Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Blindendruck“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 33
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Blindendruck. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 33. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Blindendruck (Version vom 20.03.2022)

[33] Blindendruck (Blindenschrift, Ektypographie, Hochdruck), Druckart, bei der die Worte auf dem Papier nicht in farbigen Lettern, sondern durch Prägedruck in einem dem Tastsinn leicht wahrnehmbaren scharfen Relief erscheinen. Die Schrift besitzt nur Haarstriche und keine Grundstriche, auch fast durchweg eckige Formen, welche von den Fingern des Lesenden leichter unterschieden werden können, und vermeidet (ausgenommen in dem französischen System) die langen über und unter der Zeile hervorragenden Buchstaben, um dem Lesenden das Aufsuchen der folgenden Zeile zu erleichtern. Der Erfinder dieser Art Druck war der Abbé Hauy (s. d.), welcher große Metalltypen anfertigen ließ, deren Bild gleich Stachelspitzen wesentlich über ihren Körper hervorgehen muß, da es in das Papier einzudringen bestimmt ist; er wandte sie zuerst 1784 in dem Pariser Blindeninstitut an und brachte es bald so weit, daß die blinden Zöglinge ihre Bücher selbst setzen und drucken konnten (s. Blindenanstalten). Hauys Nachfolger Guillié vervollkommte den B., und ähnliche Verfahrungsarten wendeten Klein in Leipzig, Lachmann in Braunschweig, der österreichische Hauptmann Freißauff von Neudegg und Gall in Edinburg an. Am weitesten vorgeschritten ist der B. in den Vereinigten Staaten, wo sich die New England Institution zu Boston das höchste Verdienst um denselben erworben hat. Von den verschiedenen Systemen, bei denen wirkliche Typen, und zwar meist das modifizierte lateinische Alphabet, zur Verwendung kommen, ist das von Alston in Glasgow das einfachste und am weitesten verbreitete. Neben diesen Typensystemen bestehen noch mehrere Zeichenalphabete (Striche, Punkte). Einige der letztern, z. B. das des Engländers Moon und das des Franzosen L. Braille (s. d.), sind von Blinden selbst kombiniert worden. Diese Zeichensysteme erschweren und verteuern den Druck wesentlich dadurch, daß sie beträchtlich mehr Raum einnehmen, die Bücher also voluminöser machen. So umfasst die Bibel in dem Lucasschen Zeichensystem 36 Bände, in dem Bostoner oder amerikanischen Alphabetsystem aber nur 8 Bände. Da jedoch eine gute Zeichenschrift die Arbeit des Lesens und des Schreibens dem Blinden wesentlich erleichtert, was namentlich für den ersten Anfang und für den raschen Verkehr der Blinden untereinander hohe Bedeutung hat, ist eine solche neben der gewöhnlichen Schrift (Uncialen) nicht wohl zu entbehren. In diesem Sinn empfahl der internationale Kongreß der Blindenlehrer zu Berlin 1879 die allgemeine Einführung der Brailleschen Punktierschrift als Weltschrift für Blinde. In dieser Schrift werden sämtliche Sprachlaute durch Gruppen von Punkten bezeichnet, die sich auf drei parallele Linien verteilen. Der Schriftsatz für den B. erfolgt wie der des Hebräischen von der Rechten zur Linken, der Druck aber wird der Hauptsache nach wie Prägedruck (s. d.) behandelt.