Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eisenbahnzeit“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 467468
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Eisenbahnzeit. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 467–468. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eisenbahnzeit (Version vom 28.12.2023)

[467] Eisenbahnzeit, die für die Fahrpläne der Eisenbahnen maßgebende Zeit. Um den einheitlichen Betrieb eines Eisenbahnsystems zu sichern, ist es nötig, daß derselbe nach einer gemeinschaftlich angenommenen Zeit geregelt werde. Im andern Fall würden störende Umständlichkeiten oder Mißverständnisse in der Feststellung des Fahrplans und im Betrieb unvermeidlich sein, da die Angaben der Uhr des Lokomotivführers eines in der Bewegung begriffenen Zuges bei Passierung jedes Längengrades um je 4 Minuten gegen die betreffende mittlere Ortszeit abweichen würden. Um den Anforderungen des Eisenbahnbetriebs Rechnung zu tragen, ohne dem Publikum die Unbequemlichkeit einer jedesmaligen Umrechnung der Zeitangaben auf den Fahrplänen in mittlere Ortszeit zuzumuten, hat man in Norddeutschland verschiedene Zeitmaße für die zu Eisenbahndienstzwecken aufgestellten und für die zum Gebrauch für das Publikum bestimmten Fahrpläne eingeführt. In den Dienstfahrplänen (s. Eisenbahn, S. 444) sind die Zeitangaben in Berliner Zeit enthalten, während die Fahrpläne für das Publikum in die betreffenden Ortszeiten übertragen sind. Um die Rechnung mit doppelten Zeitangaben zu vermeiden, hat man jetzt in vielen Staaten eine sogen. Normalzeit, welche nicht nur für den Eisenbahnverkehr, sondern auch für das bürgerliche Leben gültig ist, eingeführt. In der nachstehenden Aufzählung der Normalzeiten ist in Klammern die Abweichung gegen die „Berliner Zeit“ angegeben. (Beispielsweise −20 = 20 Min. weniger als Berliner Zeit; +31 = 31 M. mehr als Berliner Zeit.) Die Aufstellung der Fahrpläne in Normalzeiten ist erfolgt in Baden nach Karlsruher (−20 M.), Bayern nach Münchener (−7 M.), bayrische Pfalz nach Ludwigshafener (−20 M.), Württemberg nach Stuttgarter (−17 M.), Österreich nach Prager (+4 M.), [468] Galizien und Ungarn nach Budapester (+23 M.), Belgien nach Brüsseler (−36 M.), Dänemark nach Kopenhagener (−3 M.), Frankreich nach Pariser (−44 M.), Großbritannien nach Greenwicher (−54 M.), Italien nach römischer (−4 M.), Niederlande nach Amsterdamer (−34 M.), Norwegen nach Christianiaer (−11 M.), Portugal nach Lissaboner (−1 St. 30 M.), Rumänien nach Bukarester (+52 M.), Rußland nach St. Petersburger (+1 St. 8 M.) und Moskauer (+1 St. 37 M.), Schweiz nach Berner (−24 M.), Spanien nach Madrider Zeit (−1 St. 8 M.). In Schweden erfolgt die Aufstellung nach „gemeinsamer bürgerlicher Zeit“, welche zusammenfällt mit dem mittlern Meridian des Landes (7 Minuten höher als Berliner Zeit).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 226227
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[226] Eisenbahnzeit. Im Interesse des Verkehrs werden die Eisenbahnfahrpläne in vielen Ländern nach der Zeit eines meist möglichst zentral gelegenen Ortes dieser Länder aufgestellt. So gilt für einen großen Teil Deutschlands die Berliner Zeit, für Österreich die Prager Zeit und für Frankreich die Pariser Zeit als Normaleisenbahnzeit (vgl. Eisenbahnzeit, Bd. 5). Die Festsetzung von Normalzeiten für möglichst große Ländergebiete und die Anwendung derselben nicht nur auf den Eisenbahnbetrieb, sondern auch auf das bürgerliche Leben stellt sich als die zunächst erstrebenswerte Aufgabe und zugleich als der erste vorbereitende Schritt zur Einführung einer einheitlichen Weltzeitrechnung (vgl. Universalzeit, [227] Bd. 15) dar. Amerika hat diesen Schritt 1883 gethan. Vom 60. Längengrad westlich von Greenwich aus, dem ersten, welcher um volle 4 Stunden von dem voraussichtlichen Ausgangspunkt der Weltzeitrechnung (Greenwich) entfernt, Amerika durchschneidet, ist dieser Erdteil in 5 Stundenzonen geteilt worden, bestehend aus je 15 Längengraden (zu 4 Zeitminuten = 1 Stunde), wobei die von Greenwich um volle Stunden entfernten Längengrade: 60, 75, 90, 105 und 120 nicht die Grenzen, sondern die Mittellinien besagter Zonen bilden. Der Differenz gegen Greenwich entsprechend, werden in der östlichsten Zone 4 volle, in der anstoßenden 5 volle Stunden etc. weniger gerechnet als gleichzeitig in Greenwich; dies hat den großen Vorteil, daß, weil eben nur um volle Stunden verschieden, die Minuten und Sekunden mit Greenwich überall und jederzeit gleichartig sind. Beim Übertritt aus einer Zone in die andre wird, je nach der Richtung gegen W. oder O., stets eine volle Stunde abgezogen oder hinzugegeben; man hat sich daher nicht, wie bei uns, mit schwer zu merkenden Minuten und event. Sekunden zu plagen. Bahnen, deren Linien etwa in die benachbarte Stundenzone reichen, behalten, um nicht mit verschiedenen Zeiten zu rechnen, die ihnen ihrer ursprünglichen Zone nach eigentümlich zukommende Zeitrechnung bei.

Durch Einführung dieses Zonensystems hat Nordamerika den ersten und entscheidenden Schritt zur einheitlichen Zeit gethan. Seitdem ist noch die östlichste Stundenzone mit der zunächst liegenden Zone vereint worden, so daß in der Ausdehnung von ursprünglich 2 Stundenzonen gegenwärtig nur Eine Zeit Geltung hat und derzeit in ganz Nordamerika nur vier voneinander um je eine ganze Stunde abweichende Zeiten bestehen.

Auch Japan hat dieses Stundenzonensystem eingeführt, und da dort der 135. Längengrad östlich von Greenwich als Grundlage der Zeitrechnung genommen wird, ist die Zeit in Japan um 9 Stunden der Greenwicher voraus.

Dieses System erscheint auch für Europa als das zweckentsprechendste. Die erste Zone bildet jene, deren Mittellinie der Meridian von Greenwich ist, und die von den Längengraden 7°30′ westlich und 7°30′ östlich von Greenwich begrenzt wird. Die Breite der Zone beträgt 15 Längengrade, was, in der Zeit ausgedrückt, einer Stunde entspricht. Die Einführung der Weltzeit kann in dieser Zone am einfachsten vor sich gehen, indem der Mittelmeridian mit dem Ausgangspunkt der Weltzeitrechnung zusammenfällt. In England wird übrigens die Greenwicher Zeit schon seit langem angewendet. In diese Zone fallen ganz Frankreich, die Niederlande, Belgien; Spanien und Portugal überragen die Zonengrenze im W. um ein Geringes. Dies hindert jedoch nicht, diese hinausreichenden kleinen Gebiete in die Zeitrechnung der Stundenzone von Greenwich einzubeziehen, um so mehr, als dieselben weiter westlich an das Meer angrenzen. Auf diese Weise erschiene bezüglich Spaniens und Portugals die Vereinigung zweier Stundenzonen, gleichwie in Amerika, zu einer mit gleichartiger Zeitrechnung vollzogen.

Unser Kontinent erscheint hinsichtlich der Weltzeit weit günstiger gelegen als Amerika. Während nämlich in Amerika bei Annahme der Greenwicher Zeit als Basis für die östlichste Zone ein Sprung von 4 Stunden gemacht werden muß, genügt hier für die Einführung der Weltzeit die einfache Berücksichtigung der wirklichen Zeitdifferenz. Die zunächst östlich von Greenwich liegende Stundenzone von 7°30′ bis 22°30′ östliche Länge umfaßt ganz Mitteleuropa und ist gegen Greenwich mit einer vollen Stunde voraus. Nachdem Schweden diese Zeitrechnung bereits angenommen hat, stehen noch Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn, die Schweiz, Italien, Serbien und Griechenland in Frage. Von diesen Ländern fällt der weitaus größere Teil der Schweiz, von Italien und Dänemark in den Rahmen der zweiten Zone; Deutschland ragt mit seinen Grenzen nur um ganz Unmerkliches sowohl östlich als westlich hinaus, so daß die Einbeziehung dieser kleinen Teile in die eigentliche Zone weder vom theoretischen noch vom praktischen Gesichtspunkt aus mit Schwierigkeiten verbunden erscheint. Österreich-Ungarn reicht wohl östlich über die Zonengrenze hinaus, und es müßten in diesem Falle, gleichwie in Amerika, mit Umgehung der theoretischen Grenzen, um einer Zweiteilung der Bahnzeit vorzubeugen, die außerhalb der Zone fallenden Teile in die Stammzone einbezogen werden, was wohl ebensowenig Schwierigkeiten begegnen wird wie in Amerika. Die Direktion der ungarischen Staatseisenbahnen hat die Anregung zur Einführung einer auf der Zonenteilung beruhenden einheitlichen Eisenbahnzeit im Bereich des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen gegeben, und auf ihren Antrag wurde in der 1890 in Dresden abgehaltenen Vereinsversammlung beschlossen, die oben erörterte Zonenzeit im innern Eisenbahndienst und zwar mit Beginn der nächstjährigen Sommerfahrplanperiode (1891) zur Einführung zu bringen sowie die allgemeine Einführung der Zonenzeit auch im bürgerlichen Leben als empfehlenswert zu bezeichnen. Die Annahme der einheitlichen Zonenzeit für die Post- und Telegraphenverwaltung würde uns diesem Ziele sehr schnell näher bringen.