte durch Ätzen, durch Reaktion oder durch Abformen hergestellt wird. Im erstern Fall ersetzt die empfindliche Schicht den Ätzgrund, die Belichtung den Graveur, und die Säure operiert wie bei einem Stich; im zweiten ist der Druck kein rein mechanischer Vorgang, sondern die Folge einer physisch-chemischen Reaktion zwischen zwei Stoffen, wie bei der Lithographie; die dritte Verfahrungsart ist eine spezifisch heliographische und besteht im Abformen des Reliefs, welches die Chromgelatine durch Auflösen oder Aufquellen ihrer unbelichteten Teile entstehen läßt. Die ersten heliographischen Versuche wurden von Fox Talbot (der sein Verfahren Photoglyphie nannte), Niepce de Saint-Victor und Poitevin gemacht; die gewonnenen Platten bedurften aber noch großer Nachhilfe durch den Kupferstecher, um druckbar zu werden; weit bessere Resultate für die Kupferdruck- und für die Buchdruckpresse erzielte Pretsch, der sein Verfahren Photogalvanographie (s. d.) nannte. Sein Schüler Joseph Leipold, jetzt Direktor der Banknotendruckerei zu Lissabon, bildete es weiter aus. – Die Photolithographie und die Photozinkographie, die Similigravüre, die Albertotypie, die Dallastypie und der Aubeldruck gehören ebenfalls unter den Begriff der H., wenigstens insoweit, als die Reproduktionen von mit Hilfe der Photographie (s. d.) erzeugten Negativ- oder Positivbildern gewonnen werden. Helioplastik oder Phototypie nennt man die erhabene Darstellung der Zeichnungen auf Metallplatten zum Druck auf der Buchdruckpresse zum Unterschied von den vertieft gezeichneten, nur auf Kupferdruck- oder Steindruckpressen abziehbaren Darstellungen. Poitevins Verfahren ist in England unter dem Namen Heliotypie patentiert worden. Bei demselben wird von dem unter einem photographischen Negativ belichteten und im Relief ausgewaschenen [356] Chromgelatinebild, welches auf einer polierten Zinkplatte mittels atmosphärischer Pressung vollkommen festgestellt wird, in einer Buchdruckpresse mit gewöhnlicher Buchdruckfarbe gedruckt und zwar je nach der Feinheit des Bildes mit einer oder zwei Walzen. Man erhält auf diesem Weg recht effektvolle Bilder, doch kommen sie weder den Albertotypien noch den Woodburydrucken gleich. Die dritte Art des Verfahrens, Heliogravüre oder Photogravüre (Kupferlichtdruck) genannt, von Rousselon erfunden, ist von Scamoni in Petersburg, neuerdings aber besonders in Pariser, Wiener und Berliner Ateliers so vervollkommt worden, daß die Heliogravüre gegenwärtig hinsichtlich der Treue in der Wiedergabe des Objekts das vollkommenste mechanische Reproduktionsmittel ist. Die durch galvanischen Abklatsch von der Photographie gewonnene Kupferdruckplatte kann in den unklar gebliebenen Stellen von einem Kupferstecher retouchiert oder aufgelichtet werden, so daß selbst Ölgemälde in ihren Farbenwerten wiedergegeben werden können. Dieses Verfahren leistete anfangs wertvolle Dienste in der Reproduktion von alten Kupferstichen und Radierungen (Amand Durand in Paris). Später wurde das Gebiet der Heliogravüre auf Photographien nach Objekten jeglicher Art, nach Landkarten, plastischen Gegenständen, Gemälden, Architekturen etc. ausgedehnt. Goupil u. Ko. in Paris, das militär-geographische Institut in Wien, Hanfstängl in München und die Reichsdruckerei in Berlin liefern gegenwärtig Heliogravüren von hoher Vortrefflichkeit. Die Technik ist so erweitert worden, daß man Heliogravüren auch in den Text von Illustrationswerken drucken kann, und daß man Heliogravüren mit zwei und mehreren Platten druckt, wodurch der sogen. farbige Stich ersetzt wird. Vgl. Husnik, Die H. (Wien 1878); Scamoni, Handbuch der H. (Berl. 1872); Volkmer, Technik der Reproduktion von Militärkarten und Plänen (Wien 1885).