MKL1888:Geothermische Tiefenstufe

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Geothermische Tiefenstufe“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 152
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Geothermische Tiefenstufe. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 152. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Geothermische_Tiefenstufe (Version vom 11.01.2023)

[152] Geothermische Tiefenstufe, diejenige Tiefendifferenz, bei welcher unter Voraussetzung einer gleichmäßigen Zunahme die Temperatur in der festen Erdrinde um 1° steigt. Näheres s. Erde, S. 746.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 373374
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[373] Geothermische Tiefenstufe. Von der preußischen Bergbauverwaltung sind in den letzten Jahren umfangreiche Temperaturbeobachtungen in den fünf tiefsten Bohrlöchern ausgeführt worden, um die g. T., d. h. diejenige Tiefe zu bestimmen, für welche eine Wärmezunahme von 1° stattfindet. Dabei ergab sich:

Bohrpunkte Tiefe der Beobachtung Größe der geo­thermischen Stufe
Schladebach bei Merseburg 006 m bis 1716 m 36,87 m
Sennewitz bei Halle 754   1084  36,66 
Lieth bei Altona 426   1259  35,07 
Sudenburg bei Magdeburg 030   0568  32,36 
Sperenberg bei Berlin 220   1066  32,00 

Die höchste Temperatur, welche in dem Bohrloch zu Schladebach in 1716 m Tiefe gemessen wurde, betrug 56,6°. Sowohl in Bezug auf die Anzahl der Messungen, als auch in Bezug auf die Tiefe, bis zu welcher die Beobachtungen reichten, steht Schladebach allen andern Punkten voran, und es dürfte die gefundene Zahl von 36,9 m für 1° die größte Wahrscheinlichkeit besitzen. Dazu kommt noch, daß bei den Beobachtungen in Schladebach, dem gegenwärtig tiefsten Bohrloch der Erde (dasselbe geht bis 1748 m), ein neues Verfahren benutzt wurde, bei welchem die Temperaturmessungen vor der Verrohrung ausgeführt wurden und dadurch zuverlässigere Resultate erzielt werden konnten, als bei den früher in den andern Bohrlöchern angewandten Methoden. Aus den in Schladebach angestellten Beobachtungen ergab sich außerdem, daß eine regelmäßige Zunahme der Temperatur mit der Tiefe nur in ganz gleichgestalteten Erdschichten vorhanden ist. Durch einen Wechsel im durchbohrten Gesteinsmaterial wird das Leitungsvermögen geändert und dadurch eine Unregelmäßigkeit im Gange der Wärmezunahme bedingt, welche durch das Hinzuströmen von wärmern oder kältern Quellwässern noch vermehrt wird. Durch derartige Verhältnisse wird der Unterschied erklärt, welcher bei den in verschiedenen Bohrlöchern bestimmten Werten der geothermischen Tiefenstufen auftritt, so daß z. B. in dem wasserdurchlässigen und [374] die Wärme leicht leitenden Steinsalzlager zu Sperenberg die g. T. zu 32 m bestimmt wurde, während sie in Schladebach bei schlecht leitendem Untergrund 36,9 m betrug. Soweit unmittelbare Beobachtungen vorliegen, folgt die g. T. einer einfachen arithmetischen Reihe, ändert sich also gleichmäßig mit der Tiefe. Weil aber die Tiefe selbst für das tiefste Bohrloch immer nur einen sehr kleinen Teil des Erdradius beträgt (die Tiefe des Schladebacher Bohrloches übersteigt zwar die Höhe der Schneekoppe, ist aber nur 13642 des Erdradius), so bleibt es zweifelhaft, ob dieses Gesetz für die Zunahme der geothermischen Tiefenstufe auch für größere Tiefen in unveränderter Weise gilt, und deshalb können die nach diesem Gesetz für größere Tiefen berechneten Temperaturen nur als hypothetische angesehen werden. Wenn aber die Temperatur nach demselben Gesetz wie in den Bohrlöchern auch weiter zunimmt, so würde sich ergeben, daß die höchste Gluthitze der Hochöfen, die etwa 2850° beträgt, in einer Tiefe von 104,708 m oder 14,1 geogr. Meilen stattfinden müßte. Dabei ist freilich noch zu beachten, daß der Schmelzpunkt aller Substanzen durch den Druck der darauf lastenden obern Erdschichten heraufgerückt wird, und daß daher Gesteine und Metalle, welche bei einer bestimmten Temperatur in unsern Hochöfen schmelzen, im Innern der Erde selbst bei einer höhern Temperatur fest bleiben können.