Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Göschen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 531532
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Göschen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 531–532. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:G%C3%B6schen (Version vom 21.03.2022)

[531] Göschen, 1) Georg Joachim, Buchhändler, geb. 22. Dez. 1752 zu Bremen, erlernte daselbst den Buchhandel, war hierauf 13 Jahre zu Leipzig in der Buchhandlung von Siegfr. Lebr. Crusius thätig, leitete sodann einige Jahre die Gelehrtenbuchhandlung in Dessau und errichtete 1785 in Leipzig ein eignes Geschäft, welches er bald zu einer der angesehensten Verlagshandlungen Deutschlands erhob. Die Gesamtausgaben von Goethe (bis 1790, 8 Bde.), Wieland, Klopstock, Thümmel und Iffland, ferner Werke von Schiller, Stolberg, Seume, Woltmann, Apel, Fr. Laun, Böttiger, v. Knebel, Fr. Kind, Müllner, Houwald, Schriften von Hufeland, Gottfr. Schütz, F. A. Wolf, Griesbach u. a. bezeichnen die Thätigkeit desselben. Seine Prachtausgaben in Quart von Wieland (250 Thlr.), Klopstock (54 Thlr.), von Griesbachs Neuem Testament, griechisch (44 Thlr.), Wolfs griechischem Homer (Folio, 36 Thlr.) u. a. zählten zu den besten Produkten der deutschen Typographie. G. schrieb selbst viele Erzählungen, welche meist anonym in Zeitschriften erschienen, z. B. „Johanns Reise“ (1793, gegen welches Buch das Schillersche Xenion Nr. 291 gerichtet ist) und das Lustspiel „Zweimal sterben macht Unfug“ (1800). Außerdem redigierte er: „Die Sonntagsstunde“, eine Wochenschrift (1813), und „Amerika, dargestellt durch sich selbst“ (1818–20, 3 Bde.). G. starb 5. April 1828 auf seinem Gut Hohenstädt bei Grimma. Die Verlagshandlung wurde unter Leitung seines jüngsten Sohns, Hermann Julius G., fortgeführt. Im J. 1839 wurde dieselbe von dem Freiherrn Georg v. Cotta (s. d.) angekauft und ging 1868 in den Besitz von F. Weibert über, der das Geschäft nach Stuttgart verlegte.

[532] 2) Johann Friedrich Ludwig, hervorragender Rechtslehrer, geb. 16. Febr. 1778 zu Königsberg i. Pr., studierte daselbst sowie in Göttingen, später unter Savigny in Berlin, wo er 1811 außerordentlicher, 1813 ordentlicher Professor der Rechte ward. 1822 ging er in gleicher Eigenschaft nach Göttingen, wo er 24. Sept. 1837 starb. Er erwarb sich einen geachteten Namen durch Begründung der „Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft“, die er mit Savigny seit 1815 herausgab, durch seine Ausgaben des Gajus (s. d.) und seine „Vorlesungen über das gemeine Zivilrecht“ (Götting. 1838–40, 3 Bde. in 5 Abtlgn.; 2. Aufl. 1843).

3) George Joachim, engl. Staatsmann, Sohn des Bankiers Wilhelm Heinrich G. und Enkel von G. 1), geb. 10. Aug. 1831 zu London, ward in Rugby erzogen, studierte in Oxford und trat dann als Teilhaber in das Bankgeschäft der Firma Frühling u. G. Die öffentliche Aufmerksamkeit zog G. zuerst auf sich durch seine Schrift „Theory of foreign exchanges“ (Lond. 1863, 12. Aufl. 1886; deutsch, Wien 1876), welche scharfe theoretische Auffassung und weiten praktischen Blick bewies. Im Parlament, wo er seit 1864 die City von London; später einen Bezirk von Edinburg vertrat, that sich G. als Verfechter liberaler Grundsätze, namentlich in Religionssachen, so hervor, daß Russell ihn 1865, als er nach Palmerstons Tode die liberale Regierung rekonstruierte, als Vizepräsidenten des Handelsamtes ins Ministerium berief. Im Januar 1866 wurde er Kanzler des Herzogtums Lancaster und damit Mitglied des Kabinetts. Er blieb dies bis zum Sturz des Ministeriums Russell im Juni 1866. Als im Dezember 1868 Gladstone ans Ruder kam, erhielt G. das Präsidium des Armenamtes und entwickelte in dieser schwierigen Stellung ein solches Verwaltungstalent und einen so umsichtigen Reformeifer, daß er im März 1871, als Childers abdankte, dessen Nachfolger als erster Lord der Admiralität wurde. Seine Verwaltung der Marine erfuhr allerdings mancherlei Anfechtung wegen zu großer Sparsamkeit. Im Februar 1874, mit dem Sturz Gladstones, trat er zurück. 1876 wurde er als Vertreter der englischen Staatsgläubiger Ägyptens nach Kairo geschickt. Es gelang ihm, den Chedive zur Annahme seines Finanzplans zu bewegen, welcher den Gläubigern Ägyptens den größten Teil ihrer Forderungen zu retten versprach, indem er die ägyptischen Finanzen unter die ständige Kontrolle einer europäischen Kommission stellte. Im November 1876 wurde dieser Plan angenommen. 1877 ward G. zum Präsidenten des vom Unterhaus niedergesetzten Ausschusses für die Enquete über den Wert des Silbers erwählt, und 1878 vertrat er England auf dem internationalen Münzkongreß zu Paris, woselbst er sich entschieden gegen eine Veränderung des englischen Münzfußes aussprach. Im Mai 1880, nachdem mit Gladstone die liberale Partei wieder zur Regierung gelangt war, wurde G. an Layards Stelle als außerordentlicher Botschafter nach Konstantinopel geschickt, um die Pforte zu endlicher Ausführung des Berliner Vertrags in der armenischen, montenegrinischen und griechischen Frage zu drängen. Große Erfolge hatte aber seine Thätigkeit nicht aufzuweisen, und nachdem mehr ohne ihn als durch ihn in den Jahren 1880 und 1881 die montenegrinische und griechische Angelegenheit geregelt waren, wurde er im Mai 1881 abberufen und durch Lord Dufferin ersetzt. 1886 gehörte er zu den eifrigsten unter den liberalen Gegnern der irischen Pläne Gladstones und wurde infolgedessen nach der Auflösung des Parlaments in Edinburg nicht wieder gewählt. Seit G. in England eine politische Stellung erlangt hat, schreibt er sich englisch Goschen, wie er denn überhaupt bei mehreren Gelegenheiten dem Stammland seiner Familie wenig freundliche Gesinnungen bewiesen hat.