Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Baum“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Baum“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 2 (1885), Seite 506509
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: Bäume
Wikipedia-Logo
Wikipedia:
Wiktionary-Logo
Wiktionary: Baum
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Baum. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 506–509. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Baum (Version vom 02.04.2023)

[506] Baum, Gewächs, welches mit einem holzigen Stamm aus der Wurzel emporsteigt und erst in einer gewissen Höhe des Stammes eine aus blättertragenden Ästen bestehende Krone entwickelt. Der Unterschied zwischen B. und Strauch ist keineswegs scharf. So müßte z. B. die italienische Pappel mit ihrem schon vom Boden an aufrechte Äste treibenden Stamm [507] eigentlich zu den Sträuchern gerechnet werden; manche Holzgewächse wachsen ebenso oft strauch- wie baumartig, und an der obersten Grenze ihrer Verbreitungszone in den Gebirgen erscheinen die Bäume nur krüppelhaft strauchförmig. Ebenso können durch die Kunst Sträucher zu Bäumen umgebildet werden, wenn man ihnen die untersten Äste fortwährend abschneidet, und umgekehrt Bäume zu Sträuchern, wenn ihr Gipfelzuwachs immer verschnitten wird. Auch die Höhe kann keinen Unterschied bedingen, denn gewisse Sträucher, wie z. B. die Haselsträucher, wachsen oft viel höher als manche Bäume (z. B. die Ostheimer Kirsche).

Die Baumform findet sich hauptsächlich in den höher ausgebildeten Pflanzenfamilien, von welchen gegen 50 größtenteils Bäume enthalten. Doch kommen auch bei den weniger hoch organisierten Pflanzen, wie bei Koniferen, Palmen, Gräsern und selbst bei Farnen, Baumformen vor. Dagegen fehlt die Baumform bei Pilzen, Flechten, Algen, Moosen, Liliaceen, Irideen, Hydrocharideen, Najadeen, Scitamineen, Orchideen, Chenopodiaceen, Primulaceen, meist bei den Asperifolien, Personaten, Labiaten, Konvolvulaceen, Gentianeen, Kampanulaceen, Kukurbitaceen, Doldengewächsen, Saxifrageen, Papaveraceen, Ranunkulaceen, Karyophyllaceen u. a.

Die Gestaltsverhältnisse der Blätter sind wichtige Merkmale, um den B. an seinem Laub zu erkennen. Nicht minder brauchbar zur Unterscheidung im winterlichen Zustand sind die Knospen des Baums. Manche Bäume sind überdies mit Dornen ausgestattet; dies sind entweder kurze Zweige, die mit dorniger Spitze endigen, wie beim Weißdorn und bei den wilden Formen der Obstbäume, oder es sind stachelartig ausgebildete Nebenblätter, wie bei der Robinie. Die Blüten der Bäume sind meistens verhältnismäßig unscheinbarer als die der krautartigen Gewächse. Viele Bäume haben eingeschlechtige Blüten, und dabei sitzen die Blüten beider Geschlechter entweder auf demselben B. (Eiche, Buche, Hainbuche, Birke, Erle, Nußbaum) oder auf verschiedenen, so daß man männliche und weibliche Bäume zu unterscheiden hat (Weiden, Pappeln). Andre Bäume haben Zwitterblüten, und diese besitzen vielfach farbige Blumenblätter, wie die Obstbäume, die Roßkastanie, die Rosen und viele Bäume der wärmern Klimate. Die Frucht- und Samenbildung zeigt weniger Eigentümlichkeiten. Bei den meisten fällt die Reife in den Sommer oder Herbst desselben Jahrs; nur bei den Kieferarten erlangen der Same und der denselben enthaltende Zapfen erst im zweiten Herbst nach der Blüte vollständige Ausbildung. Die Früchte sind meistens nußartig mit einem einzigen ausgebildeten Samen, oder sie zerfallen in mehrere einsamige nußartige Teile, wie bei den Ahornen. Saftige Steinfrüchte ebenfalls mit einem oder wenigen Samen finden sich bei den Obstbäumen, Kapseln mit zahlreichen Samen bei den Weiden und Pappeln.

Die Art, wie der B. sich aufbaut, zeigt Verschiedenheiten, und damit hängt zum Teil auch das Charakteristische seiner Physiognomie zusammen. Bei den baumartigen Farnkräutern und bei den meisten Palmen findet sich ein einfacher Stamm, der mit einer einzigen großen Gipfelknospe endigt, daher keine Äste bildet und am Ende mit seinen dicht übereinander stehenden riesenhaften, meist gefiederten Blättern besetzt ist. Bei den dikotyledonen Bäumen wächst der Stengel des Keimpflänzchens heran zum Anfang des künftigen Baumstammes. In den Wuchsverhältnissen desselben ist aber in der Regel schon von den ersten Lebensjahren an ein mehrfacher Unterschied zu bemerken. Entweder bildet sich der Keimstengel an der Spitze durch seine dauernd erhalten bleibende Gipfelknospe regelmäßig weiter und wird zum geraden, bis zur höchsten Spitze durchgehenden Baumstamm, wie z. B. bei der Fichte, Tanne und Lärche, an welchen sich dann seitlich die zahlreichen horizontal abgehenden Äste ansetzen, wodurch die Krone die pyramidenförmige Gestalt erhält, die schlanker wird, wenn sich auch die Äste steil am Stamm aufwärts richten, wie bei der italienischen Pappel. Oder der Stamm zeigt zwar auch längere Zeit dieses Verhalten, später aber folgen ihm einer oder mehrere seiner Äste in bald schrägerer, bald steilerer Richtung sowohl im Höhenwuchs als in der Erstarkung nach oder überholen ihn oder übernehmen nach gänzlicher Unterdrückung des Hauptstammes allein die Fortbildung, so daß also der Stamm nicht bis in den Gipfel reicht, sondern sich in seiner Krone in mehrere starke Hauptäste teilt, wie bei der Kiefer, der Pappel, der Eiche, dem Apfelbaum u. v. a. Oder es verliert der Hauptstengel schon in den ersten Lebensjahren seine Fortbildungsfähigkeit, indem er nämlich die Eigentümlichkeit hat, an seinem Ende sich in horizontaler Richtung zu neigen; die Endknospe, welche ihn in diesem Fall nur in der letztgenannten Richtung verlängern würde, schlägt dann regelmäßig fehl, oft samt dem ganzen wagerecht gewordenen Endstück, und eine der letzten Seitenknospen des vertikal stehenden Stammteils wächst im folgenden Jahr zu einem kräftig aufschießenden, zuletzt aber am Ende wieder horizontal gerichteten Trieb empor, welcher sich dann gerade so verhält wie sein Vorgänger, und da dies alljährlich geschieht, so baut sich hier der Stamm auf aus so vielen einzelnen auseinander hervorgegangen Ästen verschiedenen Grades, wie er Jahre alt ist, und erscheint dann im erwachsenen Zustand ebenso regelmäßig und gerade wie diejenigen Stämme, welche durch stetige Verlängerung einer Hauptachse gebildet sind. Diese Stammbildung ist charakteristisch für die Ulme, Buche, Hainbuche, Linde. Von großem Einfluß auf die Physiognomie ist bei allen Bäumen der Umstand, ob sie frei stehen oder im Schluß aufgewachsen sind. So bildet sich z. B. bei der Rotbuche, wenn sie frei steht, die Krone schon von geringer Entfernung über dem Boden an, indem hier nicht selten wenig über Manneshöhe die ersten, horizontal ausstreichenden Äste an den Stamm sich ansetzen. Im geschlossenen Rotbuchenwald dagegen tragen die säulenförmigen Stämme erst in sehr beträchtlicher Höhe spitzbogenartig aufstrebende Äste, auf denen sich erst das Laubdach über den hohen Säulenhallen ausbreitet. Ähnliche Verhältnisse zeigen auch meistens die andern Bäume bei freiem und bei geschlossenem Stande. Dagegen ist die Tracht der Trauerbäume, bei denen sämtliche Zweige zur Erde niederwachsen, eine feste, vererbbare Eigentümlichkeit gewisser echter Varietäten. Die bekannteste trauernde Varietät ist die Traueresche; doch hat man auch von vielen andern Bäumen Trauerbäume, so z. B. von den Ulmen, Linden etc. – Auch in der Wurzelbildung zeigen die Bäume Verschiedenheiten. Manche behalten die Hauptwurzel, die sich am Keimpflänzchen entwickelt, ihr ganzes Leben hindurch; dieselbe steigt dann als gerade, dicke Pfahlwurzel tief in den Boden hinab, was besonders für die Eiche charakteristisch ist. In andern Fällen bleibt die Pfahlwurzel frühzeitig zurück; aus dem Stock entwickeln sich mehrere Seitenwurzeln, und diese gehen entweder [508] auch zu beträchtlicher Tiefe in schiefer Richtung in den Boden, wie z. B. bei der Linde, oder sie halten sich nur oberflächlich und streichen dabei oft weit im Umkreis aus, wie bei den Pappelarten. Überdies erzeugt immer lockerer und tiefgrundiger Boden eine tiefere, bindige und flachgrundige Bodenbeschaffenheit eine oberflächlichere Wurzelbildung. Die monokotyledonen Bäume haben nie eine Pfahlwurzel; ihr Stamm endigt nahe unter der Bodenfläche und ist mit seitlich im Umfang aus demselben hervorkommenden Nebenwurzeln im Erdreich befestigt.

Hinsichtlich des innern Baues des Baumstammes weichen die zu den Monokotyledonen gehörigen Bäume, nämlich die Palmen, von den Dikotyledonen wesentlich darin ab, daß bei jenen die Gefäßbündel im Grundgewebe zerstreut stehen, daß es darum keinen Kambiumring, keinen Holzcylinder und somit auch keinen fortdauernden Dickezuwachs des Stammes gibt. Bei den zu den Dikotyledonen gehörigen Bäumen hat der Stamm schon in der frühsten Jugend als dünner Stengel einen unter der Rinde gelegenen Kreis von Gefäßbündeln, welcher jenen Teil von dem das Innerste einnehmenden Mark scheidet. Dieser Gefäßbündelring stellt in seiner innern, dem Mark anliegenden Hälfte das Holz und im äußern, an die Rinde angrenzenden Teil den Bast dar; zwischen beiden zieht sich der Kambiumring hindurch. Dieser letztere, aus zarten, saftreichen, in Vermehrung begriffenen Zellen gebildet, vergrößert vermöge seines Zellvermehrungsprozesses die beiderseits ihm anliegenden Gewebe, indem einesteils sich alljährlich an der Außenseite des Holzringes eine neue Zone Holzgewebe anlegt, wodurch die Jahresringe des auf diese Weise erstarkenden Holzkörpers entstehen, die man als konzentrische Linien auf dem Querschnitt desselben wahrnimmt, andernteils aber auch der Bast an seiner Innenseite einen jährlichen, wenn auch weit geringern Zuwachs erhält. Auf diese Weise kommt die dauernde Verdickung des Stammes und aller seiner Äste sowie auch der Wurzeln zu stande. Dabei erweitert sich die Rinde vermöge eigner Zellenbildung in dem Grad, als dies durch die von innen her erfolgende Verdickung des Stammes erheischt wird. Dadurch wird zugleich eine schützende Decke für die zunächst darunterliegenden weichen Teile der Rinde und des Bastes gebildet. Dieser Überzug tritt bald als glattes Periderm, bald als rissige Borke auf (s. Periderm).

Die Bäume können bei ungestörter Vegetation und unter günstigen Verhältnissen ein außerordentliches Alter erreichen, und es ist gewiß, daß dasselbe bei mehreren gegenwärtig noch existierenden Bäumen bis zu den frühsten Daten der römischen und griechischen Geschichte zurückgeht. Mit hohem Alter ist in der Regel eine ungewöhnliche Dicke des Stammes, aber nicht immer eine entsprechende Höhe verknüpft. Die ältesten, stärksten und höchsten Individuen der Erde gehören zu den Affenbrot-, Drachen- und Gummibäumen, zu den Eichen, Linden, Platanen, zu den Palmen sowie zu den Nadelbäumen. Aloys de Cadamosto fand 1454 an der Mündung des Senegal Stämme des Affenbrotbaums (Adansonia digitata L.) von ungefähr 32 m Umfang, andre Reisende geben den Durchmesser derselben zu 8–9,4 m bei 22 m Höhe an. Spätere Reisende fanden die 300 Jahre früher von den ersten Besuchern eingeschnittenen Inschriften im Innern des Stammes wieder, und nach dem Maßstab, der sich daraus für die Verdickung des Stammes ergab, konnte man das Alter mancher dieser Riesen auf ca. 6000 Jahre schätzen. Der durch einen Sturm zerstörte Drachenbaum (Dracaena Draco L.) von Orotava auf den Kanarischen Inseln, der von A. v. Humboldt 1799 gemessen wurde, zeigte einen Umfang von 15 m bei einer Höhe von nicht viel über 22 m. Die Eukalyptusarten erreichen ebenfalls eine Stammstärke von 25 m im Umfang und eine Höhe von mehr als 150 m. Auch der Rosenbaum kann überaus alt werden; von dem sogen. tausendjährigen Rosenbaum (Rosa canina) an der Gruftkapelle des Doms zu Hildesheim ist aber nur der Wurzelstock von 800jährigem Alter. Die größte und mächtigste Eiche in Europa besitzt Deutschland bei Körtlinghausen im preußischen Regierungsbezirk Arnsberg. Sie zählt über 1000 Jahre und hat etwa 22 m Höhe und einen Umfang von 12,4 m nahe an der Erde. Die Eiche bei Saintes im französischen Departement Charente-Inférieure hat bei 18,8 m Höhe 1,6 m über dem Boden 6,75 m Durchmesser; man schätzt ihr Alter auf 1800–2000 Jahre. In Litauen sind Linden von 25,7 m Umfang und 815 Jahresringen gefällt worden. Zu den durch ihre Größe berühmten Linden gehören ferner diejenige bei Freiburg in der Schweiz, welche schon zur Zeit der Schlacht bei Murten wegen ihres Umfanges bekannt war, und die bei Neuenstadt am Kocher in Württemberg, welche die Chronik schon 1226 als den „großen B. an der Heerstraße“ bezeichnet. Die morgenländische Platane (Platanus orientalis) erreicht auch im Süden Europas wie im Orient einen Riesenwuchs. Plinius erwähnt einer Platane, deren Stamm 25,4 m im Umfang hatte. Im Thal Bujukdere bei Konstantinopel befand sich noch neuerlich eine hohle Platane von 28 m Höhe und 15,7 m Stammumfang, deren Alter man auf mehrere Tausend Jahre schätzt. Der bekannte Kastanienbaum am Ätna, mehr durch Stärke als durch Höhenwuchs merkwürdig, ist mehrere Jahrhunderte alt; in seinem Innern sollen 100 Pferde Raum haben. In der Familie der Palmen findet man die über 56,5 m hohen Stämme von Ceroxylon andicola Hb. et Bp. in dem gemäßigten Alpenklima der Andes. Von den Koniferen endlich sind die Araukarien in Brasilien, Chile, Australien, auf den Norfolkinseln und in Neukaledonien 53–88 m hoch. Pinus grandis Dougl. in Neukalifornien erreicht 59–65 m, P. Lambertiana Dougl. 65–68 m, P. Strobus L. (White Pine bei den Nordamerikanern) in New Hampshire öfters 74–78 m. In Kalifornien gibt es Rottannen von 85,5 m Höhe, in Western-Oregon solche von 94 m Höhe. Weißtannen von 63 m Höhe und 4–5,6 m Umfang finden sich auf dem Kübany im Quellgebiet der Moldau. In einem geschützten Thal der kalifornischen Sierra Nevada steht die 1850 entdeckte Familie von 90 riesigen Exemplaren der Wellingtonia gigantea Lindl. Das Alter des einen, den man gefällt hat, ist aus den Jahresringen auf mehr als 3000 Jahre berechnet worden. Ein andrer liegt am Boden mit abgebrochener Krone; der verstümmelte Torso mißt noch 94 m und hat an der abgebrochenen Stelle oben 5,6 m Durchmesser, weshalb man annimmt, daß dieser B. ursprünglich 141 m Höhe gehabt habe. Die Zedern des Libanon sind weltberühmt; ihre Stämme haben bis 12,5 m im Umfang bei 25–28 m Höhe. Sie kontrastieren sonderbar mit unsern nur in der Dicke kolossalen Eibenbäumen (Taxus baccata L.), die aber unter allen europäischen Baumarten das höchste Alter erreichen. So ergaben sich z. B. für den Taxus baccata von Brabum in der Grafschaft Kent drei Jahrtausende. Unsre größten Tannen und Fichten erreichen mitunter eine Höhe von 47 m bei einer Stärke von 3,7 m [509] im Umfang; ihren stattlichen Wuchs vollenden sie in 120–150 Jahren, obwohl sie 300 Jahre und noch älter werden können. Die berühmte Fichte des Lampersdorfer Forstes bei Frankenstein in Schlesien hat 5 m Umfang und mißt 48 m; im Böhmerwald gibt es Fichten von 63 m Höhe.

Unter den Tropen findet sich der üppigste Baumwuchs; zudem sind es lauter eigentümliche Baumarten dieser Klimate, welche hier die Urwälder bilden. Sie gehören vorzugsweise den Familien der Palmen, Euphorbiaceen, Urticeen, Melastomaceen, Sapindaceen, Malvaceen, Büttneriaceen, Meliaceen, Leguminosen, Sapoteen, Cinchonaceen an. In der subtropischen Zone ist der Baumwuchs hauptsächlich vertreten durch die immergrünen Myrtaceen und Laurineen sowie Proteaceen, denen sich in der wärmern gemäßigten Zone andre immergrüne Bäume anschließen, zumal die immergrünen Eichen, Granatbäume, Orangen und Zitronen, Ölbäume, Feigen und nochmals Myrte und Lorbeer. Dagegen sind in der kältern gemäßigten Zone die laubwechselnden Bäume vorherrschend. Eichen- und Buchenwälder, Linden, Ulmen, Eschen, Pappeln, Weiden sind hier charakteristisch. Und obgleich auch hier bereits Nadelhölzer in zusammenhängenden Waldungen auftreten, werden dieselben doch erst in der subarktischen Zone eigentlich vorwaltend, wo die Laubbäume einer nach dem andern verschwinden. Überhaupt werden die Bäume, je mehr man sich den Polarkreisen nähert, desto geringer an Zahl und desto kleiner. Eichen, Linden, Eschen, Ahorne, Buchen hören in Schweden schon diesseit des 64.° nördl. Br. auf. Jenseit dieser Breite besteht die Baumvegetation hauptsächlich aus Fichten und Tannen, die in zusammenhängenden Waldungen nordöstlich noch über den 60.° hinaufreichen, aus Birken, die in zusammenhängenden Waldungen sich fast bis zum 71.° nördl. Br. erstrecken, und zum Teil aus Ellern und Weiden. Auch die Höhe über der Meeresfläche hat auf die Ausbreitung und Höhe der Bäume, natürlich im Verhältnis zur Entfernung vom Äquator und zum Klima, bedeutenden Einfluß. Auf den Andes finden sich noch bis 94 m unter der Schneelinie ansehnliche Bäume; bis 2825 m Höhe gedeihen noch Wachspalmen, mehrere Cinchonen und Eskallonien. Unter 30° nördl. Br., wo die Schneegrenze bei 4048–4080 m liegt, kommen auf dem Himalaja, nördlich von Indien, noch 3766 m hoch Baumgruppen vor, die aus Eichen und Fichten bestehen. Ebenso sind in Mexiko, unter 25–28° nördl. Br., die Gebirge bis 3766 m mit Fichten und bis 2825 m hoch mit mexikanischen Eichen bedeckt. Auf den Alpen des mittlern Europa hört der Holzwuchs bei einer Höhe von 1570 m, auf dem Riesengebirge bei 1193, auf dem Brocken bei 1005 m auf. Eichen und Tannen stehen auf den Pyrenäen noch bis zu einer Höhe von 1883 m; dagegen wächst die Fichte auf dem Sulitelma in Lappland, bei 68° nördl. Br., kaum in einer Höhe von 188, die Birke kaum in einer von 376 m. Vgl. Pflanzengeographie.

Über den wichtigen Einfluß, welchen die Bäume, zumal wo sie wälderbildend auftreten, auf klimatische Verhältnisse und Witterung ausüben, s. Wald. – Die Schäden, denen die Bäume ausgesetzt sind, bestehen in Windbruch, Windfall, Schneebruch, Blitzschlag, Frostschäden. Die verschiedenen Krankheiten, von denen sie befallen werden können, bezeichnet man als Brand, Krebs, Grind oder Schorf, Baumkrätze, Rost, Meltau, Rot- oder Kernfäule, Gelbsucht, Harzfluß, Gummifluß, Darrsucht, Wassersucht, Aufspringen der Rinde. Mißbildungen an Bäumen sind die Maserkröpfe, die Hexenbesen oder Wetterbüsche, die Gallen. Baumkultur zum Zweck der Gewinnung von Holz, Zweigen, Rinden, Laub, Blüten, Früchten, Samen oder einzelnen chemischen Bestandteilen (Terpentin, Zucker, Kautschuk, Balsame, Alkaloide etc.) bildet den Gegenstand der Forstwirtschaft, der Landschafts- und Nutzgärtnerei. Mit der Lehre von den Bäumen (Gehölzen), welche in einem bestimmten Land im Freien gedeihen, beschäftigt sich die Dendrologie, welcher Anpflanzungen von Bäumen in systematischer oder pflanzengeographischer Anordnung, die Arboreten, zu Beobachtungen und Versuchen dienen. Über alles dieses siehe die besondern Artikel.

Baum, an großen Maschinen starke, meist runde, cylinderförmige Hölzer, die sich entweder um ihre Achse drehen, oder auf irgend eine andre Art sich bewegen lassen, z. B. Wellbäume oder Wellen großer Räder, Tuch- und Zeugbäume, Brustbäume, Garn- oder Kettenbäume der Webstühle etc.

Baum, in der Marine ein etwas über Manneshöhe über dem Deck horizontal vom Mast aus nach hinten hangendes Rundholz, welches den Unterrand eines Gaffelsegels steif hält oder wenigstens sein Schott leichter zu regieren gestattet.

Baum, Johann Wilhelm, protest. Theolog, geb. 7. Dez. 1809 zu Flonheim in Rheinhessen, siedelte 1822 nach Straßburg über, wo er studierte und 1835 bis 1844 als Direktor des theologischen Studienstifts, bis 1847 als Pfarrer zu St. Thomas, seit 1839 als außerordentlicher und seit 1860 als ordentlicher Professor am protestantischen Seminar, seit 1872 auch an der neuen Universität thätig war. Er wirkte in ebenso ausgesprochen deutschem wie freiem Sinn; unter seinen Schriften sind die Biographien: „Franz Lambert von Avignon“ (Straßb. 1840), „Theodor Beza“ (Leipz. 1843–51, 2 Bde.), „Capito und Butzer“ (Elberf. 1860) hervorzuheben. Nach fünfjähriger Krankheit starb er 28. Nov. 1878. Sein Leben beschrieb seine Witwe (Brem. 1880).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 96
korrigiert
Indexseite

[96] Baum. Die Baumarten sind wie die Tierarten an bestimmtes Alter und bestimmte Größe gebunden, welche nur selten überschritten werden. Die ältern Angaben über das Alter von Bäumen (Drachenbaum von Orotava 6000, Baobab 5000, Platane von Bujukdere 4000 Jahre etc.) verdienen wenig Vertrauen, mit ziemlicher Sicherheit aber wurde nach Kerner berechnet: für die Cypresse (Cupressus fastigiata) 3000, Eibe (Taxus baccata) 3000, Kastanie (Castanea vulgaris) 2000, Stieleiche (Quercus pedunculata) 2000, Libanonzeder (Cedrus Libani) 2000, Fichte (Abies excelsa) 1200, Sommerlinde (Tilia grandifolia) 1000, Zirbelkiefer (Pinus Cembra) 500–700, Lärche (Larix europaea) 600, Föhre (Pinus silvestris) 570, Silberpappel (Populus alba) 500, Buche (Fagus silvatica) 300, Esche (Fraxinus excelsior) 200–300, Hainbuche (Carpinus Betulus) 150 Jahre. Beglaubigte Angaben über Höhe und Durchmesser der Bäume enthält folgende Tabelle:

  Höhe Stamm­durchmesser
Meter Meter
Eucalyptus amygdalina 140–152 8
Wellingtonia gigantea (Mammutbaum) 79–142 11
Abies pectinata (Weißtanne) 75 3
Abies excelsa (Fichte) 60 2
Larix europaea (Lärche) 53,7 1,6
Cupressus fastigiata (Cypresse) 52 3,2
Pinus silvestris (Föhre) 48 1
Fagus silvatica (Buche) 44 2
Cedrus Libani (Zeder) 40
Populus alba (Silberpappel) 40 2,8
Taxodium mexicanum 38,7 16,5
Quercus sessiliflora (Wintereiche) 35 4,2
Platanus orientalis (Platane) 30 15,4
Fraxinus excelsior (Esche) 30 1,7
Adansonia digitata 23,1 9,5
Pinus Cembra (Zirbelkiefer) 22,7 1,7
Ailanthus glandulosa 22 0,9
Quercus pedunculata (Stieleiche) 20 7
Carpinus Betulus (Hainbuche) 20 1
Taxus baccata (Eibe) 15 4,9

Höhe und Dicke nehmen also bei den Bäumen nicht in gleichem Maß zu. Der größte Stammdurchmesser ist von der Kastanie (Castanea vulgaris) bekannt, welche 20 m erreicht. Große Stammdurchmesser sind ferner bekannt von Taxodium distichum 11,9 m, Sommerlinde (Tilia grandifolia)m, Ulme (Ulmus campestris)m, Kornelkirsche (Cornus mas) 1,4 m.