Textdaten
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Autor: Ulrich Frank
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Titel: Lola Beth
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 357, 372
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[357]

Lola Beeth als Maria im „Trompeter von Säkkingen“.
Nach einer Photographie aus dem Hofatelier Adèle in Wien.

[372] Lola Beeth. (Zu dem Bilde S. 357.) Es war im Jahre 1882, am Tage nach Lola Beeths erstem Auftreten in Berlin, als ich die junge Sängerin im Hause einer Berliner kunstsinnigen Familie kennenlernte. Alle diejenigen waren bekehrt, welche zweifelnd und tadelsüchtig das Wagestück des damaligen Theaterintendanten Herrn von Hülsen belächelt hatten, eine völlig unbekannte Sängerin, die noch nie auf den Brettern gestanden, zum ersten Mal in einer großen Rolle auftreten zu lassen. Die „Elsa“, die noch am Tage vor der Aufführung als eine künstlerische Unmöglichkeit, als eine Intendantenlaune, als ein gewagter Scherz betrachtet worden war, erstand an jenem Abende in hinreißender, lieblicher Wirklichkeit. Lola Beeth war über Nacht eine Berühmtheit geworden, und die Oper der Reichshauptstadt hatte einen Namen gewonnen, dessen Klang dem kunstliebenden Publikum nicht wieder entschwand. In allen musikalischen Kreisen Berlins besprach man dieses Ereigniß, und ich war wirklich neugierig, die Heldin desselben kennenzulernen, und nicht wenig erstaunt, ein ganz blutjunges, schüchternes, blondes Wesen vor mir zu sehen, das nur durch seine hohe, imposante Gestalt vor der Gefahr bewahrt blieb, für einen guten, lieben Backfisch gehalten zu werden. Das holde, jugendfrische Geschöpf schien von der Tragweite seines Erfolges keine recht klare Vorstellung zu haben und nahm die ihm gezollte Anerkennung so bescheiden und lieblich erröthend hin wie ein junges Mädchen seine ersten Cotillonsträußchen. Es hatte etwas ungemein Rührendes, die kaum Zwanzigjährige mit schlichter Einfachheit und fast kindlicher Freude von dem Beifallssturm, mit dem das Publikum sie ausgezeichnet hatte, sprechen zu hören. Diese Naivetät gewann ihr damals mein ganzes Herz, und noch Jahre nachher, wenn wir im Gedankenaustausch auf die hohen und ernsten Aufgaben der Kunst zu sprechen kamen, als sie begriffen, was das Wort „Künstlerin“ umfasse, als sie in Glück und Leid die Bedeutung von „Künstlers Erdenwallen“ verstehen gelernt hatte, da erinnerte ich mich noch oft jener köstlichen glücklichen Unbefangenheit, mit der das reizende Mädchen damals in die Welt und ganz besonders in jene Welt des schönen Scheins geblickt hatte, die nachher so bedeutungsvoll für sie geworden ist. Denn von jenem Abende an schreibt sich eine Künstlerlaufbahn, die eigentlich nur zwei Etappen hat, allerdings die beiden größten, welche eine deutsche Künstlerin zurücklegen kann: Berlin und Wien.

Lola Beeth wurde sofort nach ihrem Auftreten als „Elsa“ für das Berliner Opernhaus gewonnen, wo sie in einem Zeitraum von sechs Jahren zu jener künstlerischen Höhe emporstieg, die nur hervorragende Begabung im Verein mit unermüdlichem Streben und zielbewußtem Eifer erklimmen kann. Lola Beeth lernte immerfort. Der Erfolg blendete sie nicht, sondern spornte sie nur zu neuem Schaffen an, – und noch heute, wo sie am erreichten Ziele steht, ruht sie nicht etwa auf ihren Lorbeeren aus, sondern arbeitet nimmermüde und studiert mit höchstem Eifer, keinen Stillstand sich gönnend, der – wie sie wohl weiß – Rückschritt bedeutet.

Sie ist heute ein „Stern“ der Wiener Hofoper und hat so in ihrem Vaterlande die höchste Ruhmesstaffel erreicht, denn Oesterreich ist ihr Heimathland, da sie im Jahre 1862 zu Krakau geboren ist. Lola war ein musikalisches Wunderkind, das schon mit sechs Jahren sang und Klavier spielte, und zwar dies so gut, daß sie zunächst zur Klaviervirtuosin ausgebildet werden sollte. Sie hatte auch bereits eine vollkommene künstlerische Fertigkeit auf dem Klavier erlangt, als die übliche Fürstin die Stimme des Kindes entdeckte und sie der Bühne rettete, indem sie das junge Mädchen Frau Professor Dustmann in Wien zum Gesangsunterricht übergab. Eine solche „Fürstin“ fehlt ja in den wenigsten Künstlerbiographien; aber diesmal leibte und lebte sie thatsächlich. Es war die kunstsinnige Fürstin Sapieha, welche die Vorsehung Lolas wurde und ihre nicht unvermögenden Eltern, die das Theater mit dem Vorurtheil bürgerlicher Kreise betrachteten, dazu bewog, ihr Kind dem gefährlichen Künstlerleben auszuliefern. Und Lola bewährte sich. Tadellos und lauter blieb ihr Charakter, vornehm und edel ihr Wesen, sie blieb in Wirklichkeit ein Geschöpf wie die liebliche Maria im „Trompeter von Säkkingen“. In dieser Rolle möge sie denn auch den Lesern der „Gartenlaube“ vorgeführt werden! Ulrich Frank.