Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Haspel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 203204
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Haspel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 203–204. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Haspel (Version vom 20.02.2024)

[203] Haspel, Maschine zum Heben von Lasten mittels Ketten, Seilen, Riemen oder Gurten in der Regel auf größere Höhen, beruht auf dem Prinzip des Rades an der Welle. Der H. in seiner ursprünglichen und einfachsten Form (einfacher H. oder kurzweg H.) besteht aus einer horizontalen, geneigten oder vertikalen, beiderseitig mit Zapfen in Lagern laufenden Welle oder Trommel aus Holz oder Eisen (Haspelbaum, Rundbaum, Seil-, Kettentrommel), durch deren Drehung ein die Last tragendes Seil (Kette etc.) aufgewickelt wird. Die Drehung wird durch Menschenhand meist mittels Kurbeln (Haspelhörnern) hervorgebracht, welche einseitig oder beiderseitig an den verlängerten Zapfen angebracht sind (Kurbelhaspel, Hornhaspel). Seltener werden die Haspeln mittels eines Kreuzes, d. h. zwei kreuzweise durch die Welle gesteckter Stangen (Kreuzhaspel), oder mittels eines Spillenrades, eines an seiner Peripherie in regelmäßigen Abständen mit Handgriffen versehenen Rades (Spillen- oder Spillenradhaspel), oder endlich mittels eines an seinem Umfang ausgekehlten Rades (Haspelrades) an einem um dasselbe gelegten Seil (oder Kette) ohne Ende (Seilradhaspel, Kettenradhaspel) bewegt. Die Haspeln haben entweder nur ein einziges Lastseil (Kette etc.), welches sich bei der Drehung in einer Richtung aufwickelt und die am untern Ende angebrachte Last hebt, bei der Drehung in umgekehrter Richtung sich unbelastet abwickelt (einfach wirkende H.), oder sie sind mit zwei sich abwechselnd auf- und abwickelnden Seilen ausgestattet, so daß immer das eine Seilende belastet aufwärts, das andre unbelastet abwärts geht und umgekehrt. Letztere (doppelt wirkende) Haspeln sind insofern vorteilhafter, als bei ihnen das Gewicht des ablaufenden Seils und des etwa daran befestigten Gefäßes mit zur Hebung der Last verwendet wird und auch zwischen zwei Hebungen keine Zeit für das Herunterlassen des Seils verloren geht. Zur Zeit werden die Haspeln meistens nicht in der beschriebenen einfachsten Konstruktion ausgeführt, sondern tragen in der Regel auf der Kurbelwelle ein kleines Zahnrad (Trieb), welches in ein größeres, auf der Seiltrommel [204] befestigtes eingreift, oder sind zwischen Kurbel- und Trommelwelle noch mit mehreren derartigen Rädervorgelegen ausgestattet, so daß man größere Lasten damit heben kann. Diese Haspeln werden gewöhnlich Winden (s. d.) genannt. Die einfachen Haspeln finden Verwendung in der Form von Kurbelhaspeln bei Bauten zur Hebung von Baumaterial, bei Schöpfbrunnen, bei primitiven Bergwerksanlagen zur Förderung von Erzen (als doppelt wirkende Haspeln); in der Form von Kreuzhaspeln zur Bewegung von Schützen bei Mühlgerinnen etc.; als Spillenhaspel bei dem gewöhnlichen Steuermechanismus der Schiffe; als Seilradhaspel zum Aufwinden der Getreidesäcke in Windmühlen.

Der Garnhaspel (Weife, Garnweife) ist eine Vorrichtung, mittels welcher Gespinste von den Spulen abgewickelt (gehaspelt) und zugleich in die zum Verkauf oder zur Aufbewahrung geeignete Form von Strähnen gebracht werden. Da gesetzlich oder herkömmlich eine Strähne (ein Strang, Stück, Lopp, Schneller) eine gewisse Anzahl von Fäden enthalten und in eine bestimmte Anzahl von Gebinden geteilt sein muß (s. Garn), so ist der H. mit einer Vorrichtung zum Zählen der Umdrehungen versehen, wodurch er sich von der Winde (Garnwinde) unterscheidet, auf welche die Strähnen ausgebreitet gelegt zu werden pflegen, um sie wieder abzuwickeln u. dgl. Der bei der Handspinnerei benutzte H. wickelt nur einen Faden auf einmal auf und wird stets mit der Hand gedreht; die bei der Maschinenspinnerei üblichen Haspeln dagegen wickeln eine Anzahl Fäden zu gleicher Zeit auf und werden teils mit der Hand, teils durch Wasser- oder Dampfkraft in Bewegung gesetzt. Bei beiden Arten besteht der Zählapparat in der Regel aus einem gezahnten Rade, das mittels eines Getriebes oder einer Schraube ohne Ende von der Haspelachse umgedreht wird. Das Gestell des bei der Handspinnerei gebräuchlichen Haspels besteht aus einem Fuß und einer senkrechten Säule, welch letztere in einer Aushöhlung den Zählmechanismus einschließt. Auf einer in der Säule gehenden Welle sind vier, sechs oder acht an den äußersten Enden mit Querhölzern krückenförmig eingerichtete Stäbe (Haspelarme) so angebracht, daß sie ein Rad ohne Kranz bilden, auf welches das Garn gewunden wird, indem man die Welle mittels des an einem der Arme befindlichen Griffes herumdreht. Ein kurzes Schraubengewinde auf der Achse greift in das eben erwähnte Zahnrad ein und schiebt bei jedem Umlauf des Haspels einen Zahn des Rades fort, so daß, da die Anzahl der Zähne der der Fäden eines Gebindes gleich ist, mit jeder Umdrehung des Zahnrades ein Gebinde abgehaspelt ist. Das Ende jeder Umdrehung wird durch einen auf der Seitenfläche des Rades stehenden eisernen oder hölzernen Stift bemerklich gemacht, welcher in diesem Moment eine vorher zurückgedrückte hölzerne Feder wieder abfallen läßt (daher Schnappweife). Zuweilen schlägt auch die abfallende Feder an eine Glocke, oder der Stift hebt statt der Feder einen Hammer auf, der beim Zurückfallen auf ein Brettchen oder eine Glocke schlägt. Öfters, und um das Zählen der Gebinde zu ersparen, greift ein besonderes Getriebe in ein zweites Zahnrad, dessen Achse einen Zeiger trägt, welcher die Zahl der Gebinde angibt. Der bei der Maschinenspinnerei dienende H. wird auf 20–40 oder 50 Gänge eingerichtet, d. h. so viele Spindeln werden gleichzeitig abgewickelt und ebenso viele Strähnen auf einmal gebildet.