MKL1888:Deutsche freisinnige Partei

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Deutsche freisinnige Partei“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Deutsche freisinnige Partei“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 4 (1886), Seite 732
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Deutsche freisinnige Partei. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 732. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Deutsche_freisinnige_Partei (Version vom 14.03.2023)

[732] Deutsche freisinnige Partei, die im März 1884 durch die Verschmelzung (Fusion) der deutschen Fortschrittspartei und der liberalen Vereinigung (sogen. Sezessionisten) begründete Partei in Deutschland. Durch Beschluß jener beiden bis dahin getrennten Fraktionen im Reichstag und im preußischen Abgeordnetenhaus kam die Fusion 5. März 1884 zu stande, um demnächst 15. und 16. März von allgemeinen Parteitagen der Fortschrittspartei und der liberalen Vereinigung, welche in Berlin abgehalten wurden, genehmigt zu werden. Von den 106 Mitgliedern der beiden Fraktionen im Reichstag traten 100 der neuen Partei bei. Die Verschmelzung erfolgte auf Grund von Einigungspunkten, welche zugleich als Programm der neuen Partei dienten. Man hatte sich in denselben über einige Punkte, in welchen die beiden Fraktionen bisher voneinander abgewichen waren, verständigt; namentlich hatte die Fortschrittspartei darein gewilligt, daß ihre bisherige programmmäßige Forderung der alljährlichen Feststellung der Friedenspräsenzstärke der deutschen Armee dahin modifiziert ward, daß die Feststellung derselben für jede Legislaturperiode (drei Jahre) verlangt wurde. Die in das Parteiprogramm der Deutschfreisinnigen mit aufgenommene Forderung der Organisation eines verantwortlichen Reichsministeriums gab zu einem hierauf bezüglichen Beschluß des Bundesrats Veranlassung, welcher diese Forderung in scharfer Weise zurückwies. Die neue Partei bildete ein Zentralkomitee mit dem Abgeordneten v. Stauffenberg als Vorsitzendem und den Abgeordneten Hänel und Virchow als Stellvertretern. An die Spitze des geschäftsführenden Ausschusses trat Eugen Richter, während der Abgeordnete Rickert sein Vertreter ward. Außerdem wurden die Abgeordneten Bamberger, v. Forckenbeck, Hänel und Klotz mit in den Vorstand berufen. Die Hoffnung, daß die neue Partei bei den Neuwahlen im Herbst 1884 bedeutend zunehmen und zu einer großen liberalen Partei sich erweitern werde, erfüllte sich nicht. Von 100 Mitgliedern schmolz die d. f. P. im Reichstag auf 65 (Herbst 1885) zusammen. Im Abgeordnetenhaus zählt sie seit 1885: 44 Mitglieder. Ihr Zentralbüreau befindet sich in Berlin, ihr offizielles Organ ist die ebendaselbst allmonatlich erscheinende „Parlamentarische Korrespondenz“, welche nur an Parteigenossen versandt wird.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 224
korrigiert
Indexseite

[224] Deutsche freisinnige Partei verlor nach der Auflösung des Reichstags 14. Jan. 1887, in welchem sie für den Tadelsantrag gegen die polnischen Ausweisungen und gegen das Septennat gestimmt hatte, bei den Neuwahlen 21. Febr. 1887 eine Menge Wahlkreise, besonders an die Nationalliberalen; bei der ersten Wahl wurden bloß 11 Deutschfreisinnige gewählt, und erst bei den Stichwahlen stieg ihre Zahl durch die Unterstützung der Ultramontanen und Sozialdemokraten auf 32. Sie stimmte auch im neuen Reichstag gegen das Septennat, das Branntweinsteuergesetz und die Alters- und Invalidenversicherung, genehmigte aber 1888 die Gesetzvorlage über die Erhöhung der Wehrkraft. Bei den Landtagswahlen 6. Nov. 1888 behauptete sie bloß 30 Sitze im Abgeordnetenhaus.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 185
korrigiert
Indexseite

[185] Deutsche freisinnige Partei erlangte bei den Reichstagswahlen vom 20. Febr. 1890, bei denen sie besonders das Kampfwort: „Gegen das Kartell“ ausgab und allen Gegnern desselben Unterstützung lieh wie von ihnen empfing, eine bedeutende Verstärkung und stieg auf 64 Mitglieder, so daß sie die drittstärkste Partei war und der zweite Vizepräsident aus ihr gewählt wurde. Der Rücktritt Bismarcks erweckte bei einem Teile der Partei Hoffnungen auf Berücksichtigung seitens der Regierung und den Wunsch nach entgegenkommender Haltung, dem aber E. Richter sich siegreich widersetzte. Die Partei verhielt sich also bei den Reichstagsverhandlungen nach wie vor ablehnend, namentlich gegen die Militärvorlagen.