MKL1888:Bevölkerungsgeschichte

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bevölkerungsgeschichte“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 18 (Supplement, 1891), Seite 106117
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Bevölkerungsgeschichte. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 18, Seite 106–117. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bev%C3%B6lkerungsgeschichte (Version vom 24.11.2024)

[106] Bevölkerungsgeschichte. Die Bevölkerungslehre oder Bevölkerungswissenschaft ist ein Zweig der Sozialwissenschaften und zwar derjenige, welcher sich mit Stand und Bewegung der Bevölkerung, betrachtet nach Zeit, Raum und Gesellschaftsklassen, beschäftigt. Früher wurde sie meist als ein Teil der Nationalökonomie angesehen und gipfelte in dem sogen. Bevölkerungsgesetz. [107] Erst in jüngster Zeit ist infolge der Fortschritte der Sozialwissenschaften im allgemeinen und der Statistik im besondern ihre Stellung als besonderes Wissenschaftsgebiet zur Geltung und Anerkennung gekommen. Damit ergab sich gleichzeitig auch die Möglichkeit und Notwendigkeit einer geschichtlichen Erforschung und Betrachtung der durch die Bevölkerungswissenschaft der Kenntnis vermittelten gesellschaftlichen Erscheinungen, d. h. die B. Eine solche gehört jedoch erst der allerjüngsten Zeit an, und ihre Resultate sind daher bis jetzt nur Stückwerk. Dies darf nicht wundernehmen, da ja doch die ungleich ältere und mehr gepflegte Wirtschaftsgeschichte, welche überdies mit der B. auf das engste zusammenhängt, bis heute auch nur Stückwerk geblieben ist. Dennoch aber ist es interessant und wertvoll, die bisherigen Resultate der bevölkerungsgeschichtlichen Forschung zusammenzufassen, da deren Bedeutung in der That eine sehr große ist. Es bietet ja an sich schon einen eignen Reiz, die Zahlenverhältnisse des Menschengeschlechts, der einzelnen Völker, welche im Verlauf der Zeit eine Rolle gespielt haben, und der einzelnen Gesellschaftsklassen zu verfolgen und im ursachlichen Zusammenhang zu erkennen. Man kann wohl sagen, daß hierüber höchst abenteuerliche und völlig ungerechtfertigte Vorstellungen bestehen, mit denen die Wissenschaft noch immer im Kampf steht, ohne im stande gewesen zu sein, sie auszurotten. Dann aber bedenke man, welchen Wert die B. für die allgemeine geschichtliche Forschung überhaupt besitzt. Keine geschichtliche Darstellung ist im stande, sich ziffermäßiger Angabe über Größe und Stärke der Volksstämme, der Gesellschaftsklassen, der Kriegsheere zu Land und zu Wasser, der Kolonien u. dgl. zu entschlagen. Die vorwiegend politisch-geschichtlichen, dann aber auch die kulturgeschichtlichen Nachrichten der sogen. Weltgeschichte erlangen erst durch einen dergestaltigen plastischen Hintergrund ihre wahre Bedeutung. Und zwar liegt der Wert der B. für die sogen. Weltgeschichte nicht nur darin, daß die Darstellung ungemein an Anschaulichkeit gewinnt, sondern auch darin, daß die Aufhellung der Thatsachenzusammenhänge nicht selten von der Erkenntnis quantitativer Verhältnisse geradezu abhängig ist. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für die kulturgeschichtliche Forschung und zwar vornehmlich für die Erforschung der klassischen Zeit und des mittelalterlichen Lebens. Je wichtiger der Klassizismus der griechisch-römischen Welt für die Ausgestaltung des heutigen Geistes- und Völkerlebens überhaupt zu bezeichnen ist, desto notwendiger ist es, diese Epochen der Geschichte der Menschheit auch auf gegründete Zahlenverhältnisse zu fundieren. Dazu kommt dann noch ein weiteres Moment. Die Methode der Bevölkerungslehre ist nahezu ausschließlich die statistische Induktion. Die Erkenntnis der einschlägigen Phänomene wird nun um so vollkommener, je mehr wir im stande sind, dieselben nicht nur in der Gegenwart, sondern auch im geschichtlichen Verlauf unter den verschiedenartigsten Darstellungsformen zu betrachten. Die wichtigen Probleme des Sexualverhältnisses der Gebornen und in der Bevölkerung, des Altersaufbaues und der Absterbeordnung, der Wanderungen etc. bieten in geschichtlicher Form ganz neue Gesichtspunkte dar, welche die durch die Betrachtung zeitgenössischer Vorgänge vermittelte Erkenntnis wesentlich ergänzen. Nicht zum wenigsten gilt dies bezüglich der enorm wichtigen Frage des sogen. Bevölkerungsgesetzes.

Im 17. und 18. Jahrh. war die Bevölkerung der europäischen Staaten im allgemeinen eine sehr dünne, und es entwickelte sich demgemäß eine Richtung in der Bevölkerungslehre, jene der Populationisten (Süßmilch, Sonnenfels, Justi etc.), welche die Hebung der Volkszahl als Aufgabe der Staatsverwaltung hinstellten und zahlreiche konkrete Maßnahmen hierfür empfahlen, unter welchen die Kolonisation nicht an letzter Stelle zu nennen ist. Im Gegensatz dazu entwickelte gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in England Malthus seine Ansichten über das Bevölkerungsgesetz, welche auf das gerade Gegenteil hinausliefen und von der Anschauung einer bereits gegenwärtig bestehenden oder doch in Zukunft zu erwartenden Übervölkerung getragen wurden. Die Ereignisse der auf Malthus folgenden Zeit gaben ihm scheinbar recht, indem mit dem allgemeinen Aufschwung der Industrie und der Verdichtung des Verkehrs eine außerordentlich starke Bevölkerungszunahme erfolgte. Im Zusammenhang damit sehen wir in der Bevölkerungslehre Richtungen vertreten, welche auf Abhilfe dieser Übervölkerung hindrängen. Dazu gehört die vornehmlich im Deutschen Reich vertretene kolonialpolitische Richtung, dann aber der sogen. Neomalthusianismus (vertreten von Stille u. a.). Diese letztgenannte Richtung will die rasche Vermehrung der Völker durch Maßregeln hindern, welche eine verminderte Fruchtbarkeit des weiblichen Geschlechts zur Folge haben sollen. Dabei kann man sagen, daß im allgemeinen über die Zukunft des Menschengeschlechts vom Standpunkte des Verhältnisses zum Nahrungsspielraum ziemlich trübe Ansichten verbreitet sind, über welche man sich allerdings nur selten genaue Rechenschaft abgibt.

Zur nüchternen und eigentlich wissenschaftlichen Beurteilung des Bevölkerungsgesetzes, d. h. des Verhältnisses der Volkszahl zum Nahrungsspielraum im Verlauf der Entwickelung der Völker, ist es nun durchaus nicht genügend, nur die gegenwärtigen oder jüngstvergangenen Verhältnisse zur Untersuchung heranzuziehen; es ist vielmehr erforderlich, den Blick historisch zu erweitern und zur B. zu greifen, soweit dieselbe überhaupt Nachrichten zu geben vermag. Dabei gelangen wir dann zur Einsicht, daß es nicht angeht, von einem allgemeinen Gesetz der zahlenmäßigen Entwickelung des Menschengeschlechts im allgemeinen zu sprechen, sondern daß eine solche Regelmäßigkeit nur betreffs einzelner Völker angenommen werden darf. Hiermit aber stehen wir vor einer für jedes Volk sehr wichtigen Kenntnis. Indem wir im großen und ganzen der geschichtlichen Entwickelung die Völker in die Geschichte eintreten, sich entwickeln, absterben oder sich erneuern und ununterbrochen weiter bestehen sehen, erkennen wir auch die Stellung, welche ein jedes konkrete Volk in seinem historischen Entwickelungsgang im gegenwärtigen Moment einnimmt. Diese Erkenntnis ist aber wichtig, um den steten Rivalitätskampf zu verfolgen, welchen die Staaten im Verlauf der Zeit führen. Die zeitweise Hegemonie Griechenlands, dann Roms, der stete Rückgang der politischen Macht Frankreichs, das Anwachsen der politischen und ökonomischen Bedeutung der Vereinigten Staaten Nordamerikas, all diese Erscheinungen finden eine sehr natürliche Auflösung bis in die letzten Ursachen durch das Zurückgehen auf die populationistischen Veränderungen dieser Völker. Somit unterliegt es keinem Zweifel, daß die B. von hohem Interesse und hoher Bedeutung ist, und daß eine Zusammenfassung ihrer Resultate selbst jetzt schon wertvoll genannt werden kann, wo diese letztern noch als sehr lückenhaft hinzustellen sind.

[108] Sollte die B. ihre Aufgabe ganz erfüllen, so müßte es möglich sein, sowohl den Stand als auch die Bewegung der Bevölkerung, d. h. der einzelnen Völker und der Völkersysteme, im ununterbrochenen geschichtlichen Zusammenhang zu erfassen. Davon ist die heutige Forschung noch weit entfernt. Ja, es kann sogar wohl auch gesagt werden, daß die Forschung niemals dazu gelangen wird, dieser Aufgabe nach allen Richtungen gerecht zu werden. Denn in der Entwickelung der Menschheit und der Völker gibt es große Epochen, für welche alle jene Behelfe fehlen, welche zur bevölkerungsgeschichtlichen Erforschung notwendig sind, und vermutlich werden diese Lücken nie ausgefüllt werden. Es beschränkt sich daher die B. im allgemeinen darauf, den Gang der populationistischen Erscheinungen der Völker und Völkersysteme im großen und ganzen zu skizzieren und zu umschreiben, ohne dabei auf ziffermäßige Fixierungen allzu tief einzugehen. Aber auch hier sind gewisse Grenzen gezogen. So beginnt die Forschung im wesentlichen erst bei der griechisch-römischen Epoche. Weiter zurück liegen nur bruchstückweise Nachrichten, z. B. über die uralte Kultur der Chinesen oder über das Volk der Juden, vor. Aber auch während der antik-klassischen Zeit ist es nur ein begrenzter Erdstrich, nämlich die Gegend des Mittelmeers, über welche wir genauere Nachrichten besitzen, während über die übrigen europäischen, einige wenige asiatische und afrikanische Gegenden nur vage Vermutungen möglich sind und über die übrigen Teile Asiens und Afrikas sowie über Amerika und Australien begreiflicherweise die Nachrichten vollkommen fehlen. Übrigens ist diesbezüglich auch in der Folge bis heute noch die Kenntnis höchst lückenhaft. Die gesamte Zeit des Mittelalters bleibt bis in das 13. oder 14. Jahrh. hinein im großen und ganzen vom populationistischen Standpunkt auch bezüglich Europas ein dunkles Gebiet, das kaum durch ganz vereinzelte Notizen bevölkerungsgeschichtlich erhellt wird. Erst um die Wende des Mittelalters und der Neuzeit gelangen wir zu festern Anhaltspunkten, die anfangs sehr unvollständiger Natur sind, sich aber mit jedem Jahrhundert erweitern. Zunächst treten die städtischen Verhältnisse aus dem Dunkel in ein helleres Licht, dann erst folgen in viel weiterm Abstande die Daten über größere Landstriche oder ganze Völker. Mit der allgemeinen Einführung der Volkszählungen, etwa zu Beginn des 19. Jahrh., kommen wir endlich zu deutlichen Zahlenvorstellungen über die Völker Europas (ausschließlich einiger Gebiete, wie Rußland, Türkei), über Nordamerika und die meisten übrigen amerikanischen Staaten, über die Kolonien in allen Weltteilen und vereinzelte außereuropäische Völker mit einigermaßen europäischer Kultur, z. B. Ägypten. Der Umkreis der Erkenntnis ist somit, wenn wir Nordamerika und die Kolonien hinzufügen, eigentlich auf Europa und kulturell zugehörige Gebiete benachbarter Kontinente beschränkt. Abgesehen von diesem Mangel ist aber die B. auch insofern lückenhaft, als sie durchaus nicht im stande ist, die Phänomene aller Kategorien historisch zu erfassen. Sie ist vornehmlich nicht im stande, die Bewegungserscheinungen zu ermitteln, und auch von den Erscheinungen des Zustandes der Völker gelangt sie kaum zu etwas mehr als zur Feststellung der einfachen Volkszahl. Glücklicherweise ist aber damit auch die Hauptsache gegeben. Gemäß dem heutigen Zustande der B. beschränken sich also ihre zahlenmäßigen Resultate höchstens auf die Feststellung der Größe einzelner Völker, städtischer oder Staatsbevölkerungen zu einzelnen markanten Epochen der geschichtlichen Entwickelung.

Demzufolge kann sich auch die vorliegende Skizze nur darauf beziehen, einerseits die Entwickelung der Volkszahl der wichtigsten Kulturvölker seit der antik-klassischen Zeit bis auf unsre Tage im allgemeinen zu umschreiben und anderseits für einige wichtigere Epochen Zahlenbelege beizubringen. Als solche sollen vorwiegend die Verhältnisse der griechisch-römischen Welt, der alten und mittelalterlichen deutschen Städte und des französischen Volkes seit den Zeiten der Gallier gelten. Zuvor aber ist es erforderlich, die Hilfsmittel der bevölkerungsgeschichtlichen Forschung zur Sprache zu bringen.

I. Quellen und Methode.

Die vollkommenste Art der Ermittelung der Größe eines Volkes oder eines Teiles desselben ist die Zählung, in deren Wesen es liegt, daß jedes einzelne Individuum zur Verzeichnung gelangt, und daß die Absicht der Vornahme einer solchen Operation direkt auf die Erfassung der Volkszahl abzielt. Sie ist stets eine von der Obrigkeit ausgehende Maßregel. Im Effekt stimmen mit der eigentlichen Zählung solche Maßnahmen überein, welche eine Verzeichnung aus irgend einem speziellen administrativen Grunde darstellen, wenn diese auch alle Individuen umfaßt, wie z. B. die Anlegung der Heberollen der allgemeinen Personalsteuer, des Peterspfennigs im Mittelalter etc. Die ältesten Volkszählungen sind wohl jene in China und jene der Juden, von denen die Bibel berichtet, dann die ägyptischen, welche durch die jüngste Forschung bekannt wurden. Was die antik-klassische Zeit anbelangt, so haben wir Nachrichten von einer Volkszählung des Demetrios von Phaleron, welche in Athen in der Zeit zwischen 317 und 307 v. Chr. vorgenommen wurde und sich zwar auf alle Gesellschaftsklassen, aber nur auf die Männer und vermutlich nur auf die rechtliche, d. h. staatszugehörige, Bevölkerung erstreckte. Über etwanige sonstige gleichzeitige oder spätere Volkszählungen der griechischen Zeit fehlen Nachrichten, wohl aber ist bekannt, daß solche in der hellenistischen Zeit in den Großstaaten vorgenommen und auf die Gesamtbevölkerung ausgedehnt wurden; es ist dies dieselbe Epoche, in welche auch die Ausbildung des römischen Zensus fällt: der wichtigsten Quelle für die Erkenntnis der Bevölkerungsverhältnisse in den Mittelmeerländern zur ersten römischen Kaiserzeit. Dieser Zensus verband mit dem Zweck der Volkszählung jenen der Vermögenseinschätzung und reicht in eine sehr frühe Zeit zurück (Servius Tullius). Eine eigne Behörde hierfür, die Zensoren, wurde im J. 443 v. Chr. eingesetzt. Die Perioden der Einschätzung, des Lustrums, sind sehr ungleichmäßig. Man unterscheidet einerseits den republikanischen Zensus und seinen Nachfolger, den kaiserlichen Zensus, welcher die römischen Bürger umfaßte, und anderseits den Provinzialzensus, welcher seit dem 3. Jahrh. v. Chr. vorgenommen wurde. Ähnliche Einrichtungen wurden auch auf die Bundesgenossen etc. übertragen. Verzeichnet wurde jeder Selbständige mit den Familiengliedern und dem Vermögen, wozu auch die Sklaven gehörten. Der letzte Zensus der Republik wurde in den Jahren 70–69 v. Chr. und der erste in der Kaiserzeit von August 28 v. Chr. durchgeführt. Derselbe Monarch ordnete noch Zählungen in den Jahren 8 v. Chr. und 14 n. Chr. an, während der letzte italische Zensus unter Vespasian 72 n. Chr. abgehalten wurde. Nun dauert es wohl an 11/2 Tausend Jahre, ehe Nachrichten über Volkszählungen von neuem vorliegen. Erst nach der Reformation, [109] zur Zeit der zahlreichen Landteilungen, treten derartige Aufnahmen vereinzelt wieder auf, welchen wir auch und zwar schon etwas früher in Städten begegnen (Nürnberg 1449). Als eigentliche beabsichtigte und allmählich immer systematischer ausgebildete Administrativmaßnahme findet die Volkszählung doch erst mit der Mitte und dem Ende des 18. Jahrh. (Friedrich II., Maria Theresia) Eingang und wird mit Beginn des 19. Jahrh. nach und nach in allen Kulturstaaten auf im wesentlichen übereinstimmende Basis gestellt. Aus diesem kurzen Überblick ist zu ersehen, wie ganz lückenhaft die auf Zählungen beruhenden Quellen der B. sind. Dabei ist aber noch zu bemerken, daß nicht alle historisch beglaubigten Zählungen in einem solchen Zustand überkommen sind, daß sie auch brauchbare Daten liefern, und daß es meist schwieriger historischer und statistischer Forschung bedarf, um solche Zahlen sprechen zu lassen.

Deshalb sieht man sich oft genötigt, zu solchen Zahlen zu greifen, welche zwar nicht die Bevölkerungszahl unmittelbar enthalten, wohl aber einen Schluß auf dieselbe mittels Berechnung gestatten. Das ist dann der Fall, wenn Dinge oder Thatsachen ziffermäßig bekannt sind, welche im allgemeinen mit der Größe eines Volkes oder Volksbestandteils in einem bekannten Verhältnis stehen. Nur in geringem Maße ist dies bezüglich der Häuser der Fall, indem deren Bewohnungsziffer zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Ortschaften eine allzu verschiedene ist; dies gilt vornehmlich von den städtischen Wohnhäusern, während das gewöhnliche ländliche Haus doch im allgemeinen als von einer einzigen Familie bewohnt angenommen werden kann. Besser sind schon solche Berechnungen, welche in einem Schluß von bestimmten Bevölkerungsschichten auf das Ganze des Volkes bestehen; solche Bestandteile einer Bevölkerung sind z. B. die Zahl der Erwachsenen, welche etwa durch die Eidespflichtigen oder die Waffenfähigen ersichtlich wird, oder die Zahl der Steuerpflichtigen, der Bürger etc. So gab es in Attika in jeder politischen Gemeinde (Demos) eine Liste, in welche jeder gemeindezugehörige Athener mit Erreichung eines bestimmten Alters verzeichnet wurde; an diese Eintragung knüpften sich die bürgerlichen und politischen Rechte, und mit deren Hilfe wurde die Liste der zur Volksversammlung berechtigten Bürger zusammengestellt. Ebenso gab es in den griechischen Staaten Listen der in das kriegspflichtige Alter eintretenden Jünglinge, aus denen der (Militär-) Katalog verfaßt wurde. Diese Rollen sind zum Teil bis heute erhalten und auch schon von verschiedenen antiken Historiographen zu Berechnungen benutzt worden. Mit anbrechender Neuzeit, besonders im 16. Jahrh., werden Anhaltspunkte ähnlicher Art immer häufiger. Im Mittelalter selbst vermissen wir sie so ziemlich ganz, denn es ist doch sehr gewagt und schwierig, aus den Domanialverzeichnissen, wie solche z. B. aus der karolingischen Zeit vorliegen, weitergehende Schlüsse ziehen zu wollen. Zu solchen Quellen der anbrechenden Neuzeit gehören z. B. die sogen. Landesteilungen, aus welchen die Zahlen der Häuser, steuerpflichtigen Personen, Ortschaften etc. entnommen werden können; man hat solche benutzt, um die Bevölkerung ganzer Landstriche aus ihnen zu ermitteln. Ähnlichen Charakters sind die gleichfalls aus derselben Zeit datierenden Mannschaftsmusterungen und dann die sich mit Ausbildung des Steuerwesens immer mehrenden Steuerrollen, Steuerkataster u. dgl. Doch treten alle diese Berechnungsbehelfe zurück gegenüber denjenigen Quellen, in denen die Elemente der Bevölkerungsbewegung, die Geburten, Sterbefälle und Trauungen, enthalten sind. Hier kommen einfache, in ihrer Gesetzmäßigkeit bereits ziemlich erforschte, populationistische Erscheinungen in Betracht, bei welchen die Berechnung der Bevölkerungssumme aus den Bewegungselementen im Lauf der Zeit nur geringfügigen Modifikationen unterliegt. Wir begegnen solchen Registern schon im griechischen und lateinischen Altertum. In Athen führten die Phratrien Geburtsregister, und wir begegnen denselben auch in Italien und den Provinzen, während Sterbelisten viel später üblich wurden. Ihre eigentliche Bedeutung erlangen die Register der Bevölkerungsbewegung erst mit den Matriken und Standesbüchern der christlichen Staaten Europas. Wann die Kirchenbücher zuerst üblich oder vorgeschrieben wurden, ist heute noch nicht mit Bestimmtheit zu sagen; erhalten sind nur wenige aus dem 15. Jahrh. (vereinzelte gehen allerdings weiter zurück), während sie ihre Ausbreitung erst mit der Reformation finden und da auch kirchlicherseits eingeführt werden (Concilium Tridentinum). Im Dreißigjährigen Kriege gingen dann mit den zahlreichen Bränden der Ortschaften und Kirchen ungemein viele dieser Bücher verloren, so daß sie in größerer Zahl und zusammenhängender Reihenfolge eigentlich erst seit Ende des 17. Jahrh. vorgefunden werden. Aber auch von da ab sind die Serien häufig noch lückenhaft, indem auf die Erhaltung und Konservierung lange nicht das nötige Interesse verwendet wurde. Erst als mit Ende des 18. Jahrh. die staatlichen Vorschriften über die Führung solcher Kirchenbücher allgemeiner und nachdrücklicher wurden, sind fortlaufende Reihenfolgen keine Seltenheit mehr. Gegenwärtig erkennt man den hohen Wert dieser Kirchenbücher und sucht dieselben der Wissenschaft dienstbar zu machen. So ließ England gelegentlich der ersten Volkszählung die Populationsdaten der Matriken für ein (das 18.) Jahrhundert zurück aufarbeiten und traf Vorsorge, daß Duplikate derselben in einem Zentralamt, dem General Register office, gesammelt und aufbewahrt werden. In andern Staaten (Österreich, Belgien, Baden) wurde eine allgemeine Inventarisierung der Matriken angeordnet, welche gegenwärtig mehr oder weniger beendet ist, und durch welche künftigen Verlusten vorgebeugt werden soll. Durch diese Kirchenbücher erscheint die Hoffnung ziemlich begründet, daß es gelingen wird, die Bevölkerung großer Gebiete Europas für den Verlauf etwa der letzten drei Jahrhunderte nicht nur in allgemeinen Zügen, sondern auch in ziemlichem Detail zu ermitteln und zu fortlaufenden Zifferreihen der Geburten, Sterbefälle und Trauungen zu gelangen. Allerdings würde die Kraft privater Forscher an der Riesenarbeit, welche mit der Ausarbeitung dieser Kirchenbücher verbunden ist, scheitern; dagegen dürfte es als Aufgabe der ja so weitverzweigten historischen Vereine bezeichnet werden, hier kräftig einzutreten, ebenso wie sich auch die statistischen Ämter den Aufgaben der historischen Statistik nicht auf die Dauer verschließen dürfen. Man nennt nun jene auf historischer und statistischer Methode und Berechnung basierende Ermittelung der Volkszahl früherer Zeiten aus den bisher genannten Quellen und Anhaltspunkten: die Rekonstruktion der Bevölkerung, und es hat diese überall dort einzutreten, wo nicht einfache und konzise Zählungsdaten überliefert sind.

Fehlen sowohl Zählungen als auch Anhaltspunkte der Berechnung, so erübrigt für die Ermittelung der Volkszahl nur noch der Weg der Schätzung. Kennen wir z. B. für eine Bevölkerung und einen gegebenen [110] Zeitraum (Jahr) den Getreidekonsum (Getreideverteilungen in Rom), so läßt sich ein annähernder Schluß auf die Zahl der Konsumenten ziehen. Ferner bietet die Kenntnis des Areals sowie der Bodenbeschaffenheit eines Gebietes und die Analogie mit bekannten topographisch übereinstimmenden Ländern die Möglichkeit, ähnliche Bevölkerungsverhältnisse für das erstere vorauszusetzen, falls gleiche Kulturverhältnisse vorliegen, etc. Nun liegen aber nicht immer Zählungen oder Berechnungsdaten unmittelbar vor, sondern häufig nur Angaben der zeitgenössischen Schriftsteller, welche auf diesen erstgenannten Behelfen beruhen. Da jedoch die statistische Methodik und Technik erst in der unmittelbarsten Gegenwart ihre Ausbildung erfahren hat, so darf es schon aus diesem Grunde nicht wundernehmen, wenn die Notizen der Schriftsteller früherer Zeiten bezüglich der Bevölkerungszahlen sehr kritisch betrachtet werden müssen. Dazu kommt noch eine gewisse Naivität hinsichtlich der Bevölkerungszahlen, beliebte Übertreibungen, mangelnder Zahlen- und Rechensinn, welche Eigenschaften wir insgesamt bei ältern Schriftstellern finden, ganz abgerechnet die zahlreichen Abschreibfehler, welche unausweichlich in die Handschriften Eingang finden mußten. So ist es begreiflich, daß selbst die besten alten Zifferangaben, nämlich jene von Thukydides und auch von Xenophon, dann jene von Herodot, Polybios, Diodor, Strabo, Plutarch, Appian, von den römischen Historikern und Annalisten, von den Schriftstellern der spätern Kaiserzeit und den Chronisten des Mittelalters und der frühen Neuzeit erst sorgfältiger Prüfung bedürfen, ehe man ihnen Glauben schenken darf.

II. Die Bevölkerung der griechisch-römischen Welt.

1) Griechenland. Die Bevölkerung Griechenlands scheint schon in der ersten historischen Zeit eine ziemliche relative Dichte besessen zu haben, insbesondere wenn man bedenkt, daß die wirtschaftliche Thätigkeit doch vorwiegend auf den Ackerbau gerichtet war. Damit steht die intensive Kolonisationsthätigkeit in Verbindung, welche wir bis ins 6. Jahrh. v. Chr. bemerken, und der auch der sogen. Trojanische Krieg entsprungen ist; ferner stehen mit dieser relativ hohen Dichte auch die auf Eindämmung der Volkszunahme, die Beschränkung der Kinderzahl etc. abzielenden Bestrebungen und die aus denselben hervorgehenden Unsitten im Zusammenhang. Es scheint, daß bis zum 6. Jahrh. der innere Zuwachs größer gewesen sei als der Abfluß in die Kolonien, und daß es nötig wurde, Getreide zur Einfuhr zu bringen. Mit dem Ende des 6. Jahrh. v. Chr. hören die Kolonisierungen allmählich auf, da das okkupierungsfähige Land immer seltener wird, und es tritt eine Periode starken Volkszuwachses ein. Derselbe wurde hervorgerufen durch den auf die Perserkriege folgenden 50jährigen Frieden, den wirtschaftlichen Aufschwung jener Zeit und das allmähliche Ausbreiten der Sklaverei, welches mit dem 7. Jahrh. v. Chr. beginnt, allerdings aber bis zum 5. Jahrh. v. Chr., außer in Athen, kaum größere Dimensionen annahm. Die Bevölkerung Griechenlands im 5. Jahrh. v. Chr. (432) belief sich, wenn man die Halbinsel, Makedonien und die umliegenden Inseln zusammenfaßt, auf ungefähr 3 Mill. Menschen, wovon etwa 1/2 Mill. auf die Sklaven und 1/2 Mill. auf die Leibeignen in Lakonien, Thessalien und Kreta entfallen sein dürften. Dem Areal von 115,000 qkm gegenüber ergibt dies eine Bevölkerungsdichtigkeit von 26, die allerdings in den einzelnen Gebieten sehr verschieden war. Ihre Verteilung ergibt sich aus folgender Tabelle (nach Beloch).

Griechenland um 432 v. Chr.
Gebiete Areal in 1000 qkm Bevölke­rung Davon Sklaven u. Leibeigne Bevölke­rungsdichte (auf 1 qkm)
(in Tausenden)
Peloponnes 22,3 890 350 (39)
 Argolis 4,2 335 175 78
 Arkadien 4,7 160 34
 Achaia 2,3 75 32
 Eleia 2,7 90 34
 Lakonien und Messenien 8,4 230 175 27
Mittelgriechenl. 9,2 485 170 (53)
 Attika 2,6 235 100 89
 Megaris 0,5 40 20 85
 Böotien 2,6 150 50 58
 Phokis, Doris, Lokris 3,5 60 17
Inseln im Osten 15,5 400 170 (26)
 Euböa 3,6 60 20 17
 Nördl. Sporaden 0,6 10 17
 Kykladen 2,7 130 50 48
 Kreta 8,6 200 100 23
Westgriechenl. 19,7 416 40 (16)
 Ätolien 4,8 60 13
 Akarnanien 1,6 30 19
 Amphilochien 0,5 6 13
 Epirus 10,5 200 19
 Korkyra 0,8 70 40 91
 Übrige Inseln 1,5 50 30
Thessalien 15,8 460 250 29
Makedonien 32,0 400 25 12
Griechenland 114,5 3051 Minimum
1005
(26,6)

Wir ersehen aus dieser Tabelle, daß einzelne Gegenden, z. B. Argolis, Attika, Megaris, Korkyra u. a., eine Dichte besaßen, die wir heute nur in sehr stark bewohnten Bezirken vorfinden. Die Kolonien dürften zur selben Zeit keine wesentlich größere oder kleinere Menschenzahl beherbergt haben als das Mutterland, nur daß in denselben die Unfreien stärker vertreten waren. Das fortwährende Andauern der Volkszunahme wurde auch durch die Wirkungen des Peloponnesischen Krieges nicht gehindert, ebensowenig wie durch die Pest, welche 430–427 vornehmlich in Attika wütete. Dieser natürlichen Zunahme ging eine beträchtliche Vermehrung der Sklaven und Söldner parallel, so daß mit dem 4. Jahrhundert die Gefahr der Übervölkerung drohte und Plato und Aristoteles drastische Mittel zu deren Vermeidung empfahlen. Die Volkszahl zur Zeit Alexanders dürfte größer gewesen sein als im vorhergehenden Jahrhundert und etwa 4 Mill., davon 11/2 Mill. Unfreie, betragen haben. Es wurde von neuem ein Abfluß der Bevölkerung durch Kolonisierung notwendig und Asien als das Land der Zukunft erkannt. Alexander war derjenige, der den Plan zur Ausführung brachte, wodurch er auch sozialpolitisch von Wichtigkeit wird. Nun aber stehen wir vor einem Wendepunkte der Entwickelung. Die jahrhundertelang andauernde starke Zunahme gerät ins Stocken, und man zählte im 3. Jahrh. v. Chr. nur 4,4 Mill. Einw. oder 38 auf 1 qkm. Diese Stockung geht dann mit dem 2. Jahrh. v. Chr. in eine Abnahme über, welche nicht einmal durch die Friedenszeiten unterbrochen wird und bis zur römischen Kaiserzeit andauert, zu welcher sie durch die Kriege noch erhöht wurde. Schon vorher hatte Griechenland viel von seiner Bedeutung eingebüßt, und an seiner Stelle war Alexandria und Antiochia in den Vordergrund getreten. Auch hier wie zumeist [111] bezeichnete der Stillstand nur den Übergang zum allmählichen Rückgang.

2) Die Bevölkerungsverhältnisse des Orients sind um jene Zeit von denjenigen Griechenlands lebhaft beeinflußt worden. So war in Kleinasien bis in die römische Kaiserzeit kein Gebiet dichter bewohnt als die Westküste, wo alle großen griechischen Kolonien ihren Sitz hatten. Die Bedeutung dieses Landstriches wuchs mit dem Verfall des Mutterlandes, also etwa seit dem 2. Jahrh. v. Chr., stetig an, und die Volkszahl, welche zu dieser Zeit 11–13 Mill. betrug (Dichte 20–25, Areal 1/2 Mill. qkm), war in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt noch im Ansteigen begriffen. Das etwas über 100,000 qkm umfassende Territorium von Syrien war vor den assyrischen Eroberungskriegen sehr gut bewohnt; diese brachten einen erheblichen Rückschlag mit sich, und auch zur persischen Zeit vermochte die Bevölkerung sich nicht zu erholen. Dies geschah erst mit der griechischen Eroberung, seit welcher sich insbesondere das Städtewesen lebhaft entwickelte (Antiochia). Syrien versorgte den Westen noch mehr als Kleinasien mit Sklaven, woneben die Auswanderung der Juden auch sehr stark war, so daß der Schluß auf eine dichte Bevölkerung gerechtfertigt sein dürfte. Das ganze Gebiet zählte zur Zeit Neros etwa 7 Mill. (Dichte 67), während auf Palästina (296,000 qkm) etwa 2 Mill. entfielen. Je weiter wir dann in das Innere Asiens vordringen, desto spärlicher werden die Nachrichten, z. B. über die dicht bewohnten Gebiete am untern Euphrat und Tigris, über das nur schwach bevölkerte Mesopotamien, die menschenreichen Länder Persis und Indien. Nur über China liegen, und zwar schon seit uralten Zeiten, bessere Nachrichten vor, aus welchen zu entnehmen sein soll, daß die Volkszahl im 23. Jahrh. ebenso wie im 11. Jahrh. v. Chr. etwa 131/2 Mill. betrug; im 1. und 2. Jahrh. n. Chr. soll dieselbe von 22 auf 56 Mill. angestiegen sein etc. Die historischen Quellen sind hier nichts weniger als spärlich, wohl aber deren Bearbeitung, so daß das letzte Wort noch lange nicht gesprochen sein wird. Jedenfalls aber zählen diese Nachrichten zu den interessantesten in der Geschichte der Menschheit, ebenso wie jene, welche über das jüdische Volk aus der Bibel entnommen werden können. Auch in dem alten fruchtbaren Kulturland Ägypten sind amtliche statistische Aufzeichnungen schon in sehr früher Zeit veranstaltet worden, sowohl was den Stand der Bevölkerung, als auch was die Bevölkerungsbewegung anbelangt; doch harren diese Quellen im allgemeinen noch der Erschließung. So viel steht wohl fest, daß Ägypten das dichtest bewohnte Land des Altertums gewesen sein mag; schon unter Ptolemäos I. dürfte die Dichte 100 und unter Tiberius gar 180 betragen haben. Mit Beendigung der persischen Fremdherrschaft ging das Land einer neuen Blüte entgegen, die sich in der griechischen und römischen Zeit immer mehr entfaltete. Die größte Stadt des Orients, Alexandria (1/2 Mill. in der Blütezeit), fand sich in diesem Lande.

3) Rom und Italien. Roms dominierende Stellung kam frühzeitig auch in seiner Größe zum Ausdruck; zur Zeit der letzten Könige war es, wenn von den griechischen Kolonien in Italien abgesehen wird, die größte Stadt des Landes. Ein enormes Anwachsen der Stadt erfolgte dann in jener Zeit, welche zwischen dem Auftreten der Gracchen und demjenigen J. Cäsars liegt, und dessen vornehmste Ursache waren die Getreidespenden. Als später unter Cäsar und Augustus die Getreidespenden beschränkt wurden, verlor die Stadt viel von ihrer Anziehungskraft auf die Proletariermassen. In der Kaiserzeit bis auf Diokletian bleibt die Bevölkerung stationär; es zeigte sich eben, daß die Stadt für ihre Größe nicht genügendes inneres Leben besaß. Als dann in der Folgezeit Rom aufhörte, die Hauptstadt oder doch die alleinige Hauptstadt zu sein, war der Beginn zum allmählichen Verfall gegeben. Die Bevölkerung betrug zur Zeit von Christi Geburt etwa 1/2 Mill. bürgerliche Einwohner, 60–70,000 Peregrinen und 30,000 Sklaven; rechnen wir nun noch Ostia hinzu, so darf als Gesamtziffer etwa 800,000 Einw. angenommen werden. Die Umgebung der Stadt und ihrer 300 Vorstädte war ziemlich menschenleer. – Was Italien anbelangt, so müssen wir Unter- und Oberitalien und die Inseln unterscheiden. Die Halbinsel südlich des Apenninus zählte zur Zeit vor Hannibal etwa 3 Mill. Einw. (darunter 1/2 Mill. Sklaven, Dichte 20–24). Berücksichtigt man die zahlreichen Kriege, mittels welcher die Hegemonie Roms begründet wurde, so darf man annehmen, daß Unteritalien im 4. Jahrh. v. Chr. noch stärker bewohnt gewesen war. Oberitalien war damals als unwirtliches Land ziemlich menschenleer. Der unvermeidliche Rückschlag, welchen die Punischen Kriege mit sich führten, war nicht von Dauer, und die Volkszahl stieg bis in die Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. stetig an. Dann folgt eine Abnahme, welche durch die Bürgerkriege gewiß nicht aufgehalten wurde und soziale Bedenken erregte; daß diese Abnahme auch zu Augustus’ Zeiten noch anhielt, zeigen dessen auf die Hebung der Bürgerzahl abzielenden Gesetze deutlich; dagegen stieg die Zahl der Sklaven allerdings beträchtlich an. Erst mit der friedlichen Zeit unter den ersten Kaisern vermag die Bevölkerung sich zu erholen und verhältnismäßig anzusteigen. Die Volkszahl der gesamten Halbinsel, welche zu Hannibals Zeit etwa 4–41/2 Mill. (davon 1 Mill. Sklaven) betrug, stieg in der Zeit des Augustus (1. Zensus) auf 51/2 Mill. und in der Zeit des Claudius auf 7 Mill. Menschen an (Dichte 22–28, gleich dem heutigen Sardinien). Viele Jahrhunderte später, um 1500, also im Italien der Renaissance, begegnen wir im Lande wieder etwa derselben Volkszahl wie zur Zeit der römischen Kaiser; welche Veränderungen aber mittlerweile vor sich gegangen waren, wird wohl kaum jemals vollständig aufgehellt werden.

4) Der Occident. Auch für das alte Hispanien, Gallien, die Donauländer etc. vermag die heutige Wissenschaft die Volkszahlen in allgemeinen Umrissen zu geben; in Spanien, wohin die Kultur zuerst getragen wurde, war die Bevölkerung dichter als etwa in Gallien, wohin sie ein Jahrhundert später gelangte, und in den Donauländern wuchs die Zahl erst seit Augustus mehr an. Was Afrika anbelangt, so ersehen wir, welch furchtbare Bedeutung der karthagische Feind für Rom haben mußte, wenn diese alte, dichter als Italien bewohnte Kulturstätte (30–40 pro Quadratkilometer) auf 3–4 Mill. Einw. geschätzt wird.

Einen Gesamtüberblick über das Römische Reich zur Zeit des Augustus gibt (nach Beloch) die folgende Tabelle (S. 112). Hiernach umspannte dasselbe beim Tode des Augustus das enorme Territorium von 31/2 Mill. qkm, eine Fläche, sechsmal größer als das heutige Deutschland; seine Bevölkerung aber übertraf das gegenwärtige deutsche Volk nur um ein Geringes. Die innere Haltlosigkeit dieses Riesenbaues prägt sich deutlich in der minimalen Dichtigkeitsziffer von 16 aus, welche man heute in den zivilisierten Gegenden vergeblich suchen würde.

[112]
Das röm. Reich beim Tode des Kaisers Augustus.
Gebiete Areal in 1000 qkm Bevölkerung (in Tausenden) Bevölke­rungsdichte (auf 1 qkm)
Europa 2231 23000 (10)
 Italien 250 6000 24
 Sizilien 26 600 23
 Sardinien und Corsica 33 500 15
 Spanien 590 6000 10
 Narbonensis 100 1500 15
 Tres Galliae 535 3400 6,3
 Donauländer 430 2000 4,7
 Griechische Halbinsel 267 3000 11
Asien 665 19500 (30)
 Provinz Asien 135 6000 44
 Übriges Kleinasien 412 7000 17
 Syrien 109 6000 55
 Kypros 9 500 52
Afrika 443 11500 (26)
 Ägypten 28 5000 179
 Kyrenaika 15 500 33
 Afrika 400 6000 15
Römisches Reich 3339 54000 (16)
 Davon lat. Occident (inkl. Donauländer) 2364 26000 (11)
 Davon griech. Orient 975 28000 (28)

Berücksichtigt man die außerordentlich dünne Bevölkerung der damaligen europäischen Barbarenländer, so dürften bei dem Ziffernanschlag von 30 Mill. für die Bevölkerung Europas nicht viel fehlgegriffen sein.

III. Zur Bevölkerungsgeschichte der Städte.

Die Griechen waren in ausgesprochenem Maße ein Stadtvolk; nicht nur, daß die öffentlichen Einrichtungen von städtischem Wesen durchdrungen waren, bedeutete auch die Stadt für die kleinen Republiken vielfach den Inbegriff des Gemeinwesens. Die hellenischen Städte entwickelten sich aus sehr bescheidenen Ortschaften, welchen Charakter noch die Homerischen Städte und die städtischen Gemeinwesen bis in das 6. Jahrh. v. Chr. an sich trugen. In der für die Kultur so wichtigen Zeit, welche auf die Perserkriege folgte und bis auf Alexander andauerte, fehlte es, bis auf Athen und Syrakus, am Mittelmeer an sogen. Hunderttausendstädten. Athen, auch im 5. Jahrh. v. Chr. die erste Stadt Griechenlands, hatte damals, eingerechnet den Hafen, 120,000 Einw. Überhaupt galt bis auf Alexander eine Stadt von 10,000 Einw. für bedeutend. Diese Zahl erreichten oder überschritten im 5. und 4. Jahrh. nur (nach Beloch) Athen, Theben (40–50,000), Korinth (70,000), Argos (40–50,000), Elis, Korkyra, Megalopolis (40 bis 50,000), Messene, Sparta (40–50,000), Olynthos; im hellenischen Gebiet Asiens Halikarnassos, Ephesos, Rhodos; im Westen Syrakus, Akragas (40–50,000), Kroton, Taras (40–50,000); in Libyen Kyrene; die phönikischen Städte Sidon und Tyros hatten um die Mitte des 4. Jahrh. je 40,000 Einw. Erst in der Zeit nach Alexanders Tode beginnt die Epoche der Entwickelung des städtischen Lebens im größern Stil, und es bricht eine Zeit an, ähnlich der, welche wir alle in der Zeit der Entwickelung großstädtischen Lebens im 19. Jahrh. selbst erlebt haben. Die Großstädte der damaligen Zeit beherbergten eine Einwohnerzahl von ca. 1/2 Mill., ohne jedoch 1 Mill. zu erreichen. Alexandria in Ägypten zählte im 1. Jahrh. v. Chr. 1/2 Mill. und dürfte unter Augustus noch größer gewesen sein; Seleukia am Tigris im 1. Jahrh. v. Chr. 600,000 Einw. (im 2. Jahrh. 400,000), Antiochia an Orontes war nicht viel kleiner. Städte über 100,000 Einw. dürften im griechischen Orient zu Beginn der christlichen Zeitrechnung nicht selten gewesen sein. Dies ist nicht zu unterschätzen, wenn man bedenkt, daß die Bevölkerung im allgemeinen weit dünner gesäet war als heute, und daß es an dem treibenden Element der Industrie fehlte, insoweit es auf einen Vergleich mit den gegenwärtigen wirtschaftlichen Zuständen ankommt. Selbst wenn man von der politischen Verfassung absieht, so begreift man leicht, welche tonangebende und geradezu ausschließlich bestimmende Rolle die Städte zu jener Zeit und in jenen Gegenden innehaben mußten. Ganz verschieden war die Ausbildung städtischen Wesens im Westen, wo durch die imponierende Wucht Roms das Aufblühen andrer städtischer Kommunen hintangehalten wurde. Rom drückte noch weit mehr auf ganz Italien als heute und früher Paris im Verhältnis zum übrigen Frankreich. Die blühenden griechischen Städte in Italien verfielen bis zur Kaiserzeit immer mehr; Karthago wurde geradezu vernichtet, und die etruskischen Städte gerieten schon seit dem 4. Jahrh. immer mehr und mehr in Verfall. Rom war die einzige Großstadt Italiens, und neben ihr traten die andern (z. B. Pompeji, bei der Zerstörung 20,000 Einw.) ganz in den Hintergrund. Im obern Italien, Gallien, Spanien und den Donauländern kann von einem städtischen Leben überhaupt fast erst mit der christlichen Zeitrechnung und dem Eindringen römischen Einflusses gesprochen werden; die römischen Lager wurden vielfach die Ausgangspunkte städtischen Lebens. Wie sich die Städte nun in den übrigen Jahrhunderten des Altertums entwickelt haben mögen, ist wohl nicht zu sagen. Um das Jahr 400 n. Chr. zählt der Dichter Ausonius als die größten Städte Rom, Konstantinopel, Karthago, Antiochia und Alexandria auf, in welcher Reihe nur Konstantinopel als unterdessen emporgeblühte Hauptstadt des Orients neu zu nennen ist. Der Größe nach folgten dann: Trier, Mailand, Capua, Aquileja, Arelate. In Spanien waren Hispalis, Cordova etc. zu nennen, während z. B. Athen, Catina, Syrakus, Tolosa nur als kleinere Städte bezeichnet werden.

Eine neue Epoche der Städtegründung und des Aufblühens städtischen Lebens fällt dann erst in die letzte Zeit des Mittelalters, in das 12. und 13., noch mehr aber in die folgenden Jahrhunderte. Die bevölkerungsgeschichtliche Forschung hat insbesondere die Verhältnisse in Deutschland aufgehellt. Unter den Hohenstaufen vereinigte sich die Blüte städtischer Kultur (von Köln abgesehen) in der oberrheinischen Tiefebene, von Basel über Straßburg, Speier, Worms bis Mainz und Frankfurt. Heute hat sich allerdings der Schwerpunkt nach Norden verlegt, nach Berlin, Bremen, Hamburg, und es steht damit der Einfluß im Zusammenhang, den der Norden Deutschlands auf dessen öffentliche Gestaltung ausgeübt hat. Diese neue Blüte städtischen Lebens reicht im allgemeinen bis in den Anfang des 17. Jahrh., bis zum Beginn des verheerenden Dreißigjährigen Krieges, so daß wir diese Epoche, etwa angefangen vom 14. Jahrh., ungeachtet der sonst üblichen Scheidung von Mittelalter und Neuzeit, kulturgeschichtlich zusammenfassen können. Im 15. Jahrh. haben wir uns selbst die wichtigen Städte in ziemlich bescheidenen Grenzen vorzustellen; sie halten gar keinen Vergleich mit den Großstädten der griechischen Zeit oder gar mit jenen der Gegenwart aus. Nürnberg und Straßburg, Danzig und Rostock umfaßten um jene Zeit 15–20,000, Basel und Frankfurt 10–15,000 Einw. In der folgenden Zeit, etwa vor Ausbruch des Dreißigjährigen [113] Krieges, hören wir von weit volkreichern Städten; so dürfte Straßburg 30,000, Breslau im 16. Jahrh. 40,000 und dann 30,000, Nürnberg 40–50,000, Danzig und Augsburg 50,000 Einw. gehabt haben, nachdem die letztgenannte Stadt im 16. Jahrh. wohl 60,000 und noch mehr Einwohner gezählt hatte. Und in der That ist in der Zeit vom 15. Jahrh. angefangen bis zu Beginn des 17. Jahrh. in den deutschen Städten ein kräftiger Aufschwung der Volkszahl zu verzeichnen. Damit sind allerdings auch die größten deutschen Städte jener Zeit genannt. Wie das städtische Leben vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges im allgemeinen beschaffen gewesen sein mag, können wir z. B. an den Verhältnissen der Mark Brandenburg ermessen, die zwischen dem Städtereichtum der Rheingegend und der Seeküste einerseits und den städtelosen Berg- und Heidegegenden etwa die Wage hielt. Das Gros der Städte hielt sich in den Grenzen von 1200–1500 Einw. einerseits und 4000–5000 Einw. anderseits. Unter dem Niveau von 1200–1500 Einw. sind die zahlreichen „Städtlein“ zu suchen, die mehr einem heutigen großen Dorfe entsprachen und entweder Bezirksmittelpunkte, oder Zollstätten u. dgl., oder endlich herabgekommene Gemeinwesen darstellten. Über das Niveau von 4000–5000 gehen die Hauptstädte, am meisten Berlin mit 14,000, Brandenburg und Frankfurt mit 10,000 und Stendal mit 8000 Einw. hinaus. Auch in Süddeutschland dürften sich die Größenverhältnisse ähnlich darstellen. Zu dem oben charakterisierten Gros dürften z. B. Tübingen, Schmalkalden, Ingolstadt gehört haben, während die Hauptstädte Stuttgart, Kassel, Landshut, München u. dgl. den Hauptstädten der Mark Brandenburg an Größe ziemlich gleichstanden; dieselbe erreichte auch die Bergstadt Freiberg i. S. und die Handelsstadt Leipzig (beide ca. 14–15,000 Einw.). Das Bild, welches wir uns von den deutschen Städten in der Zeit zu Ende des Mittelalters bis zum Dreißigjährigen Kriege zu machen vermögen, ist somit ziemlich klar und jedenfalls geeignet, übertriebene Größenvorstellungen sehr zu reduzieren. Im Anschluß daran sei die Volkszahl Straßburgs seit 1470 hier tabellarisch beigesetzt:

um 1470: 20722 Einw.
1564–1600: 30000
1601–1633: 32900
1641–1673: 25400
1697: 26481
1709: 32510
1720: 45590
1728–1749: 47700
1750: 49870
1751–1770: 49200
1771–1780: 50500
1789: 49948
1807: 53089
1827: 54700
1875: 94306
1885: 112019

In der Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege, als sich viele Städte von dem Rückgang, den sie durch die Kriegswirren erlitten hatten, wieder erholten, werden auch die Nachweisungen zahlreicher, was noch mehr seit Beginn des 18. Jahrh. der Fall ist, obzwar die historische Statistik noch nicht dazu gelangt ist, die populationistischen Verhältnisse des 18. Jahrh. genügend rekonstruiert zu haben. Dagegen haben viele statistische Ämter der Städte es sich angelegen sein lassen, die frühern Zählungen zu publizieren und auch die gegenwärtigen populationistischen Daten in das vorige Jahrhundert zurückzuverfolgen. Dazu kommt, daß für das vorige Jahrhundert die Pfarrmatriken doch ziemlich vollständig vorliegen und der Bearbeitung nur geringe Schwierigkeiten entgegenstellen. Im allgemeinen ist ersichtlich, daß der Aufschwung der Volkszahl der Städte, ebenso wie derjenige der Bevölkerung überhaupt, im 18. Jahrh. immer noch ein sehr langsamer war. London zählte 1760 etwa 670,000 Einw. und war die größte Stadt der Zeit, denn Paris zählte vielleicht nicht viel über 600,000. Im weiten Abstand stand Wien mit nicht ganz 200,000 Einw., welche Zahl erst um 1780 erreicht wurde. Erst im 19. Jahrh. entwickeln sich die Weltstädte zu Millionenstädten. In diesem Jahrhundert beginnt eine Periode ununterbrochenen Anwachsens der Städte, meist als Frucht des Aufsaugens der umliegenden Orte. Wie wenig dies in früherer Zeit der Fall war, zeigt das Beispiel von Paris, dessen Volkszahl von 1637 bis 1790 zwar von 415,000 auf fast 600,000 anstieg, in der Zwischenzeit aber mehrmals 700,000, auch 800,000 erreicht haben soll.

IV. Bevölkerungsgeschichte Frankreichs.

Gallien, das heutige Frankreich, war vor der Eroberung durch die Römer von zahlreichen Barbarenstämmen bewohnt, welche Ackerbau trieben und selbst eines gewissen Gewerbfleißes nicht entbehrten, dabei aber untereinander in steter Fehde lagen. Der bedeutende französische Statistiker Levasseur, dem wir die nachfolgenden Mitteilungen verdanken, schätzt (etwas höher als, wie früher mitgeteilt, Beloch) die Gesamtvolkszahl dieser Stämme für Gallien auf 6–7 Mill. und auf dem Gebiet des heutigen Frankreich auf 8 Mill. Die römische Eroberung brachte mit der Zeit eine hohe Kultur und Bevölkerungsdichte mit sich, so daß die Volkszahl des römischen Gallien unter den Antoninen auf 81/2 Mill. angestiegen sein dürfte. Die nun folgende Eroberung durch die Germanen hatte für die ersten Jahrhunderte des Mittelalters einen Rückschlag der Bevölkerung im Gefolge, von dem auch die unter der Römerherrschaft blühenden Städte ergriffen wurden. Auch Karl d. Gr. war genötigt, an das Land und die Bevölkerung enorme Anforderungen zu stellen, so daß wir zu seiner Zeit die Volkszahl des Landes kaum für größer erachten dürfen, als sie vor der römischen Eroberung schon war. Es muß also etwa vom 5. bis zum 9. Jahrh. n. Chr. ein Bevölkerungsrückgang stattgefunden haben. Nun aber beginnt mit der Befestigung der Feudalverfassung eine Periode stetig ansteigenden Bevölkerungszuwachses, welche bis in das 14. Jahrh. andauert. Das Land erholt sich, die Landbevölkerung wird seßhaft und lebt gesichert, Städte und Industrie blühen wieder auf. Bis zum 14. Jahrh. wächst die Volkszahl, ungeachtet der immerhin zahlreichen internen Fehden und Hungersnöte, auf die bedeutende Ziffer von 20–22 Mill. an, welche bis in die Zeiten des Sonnenkönigs Ludwig XIV. nicht mehr erreicht werden sollte. Diese Epoche blühender Entwickelung wurde durch den sogen. Hundertjährigen Krieg grausam unterbrochen, die Städte verfielen, und das offene Land verödete; die Volkszahl sank wohl um ein Drittel, vielleicht um noch mehr. Erst in der Periode von 1453 bis 1560 vermochte sich das Land wieder zu erholen; obgleich die italienischen Kriege viel Gut und Blut kosteten, so brachte doch die blühende Zeit der Renaissance, das Einströmen gewaltiger Edelmetallsummen mit seiner Wertsteigerung und Beförderung von Gewerbe und Handel den Effekt hervor, daß die Volkszahl wieder über jene Höhe von 20 Mill. anstieg, welche sie vor Beginn des verheerenden Krieges der 100 Jahre bereits besaß. Nun aber brachen die Religionswirren aus, und obgleich dieselben kaum ein halbes Jahrhundert andauerten, so warfen sie doch die Volkszahl wieder beträchtlich zurück, so daß sie sich am Ende des 16. Jahrh. genau wieder dort befand, wo sie schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. gewesen war. Dann folgte die weise Regierung Heinrichs IV., unter welchem die dem Volke geschlagenen Wunden wieder heilen konnten. [114] Auch unter Ludwig XIII. und Ludwig XIV., wenigstens bis zum Höhepunkt von des Letztgenannten Regierung, dauerte das Wachstum an. Allerdings spielten auch so manche wichtige Ursachen in entgegengesetzter Richtung, als innere Wirren, äußere Kriege. Die letztern Ursachen nahmen dann in der letzten Regierungszeit Ludwigs XIV. sehr überhand, vornehmlich durch den Widerruf des Edikts von Nantes. Die nun vorliegenden wichtigen Berichte (Mémoires) der königlichen Intendanten gestatten für 1700 eine Volkszahl von 21–22 Mill. für das Gebiet des heutigen Frankreich anzunehmen, womit wir wieder bei derselben Ziffer angelangt sind, welche uns schon zweimal begegnete. Mit Beginn des 18. Jahrh. werden die Verhältnisse immer ungünstiger, und mehr noch als Kriege verheeren Hunger und allgemeine Verarmung das Land, so daß wieder, und zwar zum letztenmal, ein Rückschlag der Bevölkerung erfolgt, welche sich um 1715 nur mit etwa 18 Mill. beziffert.

Nun beginnt die Zeit ununterbrochenen Anwachsens der Bevölkerung. Unter der im allgemeinen friedlichen Regierung Ludwigs XV. heben sich wieder Landbau und Industrie und steigt die Bevölkerung an, was auch unter seinem Nachfolger der Fall ist. Während man 1770: 24 Mill. Einw. zählte, betrug die Volkszahl beim Ausbruch der großen französischen Revolution von 1789 auf dem gegenwärtigen Gebiet des Landes bereits 26 Mill. Daß in der nun folgenden Zeit, etwa bis zur Restauration, eine Stockung des Anwachsens stattfinden mußte, ist leicht einzusehen; wir wissen z. B., daß zu Beginn des gegenwärtigen Jahrhunderts (1801) die Volkszahl nur 271/3 Mill., also um weniges mehr als vor Ausbruch der Revolution und der ihr folgenden Kriegszeit, betrug. Dann aber folgt Frankreich, wenn auch in wesentlich schwächerm Maße, doch auch dem Zuge der Bevölkerungszunahme, welcher die ganze kultivierte Welt im 19. Jahrh. erfaßt hat; die Volkszahl betrug 1866: 38 Mill., 1872, nach dem Verlust zweier Provinzen, nur 36 und im J. 1886 wieder rund 38 Mill. Einw. Nur zeigt sich dabei, daß der natürliche Zuwachs des französischen Volkes bei der niedrigen Eheschließungs- und Geburtenziffer ein sehr kleiner ist und Frankreich diesbezüglich den übrigen Staaten, insbesondere auch dem Deutschen Reich, bedeutend nachsteht. Es ist begreiflich, daß dies im Lande beträchtliche Besorgnisse erweckt und geradezu zur brennenden Tagesfrage geworden ist, welche das Interesse der Akademie, nahezu aller Statistiker, der Staatsmänner und der gesamten gebildeten Bevölkerung erregt. Im nächsten Abschnitt soll auf diesen Punkt noch einmal zurückgegriffen werden; zuvor aber sollen in der nachfolgenden kleinen Tabelle die Hauptresultate der bevölkerungsgeschichtlichen Entwickelung Frankreichs kurz zusammengefaßt werden:

Epochen Bevölkerungszahl¹
Barbarisches Gallien zur Zeit Cäsars 6,7
Römisches Gallien unter den Antoninen 8,5
Zur Zeit Karls d. Gr. 51/2–8
Erste Hälfte des 14. Jahrhunderts 20–22
Ende des 16. Jahrhunderts 20,0
Im Jahr 1700 21,1
   1715 18,0
   1770 24,5
   1789 26,0
   1801 27,4
   1886 37,9
¹ Für das gegenwärtige Staatsgebiet (in Millionen).
V. Allgemeine Bevölkerungsgeschichte Europas.

In den letzten Jahrhunderten v. Chr. war die Bevölkerung auf dem südlichen Balkan und in Italien dort, wo der europäische Kontinent am dichtesten bewohnt war, in allgemeiner Zunahme begriffen, welche sich in Griechenland bis zum Ende des 4. und in Italien bis zum 1. Jahrh. v. Chr. konstatieren läßt und mit dem Emporblühen der daselbst wohnenden Völker und Staaten in Wechselwirkung steht. Um diese genannte Zeit aber macht sich eine allgemeine Stagnation bemerkbar, welche allmählich bis zur Zeit Christi sich in einen Bevölkerungsrückgang verwandelt. Die durchgreifend wirkende Ursache hierfür war die einschneidende Veränderung, welche durch das sich immer mehr ausbreitende Institut der Sklaverei in der Struktur der Bevölkerung hervorgerufen wurde. Die Sklaverei verhindert den vollkräftigsten und zahlreichsten Bestandteil der Bevölkerung, die Ackerbauer und Gewerbsleute, sich auf freier, gleichberechtigter Basis im Volke zu entwickeln, und unterbindet damit die wesentlichen Zuflüsse des Bevölkerungsstroms; auch in den amerikanischen Sklavenstaaten stand die Bevölkerung still und wuchs riesig an, sobald die beengende Fessel gefallen war. Zu Anfang unsrer Zeitrechnung, gleichzeitig mit Beginn der römischen Kaiserzeit, erfolgt eine allgemeine kräftige Volkszunahme nicht nur in Italien und Griechenland, sondern auch in Illyrien, in Gallien und Spanien sowie in einigen Donaugebieten, wo vorher die Bevölkerung der barbarischen Völkerschaften im allgemeinen als sehr spärlich angenommen werden darf; vornehmlich entstand eine Periode aufblühenden städtischen Lebens, welches sich an die römischen Niederlassungen anschloß.

Dieser gesamte Riesenbau des römischen Reiches wurde nun durch die 200 Jahre andauernde Völkerwanderung, in welcher wir die Folge von Übervölkerung in nördlichen und östlichen Gebieten zu sehen haben, zunächst in seinen Grundfesten erschüttert und dann niedergestreckt. Als deren Wellen allmählich ihre zerstörende Kraft verloren hatten, da zeigte sich vornehmlich das weströmische Gebiet in einer vollständigen Zerrüttung und Zersplitterung, in allgemeiner Gärung und steten Kriegen um die Hegemonie, während das oströmische Reich weit konsolidierter geblieben war und auch seine dichtere Bevölkerung erhalten hatte. Aber während nun in der Folge der Westen einer steten Gesundung entgegenging, wurde das Gebiet des oströmischen Reiches von dem entgegengesetzten Schicksal erreicht. Im 6. Jahrh. n. Chr. raffte die Bubonenpest die Hälfte der Bevölkerung dahin, die Araber verlegten den Weg nach Asien und Ägypten, die Avaren den Weg nach dem Balkan, und die Türkenherrschaft besiegelte endlich den populationistischen Niedergang dieser Länderstrecken; erst in der allerjüngsten Zeit, seit einigen Dezennien, mit der politischen Emanzipation der Balkanstaaten, tritt wieder eine Periode populationistischer Gesundung auf dem Balkan ein. Im Gebiet des weströmischen Reiches legten sich allmählich die Wogen der Völkerwanderung, die Bevölkerung blieb ziemlich dünn gesäet zurück und vermochte sich wegen der anhaltenden Kriege und wegen der großen Pest des 6. Jahrh. vorderhand noch nicht zu erholen.

Der Prozeß der politischen sowie auch populationistischen Rekonstruktion Europas beginnt erst mit der Begründung der fränkischen Monarchie, und ihre erste Periode, welche bis in das 14. Jahrh. hineinreicht, trägt ein sehr charakteristisches Gepräge: das der Ausbreitung, nicht gerade der Verdichtung der europäischen Bevölkerung; der dichter bevölkerte Westen gab seinen Überschuß an den Osten, vornehmlich auch an die Ostmark ab, die großen nordischen [115] Stämme bevölkern England und das nördliche Rußland, die Mauren Spanien, und die Slawen breiteten sich im heutigen Ostpreußen, in Österreich und Rußland aus, wogegen später deren Gebiete zum großen Teil von deutschen Völkern kolonisiert und germanisiert wurden, wodurch die Dichte auch dieser Gebiete anwuchs. Mit dieser äußern Kolonisationsthätigkeit ging eine innere Hand in Hand, so daß sowohl die ländlichen Ansiedelungen als später mit dem 12. und 13. Jahrh. auch die Städte emporwuchsen. Um jene Zeit zeigen die Erscheinungen der Bevölkerungsbewegung denselben Charakter wie im Altertum: die Ehen sind zahlreich und werden früh geschlossen, die Geburtsziffer steht hoch und zwar nicht nur die eheliche. Und doch ist die Familie nicht besonders groß, 5–6 Personen im Durchschnitt. Ursache sind die höchst ungünstigen sanitären Verhältnisse und zwar insbesondere die enorme Kindersterblichkeit, Erscheinungen, welche wir heute noch bei den untersten Bevölkerungsschichten bemerken. Das weibliche Geschlecht war im Mittelalter an Zahl verhältnismäßig stärker als heute, wozu vornehmlich die häufige Verwitwung infolge der Kriege etc. beigetragen haben mag. Wir können nun annehmen, daß der Prozeß allmählicher Erholung und Ausbreitung der Bevölkerung bis in das 14. Jahrh. einerseits keine wesentliche Störung, selbst nicht durch die Kreuzzüge, Kriege und Volkskrankheiten, erfuhr, anderseits aber einen sehr langsamen Gang aufwies. Sein Effekt war eine vollständige Verschiebung des populationistischen Schwerpunktes. Die dichtesten Gegenden sind nunmehr Frankreich, Spanien und Italien, während die deutschen Gebiete bei der weitgehenden Kolonisierung, welche von ihnen ausging, für sich selbst keine besondere Bevölkerungsdichte beibehalten konnten. Der Osten ging durch die Mongolenherrschaft der Bevölkerungsentwickelung für viele Jahrhunderte verloren.

Dieser günstige Entwickelungsprozeß wurde nun im 14. Jahrh. plötzlich zum Stillstand gebracht und ging vielfach in einen Bevölkerungsrückgang über. Drei Jahrhunderte hindurch, bis zur Mitte des 17. Jahrh., stellt sich eine Kette von Hindernissen der Volksvermehrung entgegen: der Schwarze Tod im 14. Jahrh., welcher ein Viertel der damals 100 Mill. betragenden Bevölkerung Europas hinwegraffte, die Religionskriege, die Türkenherrschaft, die Vertreibung der Mauren aus Spanien, die Bauernkriege und der Dreißigjährige Krieg, endlich die Pesten des 16. und 17. Jahrh.

Die mit Ende des 17. Jahrh. nun einsetzende dritte Periode der Bevölkerungsentwickelung, welche bis zur Wende des 18. und 19. Jahrh. andauert, stellt sich als Periode einer äußerst langsamen Vermehrung, wenn nicht vielleicht als eines Stillstandes dar, in welcher die Wunden der verflossenen Zeit zunächst zu verharschen beginnen; die Städte werden allerdings nun bedeutend volkreicher, aber dies geschieht auf Kosten der Landorte, und die Bevölkerung dieser letztern vermag sich, in die Schienen der Grundhörigkeit eingeengt, nicht gesund zu entfalten.

Erst mit dem 19. Jahrh., vornehmlich seit Beendigung der Napoleonischen Ära, beginnt eine neue, noch nie dagewesene Epoche der populationistischen Entwickelung, welche bis heute andauert und in einem rapiden Aufschwung der Volkszahl überhaupt, dabei in einem enormen Anwachsen der Städte besteht. Die sich dabei darbietenden Progressionen der Volksziffer sind geradezu gewaltig: das germanische Europa hat sich in 60 Jahren, Preußen, Schottland, Dänemark, Schweden, Finnland in 70, Sachsen und Serbien in 50, England, Norwegen, Griechenland und Rumänien in 55–60 Jahren an Einwohnern verdoppelt.

Fig. 1. Bevölkerung der Großmächte in ihrem gegenseitigen Größenverhältnis.

Allerdings sind auch hier wieder Ausnahmen zu notieren: Frankreich blieb zurück und brauchte 200 Jahre, Italien 117 zur Verdoppelung seiner Volkszahl. Der Gesamteffekt bleibt aber doch, daß die Bevölkerung des europäischen Kontinents, welche 1800: 175 Mill. betrug, gegen das Ende der 80er Jahre auf 350 Mill. angewachsen ist, sich somit in etwa 87 Jahren verdoppelt hat; es ist dies eine Progression, welche, als dauernd angesehen, um das Jahr 2000 etwa 1 Milliarde Menschen für Europa ergeben würde. Die Ursache dieses gewaltigen Aufschwunges der Bevölkerung liegt hauptsächlich in der Ausbildung der wirtschaftlichen Verhältnisse, welche von allen Seiten auf diesen Effekt hinauslaufen; nicht minder aber hat die Besserung der sanitären Bedingungen die Sterblichkeitsziffer herabgedrückt, was gleichfalls als Effekt des Gesamtkomplexes der sozialpolitischen Maßnahmen angenommen werden darf. Überdies aber traten Volkskrankheiten und Elementarereignisse in diesem Jahrhundert mit geringerer Kraft auf, und auch die Kriege haben viel von ihrer frühern Hemmungskraft verloren. Darüber aber vermag keine Forschung Auskunft zu geben, ob nicht wieder, so wie es bisher so oft der Fall war, welterschütternde Ereignisse die Bevölkerung in ihrem Anwachsen aufhalten oder gar zurückdämmen werden.

Schon aus den oben angeführten Ziffern über die Verdoppelungsperioden hat sich ergeben, daß das Verhalten der einzelnen Völker und Staaten zu der [116] mit Beginn des 19. Jahrh. eingetretenen vierten und letzten populationistischen Epoche ein sehr verschiedenes ist. Nun steht aber die Volkszahl eines Staates im direkten Verhältnis zu seiner politischen Bedeutung im internationalen Staatenverkehr. Es ist daher von höchstem Werte, die geschichtliche Entwickelung der Beziehung der Staaten zu einander, den Wechsel der führenden Völker u. dgl. auf die einfache Thatsache der Volkszahl zurückzuführen. Um hierfür ein Beispiel zu geben, bringen wir (nach Cheysson) die Bevölkerung der Großmächte in ihrem gegenseitigen Größenverhältnis graphisch (Fig. 1, S. 115) dadurch zur Darstellung, daß für jede ihr Anteil an der Gesamtsumme in den Jahren 1700, 1789, 1815, 1882 durch ein Kreissegment versinnbildlicht wird. Der Ausblick in das Jahr 1932 möge als Hypothese gestattet sein.

Fig. 2. Zunahme der Bevölkerung in einigen europäischen Staaten (die Verhältnisse im Jahre 1800 = 100 gesetzt).

Das verschiedene Verhalten der im Gesamteffekt doch eine so enorme Zunahme ergebenden Entwickelung der europäischen Staaten hinsichtlich ihrer Volkszahl läßt sich selbst noch im 19. Jahrh. nicht lückenlos zur Anschauung bringen, da mehrfache wichtige staatliche Veränderungen und territoriale Verschiebungen das Bild trüben. Für einige wichtige Staaten mag dies aus der obigen Darstellung (gleichfalls nach Cheysson) entnommen werden (Fig. 2).

Aus den vorstehenden Übersichten sticht zunächst der stete Rückgang hervor, von welchem Frankreich gegenüber den übrigen Bevölkerungen hinsichtlich der quantitativen Anteile ergriffen ist; ferner zeigt sich, daß dessen Zunahmeverhältnisse die geringsten überhaupt sind, wenn von dem im Verfall begriffenen Irland abgesehen wird. Als Gegensatz kann Rußland und Nordamerika dienen, deren Anteil an der Bevölkerungsziffer der Großmächte rapid anschwillt, oder auch England und Preußen, welche eine ungemein starke Progression der Bevölkerung besitzen; diese Progression scheint den germanischen Staaten überhaupt eigentümlich zu sein. Selbstverständlich bedeutet aber selbst eine geringe Progression einer so gewaltigen Masse, wie dies Rußland ist, absolut genommen, weit mehr als selbst ein hohes Zuwachsprozent kleinerer Völker. Nur Nordamerikas Anteil müßte infolge des ganz exzeptionellen Verdoppelungsverhältnisses, obgleich die Bevölkerung gegenwärtig nicht außerordentlich hoch genannt werden kann, geradezu kolossal anwachsen, falls die gegenwärtigen Verhältnisse als fortbestehend angenommen werden dürfen. Faßt man die Anteile Deutschlands und Österreichs zusammen, so bilden dieselben, auch für die nächste Zukunft hinaus, ein so bedeutendes Prozent an der Gesamtvolksziffer der Großmächte, daß dieser Allianz eine tonangebende Stellung wohl nicht versagt werden kann.

Litteratur.

Die Litteratur zur B. ist noch nicht sehr umfangreich. Was zunächst die Verhältnisse des Altertums anbelangt, so sind insbesondere zu nennen: Hume, Versuch über die Volkszahl der Nationen des Altertums (1752, neue Ausgabe, Lond. 1875), der den damals beliebten Übertreibungen und Überschätzungen zuerst entgegentrat; Böckh, Staatshaushalt der Athener (3. Aufl., Berl. 1886, 2 Bde.); Clinton, Fasti Hellenici, Bd. 2 (Oxf. 1824); Zumpt, Über den Stand der Bevölkerung und Volksvermehrung im Altertum (Abhandlung der Berliner Akademie, 1840); Moreau de Jonnès, Statistique des peuples de l’antiquité (Par. 1851); Hildebrand, Über die Organisation der amtlichen Bevölkerungsstatistik im alten Rom (dessen „Jahrbücher“, Bd. 6); Beloch, Die Bevölkerung der griechisch-römischen Welt (Leipz. 1886); Pöhlmann, Die Übervölkerung der antiken Großstädte (das. 1884, Preisschrift). Besonders zahlreich sind dann die Arbeiten über die historische Bevölkerungsstatistik des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit, und zwar einerseits methodologische Studien, wie von v. Inama-Sternegg in der „Statistischen Monatsschrift“ und anderwärts, und anderseits über die Bevölkerungsverhältnisse der Städte im 14., 15. und 16. Jahrh., für welch letztere die Quellen eben besonders reich fließen, und zwar sind zu nennen: Bücher (der Begründer dieser Richtung), Die Nürnberger Volkszählung von 1449 (Tübinger Zeitschrift, Bd. 37), und „Die Bevölkerung Frankfurts im 14. und 15. Jahrhundert“ (Basel 1886); Ehebergs Arbeit über Straßburg („Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik“, Bd. 41 und 42), Paasche über Rostock (das., Bd. 39), O. Richter über Dresden und Meißen („Neues Archiv für sächsische Geschichte“, Bd. 2, und „Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen“, Bd. 1), Schönberg über Basel („Jahrbücher für Nat.-Ökon.“, Bd. 40), Kirchhoff über Erfurt („Mitteilungen für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt“, Bd. 5), Hegel über Mainz („Chroniken der deutschen Städte“, Bd. 2, Leipz. 1882), Arnold über Worms („Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte“, Gotha 1854) etc. neben vereinzelten Angaben in den historischen Werken v. Inama-Sterneggs, Schmollers etc. Diese zerstreuten Arbeiten über städtische Verhältnisse faßte I. Jastrow in „Die Volkszahl deutscher Städte zu Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit“ (Berl. 1886) übersichtlich zusammen. Wichtiges, zum Teil verarbeitetes Material über die Bevölkerungen der österreichischen Städte in frühern Jahren enthält das „Österreichische Städtebuch“ von E. Mischler (Bd. 1 u. 2, Wien 1888 u. 1889). An Stelle der zahlreichen frühern statistischen Arbeiten über die Vergangenheit des französischen Volkes kann jetzt Levasseur, La population française (Par. 1889–91, 3 Bde.) benutzt werden; [117] dazu Cheysson, La question de la population en France et à l’étranger (das. 1885). Für Italien in den letzten Jahrhunderten vgl. Beloch im „Bulletin de l’Institut international de statistique“, Bd. 3. Bekanntlich ist auch Süßmilchs „Göttliche Ordnung etc.“ (1742) wichtig, insbesondere was die Erscheinungen der Bevölkerungsbewegung anbelangt (vgl. Bd. 2, S. 851). Über China und Japan vgl. den Vortrag von Mayet in Jokohama: „Japanische Bevölkerungsstatistik, mit Hinblick auf China“ (auch Berl. 1888). Einen Überblick über die Bevölkerung Europas seit 1000 Jahren gab v. Inama-Sternegg anläßlich des sechsten Demographischen Kongresses (Berichte 1887 u. 1888).