Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Fluß“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 408411
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Fluß. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 408–411. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Flu%C3%9F (Version vom 10.02.2023)

[408] Fluß, ein größeres fließendes Gewässer, welches durch die Vereinigung mehrerer Bäche entsteht und im weitern Verlauf entweder selbst zum Strom wird, oder sich in einen Strom oder See, nicht selten auch ins offene Meer (Küstenfluß) ergießt. Die ersten Ursprünge der Flüsse sind Quellen, bisweilen Seen. Diese befinden sich an den Abhängen oder am Fuß eines Gebirges, auf dem Boden von Seen, in Sümpfen, auch in der Ebene, kurz überall da, wo das atmosphärische Wasser sich hat ansammeln und an die Oberfläche treten können. Quellen, Bäche, Flüsse und Ströme nennt man fließende Landgewässer zum Unterschied von Weihern, Teichen und Seen, die man stehende Landgewässer nennt. Zum Strom wird der F., wenn er nach der Aufnahme mehrerer andrer Flüsse eine bedeutende Breite und Tiefe erlangt und größere Flußschiffe oder Kähne trägt. In der Regel führen die Flüsse ihren Namen aufwärts bis zu derjenigen Quelle, welche von der Mündung am weitesten entfernt ist; doch sind die Ausnahmen von dieser Regel zahlreich. So wird der Inn als Nebenfluß der Donau betrachtet, obgleich er am Einmündungspunkt einen längern Lauf hinter sich hat und eine größere Wassermenge führt als die Donau selbst. Ähnlich liegt das Verhältnis bei Moldau und Elbe, bei Missouri und Mississippi. Zwei etwa gleichwertige Quellflüsse nehmen mitunter nach ihrer Vereinigung einen neuen Namen an (so Fulda und Werra, die Quellflüsse der Weser). In den meisten Fällen akkommodieren sich die Nebenflüsse nach ihrer Mündung der Richtung des größern Hauptstroms; doch gibt es auch hier Ausnahmen, in denen die Richtung des Hauptstroms durch den Nebenfluß alteriert wird (so der Rhône nach Einfluß der Saône). Die größern Flüsse oder Ströme mit ihren gesamten Neben- und Zuflüssen bilden Stromsysteme oder Flußnetze. Der Landstrich, aus welchem einem F. das Wasser aller Quellen zugeführt wird, heißt sein Gebiet (Fluß- oder Stromgebiet); derjenige Teil desselben, welcher die ihm zugehörigen Quellen in sich faßt, sein Quellenbezirk. Die Tabelle S. 409 gibt (nach Wichmann) Stromlänge und Stromgebiet für die bedeutendsten Ströme der Erde an, wobei aber betont werden muß, daß selbst für gut erforschte, in Kulturländern liegende Ströme die Angaben bedeutend differieren. Nur wenige Länder sind in dieser Beziehung so musterhaft durchmessen wie Württemberg (vgl. Regelmann, Die Stromgebiete Württembergs, Stuttg. 1884).

Die gegenseitige Grenze zweier Stromgebiete nennt man die Wasserscheide, welche bald durch höhere Gebirgszüge, bald nur durch niedrige Hügelreihen und flache Bodenerhebungen gebildet wird, ja mitunter auf Hochplateaus oder in sumpfigem Tiefland fast signallos verläuft. Hier und da kommen auch natürliche Verbindungen zweier Fluß- und Stromgebiete, sogen. Gabelungen oder Gabelteilungen (Bifurkationen), vor. Die berühmteste Bifurkation ist die des Orinoko, der bei Esmeralda einen etwa 450 km langen Arm, den Cassiquiare, zum Rio Negro und durch diesen zum Amazonenstrom entsendet. Ähnliche Verhältnisse scheinen im Stromsystem des obern Nils vorzukommen, sowie auch in Hinterindien der Irawadi und Salwen in ihrem untern Lauf durch den Mobrah, der Menam und Kambodscha im untern Lauf durch den Anan miteinander in Verbindung stehen. In Italien ist der Arno durch die Chiana mit dem Tiber verbunden. In Deutschland entsendet die Haase, ein Nebenfluß der Ems, einen Zweig, die Else, welche dem Stromgebiet der Weser angehört.

[409]
Stromlänge und Gebiet der größten Flüsse.
  Strom­länge Strom­gebiet
Kilom. QKilom.
Europa:    
Wolga 3183 1459000
Donau 2850 817000
Dnjepr 2000 527000
Don 1700 430250
Petschora 1560 329500
Rhein 1326 224400
Dwina 1220 365400
Elbe 1165 143300
Weichsel 1050 193000
Dnjestr 1050 76860
Loire 930 121000
Tajo 910 82600
Oder 905 112000
Düna 840 85400
Guadiana 820 65500
Rhône 810 98900
Asien:    
Ob 4230 3520000
Jenissei 5200 2816000
Lena 4180 2500000
Amur 4400 2090000
Jantsekiang 5200 1872000
Ganges und Brahma­putra 3000 1294000
Huangho 4100 1000000
Indus 3180 960000
Euphrat 2100 673000
Amu Darja 2000 440000
Sir Darja 1900 ?
Afrika:    
Congo 4200 3206050
Nil 6170 2810300
Niger 4160 2650200
Sambesi 2660 1430000
Oranje 1860 1083050
Schari ? 915000
Cubango ? 785000
Dschubb ? 612000
Limpopo 1600 560000
Senegal 1430 440500
Rowuma 1100 334000
Ogowe 850 304100
Coanza 630 303000
Amerika:    
Amazonas 5710 7000000
Mississippi 6530 3300000
Rio de la Plata 3700 3000000
Mackenzie 3700 1517000
St. Lorenz 3816 1378000
Winnipeg u. Nelson 2400 1260000
Orinoko 2225 850000
Columbia 2000 772000
Rio Grande del Norte 2800 620000
Colorado 2000 582000
Australien:    
Murray 2500 ?

Es spielt sich ferner in Süddeutschland eine die mitteleuropäische Wasserscheide durchbrechende Bifurkation der Donau ab. Zwischen Immendingen und Möhringen in Baden, hart an der württembergischen Grenze, versinkt in zerklüfteten Jurakalken ein Teil der Donauwasser, in trocknen Jahren das ganze Wasserquantum, um, wie Knop durch Versenken großer Kochsalzmassen nachgewiesen hat, in 11 km Entfernung und 160 m tiefer als die Quelle der Aa, die dem Bodensee zufließt, also dem Stromgebiet des Rheins angehört, wieder zu Tage zu treten.

Wie hier ein Teil des Donauwassers unterirdisch versinkt, so verschwinden mitunter die Flüsse auf eine Strecke ihres Laufs, um gewöhnlich unterhalb in nachweisbarem Zusammenhang mit dem Oberlauf wieder zum Vorschein zu kommen. Am zahlreichsten treten diese verschwindenden Flüsse im Kalkplateau von Krain auf. Hier hat z. B. die Recca, die bei Duino mündet, einen unterirdischen Lauf von 38 km Länge. Ähnliche Verhältnisse spielen sich bei mehreren Flüßchen der Schwäbischen Alb ab. Berühmt ist die sogen. Perte du Rhône bei Bellegarde unterhalb Genf, wo der 68 m breite Strom, im Engpaß von Lécluse bis auf 5 m zusammengedrängt, sich in einen engen Felsentrichter stürzt und dann etwa 50 m lang in einem von steilen Höhen eingefaßten und von Felsblöcken überdeckten Kanal fließt.

Im Oberlauf haben die Flüsse ein bedeutenderes Gefälle als weiter unten; die Uferränder sind meist hoch und steil, die Flußbetten selbst schmal und oft sehr tief. Eine eigentliche Thalsohle ist noch nicht vorhanden, und oft stürzt sich der junge Strom als Gießbach (Murre) von Fels zu Fels. Schluchten und Spalten begünstigen den Abfluß der atmosphärischen Niederschläge; der Zusammenfluß der Quellen und Bäche findet innerhalb der Gebirgsabhänge statt und ist von der Struktur des Gebirges abhängig. Wo diese Abhängigkeit aufhört, da beginnt der Mittellauf des Flusses und zwar bei seinem Eintritt in das niedrigere Hügelland, wo die Berge mehr und mehr von den Ufern des Flusses sich entfernen und die Gewässer desselben ihr Bett frei auszuarbeiten vermögen. Eine Folge des verringerten Gefälles ist die verminderte Schnelligkeit des Flußlaufs, und diese wieder hat zur Folge, daß der F. nicht mehr den kürzesten Weg wählt, um tiefer herab zu gelangen, sondern in dem nachgebenden, von ihm selbst und seinen Nebenflüssen angeschwemmten Boden je nach dem größern oder geringern Widerstand, den er bei seiner Fortbewegung findet, größere oder kleinere Windungen (mäandrische Krümmungen oder Serpentinen) macht, welche für den Mittellauf charakteristisch sind. Große Krümmungen schneidet der F. manchmal später selbst ab, indem er sich im angeschwollenen Zustand durch eine zwei nahegelegene Stellen seines Laufs trennende Landenge Bahn bricht. Auf diese Weise entstehen Sandbänke, Inseln, Werder und Auen, welche insbesondere für den Mittellauf größerer ozeanischer Ströme charakteristisch sind und an die Stelle des alten Laufs der Flüsse (Altwasser) treten. Die Technik weiß durch Stromregulierungen, durch Anlage von Kanälen und Durchstichen, welche die Krümmungen abschneiden, sowie durch Uferbauten dem Flusse sein bestimmtes Bett anzuweisen und dadurch die Benutzung der Flüsse auch in ihrem Mittellauf für den Verkehr zu erleichtern. Manchmal finden sich im Mittellauf Einschnürungen des Bettes, infolge deren der breite Strom auf einmal beträchtlich schmäler wird, so z. B. der Rhein bei Bingen. Wo der Wasserspiegel eines Flusses kaum oder nur noch um weniges höher liegt als der Meeresspiegel, beginnt sein Unterlauf, der sich oft mannigfach gabelt und verästelt, ehe er sich ins Meer ergießt. Durch die dem Mittel- und Unterlauf eines Flusses eigentümlichen Windungen wird der Lauf desselben oft bedeutend verlängert, so daß bei geringer direkter Entfernung der Mündung von der Quelle die ganze Flußlänge doch beträchtlich ist. Das Verhältnis zwischen jener direkten Distanz und der wirklichen Flußlänge kann als Maß für die größere oder geringere Entwickelung eines Stroms dienen.

v. Baer glaubte eine Abhängigkeit der Uferbildung der Flüsse von der Rotation der Erde nachweisen zu können. In der Richtung des Meridians fließende Ströme sollten ein hohes rechtes Ufer und ein niedriges linkes haben, weil nordsüdlich fließende Gewässer mit einer geringern Rotationsgeschwindigkeit in die südlichern Breiten kommen, deshalb retardierend gegen das westliche, ihr rechtes Ufer andrücken müssen, das hierdurch erodiert und steil erhalten wird. Südnördlich fließende kommen mit größerer Rotationsgeschwindigkeit in Breiten, in welchen dieselbe geringer ist, müßten also voreilend das östliche, wiederum ihr rechtes Ufer vorwiegend erodieren. Auf der südlichen Halbkugel müßte hiernach bei in der Richtung des Meridians fließenden Flüssen das linke Ufer das steilere, das rechte das flachere sein. Während sich dieses sogen. Baersche Gesetz bei einer Mehrzahl namentlich russischer Flüsse zu bestätigen schien, haben sich doch zu viele Ausnahmen auffinden lassen, so daß, wenn überhaupt dieser Faktor mitspricht, sein Einfluß als ein minimaler im Vergleich zu dem der Bodenbeschaffenheit nicht nachweisbar ist.

Die Wassermenge eines Stroms hängt ab von dem Umfang seines Quellgebiets, von dem Querschnitt [410] seines Bettes, von dem Gebiet, welches er entwässert, von der Menge des atmosphärischen Niederschlags auf diesem Gebiet, von dem Klima, welches die Verdunstung mehr oder weniger begünstigt, und von der Beschaffenheit der Oberfläche des Bodens. Der Wasserstand der Flüsse ist daher ein vielfach wechselnder, namentlich wenn die Quellen des Flusses in solchen Gegenden liegen, wo periodische Regenniederschläge stattfinden. Am bekanntesten ist das Steigen und Fallen des Nils; aber auch der Senegal und der Congo in Afrika, der Ganges und Brahmaputra in Asien, der Orinoko in Südamerika bieten ähnliche Erscheinungen dar. Kommt ein Strom aus dem Hochgebirge, welches die Schneelinie überragt, so wird er am wasserreichsten sein, wenn der Schnee und das Gletschereis des Hochgebirges recht im Tauen begriffen sind, was z. B. auf den Alpen im Juni, Juli und August infolge des Vorherrschens südlicher Winde einzutreten pflegt. Den Wasserstand der Flüsse geben die sogen. Pegel an, d. h. vertikal in denselben aufgerichtete Maßstäbe mit einer von einem willkürlich bestimmten tiefsten Punkt beginnenden Einteilung, die bessern mit einem selbstregistrierenden Schwimmer versehen. An manchen Strömen, wo man dergleichen Messungen schon seit langer Zeit vorgenommen, wird eine allmähliche Abnahme der Wassermenge bemerkt, die z. B. beim Rhein von 1808 bis 1838: 21 cm, bei der Oder (bei Küstrin) von 1745 bis 1835: 40 cm, bei der Elbe (bei Magdeburg) von 1730 bis 1830: 55 cm beträgt.

Die Geschwindigkeit, mit welcher ein F. fließt, ist in erster Linie von der Größe des Gefälles abhängig, wobei der Widerstand, den das Wasser im Strombett selbst findet, einen hemmenden Einfluß ausübt. Bei Hochwasser, also bei größerer Tiefe und Breite des Wassers, ist die Strömung eine stärkere als bei gewöhnlichem Wasserstand. In einem und demselben Profil des Flusses ist die größte Geschwindigkeit dort, wo die bedeutendste Tiefe liegt, und verlangsamt nach dem Ufer zu. In vertikaler Richtung liegt der Punkt der größten Geschwindigkeit, wenigstens in tiefen Strömen, etwas unter der Oberfläche mit Verlangsamung gegen den Grund hin. Schiffbare Flüsse haben bei mäßiger Strömung eine mittlere Geschwindigkeit von 0,63–1,25 m, bei schneller Strömung von 1,25–3 m in der Sekunde. Zur Messung der Geschwindigkeit der Ströme hat man eigne Strommesser oder Rheometer. Die einfachsten sind die sogen. Schwimmer, hohle Kugeln, die, bis zu einer bestimmten Linie eintauchend, in gewissen Zeiten gewisse Strecken zurücklegen und so zur Ermittelung der Geschwindigkeit dienen. Woltmanns hydrometrischer Flügel, durch welchen die Anzahl der durch den Wasserstoß auf vier an einer Welle befestigte Flügel in bestimmter Zeit bewirkten Umdrehungen angegeben wird, scheint das zuverlässigste Instrument für diese Messungen zu sein.

Je geschwinder ein F. fließt, desto tiefer wird er in den nachgebenden Boden einschneiden, desto beträchtlicher wird also die durch ihn bewirkte Erosion oder Auswaschung sein, wobei Druck und Stoß auf gleiche Weise mitwirkend sind. Sie entsteht da, wo durch Verwitterung an der Luft eine Zersetzung des Gesteins vorangegangen ist und die mürbe gewordenen und zerfressenen Gesteinsteile durch fließende Gewässer in Bewegung gesetzt werden. Wo ein F. über eine steile oder senkrecht abfallende Stufe seines Bettes hinabstürzt, bildet er einen Wasserfall. Solche Wasserfälle sind besonders für den Oberlauf der aus Hochgebirgen kommenden Flüsse charakteristisch, doch finden sie sich zuweilen auch noch in dem nicht völlig entwickelten Mittellauf. In den Deutschen Alpen zählt man allein 250 größere Wasserfälle. Fallen dieselben in Absätzen herab, so heißen sie Kaskaden; niedrigere, aber sich mehrfach nacheinander wiederholende Fälle pflegt man als Katarakte zu bezeichnen. Durch Abreißen und Abwaschen der scharfkantigen Felsstufen entsteht bei regelmäßigerm Flußbett eine Stromschnelle, gleichsam ein in die Länge gezogener Wasserfall. Vermöge seiner Geschwindigkeit führt ein Strom Schlamm und Gerölle mit sich fort; wird diese Geschwindigkeit aber gehemmt, indem sich entweder das Gefälle vermindert, oder das Wasser auf festen Widerstand trifft, oder indem es sich in eine andre Wassermasse ergießt, so läßt es die mitgeführten Körper sinken, zuerst die schwerern, dann auch die leichtern. Dergleichen Ablagerungen finden sich längs des ganzen Flußlaufs und müssen das Flußbett nach und nach erhöhen. So hat sich aus dem immer weiter fortgeschobenen Gerölle und den darüber abgelagerten feinern Sedimenten allmählich eine trockne Thalsohle gebildet, in welcher sich das Wasser durch seine in der Mitte am stärksten treibende Strömung sein Rinnsal, seine Stromrinne, offen erhalten hat. Je näher der Mündung, desto mehr verliert ein F. an Geschwindigkeit und an Tragkraft; er ist zuletzt nur noch im stande, Sand und feinen Schlamm mit sich zu führen, den er vor seinem Mündungsgebiet ablagert (vgl. Delta).

Das Flußwasser enthält in der Regel weniger chemische und mehr mechanische Beimengungen als das Quellwasser und ist nicht selten weicher als dieses. Fein zerteilte schlammige Bestandteile trüben die Flüsse oft, z. B. die Alpenflüsse, so daß dieselben erst klar werden, wenn sich in einem See, den sie durchströmen, jene Beimengungen zu Boden gesetzt haben. Aber auch sonstige Färbung des Flußwassers wird durch diese mechanischen Beimengungen bedingt. Am reinsten sind aus gletscherlosen Urgebirgen kommende Gewässer, daher ihre klare, grünblaue Farbe. Blaugrün mit mannigfaltigen Nüancen erscheinen die den Kalkalpen entströmenden Flüsse. Isar, Lech und Iller zeigen im weißen Kiesbett ebenfalls blaugrüne Fluten. Die Salzach ist gelblich, milchig, während die Traun, die Berchtesgadener Aller, die Mangfall u. a., die in Alpenseen sich geläutert haben, das klarste, prächtigste Smaragdgrün zeigen. Der Genfer See und der ihn durchfließende Rhône erscheinen schön blau, der Züricher und Bodensee grün. Der Tarn im südlichen Frankreich und einige andre kleinere Gewässer sind rötlich, der Rio Branco in Amerika und nicht wenige andre weiß. Als Beispiel für die Menge der vom Flußwasser transportierten gelösten und suspendierten Stoffe seien die Untersuchungen Breitenlohners gewählt, die sich auf Elbwasser beziehen, welches bei Leitmeritz, also nahe dem Punkt entnommen wurde, wo die Elbe Böhmen verläßt. Den 48,400 qkm (880 QM.), welche in Böhmen auf das Elbgebiet entfallen, stehen nur 1265 qkm (23 QM.) gegenüber, die andern Stromgebieten, dem der Donau und Oder, angehören, oder Nebenflüssen der Elbe, welche sich erst außerhalb des Landes mit derselben vereinigen, und da anderseits nur Eger und Luschnitz einen kurzen Teil ihres Laufs außerhalb des Landes zurücklegen, so sind die folgenden Zahlen mit deshalb gewählt, weil sie sich zugleich auf ein auch politisch gut abgegrenztes Stromgebiet beziehen. Nach Breitenlohner enthält das Kubikmeter Elbwasser an Grammen in fester Substanz:

[411]

  suspendiert gelöst
im Maximum 367,33 im Januar, 129,30 im Oktober
im Minimum 2,93 im Oktober, 82,20 im Dezember
im Durchschnitt 91,19 103,78

Daß die Menge der suspendierten Stoffe viel größern Schwankungen unterliegt als diejenige der gelösten Stoffe, daß das Maximum der gelösten Stoffe mit dem Minimum der suspendierten und umgekehrt das Minimum der gelösten Stoffe mit dem Maximum der suspendierten zusammenfällt, sind ganz allgemein gültige und bei allen Untersuchungen von Flußwassern gefundene Sätze, auch hinsichtlich des Grundes leicht erklärlich. Mit dem Wechsel der Wassermenge im Flusse selbst wechselt auch die Tragfähigkeit des Flusses für suspendierte Stoffe sehr bedeutend, hinsichtlich der gelösten Stoffe sind dagegen die Flüsse wesentlich auf die gleichmäßigere Zufuhr der Quellen angewiesen, deren Minerallösungen sie in einem durch die atmosphärischen Niederschläge (Regen, Schnee) verdünnten Zustand erhalten; zur Zeit großer Wassermenge stellt diese Verdünnung ein Minimum gelöster Stoffe dar, d. h. gleichzeitig mit einem Maximum der Tragfähigkeit des Flusses gegenüber suspendierter Stoffe. Die große geologische Bedeutung des Flußwassers als Gesteinsmaterial transportierenden Faktors erhellt, wenn man die jährliche Wassermenge eines Flusses mit dem Gehalt an gelösten und suspendierten Stoffen vergleicht. Für die Elbe bei Lobositz beträgt die jährliche Wassermenge nach Haslacher 6179 Mill. cbm, und es entführt demnach die Elbe aus Böhmen jährlich 547,140,000 kg suspendierter und 622,680,000 kg gelöster Stoffe, zusammen 1,169,820,000 kg.

Fluß (Flußmittel), bei Schmelzoperationen zugesetzte Substanzen, welche die Verflüssigung der zu behandelnden Stoffe und die Abscheidung einzelner Produkte erleichtern. In dieser Weise benutzt man natürliche Silikate, Glas, Schlacken, Kochsalz, Borax, Flußspat etc. Diese Substanzen üben auf die Schmelzgemenge keinen wesentlichen Einfluß aus, sie bewirken vielmehr nur Leichtflüssigkeit und Verdünnung. Andre Flüsse, welche sich den Zuschlägen anschließen, sollen zugleich Säuren oder Basen binden und bestehen daher aus Kalk, Quarz, Silikaten etc. Gewisse Flüsse sollen außerdem reduzierend oder oxydierend wirken. Zu diesen gehört der schwarze F., welcher erhalten wird, wenn man ein Gemisch von 3 Teilen Weinstein und 1 Teil Salpeter verpufft; er enthält im wesentlichen Kohle und kohlensaures Kali. Weißer F., auf gleiche Weise aus gleichen Teilen Salpeter und Weinstein erhalten, enthält neben kohlensaurem salpetersaures und salpetrigsaures Kali und wirkt stark oxydierend. In der Glasfabrikation versteht man unter Flüssen leicht schmelzbare, durchsichtige, meist gefärbte Glasmassen (Schmelzgläser), welche zu Verzierungen, ähnlich wie Email, benutzt werden. Beim Schmelzen von Salzen unterscheidet man wässerigen und feurigen F. Die Salze, welche Kristallwasser enthalten, schmelzen bei mäßigem Erhitzen, und die entstandene Flüssigkeit stellt gewissermaßen eine wässerige Lösung von wasserfreiem Salz dar. Erhitzt man sie anhaltend, so entweicht das Wasser, und es bleibt trocknes, wasserfreies Salz zurück, welches nun erst bei höherer Temperatur in feurigen F. gerät. Beaumés Schnellfluß, ein Gemenge von 3 Salpeter, 1 Schwefel, 1 feinen Sägespänen, bringt beim Verbrennen eine hineingesteckte Silbermünze zum Schmelzen, indem sich das Metall in leicht schmelzbares Schwefelmetall verwandelt. F. (Seifensiederfluß), veralteter Name des Chlorkaliums, welches früher aus der Unterlauge gewonnen wurde.

Fluß, s. v. w. Flußspat.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 326327
korrigiert
Indexseite

[326] Fluß. Von den drei hydrographischen Elementen eines Flußsystems (Flußgebiet, Stromentwickelung und Wassermenge) ist das letzte das wichtigste. Die Wassermassen, die ein Strom mit sich führt, sind 1) von der Größe des Flußbeckens, 2) von der Anzahl und Länge der Nebenflüsse, 3) im höchsten Grad von den meteorologischen Verhältnissen des durchströmten Gebiets abhängig. Neben der jährlichen Periode des Wasserstandes, die überall am stärksten ausgeprägt ist, machen sich bei manchen Flüssen auch Verschiedenheiten der Monate sehr deutlich bemerkbar. Die Wassermenge der Flüsse wechselt von Jahr zu Jahr mit den Niederschlägen, am meisten in denjenigen Erdgebieten, welche keine ausgesprochene Regenzeit haben. In den verschiedenen Flüssen Mitteleuropas verläuft die Bewegung des Wasserstandes von Lustrum zu Lustrum ungefähr parallel. Um 1801–10 erreichten alle Flüsse einen höchsten Stand, sanken alsdann mehr oder weniger ohne Unterbrechung. Um das Jahr 1830 gruppieren sich die Minima der Lustrenmittel. Um 1850 tritt ein zweites Maximum auf; es folgt ein starkes Sinken, bis 1856–65 ein zweites Minimum erreicht wird. Seit 1866 sind die Flüsse wieder in einer Periode des Steigens begriffen, die seither andauert. Hoch- und Niedrigwasser treten bei größern Strömen nicht an allen Punkten gleichzeitig ein; die gleiche Beobachtung läßt sich beim Vergleich der Flüsse verschiedener Länder machen. Im Gegensatz zu den mittel- und westeuropäischen Flüssen zeigen z. B. diejenigen Rußlands ein auffallendes Vorherrschen der Hochfluten des Frühjahrs, die von der Schneeschmelze der Ebene herrühren. Im J. 1880 betrug die Wassermasse, welche die Moskwa bei Moskau vorbeiführte, in den 25 Tagen ihres Hochwasserstandes (vom 16. April bis 10. Mai) 93,250,000 cbm, in der übrigen Zeit des Jahrs aber nur 85,290,000 cbm. Die Wolga führte nach Messungen an der Alexanderbrücke oberhalb Syzrane nach Aufnahme ihrer größern Nebenflüsse in den Jahren 1877–80 im Mittel jährlich 312,180 Mill. cbm Wasser. Das Verhältnis von Niederschlägen und Abflußmengen ist erst für wenige Gebiete bekannt. Im westfälischen Becken gelangen durch die Emscher, Ems und Lippe folgende Prozentteile der im Gebiet gefallenen Niederschlagsmengen zum Abfluß: im August 13,7 Proz., im Februar 86 Proz. Im Mittel fließen in den sechs Wintermonaten (November bis April) 65,3 Proz., in den sechs Sommermonaten 18, im ganzen Jahr 39,4 Proz. ab. Die Wassermenge der hauptsächlichsten deutschen Ströme, verglichen mit den Stromgebieten und Niederschlagsmengen, ist aus folgender Tabelle ersichtlich. In derselben gibt die zweite Kolumne die von je 100 qkm Fläche in der Sekunde gelieferte Anzahl Kubikmeter Wasser, die dritte den Prozentsatz der auf dem ganzen Gebiet niedergefallenen mittlern Regenmenge, der durch den Strom abgeführt wird, die vierte das Verhältnis der mittlern Sommerabflußmenge zum Winterabfluß (den Winter vom 1. Nov. bis 1. Mai gerechnet), die fünfte das Verhältnis der Abflußmenge des wasserreichsten zum trockensten Monat.

  Kubikm. Proz.    
Rhein oberhalb der Moselmündung 1,070 38,5 0,922 1,485
Weser bei Minden 0,826 37,0 0,434 4,0
Elbe bei Torgau 0,579 30,0
Oder bei Steinau 0,460 27,2 0,525 4,5
Warthe kurz oberhalb ihrer Mündung 0,344 21,0
Weichsel an d. Montauer Spitze 0,538 29,0 0,486 4,19
Memel bei Tilsit 0,600 32,5 0,389 4,51

Die einzelnen Flußgebiete zeigen große Unterschiede in ihrem Verhalten. Vergleicht man die Wassermenge eines Flusses mit der Regenmenge für jeden Monat, so ergibt sich, daß der Wasserstand nicht in direktem Verhältnis zur Regenmenge derselben Zeit steht, sondern sich umgekehrt verhält wie die Intensität der Verdunstung. Die Menge der Sedimente, welche die Flüsse teils in gelöstem Zustand, teils mechanisch mitführen, gewährt eine Vorstellung von der allmählichen Denudation des Festlandes. Die Anzahl der Jahre, welche zur Abtragung von 1 mm im gangen Flußgebiet nötig ist, beträgt beim Jantsekiang 12,5, La Plata 98,3, Mississippi 20,1, Rhône 5,1, bei der Donau 23, Themse 32,2 und beim Po 2,4. Der Betrag an gelösten Stoffen, die durch die Flüsse dem Meer zugeführt und jeder Raumeinheit des Flußbeckens alljährlich entnommen werden, stellte sich für jedes QKilometer des Mississippi auf 46,000 kg, für den Amazonenstrom auf 20,000, St. Lorenz 77,000, Donau 36,000 kg.

Die Geschwindigkeit, mit der das Wasser in seinem Bette dahinströmt, schwankt mit dem Gefälle und der Wassermenge und entspricht infolge der innern Reibung und der Reibung des Wassers an den Wänden nie genau der Neigung des Bettes, sondern ist stets etwas kleiner. Bei schnell fließenden Strömen hat man zwei Arten von innerer Reibung zu unterscheiden: [327] die gewöhnliche molekulare Reibung findet überall bei mäßigen Geschwindigkeiten in regelmäßig geformten Gefäßen allein statt; die zweite Art der Reibung entsteht dadurch, daß infolge größerer Geschwindigkeiten der molekulare Zusammenhang zwischen den einzelnen Wasserschichten besonders in der Nähe der unebenen Wände zerrissen wird und abgelöste Flüssigkeitsteilchen sich fortwährend wirbelnd von der Begrenzungsfläche weg durch die übrige Flüssigkeit hindurch bewegen. Durch diese Wirbel werden Widerstände hervorgerufen, deren Wirkung auf die Flüssigkeitsteilchen im Innern nicht nur von dem mittlern Werte der Geschwindigkeit an der betreffenden Stelle, sondern auch von der Stärke der Wirbelbewegung daselbst abhängig ist. Innerhalb eines Querschnitts fließen daher nicht alle Wasserteilchen gleich schnell, die Geschwindigkeit nimmt in der Vertikalen vom Boden nach der Oberfläche hin stetig zu, erreicht aber ihren größten Wert nicht an der Oberfläche, sondern etwas unterhalb derselben, ebenso nimmt sie an der Oberfläche selbst vom Ufer gegen die Mitte zu. Die Linien gleicher Geschwindigkeit innerhalb des Querprofils eines Flusses verlaufen ungefähr in der Weise, wie Fig. 1 sie darstellt. Die

Fig. 1. Linien gleicher Geschwindigkeit.

Geschwindigkeit der einzelnen Stromschichten veranschaulicht Fig. 2. Zieht man eine Tiefenlinie AB

Fig. 2. Geschwindigkeit der einzelnen Stromschichten.

und trägt in deren einzelnen Punkten c, d, e, f, g, h, i auf den daselbst errichteten Senkrechten die Strecken Aa1, cc1, dd1, ee1, f‌f1, gg1, hh1, ii1 ab, welche den Geschwindigkeiten an den bezüglichen Stellen proportional sind, so liegen die Endpunkte a1, c1, d1, e1, f1, g1, h1, i1 auf einer Parabel, welche durch den Fußpunkt B geht. Vollendet man die Parabel über a1 hinaus, bis sie die Verlängerung von AB über A hinaus in K schneidet, so sieht man, daß die Achse der Kurve unter der Oberfläche liegt und mit der Linie dd1 zusammenfällt. Diese Achse der Parabel heißt Stromstrich, dieselbe liegt in gleicher Vertikalebene mit der Kurve des Thalwegs, längs welchem eine Wassermasse die kürzeste Verbindung ihres augenblicklichen Ortes mit der Horizontalebene herstellt. Die Kurven, welche die Punkte gleicher Stromgeschwindigkeit verbinden, sogen. Isotachen, liegen selbst in Flüssen, deren Querprofil eine möglichst günstige, genau rechteckige Form hat, ganz unsymmetrisch zur Achse des Profils. Die Wasseroberfläche ist nie ganz horizontal, sondern nimmt eine konvexe Gestalt an, da der Mitte mehr Wasser zugeführt wird als den Rändern und das Wasser dort schneller abfließt als gegen die Ufer hin. Verfolgt man die Bewegung der Stromfäden vom Ufer nach der Strommitte so findet sie ihre Fortsetzung in der Weise, daß die Wasserteilchen in der Mitte untertauchen u. auf spiralförmigem Weg sich zuerst dem Boden, dann wieder dem Ufer nähern.

Fig. 3. Stromstrich.

In einer geraden Flußstrecke laufen also die Stromfäden beiderseits des Stromstrichs in symmetrisch spiraligen Bahnen. In jeder Biegung dagegen gelangt der Stromstrich durch die Zentrifugalkraft an das konkave Ufer (a in Fig. 3), die Stromfäden tauchen an diesem in die Tiefe und steigen am konvexen Ufer (b) wieder in die Höhe. Der Stromstrich SS liegt demnach nicht mehr in der Mitte, sondern bewegt sich von einem Hohlufer zum andern. Infolge dieser Bewegung wird das Flußbett am konkaven Ufer vertieft, letzteres selber unterhöhlt, während am gegenüberliegenden Ufer, wo ruhiges Wasser steht, die Sedimente abgelagert werden.