Lied der Wandervögel im Süden

Textdaten
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Autor: Albert Moeser
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Titel: Lied der Wandervögel im Süden
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 263
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Lied der Wandervögel im Süden.

Nun weht im deutschen Walde
Der feuchte Frühlingswind,
In Blumen prangt die Halde,
Der letzte Schnee zerrinnt;
Nach öder Winterplage
     Schmückt neu mit Grün sich Baum und Strauch,
Es werden lang die Tage: –
Nun auf! Zum deutschen Hage
     Zieh’n wir mit linder Lüfte Hauch.

Wohl sind wir zu beneiden:
Wenn Blatt um Blatt im Hain
Sich erdwärts senkt, dann meiden
Wir klug des Nordens Pein;
Indeß in Wintergrüften
     Natur entschläft im deutschen Land,
Zieh’n ob des Gotthards Klüften
Mit Wolken hoch in Lüften
     Wir nieder zu des Niles Strand.

Der Schwalben Abzug aus Afrika.
Originalzeichnung von Albert Richter in Haking.


In’s Land der Pyramiden
Strebt unser Flug in Hast,
In stolzer Palmen Frieden
Winkt süße Winterrast;
Wenn rings des Lebens Spuren
     Daheim im Schnee begraben sind,
Umblüh’n uns grüne Fluren,
Der Aether lacht azuren,
     Und Lotuskelche duften lind.

Doch – weht die Luft auch milde,
Glüh’n Blumen auch in Pracht –
Uns locken Saatgefilde
Und deutsche Waldesnacht;
Zum nord’schen Wanderziele
     Schweift Sehnsucht suchend immerdar.
Kein Lied ertönt am Nile;
Zu süßem Minnespiele
     Eint nie sich dort ein trautes Paar.

Und wenn der Hauch des Märzen
Umspielt der Barke Kiel,
Mit wanderfrohen Herzen
Zieh’n heimwärts wir vom Nil;
Weitab von Memphis’ Thoren
     Trägt uns der Flug zum Apennin;
In blauen Duft verloren
Bald grüßen die Cadoren,
     Und froh seh’n wir die Alpen glüh’n.

Und von der Alpen Schroffen
Nach Ost und West und Nord
Zieh’n wir in süßem Hoffen
Zum trauten Heimathsort;
Des Harzwald’s Felsenplatten,
     Des Rheines grünes Uferried,
Thüringens Wiesenmatten
Seh’n Paar um Paar sich gatten
     Und hall’n von Lust und Lieb’ und Lied.

Wir seh’n, wie täglich dichter
Ergrünt der Buchenwald,
Wie gold’ger stets und lichter
Die Saat im Winde wallt;
Der Bach in Waldesräumen
     Stürmt jauchzend her zum Frühlingsfest;
An grünen Ufersäumen
Seh’n wir Verliebte träumen
     Und grüßen sie aus lausch’gem Nest.

 Albert Moeser.