Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Haspinger“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 204
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Haspinger. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 204. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Haspinger (Version vom 20.02.2024)

[204] Haspinger, Joh. Simon, als Ordensgeistlicher Joachim genannt, Tiroler Patriot, geb. 28. Okt. 1776 zu St. Martin im Gsieß im Pusterthal, studiert für den geistlichen Stand bestimmt, in Bozen und Innsbruck und kämpfte inmitten der Studienzeit 1796, 1797 und 1799–1801 in den Scharen der Tiroler Landesverteidigung mit Auszeichnung und vielfacher Anerkennung gegen die Franzosen, trat 1802, nachdem er medizinische Studien getrieben, in den Kapuzinerorden, erhielt 1805 die Priesterweihe und das Amt als Prediger im Kloster zu Schlanders im Vintschgau. Es stak aber in ihm mehr kriegerisches Feuer als klösterliche Beschaulichkeit. Im Zentralkloster seines Ordens in Klausen zwischen Bozen und Brixen war er der rechte Mann, das Bauernvolk gegen die verhaßte Bayernherrschaft in Harnisch zu bringen. H. gehörte bald zu dem Geheimbund der Tiroler Patrioten von 1808 und nahm 1809 an dem Befreiungskampf Tirols hervorragenden Anteil. Er hatte sich schon früher öfters als Feldprediger an die Spitze der Kompanien gestellt, nunmehr vertauschte er die Rolle des Geistlichen ganz mit der des Kriegers und trug namentlich zu den beiden Siegen auf dem Isel (29. Mai und 13. Aug.) wesentlich bei; auch bewirkte er im Eisackthal die Vernichtung einer ganzen sächsischen Kolonne durch die berufenen „Steinbatterien“ (Anfang August). Der immer siedende Kopf des „Pater Jochem“ oder des „Rotbarts“ träumte von einer Massenerhebung und allgemeinen Razzia der Gebirgsvölker Österreichs gegen die Fremdherrschaft und den Übermut Napoleons. Aber seit der Schlappe Haspingers im Salzburgischen, welches er besetzt hatte (3. Nov.), verlor der Befreiungskampf rasch an Halt und Boden. Die tollkühne zweite Erhebung (im November) unter Andreas Hofer war das leidige Werk des fanatischen, rauflustigen H. Doch sah er sich bald verlassen und dem schlimmsten Los preisgegeben. 1810 von den Bayern geächtet, mußte er Tirol verlassen, durchzog Graubünden, hielt sich dann zu Tschengls im Vintschgau neun Monate lang verborgen, betrat wieder die Schweiz, kam nach Italien, setzte seinen Weg mitten durch die französische Armee fort und traf 31. Okt. 1810 in Wien ein. 1812 erhielt er die geheime Mission, einen Volksaufstand vorzubereiten und Kundschafterdienste in Oberitalien zu thun. Er war seit 1815 Pfarrer zu Traunfeld in Niederösterreich, wurde 1836 pensioniert und lebte sodann zu Hietzing bei Wien, begleitete aber 1848 wieder als Feldprediger eine Kompanie Tiroler Feldjäger nach Italien und ließ sich 1854 zu Salzburg im kaiserlichen Schloß Mirabell nieder, wo er 12. Jan. 1858 starb. Seine Leiche ward nach Innsbruck gebracht und hier neben derjenigen Andreas Hofers beigesetzt. Vgl. Schallhammer, Biographie des Johann H. (Salzb. 1856).