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Titel: Lieben und Leben in Persien
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 499–501
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Lieben und Leben in Persien.

Kennst Du das Land, wo die Rosen von Schiras heißen rothen Liebesduft für die Nachtigallen glühen, jene Ebenen ewiger Sonnenglut und die Gebirgshäupter ewigen Schnees, den alten zoroaster'schen Kampfplatz zwischen dem Lichtgotte Ormuzd und dem Beherrscher der Finsterniß Ahriman, von wo einst vor anderthalb Jahrtausenden Cyrus und Cambyses und Darius Hystaspis und Xerxes drei Welttheile eroberten, über deren Weltreich der große Alexander erobernd und zerstörend hinzog, und über dessen Weltreich wieder andere Eroberer hinzogen, und so ein Reich über das andere begruben, bis endlich das lebendige Grab aller dieser Kulturen und Völker, das jetzige Persien, das Land unendlicher Liebe und unaufhörlichen Borgens und Bettelns, übrig blieb? Niemand kennt es, denn es gehen keine Chausseen und Schlagbäume, keine Paßbureaux, keine Flüsse und Kanäle, keine Eisenbahnen, nicht einmal Feldwege hindurch. Man kann hundert Meilen ohne Weg, ohne Wasser, ohne Grashalm auf glühendem Salze hinwandern, ehe man eine schattige Stelle, einen dunkeln, frischen Gebirgspaß mit Blumen und Leben findet. Aber dann ist das Leben auch Tod. Aus den Schluchten stürzen Räuber hervor und pumpen Dich höflich an, und schlagen Dich dann todt, weil sie Niemandem etwas schuldig sein wollen. Die Sitte des Pumpens, ohne je wieder zu bezahlen (womit man sehr viel Geld verläppern kann), ist überhaupt die herrschende in Persien. Zwar herrscht auch ein Schach, der sich aber gegen Schach-Matt nur dadurch wehrt, daß er als wirklicher Vater seiner Landeskinder dieselben fortwährend anpumpt, um sich ernähren zu können. Die Landeskinder pumpen sich das Geld für ihren gemeinschaftlichen Vater ebenfalls, und so ist das jetzige persische Leben ein ewiges Pumpwerk ohne Wasser. Warum gingen alle die weltbeherrschenden Reiche, die von Persien und dem Oriente aus erobert wurden, so schnell hintereinander wieder unter? Wegen des ewigen Pumpens, bis das Wasser alle war, wegen des unersättlichen Durstes der Soldaten und Satrapen, auf welche sich die Herrscher verließen. Ich denke bei solchen Militär- und Satrapenwirthschaften immer an den, weisheitlichen Fibelvers, den ich schon im fünften Jahre aus meinem A-B-C-Buche lernte und nie wieder vergessen habe:

„Xerxes verließ sich auf sein Heer;
Darauf ward er geschlagen sehr.“

Thronzimmer des Schach von Persien.


Er wurde sogar ermordet, der große Perserkönig Xerxes, nachdem er an der Spitze eines Weltreiches und einer Million Soldaten von einem Häuflein Griechen fünf-, sechsmal total geschlagen worden war. Er wurde ermordet und seine Nachfolger wurden ebenfalls alle ermordet.

Was hilft es jetzt dem Schach von Persien, daß er in des Wortes verwegenster Bedeutung Landesvater ist? Er ist und bleibt matt, und muß sich stets an das starke Rußland lehnen und von ihm leihen, bis er verfallen ist. Die Engländer, welche gern einen bequemen, sichern Landweg nach Indien über Persien haben möchten, sehen diesem Verfalltage mit großer Besorgniß entgegen, und möchten gern mit ihrer allmächtigen Flotte dazwischen fahren, wenn nur das Wasser in Persien nicht zu knapp wäre. Ohne Wasser hilft ihnen die Flotte nichts. Aber Wasser thut’s freilich auch noch nicht. Das Unten muß ein Oben, einen Kopf haben. Für die englische Flotte fehlt es aber seit langer Zeit an einem Kopfe. So haben sie’s seit langer Zeit auf trocknem, d. h. diplomatischem Wege versucht, den Russen in Teheran, der Residenz des persischen Landesvaters, den Rang abzulaufen. Aber es ging bis jetzt nicht. Die Köpfe der englischen Aristokratie, der geschlossenen Regierungskaste, werden erwiesener Maßen immer kleiner und verlieren sich mit der Zeit wohl ganz und gar, so daß die rothen Republikaner, welche sie ihnen abschlagen wollen, am Ende gar nichts abzumähen finden; während sich Rußland ohne alles Ansehen von Geburtsschein und Nationalität aus allen Ständen und Nationen fortwährend mit den tüchtigsten Köpfen versieht, und sie in Staats- und gelehrten Sachen tüchtig anstellt, bezahlt, und für seine Zwecke Früchte treiben läßt. Unter diesen Umständen können die Engländer mit ihren verschwindenden Kasten-Köpfen und zusammenschrumpfenden, exclusiven Gehirnkasten auch am, Hofe von Teheran nichts ausrichten. [503] Sie haben ihren früheren Gesandten Sheil abberufen und einen andern exklusiven Kleinkopf hingeschickt, um mit ihrer Geburts- und Standespolitik gegen die russische des Talents und der Rücksichtslosigkeit zu concurriren, aber was Sheil nicht verstand, kann Schale auch nicht. Sie sollten Damen als Minister und Gesandte anstellen ; denn die englischen Damen zählen noch die meisten Männer unter sich. So ist auch Lady Sheil eine ganz resolute, kluge, gebildete Dame, die nur deshalb in Teheran nicht durchgreifen konnte, weil ihr Mann zu hartnäckig auf sein exclusiv ihm angebornes Talent pochte.

So schrieb Lady Sheil aus Langeweile und Verzweiflung ein Buch über „Leben und Sitten in Persien“, das sehr unterhaltend und belehrend ist, und von eben so klarer Beobachtungsgabe, als gefälligem, oft witzigem Darstellungstalent zeugt. Wir geben aus freier Erinnerung an die Lektüre dieses Werkes einige charakteristische Züge aus dem Leben und den Sitten des jetzigen Persiens zum Besten.

Um geographisch nichts vorauszusetzen, bemerken wir, daß Persien hinter der asiatischen Türkei anfängt, sich nördlich an Rußland und das caspische Meer, südlich an das arabische oder persische Meer anlehnt und östlich in der Richtung nach Indien, von welchem es durch mehrere große und kleine despotische Staaten (Afghanistan, Beludschistan u. s. w. getrennt wird) in unbegrenzte wüste und Räubergegenden ausläuft. Ueberhaupt hat es keine bestimmte Grenzen, wenn man nicht Wüsten, die von Räubern und Gebirgen durchzogen sind, als solche gelten lassen will. Was die türkische und russische Grenze betrifft, so sind weder die Geographen noch die betreffenden Herrscher darüber ganz einig. Neuerdings hat es große Strecken an Rußland abtreten müssen, das außerdem andere Provinzen und im Grunde bereits das ganze Land, für früher geleistete Dienste als Pfand betrachtet. Als Grenze gegen die arabische Türkei ziehen sich die alten berühmten Flüsse Euphrat und Tigris, an denen einst die Kultur der Menschheit europawärts heraufkletterte, in den persischen Meerbusen hinunter. Die Engländer geben als vermuthliche Größe des Landes 500,000 ihrer Geviertmeilen und die Einwohnerzahl auf 9 bis 10 Millionen an, Abkömmlinge der alten Parsen, noch immer ein schöner, schlanker Menschenschlag und natürliche Aristokratie des Landes, tüchtige Reiter, Waffenkünstler, Juweliere, Teppich- und Shawlfabrikanten, die „Franzosen des Ostens“, dann Mischlinge auf Dörfern, Hirten, Nomaden, wie weiland Abraham, und zuletzt wandernde Stämme und Familien türkischen, afghanischen, arabischen, mongolischen Blutes, die noch ganz so leben, wie sie in der Bibel figuriren oder in „Tausend und einer Nacht“, weidend, kriegerisch, räuberisch, brav, gastfreundschaftlich, roh und zänkisch, je nachdem es Geschäft und Reizung mit sich bringen.

In den Städten ist eine besondere Klasse von Künstlern und Gelehrten charakteristisch, die unsere Literatur, Dichter, Sänger, Buchhändler und Drucker vertreten, die Abschreiber von Büchern, Kriegsgesängen und Liebesgedichten, an denen die persische Literatur so reich ist. Gedruckt wird nichts, Alles abgeschrieben und so fortgepflanzt. Zwar hat der Schach in Teheran eine Art Druckerei, aber nur für Privatzwecke. Im Lande und für’s Land wird nur geschrieben und zwar von der betreffenden Künstlerklasse wunderbar schön und zierlich. Am Meere leben etwa 30,000 Personen als Taucher und Perlenfischer. Die dünne Bevölkerung auf dem großen Hauptplateau, 3–4000 Fuß über der Meeresfläche, durchzogen von Gebirgen, Salzseen und Salzwüsten, aus deren Trostlosigkeit manchmal die duftigsten Oasen hervorblühen, lebt wie sie eben kann, von etwas Viehzucht, Früchten, Luft und Sonne und am herrlichsten des Nachts unter dem klaren, tiefblauen, mit blendend goldleuchtenden Sternen geschmückten, stillen Himmel, unter welchem das Mährchen und süße Lied ihres alten Hauptdichters Hafis gar traulich weithin klingt, und Alt und Jung geistig sättigt und erquickt die ganze stille, funkelnde Nacht hindurch.

Die höheren Klassen leben vom Leihen und Liebe, vom Soldat- und Beamtenspielen, von Intriguen, Heirath und Scheidung, vom Morden und Ermordetwerden. Kultur, Sittlichkeit, Bildung in unserm Sinne gibt es nicht. In einem Lande der raffinirtesten Despotie ist das nicht möglich. Das Interesse des Despoten verschlingt alles Gedeihen außerhalb seines Kreises. Deshalb finden wir in der Hauptstadt Teheran (welche in einem früheren Jahrgange der Gartenlaube geschildert wurde) neben dem größten Luxus des Hofes gleich Schmutzhütten und Erdlöcher, in denen die nicht am Hofe schmarotzenden Leute ihr Elend verstecken.

Der Luxus persischer Könige war stets sehr groß, doch liegen die Denkmäler ihrer Herrlichkeit in den Ruinen von Persepolis, Ekbatana u. s. w. vergraben. Die Paläste des jetzigen Schachs sind ein luxuriöses, geschmackloses Gemisch alter Parsenarchitektur und russischer, französischer und englischer Luxusindustrie. Am Berühmtesten ist die Citadelle von Teheran mit der hallen- und zimmerreichen Residenz des „Landesvaters.“ Um eine Anschauung von dieser innern Herrlichkeit zu geben, finden wir hier eine Abbildung des Hauptsaales im „Imaret Khurscheed“ oder dem „Palaste der Sonne“. Es ist das Thronzimmer, in welchem des Herrscher zuweilen Audienz gibt oder, wie es in Persien officiell ausgedrückt wird, „das Licht seines Antlitzes auf den Staub der Erde ergießt.“

Diese Thronhalle ist berühmt und schon oft überschwenglich besungen worden, ungemein geräumig und kirchenschiffhoch mit Recessen an jedem Ende und russischen Bildern an den Wänden, die mit Marmor und alten Arabesken ornamentirt sind. Die eine ganze Seite der Halle ist offen und wird hier von 30 Fuß hohen schwarz marmornen Säulen getragen. Auch der Thron ist von Marmor und, wie unzählige Stellen an Wänden und der Decke, mit arabischen Koransprüchen bedeckt. Durch die schwarzen Säulen lacht und duftet ein ewiger Frühling herein: Gulistan, der Rosengarten mit sprudelnden Fontainen und „Rosen, deren feuriges Roth und deren sinnberauschender Duft nie auf Staub herabsah, der ewige Lenz, den nie ein kalter Hauch in seiner warmen Blüthenfülle traf.“ Draußen freilich fängt schon nicht weit von dieser üppigen Herrlichkeit der Schmutz elender Hütten und unterirdischer Löcher, in denen Menschen logiren, an und hört selten wieder auf durch’s ganze weite Land hindurch.

Das ist das Bild des Despotismus überall, eine Masse üppig glänzender, ummauerter Isolirtheit, sich aufthürmend über Armuth, Elend, sittlicher und materieller Verwahrlosung und Alles ausbeutend, niederwerfend, vergiftend oder mit den grausamsten Qualen ermordend, was sich in eigener, schöner Menschlichkeit daneben erheben will. Der persische Despotismus bekommt nur durch seine ungeheure Landesväterlichkeit noch eine ganz eigene tragikomische Färbung, wie das ganze höhere Luxusleben sich nach dem Muster des Landesvaters durch die leichtsinnigste und luxuriöseste Vielweiberei auszeichnet. Hier wollen wir Lady Sheil selbst sprechen lassen.

„Das vom Urgroßvater des jetzigen Schach, Fetteh Ali erbaute Jagdschloß Suleimaiija enthält unzählige Höfe und Zimmer, worin der große Harem des jetzigen Monarchen residirt, der sich den König Salomo zum Muster genommen zu haben scheint. Man schätzt die Bewohnerinnen desselben auf mehrere Hunderte.

An Söhnen haben Se. Majestät etwa achtzig, aber die Zahl seiner Töchter ist so groß, daß man sie nicht addiren kann, zumal da mehrere gänzlich in Armuth verschollen sind. Die Zahl der weiblichen Geburten übersteigt in Persien durchweg die der männlichen bedeutend. Dies führt man als eine Anweisung der Vorsehung zur Vielweiberei an. Die Söhne Sr. Majestät folgten dem Beispiele des Vaters, so daß einige Prinzen bereits je 40 bis 50 Kinder haben. Die direkte Familie des Monarchen besteht so aus einigen Tausend Personen, die nur natürlich nicht alle auf so hohem Fuße leben können, als es ihr Rang anderswo mit sich bringen würde. Es fehlt an Moneten für alle die Majestäten. Einige der Prinzen und Prinzessinnen sind bis zur Bettelarmuth herabgesunken. Einer der Hoheiten pflegte selbst auf den Markt zu gehen und Brot für seine Familie zu kaufen (was noch sehr vernünftig ist); außerdem kenne ich mehrere, die unsere Missionäre um Geld anbettelten, da sie nichts für ihre Familie zu essen hätten. Die Prinzessinnen leben in noch bedauerlicheren Verhältnissen.

„Die ganze Nation scheint vom Schach an, der dem Kaiser von Rußland beinahe den Werth des ganzen Landes schuldig ist, (er ließ sich mehrmals gegen empörte Unterthanen „retten“) bis herunter zum niedrigsten Maulthiertreiber, bis über ihre spitzen Mützen in Schulden zu stecken. Das Wunder ist nur, wer der ganzen Nation Geld borgt. Einige Teppichflechter und Juweliere mögen allerdings Geld haben, aber auch wer reich ist, stellt sich arm und bettelt und borgt, um so den schweren, unersättlichen [504] Fäusten der schachlichen Steuereintreiber, die nehmen und rauben, wo sie etwas finden, zu entwischen. Heute präsentirte sich uns Malik Miirza Beg, unser Pferdejunge, gehörig aufgeputzt, aber mit traurigen Blicken und jämmerlich bittender Haltung und erklärte, daß seine Schulden schwer auf ihm lasteten und wir verpflichtet wären, ihn durch einen Vorschuß von 12 Pfund wieder aufzurichten. Als Gründe für die Anleihen figuriren erstens eine neuhinzugekommene Frau, dann eine starke Familie, der Tod des Vaters, die Fallsucht des Hauses oder eine schon eingefallene Wand und ein Loch im Dach, im Aermel oder in der Tasche. Aber, wie gesagt, eine Vermehrung des Harems und eine frische Eroberung, ein neuer Herzensschatz ist in der Regel die Veranlassung zu Angriffen auf den Geldschatz Anderer. Unser Tafeldecker Mahommed Agha nahm sich eine zweite Frau, sobald er in unsere Dienste getreten war. Dem Tafeldecker (eines englischen Gesandten) mochten viele Neigen vom Tische und manche Gelegenheiten, seine Finanzen zu verbessern, zugefallen sein, so daß er wohl dachte, auch eine dritte Schönheit lasse sich mit durchbringen. Wir erfuhren dies nicht ohne Besorgniß, da die drei Schönheiten und deren mögliche Nachkommenschaft alle auf unsere Kosten zehren mußten. Als uns daher ein Gerücht zukam, Mahommed Agha gehe für eine vierte Lebensgefährtin auf Freiers Füßen, ließen wir ihn kommen und gaben ihm den ernstlichen Rath, daß, wenn er bei uns Tafeldecker bleiben wolle, er die für’s künftige Leben versprochene Anzahl von Huri’s im Paradiese nicht schon in diesem irdischen Zustande nehmen dürfe.

„Auch unser Kammerdiener Suleiman Agha (Agha heißt fast Jeder in Persien, wie bei uns Schulze oder Müller) hatte sich in viel Liebe und noch mehr Schulden gestürzt. Eines Tages fehlte er uns auf der Reise. Er hatte einen Abstecher in das benachbarte Tabreez gemacht und sich dort geschwind verheirathet. Als wir nach Teheran zurückkamen, ließ er sich von seiner bisherigen Frau, die blind geworden war, scheiden. Später reis’te er mit uns nach Ispahan und verschwand sofort auf längere Zeit, um, wie er nach seiner Rückkehr sagte, seine nach ihm schmachtende Frau zu besuchen. Er schien in jeder Stadt, wohin wir kamen, immer schon eine Frau vorräthig zu haben. In ähnlicher Lage ist der größte Theil der – Gebildeten – überall in Schulden und in Harems.“

Sie verkommen im Uebermaß des Ausgebens gegen Einnahme und Enthaltsamkeit und haben bereits alle moralische Kraft verloren, wie der große vielweiberische und frauenehrlose Muhamedanismus. Nur zuweilen glühen sie noch zu einem Dschihad (Glaubenskrieg, Krieg gegen Verrath) auf und ermorden mit Ingrimm ihre Feinde, zu denen manchmal auch der Schach gerechnet wird, so daß dieser Landes und starke Familienvater nicht zu beneiden ist. Der Muhamedanismus sinkt dem russischen Reiche in die Arme, besonders nachdem England und Napoleon die Türkei „gerettet“ haben. Der palmerston-napoleon’sche Krieg der „Civilisation“ hat diesen Prozeß nur in beschleunigten Gang gebracht. Das Leben der Perser ist todt, selbst ihre Todten morden noch. Die Maulthierkaravanen, welche die Todten in verschiedenen Ortschaften sammeln und auf Kirchhöfe bringen, warten immer hübsch lange auch in der größten Hitze, bis sich eine gute Zahl Leichname angesammelt hat. Dann binden sie die engen Leichnamskisten, schlecht verschlossen, auf ihre Maulesel und ziehen so langsam von Ort zu Ort und endlich auf den Begräbnißplatz. Viele Leute sterben schon, während solche Karavanen in heißer, stiller Sonnenglut vorbeiziehen, von dem Geruche.

Und wie viele läßt der Landesvater im Interesse der Ruhe und Ordnung todtpeitschen, vergiften oder lebendig begraben? Auch privatim thut die Bastonnade den Sohlen und Seelen viel Schaden. Lady Sheil ward einmal während einer mäuschenstillen Nachtreise durch ein tiefes Stöhnen und Jammern aufgeschreckt. Auf nähere Erkundigung erfuhr sie, daß ihr Reisegefährte, ein persischer Khan oder Adeliger, in der Betrunkenheit mit seinem Koch unzufrieden geworden war und ihm die Bastonnade geben ließ.

Sie sah den Koch in einen „Fellek“ gespannt, ein langes, starkes Holzstück mit zwei Aushöhlungen in der Mitte, in welche die Hacken des Schuldigen gebunden und dann von zwei Ferashes (Polizeibeamten) so hoch gehalten werden, daß der Gebundene beinahe auf dem Kopfe steht. Zwei andere Ferashes bearbeiten nun die nach Oben gefesselten Fußsohlen mit Ruthen – zuweilen Stunden lang. Früher war kein Stand vor diesem Sohlenkitzel eximirt und nach dem letzten russischen Kriege ließ der Schach den General, der eine Schlacht verloren hatte, auf diese Weise auf dem öffentlichen Platze von Teheran besohlen, nur daß ihm die Ehre zu Theil ward, auf einem persischen Teppiche auf dem Kopfe zu stehen, während die Sohlen gen Himmel schrieen, und daß der Kronprinz Abbas Miirza höchsteigenhändig den ersten Schlag that.

Auf so besohlten Füßen kann Persien unmöglich vorwärts kommen oder auch nur festen Fuß fassen auf eigenem verschuldeten Boden.

Selbst die strenge Ministerverantwortlichkeit, die in Persien herrscht und ganz anders practicirt wird, als in England, wo die Minister stets unverantwortlich handeln, kann nichts mehr helfen, da die Herren immer todt gemacht werden, ehe sie sich verantworten können. Amir Miirza, Staatsminister und Schwager des Schach, war in Ungnade gefallen und suchte viele Monate Schutz in dem unverletzlichen Privatzimmer seiner Frau, der Schwester des Monarchen. Endlich kam eine Hofdame mit der freudigen Botschaft, daß der Schach seinen Zorn bereue und der Khelat (Ehrenkleid, Staatsuniform) für den gefallenen Minister schon unterwegs sei. Er möge sich deshalb durch ein Bad zur Anlegung des Ehrenkleides vorbereiten. Amir Miirza eilte nach dem lang entbehrten Bade, wo ihm eine Horde Ferashes die Wahl ließen, welchen Tod er sterben wolle. Sterben müsse er. Amir Miirza ließ sich im Bade die Adern öffnen und so sein Leben schließen.