Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Astronomie“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 974983
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Astronomie. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 974–983. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Astronomie (Version vom 06.03.2022)

[974] Astronomie (griech., „Sternkunde“), die Lehre von der Stellung der Gestirne am Himmel, den Gesetzen ihrer Bewegung und ihren physischen Eigentümlichkeiten. Der Begriff der A., anfangs fast nur die Ergebnisse der kunstlosen Beobachtung des Himmels und der Veränderungen an ihm umfassend, hat sich von Jahrhundert zu Jahrhundert erweitert. Ihr großes Gebiet läßt sich nach verschiedenen Gesichtspunkten einteilen. Am nächsten liegt die Trennung in praktische und theoretische A., von denen die erstere alles umfaßt, was sich auf die unmittelbare Beobachtung, sowohl mit bewaffnetem als mit unbewaffnetem Auge, bezieht, während die theoretische A., fußend auf dem von der Beobachtung dargebotenen Material, auf mathematischem Weg die Gesetze aufzufinden strebt, welche den Erscheinungen zu Grunde liegen. Sie findet in vielen Fällen, daß die praktische A. nur den Schein der Dinge erfaßt hat, und lehrt dann die wahre Sachlage kennen, wie sie z. B. die scheinbaren Bewegungen der Gestirne auf die wahren zurückführt. Sie ist im stande, mittels der ihr bekannten allgemeinen Gesetze den Ort der Gestirne für einen beliebigen zukünftigen Zeitpunkt zu bestimmen, z. B. Sonnen- und Mondfinsternisse, Oppositionen und Konjunktionen, Bedeckungen und Vorübergänge auf das genaueste vorherzubestimmen etc., und zeigt so auch wiederum der praktischen A. Ort und Zeit an, wo sie ihre Beobachtung anzustellen hat. Vielfach teilt man die gesamte theoretische A. in drei Teile: sphärische, theorische (bisweilen auch theoretische genannt) und physische A. Die sphärische A. betrachtet die Erscheinungen, wie sie sich unmittelbar am Himmel darstellen. Der Name rührt daher, daß die Gestirne dem unbefangenen Beobachter auf der Innenseite einer Kugel (sphaera) erscheinen, in deren Mittelpunkt sich das Auge scheinbar befindet. Unter theorischer A. (von Theorie, d. h. spekulierendes Nachdenken) versteht man den rein berechnenden, auf Raum- und Zeitbestimmungen beruhenden Teil der A.; sie geht von den scheinbaren auf die wahren Bewegungen zurück. Die physische A. dagegen wird alsdann bestimmt als die Lehre von den Ursachen der wahren Bewegungen, von den Kräften, durch welche die Himmelskörper aufeinander wirken, wohin z. B. die Gesetze der Gravitation, der Zentripetal- und Zentrifugalkraft gehören; zu ihr rechnet man daher auch die Theorie von den Gesetzen der elliptischen Bewegung der Himmelskörper, von den gegenseitigen Störungen der elliptischen Bewegung, von der durch die Rotation bewirkten Abplattung der Erde etc. Häufig versteht man aber unter physischer A. auch die Lehre von der physischen Beschaffenheit der Himmelskörper. Gegenwärtig wird indessen dieser Zweig der A., der in neuerer Zeit, besonders infolge der Anwendung der Photographie und Spektralanalyse auf die Beobachtung der Himmelskörper, einen glänzenden Aufschwung genommen hat, gewöhnlich mit dem Namen Astrophysik bezeichnet. Geht die nähere Betrachtung der Himmelskörper über das, was die Beobachtungen mit Sicherheit zu folgern gestatten, hinaus, und untersucht sie z. B. nach Wahrscheinlichkeitsgründen den Zweck der Weltkörper, die Natur ihrer Bewohner etc., so wird sie zur Konjekturalastronomie, die sehr leicht sich des Namens einer Wissenschaft ebenso unwürdig macht wie die Astrologie.

Hilfswissenschaften der A. sind: reine Mathematik [975] in ihrem ganzen Umfang, sowohl die elementare als die höhere Analysis, wie ja viele der wichtigsten analytischen Untersuchungen nur durch Probleme veranlaßt worden sind, welche die A. stellte; viele Zweige der angewandten Mathematik, namentlich Mechanik und Optik, erstere sowohl behufs genauer Kenntnis der astronomischen Instrumente und der Wirkung ihrer einzelnen Teile wie auch als Mechanik des Himmels (wie zuerst Laplace sie genannt hat) zur Einsicht in den innern Zusammenhang der Bewegungen und zur Entwickelung der Bedingungen des Gleichgewichts und der Stabilität der Weltkörper und ihrer Systeme; letztere, die Optik, ist namentlich dem Beobachter unentbehrlich, denn sie hauptsächlich lehrt die Instrumente verfertigen und zweckmäßig anwenden und gibt über viele Erscheinungen an den Weltkörpern die Aufschlüsse; die Physik im engern Sinn, insbesondere auch die Meteorologie, nicht als sollte der Astronom das Wetter bestimmen, sondern weil der Luftkreis das Medium ist, durch welches wir die Himmelskörper erblicken, und weil die darin vorgehenden Veränderungen sowohl auf den Ort, wo, als auf die Art, wie sie uns erscheinen, den wesentlichsten Einfluß haben.

Geschichte der Astronomie im Altertum.

Die Geschichte der A. reicht in das höchste Altertum zurück. Unter dem reinen Himmel Südasiens und Ägyptens sehen wir die ersten Forscher mit Beharrlichkeit viele Jahrhunderte hindurch die augenfälligsten und für die Zeitrechnung wichtigsten Phänomene, namentlich die Mond- und Sonnenfinsternisse nebst dem Auf- und Untergang der Sterne, beobachten. Die Chaldäer haben hauptsächlich die chronologischen Grundlagen festgestellt; ihr 18jähriger Saros ist das sprechendste Denkmal ihres ausdauernden Fleißes. Im alten Indien hat man die Planeten beobachtet, ihre Zusammenkünfte unter sich und mit dem Mond bestimmt und die Perioden ihres Umlaufs abgeleitet. Durch Rückwärtsberechnung seltener von ihnen beobachteter Konjunktionen sowie durch Vergleichung ihrer cyklischen Perioden mit unsrer heutigen Theorie hat sich aber die Behauptung des hohen Alters der indischen A. nicht in dem früher angenommenen Maß bestätigt. Dagegen reichen die astronomischen Beobachtungen der Chinesen bis ins höchste Altertum hinauf. Die älteste sichere Beobachtung, die man kennt, ist diejenige einer Sonnenfinsternis von 2158 v. Chr. Daß die Priesterkaste Ägyptens nicht unbedeutende astronomische Kenntnisse besessen habe, ist allerdings sehr wahrscheinlich; aber die starre Abgeschlossenheit und Geheimhaltung, welche Ägyptens Priester für nötig erachteten, ist schuld daran, daß das meiste, was sie geleistet haben mögen, für uns verloren ist. Die Ansprüche der Hebräer auf ein hohes Altertum ihres chronologischen Systems und ihrer astronomischen Tafeln haben vor der Kritik nicht bestanden; sie reichen kaum bis Esra hinauf und sind von auswärts entlehnt. Die Theogonie, Kosmogonie und Geogonie der Griechen hat nur das Reich der Fabeln erweitert; ihre Erklärungsversuche, selbst der gewöhnlichsten Erscheinungen (wie der Mondphasen), sind mitunter unglaublich wunderlich; keiner hat das Richtige getroffen, worüber man sich auch gar nicht wundern kann, wenn man erwägt, daß die griechischen Weisen philosophierten, ohne genügende Grundlagen in den Beobachtungen zu besitzen. Unter solchen Umständen verzweifelten mit Recht die weisesten unter ihnen, ein Sokrates und Platon, an der Möglichkeit einer wissenschaftlichen A. Die Verdienste der ältern Griechen um A. beschränken sich auf Berichtigung der Zeitrechnung und der zu Grunde liegenden Perioden. Als zu Metons Zeit (434 v. Chr.) der Kalender um 15 Tage abwich, unternahm dieser eine Kalenderverbesserung, indem er 19 Sonnenjahre = 235 Mondmonaten setzte (vgl. Kalender). Dieser Metonische Cyklus, der seit 432 v. Chr. in ganz Griechenland und seinen Kolonien im Gebrauch war, gewährte noch den Vorteil, daß auch die Finsternisse sich nahezu nach dieser Periode richteten, indem der Umlauf der Mondknoten, d. h. der Punkte, in welchen seine Bahn die Ebene der Erdbahn schneidet, eine Periode von 19 Jahren weniger 5 Monaten hat. So stand es um die A., als um 300 v. Chr. Ptolemäos Philadelphos die Akademie zu Alexandria gründete. Aristillos und Timocharis eröffnen die Reihe der alexandrinischen Astronomen. Sie bestimmten die Orte der Fixsterne zwar noch mit sehr rohen Hilfsmitteln, doch aber so genau, daß Hipparch ihre Arbeiten brauchbar fand. Bald nach ihnen gab Aratos eine Beschreibung des gestirnten Himmels in Versen. Weit wichtiger waren die Arbeiten des Aristarch von Samos. Er machte den Versuch, die Zeit des höchsten und tiefsten Sonnenstandes genauer zu ermitteln und die Entfernung der beiden vorzüglichsten Himmelskörper von der Erde zu bestimmen. Für den Mond fand er 56 Erdhalbmesser (nur 4 zu wenig), und den Durchmesser des Mondes nahm er zu einem Drittel des Erddurchmessers (im rohen gleichfalls richtig) an. Ferner glaubte er für den Winkel, welchen die nach Mond und Sonne gerichteten Linien an der Erde zur Zeit des ersten und letzten Viertels machen, 87° gefunden zu haben, woraus die Entfernung der Sonne 19mal größer als die des Mondes und ihr Durchmesser 6–7mal größer als der der Erde gefunden wird. Dies ist freilich um mehr als das Zwanzigfache falsch, gleichwohl war die Methode an sich richtig, und wenn die Sonne statt 400mal nur 10–20mal soweit entfernt wäre wie der Mond, so würde das Verfahren auch praktisch anwendbar gewesen sein. Aristarch hat aber noch ein wesentlicheres Verdienst: er lehrte, die Erde drehe sich um ihre Achse und zugleich in einem schiefen Kreis um die Sonne, eine für jene Zeit sehr kühne Bemerkung, die, konsequent verfolgt, zum kopernikanischen System hätte führen können. Auch von Euklides, der um jene Zeit lebte, haben wir ein astronomisches Werk: „Phaenomena“, welches hauptsächlich von den Erscheinungen des Auf- und Unterganges der Gestirne handelt. Wahrscheinlich ist auch Manetho, ein ägyptischer Priester, in diese Zeit zu setzen, wiewohl das uns von ihm erhaltene Werk nur wenig Spuren echter Kenntnisse, dagegen größtenteils astrologische Träumereien enthält. Nachfolger Aristarchs wurde Eratosthenes (geb. 276 v. Chr.), auf dessen Vorschlag Ptolemäos Euergetes große Armillarsphären anfertigen ließ. An diesen beobachteten Eratosthenes und seine Nachfolger die Durchgänge der Sterne durch den Meridian, was nicht allein bequemer, sondern auch genauer ist als die Beobachtung der Auf- und Untergänge, Eratosthenes fand auch die Schiefe der Ekliptik gleich 23°51′15″. (Über seinen Versuch, die Größe der Erde zu ermitteln, vgl. Gradmessung.)

Von den großen Geometern Archimedes und Apollonios ist hier nur zu erwähnen, daß der erstere [976] sich an einem Planetarium versuchte und letzterer zuerst die Epicykeln zur Erklärung des Planetenlaufs vorgeschlagen hat. Für die spätere Entwickelung der A. in Keplers Zeit sind seine Arbeiten über die Kegelschnitte von der größten Bedeutung. Entschieden der größte Astronom des Altertums ist Hipparch von Nicäa (2. Jahrh. v. Chr.). Er suchte die Grundlagen der A., soweit die damaligen Mittel reichten, festzustellen: die Länge des Jahrs, die Schiefe der Ekliptik, den Lauf des Mondes und der Sonne, die Orte der Sterne. Zur genauern Zeitbestimmung hatte er freilich nur Wasser- und Sanduhren, indes wußte sein Genie diese Mängel auf mancherlei Weise zu ersetzen, so daß er z. B. die Ungleichheit der wahren Sonnentage entdeckte, die doch für einen einzelnen Tag nie eine halbe Minute übersteigt. Da der scheinbare Abstand eines Sterns von der Sonne sich direkt nicht messen ließ, so maß er am Tag den Abstand des Mondes von der Sonne, in der darauf folgenden Nacht den eines Sterns vom Mond, und indem er den Lauf des Mondes in der Zwischenzeit berücksichtigte, erhielt er den Kulminationsunterschied des Sterns und der Sonne, also auch die gerade Aufsteigung des erstern, wenn die der Sonne bekannt war. Hatte er auf diese Weise eine Anzahl von Sternen bestimmt, so dienten ihm diese zur Grundlage für die andern. An seinen Ringkugeln brachte er Diopter an, um beim Sehen genauer visieren zu können; auch soll er sich eines Rohrs bedient haben, um das seitliche Licht abzuhalten und schärfer zu sehen. Die von Eratosthenes angegebene Lage der Sonnenbahn fand er richtig. Zur Bestimmung der Länge des Jahrs hatte er nur die beobachteten Solstitien des Aristarch, die, mit seinen eignen Beobachtungen verglichen, ihm 365 Tage 5 Stunden 55 Minuten 12 Sekunden gaben. Um sie richtiger zu erhalten, schlug er die Beobachtung der Nachtgleichen vor. Seinen Sonnentafeln gab er eine Einrichtung, die allen spätern Zeiten als Muster gegolten hat. Er erkannte, daß die Entfernung der Sonne von der Erde veränderlich ist, und daß beim Mond ein Gleiches stattfindet, bestimmte die Neigung der Mondbahn gegen die Ekliptik sowie die Veränderung der Knoten und zeigte, wie man die Finsternisse zur Bestimmung der Entfernung von Sonne und Mond benutzen kann (Parallaxenrechnung). Er bestimmte 1020 Sterne, deren Orte er nicht auf den Äquator, sondern auf die Ekliptik bezog. Indem er dabei erkannte, daß sich seit Timocharis die Längen der Sterne durchschnittlich um 2 Grade vermehrt hatten, entdeckte er die Präzession der Nachtgleichen. Zu Längenbestimmungen auf der Erde schlug er die Finsternisse vor. Nach ihm treffen wir fast drei Jahrhunderte hindurch nur auf mittelmäßige Leistungen. Einige glückliche Ideen hatte Kleomedes. Die Erde ist, von der Sonne aus gesehen, nach ihm nur ein Punkt, von den Fixsternen aus gar nicht zu sehen; auch sind die Fixsterne keineswegs alle gleichweit entfernt, was schon Geminus 137 v. Chr. behauptet hatte. Er ist ferner Entdecker der astronomischen Strahlenbrechung. Posidonius erkennt den Mond als Ursache der Ebbe und Flut und wußte auch schon, daß die Fluten im Neu- und Vollmond größer sind als in den Mondvierteln. Für die Höhe der Atmosphäre setzt er 4000 Stadien, für den Abstand des Mondes 52 Erdhalbmesser, für den der Sonne 13,000 Erdhalbmesser Entfernung.

Auf Anordnung Julius Cäsars ward 45 v. Chr. der in große Unordnung geratene römische Kalender durch den Alexandriner Sosigenes in Ordnung gebracht. Das tropische Jahr wurde von diesem der Zeitrechnung zu Grunde gelegt und zu 365¼ Tagen angenommen. Um dieselbe Zeit versuchte auch Varro die Dunkelheiten der altrömischen Chronologie durch die Mond- und Sonnenfinsternisse aufzuhellen, in deren Berechnung man schon eine ziemliche Sicherheit gewonnen hatte. Im allgemeinen aber kam die A. im alten Rom nie zu größerer Bedeutung, während die Astrologie zahlreiche Anhänger fand. Alexandria war noch immer der einzige Ort, wo brauchbare Beobachtungen angestellt werden konnten.

Klaudios Ptolemäos (um 140 n. Chr.) ist der zweite große Astronom des Altertums. Sein astronomisches Hauptwerk ist der uns erhaltene „Almagest“, welcher 1400 Jahre lang die Hauptquelle blieb, aus der die Welt ihre astronomischen Kenntnisse schöpfte. Unbestritten ist des Ptolemäos Verdienst um die Mondtheorie. Man hatte vor ihm den Mond nur im Voll- und Neumond (hauptsächlich bei Finsternissen) beobachtet. Er aber bestimmte seinen Ort auch in den Mondvierteln und sah bald, daß die von Hipparch gemachte Annahme eines einfachen exzentrischen Kreises, in dem sich der Mond mit gleichförmiger Geschwindigkeit bewege, nicht mehr ausreiche. Er verband deshalb mit demselben die Epicykeln, allein auch diese erklärten die Sache nicht ganz. Seine Vorstellung war eine höchst verwickelte: der Mond bewegt sich in seinen Epicykeln auf dem Umfang eines großen Kreises, in dessen Mittelpunkt die Erde nicht liegt, und der Mittelpunkt des exzentrischen Kreises wird selbst in einem kleinen Kreis um die Erde geführt. Durch Epicykeln suchte er auch die scheinbar sehr verwickelten Bewegungen der Planeten auf gleichförmige Kreisbewegungen zurückzuführen.

Ein trauriges Bild des Verfalls der A. gewähren die auf Ptolemäos folgenden Jahrhunderte. Nach der Lehre des Indienfahrers Kosmas wird die Erde wieder flach, Wasser befeuchtet die Weltachse, damit sie sich bei der Umdrehung nicht entzünde, die Sonne geht (nach Isidor) allen Völkern der Erde gleichzeitig auf. In den wenigen Büchern, die aus dem 6. und 7. Jahrh. auf uns gekommen sind, ist keine Spur einer auch nur historischen Kenntnis der großen Entdeckungen der Alexandriner. Ein neuer Anstoß zur Bearbeitung der A. ging erst wieder von den Arabern aus, die uns nicht wenige Schriften des Altertums durch ihre Übersetzungen erhalten haben. Eine Reihe die Wissenschaften eifrig fördernder Kalifen begann 754 mit Al Mansur, dem Vater Harun al Raschids. Al Mamun, der dritte Kalif dieser Reihe, wirkte sich vom byzantinischen Kaiser Michael III. die Erlaubnis aus, von allen in Griechenland vorhandenen wissenschaftlichen Büchern eine arabische Übersetzung anfertigen zu lassen. Den Anfang machte Ptolemäos’ „Almagest“. Auch ließ Al Mamun 827 eine Gradmessung zur Ermittelung der Größe der Erde ausführen. Den 928 gestorbenen Albategnius verdanken wir die Entdeckung der Verschiebung derjenigen Punkte, wo die Erde der Sonne am nächsten und am entferntesten steht (Fortrückung der Apsiden oder des Apheliums und Periheliums). Alhazen, gest. 1038, hatte schon richtige Vorstellungen über die Brechung der Lichtstrahlen in der Atmosphäre und schlug zur Bestimmung ihrer Größe die Beobachtung der untern und obern Kulminationen von [977] Zirkumpolarsternen vor; auch bestimmte er aus den Dämmerungserscheinungen die Höhe der Atmosphäre. Der Perser Al Sufi entwarf im 10. Jahrh. in Bagdad einen wertvollen, kürzlich von Schjellerup veröffentlichten Sternkatalog. Im 11. Jahrh. berief der Perserfürst Malek Schah Astronomen, um die Länge des tropischen Jahrs zu bestimmen; sie fanden 365 Tage 5 Stunden 48 Minuten 48 Sekunden und müssen folglich sehr gute alte Beobachtungen verglichen haben. Um einen richtigen Kalender zu erhalten, schlug Omar Chejam einen 33jährigen Cyklus mit 8 Schalttagen vor, so daß statt des 32. Jahrs erst das 33. ein Schaltjahr sein sollte, eine Einrichtung, welche der Wahrheit noch näher kommt als selbst die gregorianische.

Das von Bagdad ausgehende Licht hatte einzelne Strahlen nach Spanien, Persien sowie zu den Tataren und Mongolen ausgesandt, die noch glänzten, als die Hauptquelle versiegt war. In Spanien arbeitete Alfons X., König von Kastilien, von mehreren Gelehrten unterstützt, an der Verbesserung der Sonnentafeln. Auch die Herrscher der Mongolenfürsten waren den Wissenschaften wohlgesinnt, und der große Dschengischan wünschte sich, wiewohl vergebens, einen Astronomen; erst seinem Enkel Hulagu gelang es, den berühmten Nasireddin zu gewinnen, dem er eine Sternwarte zu Meragah im nordwestlichen Persien baute, wo dieser auf Grund eigner Beobachtungen die unter dem Namen der ilekhanischen bekannten astronomischen Tafeln entwarf. Auch der Enkel Timurs, der Uzbeke Ulugh Beigh in Samarkand, beförderte die astronomische Wissenschaft und leitete selbst die Arbeiten an der von ihm errichteten prachtvollen Sternwarte.

Erwähnung in der Geschichte der A. verdienen noch die Chinesen. Bekanntlich hatte Chinas Omar, der Kaiser Schihoangti, vor etwa 2100 Jahren die chinesischen Bücher verbrannt und darunter auch die astronomischen. Indes stellte man sie bald nachher, teils aus Erinnerungen alter Leute, teils aus geretteten Bruchstücken, wieder her. Aber der Himmel und die Tabellen stimmten je näher, desto schlechter, und man mußte zuletzt eine allgemeine Reform der A. dekretieren. Yhang war es, der den schwierigen und gefährlichen Auftrag erhielt. Er verfertigte neue Sonnentafeln, edierte ein Sternverzeichnis nebst Sternkarten, schickte zwei Gesellschaften von Mathematikern, eine nach Norden, die andre nach Süden, um das Reich zu messen und zu beschreiben. Das Wichtigste aber, was wir den Bemühungen der Chinesen verdanken, sind Kometenbeobachtungen, welche die alten Griechen, Römer, Byzantiner etc. gänzlich vernachlässigt haben. Sind auch die chinesischen Ortsbestimmungen für die Kometen, welche den Europäern durch die Jesuitenmissionen übermittelt worden sind, nur ungenau, so haben doch Pingré und Burckhardt aus denselben eine Anzahl Bahnen näherungsweise ableiten können, und diese sind über ein Jahrtausend hindurch die einzigen, welche wir haben.

Neuere Geschichte der Astronomie in Europa.

Wie wir gesehen, waren die Leistungen der Araber nicht ohne alle Wirkung auf das Abendland geblieben. Gegenseitiger Fanatismus trat zwar vielfach hindernd in den Weg, aber Cordovas Hochschule war selbst in der Zeit des bittersten Religionshasses von Schülern aus christlichen Staaten besucht, und in wichtigen Fragen sehen wir christliche Gelehrte mit Bekennern des Mosaismus und des Islam zur gemeinsamen Arbeit und Beratung vereinigt. Doch war der Anteil der erstern nur höchst gering. Allerdings ist die Zahl der Kommentatoren und Kompilatoren der astronomischen Werke des Altertums vom 10. bis in die Mitte des 15. Jahrh. keine ganz kleine, und Weidler und Riccioli führen deren mehr als 50 auf; aber nicht einer hat die Wissenschaft theoretisch oder praktisch bereichert, wenn wir nicht etwa Peter d’Ailly ausnehmen, der gegen Ende des 14. Jahrh. vergeblich auf den Fehler des julianischen Kalenders aufmerksam machte. Einen höhern Rang in der Wissenschaft nimmt nur Roger Bacon (gest. 1294) ein.

Deutschland erzeugte den ersten Astronomen der neuern Zeit, Georg Purbach (1423–61), dessen Schüler Regiomontanus (1436–76) in Wien, Rom und Nürnberg als Lehrer der A. auftrat und in letzterer Stadt einen reichen Bürger, Bernh. Walther, für die A. gewann, der mit großen Kosten Instrumente anschaffte und in der Rosengasse zu Nürnberg die erste deutsche Sternwarte anlegte, auf welcher er mit Regiomontanus beobachtete. Die Zeit bestimmten sie durch die Fixsterne, und 1472 beobachteten sie als die ersten in Europa einen Kometen, indem sie seine Abstände von andern Sternen maßen. Sixtus IV. berief den berühmten Regiomontanus behufs der Kalenderverbesserung nach Rom, wo derselbe indessen schon im 40. Jahr seines Alters starb. Walther setzte die Beobachtungen allein fort und bediente sich dabei seit 1484 einer mechanischen Uhr.

War auch bis dahin mehrfach das Ungenügende der Ptolemäischen Weltansicht, welche die Erde in das Zentrum der Welt setzte und Mond, Sonne und Planeten um sie laufen ließ, erwiesen, so war es doch dem 15. Jahrh. vorbehalten, ein vollkommneres an dessen Stelle zu setzen. Nikolaus Kopernikus (1472–1543) beobachtete und forschte 23 Jahre, um ein der Natur entsprechendes und einfaches System aufzustellen, das er in seinem Werk „De revolutionibus orbium coelestium“ entwickelt hat, mit dessen Herausgabe er so lange zögerte, daß er es nur auf seinem Sterbebett gedruckt zu Gesicht bekam. Er legte zunächst der Erde eine tägliche Bewegung in der Richtung von W. nach O. um ihre Achse und eine jährliche in gleicher Richtung um die Sonne bei; in derselben Richtung bewegen sich auch sämtliche Planeten um die Sonne. Außerdem schrieb er auch noch der Erdachse irrtümlich eine jährliche konische Bewegung zu. Durch die Annahme einer Bewegung der Erde und der Planeten um die ruhende Sonne ließen sich die scheinbaren Bewegungen der Sonne und Planeten, insbesondere die von den Alten unterschiedenen beiden Ungleichheiten der letztern, die ungleiche Geschwindigkeit und die rückläufigen Bewegungen und Stillstände, einfacher als in dem geozentrischen System der Alten erklären. Übrigens behielt aber Kopernikus die exzentrischen Kreise und Epicykeln bei, nur verminderte er die Zahl der letztern. Das 16. Jahrh. hat außer Kopernikus noch einige Bearbeiter der astronomischen Wissenschaften aufzuweisen. Sein Schüler Rhäticus, Professor in Wittenberg (1514–72), vervollkommte die Rechnungsmethoden. Peter Apianus (Bienewitz) zu Ingolstadt war als praktischer Beobachter ausgezeichnet und bemerkte unter anderm, daß die Kometenschweife stets von der Sonne abgewendet sind. Reinhold (1511–53) entwarf Tabellen auf Grund einer Ausgleichung der Beobachtungen des Ptolemäos und des Kopernikus, die Pruthenischen Tafeln. [978] Mannigfache Verbesserungen erfuhren in dieser Zeit die astronomischen Instrumente und die Beobachtungsmethoden. Besonders sind die Erfindungen des Transversalmaßstabs, des Nonius und des Proportionalzirkels hervorzuheben. Auf der vom Landgrafen Wilhelm IV. zu Kassel errichteten Sternwarte arbeiteten Christ. Rothmann und Justus Byrg mit außerordentlicher Thätigkeit. Sie bestimmten 900 Sterne, suchten eifrig nach der Sonnenparallaxe, gelangten aber zu der Überzeugung, sie sei für ihre Instrumente unmeßbar. Auch befolgten sie bereits die in neuerer Zeit von Bessel wieder zur Anwendung gebrachte Methode, das Passageinstrument im ersten Vertikal zu gebrauchen. In die zweite Hälfte des 16. Jahrh. gehört auch die Kalenderverbesserung Gregors XIII. (s. Kalender). Der größte Astronom des Jahrhunderts nächst Kopernikus ist aber Tycho Brahe.

Tycho Brahe (1546–1601) ist der Reformator der Beobachtungskunst, wie Kopernikus der des Weltsystems. Er war der erste, der die Breite seines Beobachtungsorts durch Zirkumpolarsterne bestimmte und zur Berichtigung seiner Instrumente anwendete, der erste, der die Refraktion bei seinen Beobachtungen in Rechnung brachte, obwohl er in Erklärung dieser Erscheinung nicht glücklich war. Er entdeckte die Variation und die jährliche Ungleichheit der Mondbahn. Auch zeigte er, besonders durch Beobachtungen an dem Kometen von 1577, daß diese Körper sich weit jenseit des Mondes befinden. Brahe ist auch der erste seit Hipparch, der eine Berichtigung sämtlicher Elemente unternahm und durchführte; er hat 777 Sterne mit Sorgfalt und einer mindestens sechsmal so großen Genauigkeit als Hipparch beobachtet. In Prag, das dem in seinem Vaterland in Ungnade gefallenen Astronomen eine Freistätte bot, fand der große Meister seinen noch größern Schüler. Johann Kepler (1571 bis 1630) benutzte Brahes und seine eignen Beobachtungen, um die wahre Gestalt der Planetenbahnen zu erforschen, und fand nach langen vergeblichen Versuchen das Rechte. Namentlich war es der Planet Mars, dessen Bewegung er mit der noch von Kopernikus festgehaltenen Theorie eines exzentrischen Kreises unvereinbar fand. In seinem Hauptwerk: „Astronomia nova de motibus stellae Martis“ (Prag 1609), legte er seine mühsam, fast nur durch Versuche gewonnenen beiden ersten Gesetze nieder; neun Jahre später folgte in der „Harmonia mundi“ das dritte. Die von ihm gefertigten sogen. Rudolfinischen Tafeln übertrafen alles in diesem Fach bisher Geleistete. Kepler erlebte noch die Anwendung des neuerfundenen Fernglases und machte selbst Vorschläge zu dessen Verbesserung. Die 1608 in Holland von Hans Lippershey zu Middelburg gemachte Erfindung verbreitete sich rasch im ganzen gebildeten Europa, und die wichtigsten Entdeckungen am Himmel folgten nun rasch aufeinander. Simon Marius fand die Jupitertrabanten, Scheiner die Sonnenflecke, Galilei die Sichelgestalten der Venus und die ersten Spuren des Saturnrings, die Ringgebirge des Mondes u. a. In wenigen Jahrzehnten hatten sich die Objekte der A. nach allen Seiten hin mehr als verdoppelt, und das bewaffnete leibliche Auge durchschaute Fernen, welche vorher selbst das geistige nicht geahnt hatte; dieses aber erhob sich erst jetzt zu einer einigermaßen würdigen Vorstellung vom Weltall. Galilei (1564 bis 1642) war der größte Naturforscher seiner Zeit, durch physikalische, mechanische und astronomische Entdeckungen gleich ausgezeichnet. Seine ersten großen, freilich erst später in ihrer wahren Bedeutung für die A. erkannten Entdeckungen waren die Gesetze der Pendelschwingungen und des freien Falles der Körper. Er zeigte ferner, daß das Gewicht der Körper keinen Einfluß auf die Gesetze des Falles habe, sondern nur der Widerstand der Luft. Als Astronom war er einer der unermüdlichsten Beobachter, aber viele seiner Entdeckungen sind nur in vertrauten Briefen an Freunde enthalten. Er schlug zuerst die Trabanten des Jupiter zu Längenbestimmungen vor, beobachtete und beschrieb drei Kometen und entdeckte mit dem letzten Rest seines Augenlichts noch 1637 die Libration des Mondes. René Descartes (Cartesius, 1596–1650) versuchte, die Natur und Bewegung der Himmelskörper durch seine berühmt gewordene, aber unhaltbare Wirbeltheorie zu erklären. Verdienter hat sich Cartesius um die Physik und auch um die A. durch seine Untersuchungen über das Licht gemacht. Was er über Strahlenbrechung und Reflexion sowie über Fern- und Vergrößerungsgläser gesagt hat, sichert ihm einen ehrenwerten Platz auch unter den Astronomen. Schon in Galileis Zeit fallen die ersten Versuche, die Mondoberfläche darzustellen: Galilei selbst, Scheiner, Rheita versuchten sich darin ohne sonderlichen Erfolg. Hevel in Danzig ist der erste, der 1643 ein Mondbild zu stande brachte; sein Sternkatalog wurde bald durch andre verdrängt, aber mehrere Sternbilder tragen bis heute die Namen, welche er ihnen gab. Riccioli, der Verfasser eines neuen „Almagest“, gab wenige Jahre später eine neue, von Grimaldi verzeichnete Mondkarte heraus, die aber der Hevelschen nachstand.

In die zweite Hälfte des 17. Jahrh. fallen die Entdeckung der Geschwindigkeit des Lichts durch Olaf Römer 1675; die Wahrnehmung und Erklärung der Abnahme der Länge des Sekundenpendels mit abnehmender geographischer Breite durch Richer; die wichtigen Arbeiten des ältern Cassini an der 1667 erbauten Pariser Sternwarte, der mit seinen bis über 62 m langen Fernrohren hauptsächlich die Planetenoberflächen untersuchte, ihre Flecke, ihre Rotationszeit, ihre Trabanten, ihre Abplattung etc. bestimmte, auch die genauere Form des Librationsgesetzes entdeckte und überhaupt der thätigste Astronom seiner Zeit war; ferner die Entdeckung der wahren Gestalt des Saturnrings und des ersten (in der Reihenfolge der Abstände vom Saturn sechsten) Saturntrabanten durch den großen Physiker Huygens; die Erkennung der wahren Gestalt der Kometenbahnen durch Dörfel; endlich die größte aller physischen Entdeckungen: das Newtonsche Gravitationsgesetz. Der Entdeckung des Gesetzes der Schwere war bereits mehrfach vorgearbeitet. So suchte der Italiener Borelli in seiner „Theorie der Mediceischen Planeten“ (Flor. 1666) die Bewegungen der Himmelskörper von der gegenseitigen Anziehung abzuleiten und verglich diese Anziehung mit der des Magnets. In England hatte schon zu Anfang des 17. Jahrh. Gilbert an die gegenseitige Anziehung des Mondes und der Erde, der Planeten und der Sonne etc. geglaubt und diese Ansicht in der Schrift „De mundo nostro sublunari philosophia nova“, welche erst nach seinem Tod 1651 erschien, ausgesprochen. Auch Kepler hatte schon ziemlich richtige Ansichten von der Anziehung der Himmelskörper. Als ein rein mechanisches Problem faßten dieselbe zuerst Wren und Hooke auf, Newtons ältere Zeitgenossen. [979] Newtons Verdienst bezüglich des allgemeinen Gravitationsgesetzes besteht zunächst darin, mit Zahlen nachgewiesen zu haben, daß die irdische Schwerkraft, wenn sie abnimmt im umgekehrten Verhältnis des Quadrats der Entfernung, gerade ausreicht, den Mond in seiner Bahn zu erhalten. Bekanntlich hat er diesen Nachweis schon 1666 versucht; er scheiterte aber an der ungenauen Kenntnis des Erdradius. Erst als er 1682 den genauern, aus der Picardschen Gradmessung abgeleiteten Wert dieser Größe erfuhr, zeigte die Rechnung die gewünschte Übereinstimmung. Neben jener unsterblichen Entdeckung des Gravitationsgesetzes verdienen aber auch andre Arbeiten Newtons im Fach der Physik und Mechanik eine ausgezeichnete Stelle in der Geschichte der A., wie seine Theorie des Lichts, seine Verbesserung der Teleskope etc. Er war nicht selbst Beobachter, aber Zeitgenosse des großen Astronomen Flamsteed. Halley (1656–1742) beobachtete um dieselbe Zeit die Kometen genauer und benutzte seinen Aufenthalt auf St. Helena zur Anfertigung eines „Catalogus stellarum australium“. Die Observatorien zu Greenwich und Paris wurden um diese Zeit gegründet, und ihre großartige Ausrüstung und regelmäßige Thätigkeit ließ alles, was sonst in Europa für astronomische Beobachtungen geschah, weit hinter sich zurück. Erst um die Mitte des 18. Jahrh. begann man auch an andern Orten zweckmäßige Sternwarten zu errichten. Dagegen beginnt mit Flamsteed in England und mit der Astronomenfamilie Cassini in Frankreich eine Reihe thätiger Astronomen, unter denen mehrere die Beobachtungskunst bedeutend förderten. Der größte und sorgfältigste Beobachter des 18. Jahrh. ist Bradley in Greenwich (1692–1762), dessen Arbeiten erst in diesem Jahrhundert durch Bessel ihre volle Würdigung erfahren haben. Er ist der Entdecker der Nutation und der Aberration des Lichts. Sein Nachfolger ward der unermüdet thätige Maskelyne, der fast 100,000 Sterndurchgänge beobachtete.

Für die beobachtende A. eröffnete um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die Erfindung der achromatischen Ferngläser durch Dollond (der theoretische Erfinder ist Euler) eine neue Periode; die unbequemen langen Fernrohre, durch welche die ältern Beobachter den Übelstand der Farbenzerstreuung der Objektive auf ein unschädliches Maß zu reduzieren suchten, wurden nun beiseite gelegt, denn ein Dollondscher Achromat von 3 m Länge übertraf an optischer Kraft die alten von einigen Hundert Fuß Brennweite. Von fast noch größerer Wichtigkeit war die Vervollkommnung der Spiegelteleskope durch William Herschel und die zu gleicher Zeit eingeführte Vereinfachung der mechanischen Hilfsmittel der Beobachtung. Man kam zu der Überzeugung, daß es nur weniger Arten von Instrumenten bedürfe, die nach Gebrauch und Einrichtung in zwei Klassen zerfallen: in solche, die nur in einem Vertikalkreis (Meridian) beweglich sind, und in solche, die nach allen Seiten hin gewendet werden können. Mit erstern bearbeitete man die großen Sternverzeichnisse und die darauf gegründeten Sternkarten. Auch hierin waren die Briten Vorgänger, welche überhaupt seit Newtons Zeit bis gegen Ende des 18. Jahrh. den unbestrittenen Primat in dem Astronomenstaat behaupteten. Die berühmten Herschelschen Arbeiten gehören nicht in die Reihe der Ortsbestimmungen, sie sind Betrachtungen der Himmelskörper und können in mancher Beziehung als Fortsetzungen der Cassinischen angesehen werden, übertreffen diese aber an Genauigkeit und Ausdehnung. So entdeckte Herschel zu den fünf Cassinischen Monden des Saturn noch zwei, sah zuerst die Teilung des Ringes, bestimmte seine und des Planeten Umdrehungszeit, entdeckte 13. März 1781 den Uranus u. a. Noch weit erfolgreicher waren seine Forschungen am Fixsternhimmel. Er fand gegen 700 Doppelsterne, maß sie nach ihrem gegenseitigen Abstand und Richtungswinkel und bestimmte ihre Farben, untersuchte ferner 2500 Nebelflecke (man hatte bis auf Messier nur etwa 20 gekannt, und dieser hatte sie bis auf 102 vermehrt), löste die Milchstraße und mehrere Nebelflecke in Sterne auf, untersuchte die Zahl und Verteilung der sichtbaren Fixsterne etc. Bei seinen Arbeiten unterstützte ihn seine Schwester Karoline; sein einziger Sohn, John Herschel, wurde Erbe seines Ruhms und Talents. Durch des letztern Beobachtungen der Doppelsterne mit James South, durch seine Revision der von seinem Vater entdeckten Nebel und durch seine Entdeckungen am südlichen Himmel, zu welchem Zweck er sich mehrere Jahre am Vorgebirge der Guten Hoffnung aufhielt, hat er sich dem Vater ebenbürtig gezeigt. Auch in Frankreich herrschte das 18. Jahrh. hindurch und namentlich gegen Ende desselben eine rege, die astronomische Wissenschaft fördernde Thätigkeit. Clairaut hatte zuerst die ungeheure Arbeit, die Wiederkehr eines Kometen voraus zu berechnen, nach den Andeutungen Halleys glücklich gelöst; die Vorhersagung traf bis auf einen Monat ein. Messiers unermüdeter Thätigkeit verdanken wir die Auffindung von nicht weniger als 19 Kometen. Lagrange (1736–1813) und Laplace (der Verfasser der „Mécanique céleste“, 1749–1827) verfeinerten die Analysis und machten sie zur Lösung der schwierigsten und verwickeltsten Probleme geschickt, während Lalande und sein Neffe Lefrançais durch genaue Ortsbestimmung der Sterne sich den Dank der künftigen Beobachter gesichert haben. Franzosen waren es ferner, welche zuerst durch Gradmessungen die Figur der Erde bestimmten und den Grund zu einer genauern Erforschung des südlichen Himmels legten. Die Bestimmung der Sonnenparallaxe durch die Venusdurchgänge 1761 und 1769 muß als ein Resultat des Zusammenwirkens fast aller zivilisierten Nationen Europas angesehen werden. Das Verdienst, zuerst darauf aufmerksam gemacht zu haben, wie dieses wichtige Element gefunden werden konnte, gebührt aber dem weit blickenden Halley. – In Deutschland treffen wir in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. nur auf vereinzelte Bestrebungen; die Sternwarten zu Wien, Berlin, Göttingen konnten nicht mit denen von Greenwich und Paris wetteifern, und die Kirch und Hell mochten sich ebensowenig mit den Messier und Bradley messen. Höher steht Tobias Mayer (1723–62), und der größte Analytiker seiner Zeit, Leonhard Euler, gehört wesentlich Deutschland an. Bodes (1747–1826) langjähriges folgenreiches Wirken war mehr ein schriftstellerisch verarbeitendes als ein schaffendes und selbst beobachtendes; aber seine Sternverzeichnisse und Sternkarten, vor allem jedoch seine Ephemeriden haben der Wissenschaft viel genützt. Gegen Ende des Jahrhunderts machte Zach seine zahlreichen Ortsbestimmungen, indem er zuerst den Sextanten zu diesem Zweck im großen benutzte. Bürg, Olbers u. a. bereicherten die theoretische und praktische A. durch wichtige Arbeiten. [980] Die Sternkunde fand jetzt Verbreitung und Anerkennung in einem Maß, wie es bisher noch nie der Fall gewesen war. Auch Schweden, Dänemark, Italien und selbst Rußland blieben jetzt nicht zurück; Wargentin, Carlini, Piazzi u. a. waren als Beobachter und zum Teil auch als Theoretiker für Erweiterung der Wissenschaft thätig.

Die erste Nacht des 19. Jahrh. ist durch die Entdeckung eines neuen Planeten, der Ceres, durch Piazzi in Palermo bezeichnet, und es wurden nun bis 1807 noch drei andre Planetoiden entdeckt. Die Bemühungen von Olbers zur Auffindung noch weiterer Planetoiden blieben freilich seit der Entdeckung der Vesta (1807) erfolglos, weil noch keine hinreichend genauen Sternkarten vorhanden waren, welche eine Unterscheidung der kleinen Wandelsterne von den lichtschwachen Fixsternen ermöglichten. Es ist eins der Hauptverdienste Bessels, die Ausführung solcher Karten, welche sich auf die Sterne bis zur 9. Größenklasse erstrecken, angeregt zu haben. Dieselben haben es im Lauf der Jahre seit 1845 ermöglicht, mehr als 200 weitere kleine Planeten unter dem unermeßlichen Heer der lichtschwachen Fixsterne herauszufinden. Die glücklichsten Planetenentdecker, Gasparis, Hind, Luther, Goldschmidt, Peters, Watson, sind auch diejenigen, welche über die durch eignen Fleiß vervollständigten reichhaltigsten Himmelskarten verfügen. Wichtiger noch als die Auffindung der kleinen Planeten erwies sich die scharfsinnige Untersuchung der Störungen des Uranus, welche Leverrier 1846 unternahm, und deren glänzendes Ergebnis die theoretische Entdeckung des Neptun ist, der nach den Anweisungen Leverriers 23. Sept. 1846 von Galle an dem bezeichneten Orte des Himmels aufgefunden ward. Zu den großartigsten Leistungen der neuern Zeit auf dem Gebiet der beobachtenden A. gehört die Herstellung des großen „Atlas des nördlichen gestirnten Himmels“ durch Argelander unter Mitwirkung von Schönfeld und Krüger (Bonn 1857–63, 40 Karten). Die Grundlage dieser Himmelskarten bildet die Durchmusterung des nördlichen Himmels, welche 1852–62 auf der Bonner Sternwarte ausgeführt worden ist und alle Sterne bis zur 9.–10. Größenklasse umfaßt. Die Gesamtzahl der angestellten Beobachtungen beträgt in runder Summe 1,065,000.

Fortschritte der Astronomie in der neuesten Zeit.

Die neueste Ära, welche eine wichtige Vervollkommnung der A. bezeichnet, datiert von Einführung der Chemie und Experimentalphysik in die astronomischen Beobachtungsmethoden. Die Erfindung der Photographie hat in der Vervollkommnung, welche ihr die Bemühungen der Chemiker gegeben, für die A. eine hohe Bedeutung erlangt. Denn gegenwärtig wird sie nicht nur mit Erfolg benutzt, um am Fixsternhimmel durch treue Wiedergabe von Doppelsternen die Messungen ihrer Abstände und gegenseitigen Lagen wesentlich zu präzisieren, sondern sie findet eine noch lohnendere Aufgabe in der Darstellung von Bildern der Oberfläche von Sonne und Mond; ebenso hat man die Spektren der Sterne, ja selbst die von Kometen photographiert. Die Photometrie des Himmels hat in jüngerer Zeit nicht minder überraschende Fortschritte gemacht. Steinheils Scharfsinn gab zuerst Mittel an die Hand, strenge Messungen der Sternhelligkeiten an Stelle der frühern rohen Schätzungen zu setzen. Einen weitern wesentlichen Fortschritt auf diesem Gebiet bildet die Konstruktion des Zöllnerschen Astrophotometers. Die folgenreichste Anwendung auf dem astronomischen Gebiet fand aber die Spektralanalyse. Sie lieferte eine solche Menge von neuen und glänzenden Entdeckungen, wie sie in der gesamten Vergangenheit nur das Jahrhundert, in welchem das Fernrohr erfunden wurde, aufweist. War es bisher nur möglich, in den Meteoriten die stoffliche Zusammensetzung zu erkennen, so untersucht heute dank der bewundernswerten Erfindung der prismatischen Analyse des Lichts der astronomische Physiker die chemische Zusammensetzung der entferntesten Weltkörper qualitativ fast mit derselben Sicherheit wie der Chemiker den Körper, den er im Laboratorium unter den Händen hat. Durch die Entdeckung von Kirchhoff und Bunsen sind Arbeiten ermöglicht worden, infolge deren wir gegenwärtig mehr über die stoffliche Zusammensetzung der Fixsternwelt als über deren Dimensionen und Bewegungsverhältnisse wissen. Die Spektralanalyse hat in dem unermeßlichen Heer der Fixsterne vier bestimmte und wohl voneinander unterschiedene Typen erkannt, auf die sich alle Individualitäten zurückführen lassen. An der Hand dieses neuen Hilfsmittels konnte ferner sein Schöpfer Kirchhoff die Unrichtigkeit der von Wilson und Herschel aufgestellten Theorie der physischen Zustände des Sonnenballs nachweisen, und die Beobachtungen von Spörer in Anklam erwiesen bald die Richtigkeit der neuen Kirchhoffschen Sonnentheorie, die dann auch durch die spektroskopische Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis 18. Aug. 1868 durch Deutsche, Engländer und Franzosen in Indien bestätigt ward. Die Sonne erwies sich als ein glühender Gasball, der von einer weniger erhitzten Atmosphäre umhüllt ist. Die bei totalen Sonnenfinsternissen am Sonnenrand beobachteten Protuberanzen erwiesen sich als ungeheure Säulen glühenden Wasserstoffs, die mit furchtbarer Gewalt von der Sonnenoberfläche 20,000, ja bis 40,000 und in einzelnen Fällen selbst bis zu 50,000 Meilen mit Geschwindigkeiten von vielen Meilen in der Sekunde emporgeschleudert werden. Das Haupthindernis der genauern Kenntnis der Protuberanzen war bis dahin das strahlende Sonnenlicht gewesen, welches nicht erlaubte, jene Gebilde am hellen Sonnenrand zu erkennen, daher man zu ihrer Beobachtung auf die paar Minuten der gänzlichen Bedeckung der Sonne durch den Mond bei totalen Sonnenfinsternissen angewiesen war. Auch diesem großen Übelstand ist durch die Spektralanalyse abgeholfen, indem sie, wie zuerst Lockyer und Janssen fanden, es möglich macht, die Protuberanzen zu jeder Tagesstunde am Sonnenrand zu sehen. Ebenso hat uns die Spektralanalyse in der neuesten Zeit wichtige Aufschlüsse über die Natur der Kometen geliefert. Die Bedeutung derartiger astrophysischer Untersuchungen hat bereits zur Anlage eigner Observatorien geführt, wie zu Potsdam und Meudon. Genaueres über die Ergebnisse enthalten die Art. Sonne und Spektralanalyse.

Die Sternschnuppen, sonst ein Stiefkind der A., haben in den letzten Jahrzehnten, hauptsächlich durch die Arbeiten von Schiaparelli, ein ganz unerwartetes Interesse gewonnen durch den Nachweis ihres Zusammenhangs mit den Kometen; vgl. Kometen und Sternschnuppen.

Wie auf andern Gebieten menschlicher Thätigkeit, so hat sich auch neuerdings in der A. mehr als früher das Streben geltend gemacht, zahlreiche Kräfte einzelner zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels zu [981] vereinigen. Veranlassung hierzu boten schon im vorigen Jahrhundert die Venusdurchgänge von 1761 und 1769. Dasselbe Ereignis hat auch 1874 und 1882 wieder eine große Zahl europäischer und amerikanischer Astronomen nach zum Teil weit entlegenen Beobachtungsstationen geführt, und in ähnlicher Weise vereinigen auch totale Sonnenfinsternisse immer noch eine größere Anzahl astronomischer Kräfte. Anlaß zu derartigen Vereinigungen bot ferner das Bedürfnis genauer und detaillierter, auch die teleskopischen Sterne bis zu einer gewissen Größenklasse enthaltender Sternkarten. Dasselbe machte sich besonders lebhaft geltend, als man gegen Ende des vorigen Jahrhunderts sich ernstlich mit der Aufsuchung eines Planeten zwischen Mars und Jupiter zu beschäftigen anfing. Zachs und Schröters Plan, zu diesem Zweck eine astronomische Gesellschaft zu gründen, deren Mitglieder detaillierte Karten der Umgebung der Ekliptik herstellen sollten, scheiterte an dem kriegerischen Ernste des Zeitalters; aber der Hauptgedanke, die Herstellung detaillierter Sternkarten, wurde später in den Berliner akademischen Sternkarten (1824–59) durch das Zusammenwirken zahlreicher Astronomen verwirklicht, und auch die Hoffnung, schon während der Bearbeitung dieser Karten selbst neue Weltkörper aufzufinden, ist durch die Entdeckung einer Menge Planetoiden und des Neptun erfüllt worden. Gegenüber solchen Vereinigungen für spezielle Zwecke führte das Bedürfnis nach einer dauernden Institution schon 1820 zur Gründung der Königlichen Astronomischen Gesellschaft in England. In Deutschland aber entwarfen auf der Naturforscherversammlung in Bonn 1857 eine Anzahl jüngerer Astronomen einen Plan zur Berechnung und Veröffentlichung gewisser allen Planetenberechnungen gemeinsamer Grundlagen, und nachdem diese Organisation auf einer Versammlung in Dresden 1861 noch erweitert worden, erfolgte 1863 in Heidelberg die Gründung der Astronomischen Gesellschaft, einer Vereinigung von Astronomen und Freunden der A. zum Zweck der Förderung dieser Wissenschaft, insbesondere durch solche Arbeiten, welche ein systematisches Zusammenwirken vieler erfordern, sowie auch durch Unterstützung langjähriger Arbeiten einzelner an größern Aufgaben. Die Gesellschaft hat ihren Sitz in Leipzig und hält alle zwei Jahre eine Generalversammlung ab. So wie die Gesellschaft gleich von Anfang an einen völlig internationalen Charakter hatte, so sind ihre Versammlungen von jeher Sammelpunkte für die astronomischen Fachgenossen der verschiedensten Nationen gewesen. Das Hauptunternehmen, welches derzeit die Astronomische Gesellschaft beschäftigt, ist die von Argelander angeregte genaue Ortsbestimmung aller Fixsterne des nördlichen Himmels bis herab zur 9. Größe (mehr als 300,000) nach einem möglichst gleichmäßigen Verfahren, in welche Arbeit sich die Sternwarten von Kasan, Dorpat, Christiania, Helsingfors, Cambridge (Vereinigte Staaten), Bonn, Lund, Leiden, Cambridge (England), Berlin, Leipzig, Albany, Nikolajew in der Weise geteilt haben, daß jede derselben die Sterne einer gewissen Zone, meist von 5 oder 10° Breite im Sinn der Deklination, übernommen hat. Die Messungen sind gegenwärtig vollendet, auch die Ausdehnung auf die Südhemisphäre des Himmels ist bereits angebahnt. Diese großartige Arbeit wird den Astronomen künftiger Zeiten die Grundlage liefern zur genauern Ermittelung der Eigenbewegungen der Fixsterne sowie der Bewegung unsers Sonnensystems im Weltraum. Außerdem widmet die Gesellschaft namentlich auch der genauen Bestimmung der Planeten- und Kometenbewegungen ihre fördernde Fürsorge.

Von großer Bedeutung für die Fortschritte namentlich auf dem Gebiet der Kometen- und Planetoidenkunde ist ein gut geregeltes astronomisches Nachrichtenwesen, welches ermöglicht, neuentdeckte Himmelskörper rasch an den verschiedensten Orten zu beobachten und so die Entdeckung zu sichern. Die Schwerfälligkeit und Langsamkeit der frühern Verkehrsmittel haben gar oft hemmend auf die Fortschritte der A. eingewirkt. Bei der heutigen Verbreitung des elektrischen Telegraphen ist es nun freilich ungleich leichter als früher, astronomische Mitteilungen in weite Ferne zu übermitteln; zu einer systematischen Benutzung dieses Verkehrsmittels gab aber die Entdeckung eines Kometen durch Pogson in Madras 3. Dez. 1872 Anlaß, welche auf eine telegraphische Aufforderung von Klinkerfues in Göttingen erfolgte, der den prachtvollen Sternschnuppenfall vom 27. Nov. 1872 als Produkt eines Kometen ansah. Bald nachher gelang es Henry, damals Sekretär der Smithsonian Institution in Washington, zunächst die Angloamerikanische und die Western Union-Telegraphengesellschaft zur unentgeltlichen Beförderung astronomischer Depeschen zu bestimmen, und als später auch andre Telegraphenverwaltungen wenigstens teilweise Gebührenfreiheit für Mitteilungen astronomischen Inhalts gewährten, konnten die Astronomen der Alten Welt mit verhältnismäßig geringem Kostenaufwand in kürzester Zeit von den Entdeckungen jenseit des Atlantischen Ozeans in Kenntnis gesetzt werden. Die Smithsonian Institution empfing von den Sternwarten Amerikas die Nachrichten, welche sie dann den fünf Hauptsternwarten Europas: Paris, Berlin, Greenwich, Wien und Pulkowa, übermittelte, die wieder für die möglichst rasche Weiterverbreitung Sorge trugen. Auf demselben Wege gingen umgekehrt die Nachrichten aus Europa nach Amerika. Als sich aber im Lauf der Zeit mancherlei Übelstände herausstellten und namentlich die großen Kometenerscheinungen von 1882 die Mangelhaftigkeit des bisherigen Nachrichtenwesens dargethan hatten, gelang es Förster, eine neue Organisation zu stande zu bringen, und im November 1882 war die Errichtung einer Zentralstelle für astronomische Telegramme in Kiel gesichert, die unter Oberleitung einer aus den Direktoren der Sternwarten zu Kiel, Pulkowa, Wien, Mailand, Paris, Greenwich, Utrecht und Kopenhagen zusammengesetzten Kommission steht, und deren Geschäftsführung Krüger in Kiel besorgt. Die Kosten werden von einer freien Vereinigung von Astronomen getragen, von denen jeder der Zentralstelle die für die Gesamtheit wichtigen Nachrichten schickt und am Jahresschluß die Kosten zurückerstattet erhält; die Zentralstelle hat derartige Nachrichten von allen Seiten, auch von Nichtteilnehmern, einzuziehen und dann möglichst schleunig an die Teilnehmer weiter zu befördern. In Nordamerika bildet seit 1883 die Sternwarte von Cambridge in Massachusetts die Zentralstelle, und von der Südhemisphäre ist es gelungen, die Sternwarten zu Rio de Janeiro, Madras, Melbourne und Kapstadt in die Organisation hereinzuziehen.

Von großem Wert für Mitteilungen astronomischen Inhalts, soweit sie in Zahlenangaben bestehen, ist das von Chandler und Ritchie in Boston erfundene, im „Science Observer“ (1881, Nr. 33 u. 34) veröffentlichte Chiffresystem, zu welchem das englische Wörterbuch von Worcester, ein Werk von über 400 Seiten mit wenigstens je 100 Wörtern, den Schlüssel [982] bildet. Man kann dann jede Zahl bis zu 40,000 durch ein Wort darstellen, indem die Seitenzahl die drei ersten Ziffern, die Ordnungszahl des Worts auf der Seite aber die beiden letzten gibt. Auf diese Art reichen sechs Wörter aus, um die Elemente einer Kometenbahn und auch eine die Richtigkeit kontrollierende Zahl zu telegraphieren. In ähnlicher Weise lassen sich auch andre Mitteilungen nach diesem immer noch in der Entwickelung begriffenen System telegraphieren, dessen Vorzug nicht allein in der Kürze, sondern auch in der größern Sicherheit besteht, weil ein fehlerhaftes Zahlzeichen die ganze Mitteilung unbrauchbar macht, ein Wort aber trotz eines falschen Buchstaben immer noch zu entziffern ist.

In ihrem gegenwärtigen Entwickelungsstadium und bei dem dermaligen Zustand der Naturwissenschaften tritt die A. täglich mehr und mehr in Berührung mit gewissen kosmogonischen Fragen nach der Art und Weise der Entstehung und des Untergangs des Planetensystems, ja ganzer Fixsternsysteme. Das meiste ist hier zur Zeit noch dunkel, aber die ersten Schritte sind bereits geschehen, und es ist in der von Wright und Kant (1750 und 1755) und ein Menschenalter später von Laplace (1796) entwickelten Theorie der Weltenbildung ein fester Grund gelegt worden, auf dem die Zukunft fortbauen wird. Wie der mathematische Teil der A. sich als eine „Mechanik des Himmels“ zusammenfassen läßt, so gestaltet sich die gesamte A. mehr und mehr als eine „allgemeine Physik des Himmels“, von der die Mechanik einen wichtigen Teil bildet. Das oberste Prinzip dieser Physik des Himmels ist das Gesetz von der Erhaltung und Umwandlung der Kraft, die fruchtbarste Entdeckung aller Zeiten.

Entsprechend den Fortschritten, welche die astronomische Beobachtungskunst sowie der Instrumentenbau gemacht haben, hat auch die Anzahl von glänzend ausgerüsteten Sternwarten ebenfalls in neuester Zeit beträchtlich zugenommen, und besonders haben auch Privatleute sich durch Ausstattung von solchen ausschließlich der Himmelsforschung gewidmeten Anstalten große Verdienste erworben; es seien in dieser Hinsicht bloß genannt v. Sina, v. Senftenberg, v. Bülow, v. Konkoly, Bischoffsheim in Europa, Lick in Amerika. In der Neuzeit hat man auch mehrfach Sternwarten an hoch gelegenen Punkten errichtet, wo die Reinheit und Durchsichtigkeit der Luft Beobachtungen gestattet, die anderwärts nicht möglich sind. Das großartigste Beispiel bildet die von Lick gestiftete Sternwarte auf dem Mount Hamilton (über 1200 m ü. M.) in Kalifornien. Unter den Astronomen und astronomischen Physikern des gegenwärtigen Jahrhunderts glänzen Deutsche in erster Reihe, dann Engländer, Franzosen und Amerikaner sowie Italiener. Wir nennen hier von den Deutschen: Argelander, d’Arrest, Bessel, Bruhns, Clausen, Encke, Förster, Gauß, Klinkerfues, Joseph und Karl v. Littrow, Mädler, Olbers, Peters, Rümker, Schmidt, Schönfeld, Schumacher, Fr. W. und O. Struve, Vogel, Weiß, Winnecke, Zach, Zech, Zöllner; den Schweden Gyldén; von den Engländern und Amerikanern: Bond, Burnham, Carrington, Gould, William und John Herschel, Hind, Holden, Huggins, Langley, Lassell, Newcomb, Rosse, South, Watson; die Franzosen Arago, Delaunay, Foucault, Lamont, Leverrier, Trouvelot; die Italiener Secchi, Schiaparelli, Tacchini, de Vico. – Über Astronomische Instrumente s. den besondern Artikel.

[Litteratur.] Von ältern klassischen Werken über A. nennen wir: „Ptolemaei Almagestum“, deutsch von Bode (Berl. 1795); Kopernikus, De revolutionibus orbium coelestium libri VI (Nürnb. 1543; neueste Ausg., Berl. 1873); Galilei, Systema cosmicum (Bolog. 1656); Tycho Brahe, Astronomiae instauratae mechanica (Nürnb. 1601); Derselbe, Astronomiae instauratae progymnasmata (Uranienb. 1602, 2 Bde.; Frankf. 1616); Kepler, Astronomia nova (Heidelb. 1609); Newton, Philosophiae naturalis principia mathematica (Lond. 1687; deutsch von Wolfers, Berl. 1872).

Wissenschaftliche neuere Darstellungen: Lalande, Traité d’astronomie (3. Aufl., Par. 1792, 3 Bde.), Auszug daraus: „Abrégé d’astronomie“ (deutsch nach der 2. Ausg. als Handbuch, Leipz. 1775); Gauß, Theoria motus corporum coelestium (Hamb. 1809); Laplace, Mécanique céleste (Par. 1799–1825, 5 Bde.; neue Ausg., das. 1878–82); Derselbe, Exposition du système du monde (das. 1796; neue Ausg., das. 1883), allgemeine Darstellung der in der „Mécanique céleste“ auf analytischem Wege gefundenen Resultate; Delambre, Astronomie théorique et pratique (Par. 1814, 3 Bde.); J. J. v. Littrow, Theoretische und praktische A. (Wien 1821–26, 3 Bde.); Brünnow, Lehrbuch der sphärischen A. (4. Aufl., Berl. 1881); Humboldts „Kosmos“, Bd. 3; Klein, Handbuch der allgemeinen Himmelsbeschreibung (Braunschw. 1871, 2 Bde.). Auch Friedrich Theodor v. Schubert, Biot, Bohnenberger, Piazzi, Santini schrieben geschätzte Lehrbücher.

Populäre Darstellungen: J. Herschel, Outlines of astronomy (11. Aufl., Lond. 1871); Airy, Tracts on physical astronomy (4. Aufl., das. 1858; deutsch von K. L. v. Littrow, Stuttg. 1839); Bode, Anleitung zur Kenntnis des gestirnten Himmels (1806; 11. Ausg. von Bremiker, Berl. 1858); J. J. v. Littrow, Die Wunder des Himmels (7. Aufl., das. 1884); Mädler, Der Wunderbau des Weltalls (8. Aufl., Straßb. 1884); Valentiner, Astronomische Bilder (Leipz. 1881); Gyldén, Grundlehren der A. (das. 1877); Newcomb, Populäre A. (deutsch von Engelmann, das. 1881); v. Konkoly, Praktische Anleitung zur Anstellung astronomischer Beobachtungen (Braunschw. 1883). – Astronomische Wörterbücher: Klein, Populäre astronomische Encyklopädie (Berl. 1871); Drechsler, Illustriertes Lexikon der A. (Leipz. 1881), und Gretschel, Lexikon der A. (in „Meyers Fachlexika“, das. 1881). – Die wichtigsten astronomischen Zeitschriften sind die von Schumacher gegründeten, von Peters und Krüger fortgesetzten „Astronomischen Nachrichten“ (Kiel) und die „Vierteljahrsschrift der Deutschen Astronomischen Gesellschaft“ (Leipzig).

Über die Geschichte der A. vgl. außer den ältern Werken von Weidler (Wittenb. 1741), Bailly (1771 bis 1782): Delambre, Histoire de l’astronomie ancienne, celle du moyen-âge et moderne (Par. 1817 f., 5 Bde.); Derselbe, Histoire de l’astronomie du XVIII. siècle (hrsg. von Mathieu, das. 1827); Fr. Schubert, Geschichte der A. (Petersb. 1804); Schaubach, Geschichte der griechischen A. bis auf Eratosthenes (Götting. 1802); Ideler, Untersuchungen über den Ursprung und die Bedeutung der Sternnamen (Berl. 1809); W. Whewell, Geschichte der induktiven Wissenschaften (aus dem Englischen mit Anmerkungen von J. J. v. Littrow, Stuttg. 1840); Grant; History of physical astronomy (Lond. 1852); Höfer, Histoire de l’astronomie (Par. 1873); Mädler, Geschichte der Himmelskunde (Braunschw. 1872, 2 Bde.); Wolf, Geschichte der A. (Münch. 1877). Vgl. auch [983] Scheibel, Astronomische Bibliographie (Breslau 1785).