Sadleir, der Fälscher einer Million und – seiner selbst

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Titel: Sadleir, der Fälscher einer Million und – seiner selbst
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 499-501
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Sadleir, der Fälscher einer Million und – seiner selbst.

Wie unumstößlich wahr erscheinen oft zwei ganz entgegengesetzte Ansichten von ein und derselben Sache. Was der eine wissenschaftlich schwarz nennt, ist nach dem klaren Beweise eines andern Professors schneeweiß. Solche Kontraste kommen sehr oft vor im Leben, besonders vor Gericht. Anklage und Beweise des Staatsanwaltes oder Klägers erscheinen oft so unerschütterlich und überführend, daß man denkt, der Vertheidiger oder Angeklagte brauche sich gar keine Mühe zu nehmen, den Mohren weiß zu waschen. Aber gib Achtung, wie der Mohr unter der Wäsche des Vertheidigers Glied für Glied bis auf die Nägel weiß wird und die gelehrten Argumente des Staatsanwaltes wie schmutziges Wasser ablaufen!

Wissenschaft und Leben, besonders Gerichtsverhandlungen sind voll von Beispielen dafür. Aber daß die unumstößlichen Beweise für den Tod und das Leben einer und derselben Person vor unsern Augen unumstößlich bleiben könnten, das kommt nicht alle Tage vor, wiewohl auch nicht zu selten. Wir haben jetzt ein großartiges Beispiel aus dem englischen „Hochleben“ vor uns, [500] aus der Gesellschaft Palmerston’s, denn der Todte und Lebende zugleich ist niemand Geringeres, als Sadleir, Mitglied des palmerston’schen Ministeriums, Fälscher einer Million Pfunde und – seiner selbst, dessen großartige Schwindeleien vor einigen Monaten alle Zeitungen durchliefen.

Am 18. Februar, Sonntag Morgens ward auf den Hampstead-Höhen im Norden von London, einer künstlich erhaltenen, gefunden, wilden Gegend von Hügeln, Thälern, Teichen und Bäumen, ein männlicher Leichnam gefunden. Ein silbernes Milchtöpfchen und eine große Flasche, mit einem Zettel beklebt, auf dem „Essenz von bittern Mandeln“ (Blausäure) gedruckt stand, lagen neben dem Leichname. Er war ganz kalt und der „rigor mortis“ vollständig erkannt. Man trug ihn sofort in’s nächste Arbeitshaus, wo ihn einige Minuten darauf ein Arzt besichtigte, Man fand bei ihm ziemlich 100 Thaler in verschiedenen Geldsorten, ein weißes Taschentuch, ein kleines Taschenmesser, einen Hausschlüssel, ein paar Handschuhe, ein Kästchen mit zwei Rasirmessern und ein Stückchen Papier, worauf Name und Wohnung des Todten geschrieben war, wie sich wenigstens nachher bestätigte.

Die übliche Todtenschau ward in Gegenwart eines Bevollmächtigten seiner Familie gehalten. Dabei stellten sich folgende Thatsachen heraus: 1) Der Tafeldecker des Verstorbenen erkannte in dem Leichnam die Person seines Herrn und sagte aus, daß er das Haus zwischen 11 1/2 Uhr, als er ihn zum letzten Male sah, und 12 1/4 Uhr, als er das Haus mit dem Hauptschlüssel verschloß, verlassen haben müsse, und daß er einen schweren Ueberzieher, den er selten trug, mitgenommen.

2) Ein Arbeiter sagte aus, daß er den Leichnam auf dem Rücken liegend zuerst entdeckt habe, mit dem Kopfe gegen einen Ginsterbusch gelehnt und mit den Füßen herabgestreckt nach einem Sumpfe. Er trug alle seine Kleider, die der Arbeiter wieder erkannte, blos der Hut lag neben ihm. Die Haut fühlte er nicht an, so daß er nicht sagen konnte, ob der Leichnam damals schon kalt gewesen.

3) Ein Policeman deponirte, daß am Orte, wo der Leichnam gefunden worden war, nur zwei Stellen bemerkbar gewesen, die eine Bewegung mit den Hacken verriethen; sonst sei keine Spur eines Todeskampfes zu entdecken gewesen. Das Sahnentöpfchen, mit noch etwas Blausäure lag rechts, die entkorkte Flasche links neben ihm.

4) Der Hauptarzt von Hampstead sah den Leichnam 20 Minuten vor 10 Uhr ganz kalt und steif mit starkem Geruche nach Blausäure am Munde, doch sonst ohne Zeichen, daß der Todte als Selbstmörder gelten müsse.

5) Der ein zweites Mal citirte Tafeldecker erkannte das Milchtöpfchen als dasselbe, welches sein Herr den Sonnabend Abend vorher zum Thee gehabt habe. Auch sagte er aus, daß die betreffende Blausäure von dem Apotheker, wo Sadleir seine betreffenden Bedürfnisse holen zu lassen pflegte, mit einer schriftlichen Ordre des Verstorbenen geholt worden sei. Zeuge wußte nicht, daß es Gift war, sondern glaubte, es gehöre zu einem Haaröl, das sich der Verstorbene selbst mischen zu wollen geschienen habe. „Der Verstorbene war mäßig und nüchtern und trank blos ein oder zwei Gläser Sherry zu Mittag. Keine merkliche Veränderung in seinem Wesen, stets sehr geschäftig, nicht geklagt vorher über Schlaflosigkeit oder Kopfschmerz, nicht unter ärztlicher Behandlung. Kam Sonnabends unerwartet zu Tische nach Hause, speiste sonst in der Regel in seinem Klubhause. Verließ das Haus am Sonnabend Morgen in einer Droschke mit vielen Papieren, wie gewöhnlich. Ehe er einstieg, kehrte er noch einmal in sein Zimmer zurück, als ob er etwas vergessen. Einige Minuten, nachdem er weggefahren, kam er noch einmal zurück und blieb einige Momente in seinem Zimmer, fuhr dann wieder weg und kehrte erst Abends zum Diner zurück.

6) Ein Advokat, sehr genau bekannt mit dem Verstorbenen, sah ihn kurz vor 11 Uhr Sonnabend Abends. Er schien niedergeschlagen durch seine Unternehmungen und kam ihm überhaupt abgemagerter vor. Besonders während der letzten Woche hatte er sich verändert. Er sah ganz niedergedrückt aus über den Umfang seiner Geschäfte, besonders über Vorfälle der letzten Woche. Verluste und pecuniäre Verlegenheiten hatten sich plötzlich eingestellt. Seine Augen waren blutunterlaufen und er verrieth ganz ungewöhnliche Unruhe, wie nie zuvor. Zeuge, einmal des Nachts unerwartet zu ihm kommend, fand ihn überrascht, ganz gegen seine Gewohnheit im Zimmer auf- und abschreitend. „Ich glaube, seine Augen roth gesehen zu haben, als wie nach Weinen.“ Gefragt, ob er nicht zu ihm gesagt habe, daß er sich nicht wundern würde, wenn er (Sadleir) sich erschieße, gab er dies zu: „Ich machte diese Bemerkung deshalb, weil ich ihn sonst als einen außerordentlich klaren und willensfesten Mann kannte, der nun gebrochen durch die plötzlichen Entdeckungen vom Mittwoch vorher auch ganz zusammenbrechen werde. Ich hörte, seine Verluste seien ungeheuer. Wir sprachen darüber in meinem Bureau und er gab es zu.“

Der Vorsitzende der Todtenbeschauer sagte, nichts könne klarer sein, als die Ursache des Todes. Es sei vollkommen erwiesen, daß er sich selbst getödtet. Leider sei ihm das Gift ohne Mühe zugekommen, aber die beiden Rasirmesser bei ihm bewiesen, daß er sich unter allen Umständen das Leben genommen haben würde u. s. w.

Auch ergab sich, daß er in ungeheuern pecuniären Verlegenheiten gewesen. Als „Finanzier im gigantischen Maßstabe“ hatte er nicht weniger als die ungeheure Summe von einer Million Pfund Sterling erschwindelt, unterschlagen und durch Betrügereien und falsche Wechsel erlogen. Die Entdeckung einer Hauptbetrügerei war eben unvermeidlich vor der Thür, so daß, wenn er den Montag erlebt hätte, sich sein Palast geschlossen und das Zuchthaus geöffnet haben würde.

Angesichts dieser Thatsachen und Beweise erschien kein Zweifel an dem Selbstmorde des palmerston’schen Collegen möglich. Der Tafeldecker, zwei seiner Brüder und mehrere persönliche Freunde und Bekannte, bei der Todtenschau anwesend, erkannten in dem Leichname den Körper Sadleir’s.

Und doch lösen sich alle diese Thatsachen in Nichts auf vor folgenden Beweisen und Folgerungen.

In einer Zeitung Irlands (Dublin Nation) erschien am 29. März ein Artikel, dessen Hauptinhalt folgender ist:

1) Was ist aus den ungeheuern Geldsummen geworden, die der Verstorbene erschwindelte und die zum Theil baar noch während der letzten Tage in seine Hände kamen? Ein Herr hatte just an dem Sonnabende des Todes 1300 Pfund baar in dessen Hände gezahlt. Davon sei bis jetzt keine Spur gefunden worden. Eine Banknote von 1000 Pfund, die er nachweislich noch an dem Sonnabende besessen, sei nicht aufgefunden. Zu diesen 2300 Pfund baar waren in der letzten Zeit noch andere Baarzahlungen gekommen. Nichts davon sei entdeckt worden. Am Rande des Grabes soll der Selbstmörder alle diese Gelder gesammelt und mit in die Ewigkeit genommen haben?

2) Seine letzten Briefe beweisen, daß er 8 Tage lang mit Selbstmord umging. Während dieser Zeit war er stets damit beschäftigt, sich Geld zu borgen, als ob die Reise in die Ewigkeit sehr viel koste.

3) Die als erwiesen angenommene Todesstarrheit (rigor mortis) wird als Unmöglichkeit nachgewiesen, insofern der aufgefundene Todte der Leichnam Sadleir’s gewesen wäre. Je plötzlicher der Tod, desto länger bleibt die Lebenswärme zurück und verhindert die Leichenstarrheit wenigstens 12 Stunden lang. Der Verstorbene konnte frühestens um 12 Uhr die Hampstead Höhen erreichen. Der Selbstmord kann also nur nach 12 Uhr stattgefunden haben. Und 9 3/4 Uhr Morgens wird der Leichnam kalt und steif gefunden mit entschiedenem rigor mortis. Und dies nach höchstens 8 1/4 Stunden!

4) Dr. Guy sagt in seiner „Gerichtsmedizin“: „Wir sollten uns für gerichtliche, sichere Beweise niemals blos auf das Zeugniß unserer Sinne verlassen (und eben so wenig für jede andere Behauptung oder gar wissenschaftliche Annahme). Es reicht durchaus nicht hin, etwas gesehen, selbst wirklich gesehen zu haben. Das Zeugniß des Auges kann blos gelten, wenn es durch sichere wissenschaftliche Thatsachen und Proben bestätigt wird. Die augenscheinliche Ursache eines Todes ist nicht immer die wirkliche.“ In Bezug auf den Ort heißt es: „Es ist ein ganz gefährlicher Irrthum, zu glauben, daß der Ort, wo ein Leichnam gefunden wurde, auch der Ort sei, wo er um’s Leben gekommen. Gegen das Erkennen eines Lebenden in einem Todten wird Dr. Beck’s Autorität angeführt: „Bald nach dem Tode verändern sich [501] die Gesichtszüge so wesentlich, daß es oft den nächsten Angehörigen unmöglich wird, den Lebenden darin wieder zu erkennen.

5) Kein aufgefundener Leichnam sollte berührt werden, ehe er von Sachverständigen genau untersucht ward. Die Lage des Todten reicht oft allein hin zu entscheiden, ob er sich selbst oder von Andern gemordet worden sei.

6) Der betreffende Leichnam ward in ein Arbeitshaus gebracht, ehe er von einem Sachverständigen gesehen ward.

7) Der betreffende Leichnam ward von keiner einzigen Person, die irgend eine Eigenthümlichkeit an Gestalt und Bau desselben als nur ihm, dem Verstorbenen, eigen, entdeckt hätte, untersucht und mit dem etc. Sadleir wirklich als identisch nachgewiesen. Der einzige Zeuge, der diese Identität beschwor, war der Tafeldecker, derselbe, der keine Veränderung an seinem Herrn wahrgenommen, während der intime Geschäftsfreund und Advokat positiv behauptete, daß der Verstorbene sich ungeheuer verändert gehabt habe während der letzten Tage und hager geworden. (Ueber das Falsche der erwiesensten, beschwornen Identität nachher noch einige drastische Beispiele.)

8) Vor seinem angeblichen Selbstmorde hatte er einen Brief an seine Schwester geschrieben und sie mit seinem Vorhaben bekannt gemacht. Ist dies psychologisch wahrscheinlich?

9) Warum ging er um Mitternacht zu den entlegenen Hampstead-Höhen, um sich das Leben zu nehmen? Wie unwahrscheinlich, daß er mit dem Vorhaben, sich durch augenblicklich wirkendes Gift zu tödten, erst vorher sich die schwere Mühe eines so fernen mitternächtlichen Spazierganges gegeben haben sollte! Und damit die Leute gleich erfahren sollten: ich bin Sadleir, der die Leute um eine Million betrog, steckte er seine geschriebene Adresse vorher in die Tasche, nicht einmal eine gedruckte oder lithographirte Karte. Hätte er zu Hause das Sahnentöpfchen geleert, würde man eher gerechtfertigt sein, den Todten für Sadleir zu halten. Diese ganze Geschichte hat keinen Sinn.

10) Unter den 2,500,000 Lebenden in London war es leicht genug, jederzeit einen Leichnam für jeden Zweck zu kaufen und ihn theatralisch etwas zu sadleiren. –

Dieser Artikel lief sofort durch alle die unzähligen Zeitungen und Journale Englands. Zwar versicherten der Vorsitzende, der Todtenbeschauer und ein Arzt, es könne kein Zweifel an der Identität des Leichnams und Sadleir’s aufkommen; die Presse nahm aber die Thatsachen und Beweise dagegen mit neuen Illustrationen auf. Die Hast und Eile, womit er am Sonnabende seine Papiere zusammenraffte und weshalb er öfter zurückkehrte, deuten auf Flucht mit der nöthigen erschwindelten Habe, nicht auf Selbstmord. Sein ungeheuer ausgedehntes Schwindelgeschäft mit nachweislich ihm während der letzten Tage gezahlten und geborgten Summen müßten ihn in Besitz einer großen Menge Geldes gesetzt haben, womit eine Flucht sehr leicht ward. Der Mann, dessen Leben die ausgedehnteste Virtuosität im Schwindeln und Fälschen war, setzte zuletzt dieser Virtuosität nur die Krone auf – durch eine Fälschung seiner eigenen Person.

Die Unruhe vorher gegen seine Freunde, die Briefe mit der Meldung, daß er sich selbstmorden wolle, die schriftliche Ordre auf Gift, das silberne Sahnentöpfchen, die romantische Placirung des Leichnams auf die Hampstead-Höhen um Mitternacht – Alles ganz hübsche, melodramatische Erfindungen. Aber eine ganz unscheinbare Kleinigkeit hatte man übersehen. Und diese ganz unscheinbare, aber doch sehr glänzende Kleinigkeit – nämlich reine, gewichste Stiefeln an den Füßen des Leichnams – ist gerade der Hauptbeweis, wie in Mordgeschichten ja überhaupt sehr oft die unbedeutendsten, ganz unbeachteten Nebenumstände eine ganze Kette von Beweisen bilden und sich dem Verbrecher selbst um die Glieder legen, ehe der Häscher des Gefängnisses die staatlichen anlegen kann. Ein Mann, der im Februar um feuchte, schmutzige Mitternacht bis nach Hampstead ging, über feuchten Rasen, über sumpfige Thäler und sich dicht an einen Morast hinlegte, um so den letzten Becher zu leeren, mußte nothwendig schmutzige Stiefeln haben, sehr schmutzige Stiefeln. Der Regisseur dieses Melodrama’s hatte aber diese Grundlage aller Illusion übersehen, und dem gefälschten Sadleir ganz reine Stiefeln angezogen. Oder sollte Einer der Stiefelwichserbrigade, die uns auf der Straße um alle Ecken herum meuchlings anfallen, um uns die Stiefeln zu wichsen, um Mitternacht auf Hampstead-Höhe erschienen sein, um dem Leichnam die Stiefeln zu wichsen?

Diese reinen Stiefeln sind vom Boden her der Kopf und die Krone aller Beweise für die genialste, großartigste, aber doch stümperhafte Selbstfälschung. Der Wiederschein dieser reinen Stiefeln liefert die Spiegelbilder der Wahrheit. Wer daran noch zweifelte, wurde durch einen Brief aus Louisiana in den vereinigten Staaten, an einen Engländer in Tipperary (veröffentlicht zuerst im Cork Examiner) dahin belehrt, daß das Original des gefälschten Selbstmörders in Amerika gesehen worden sei, und sich den Umständen nach wohl befinde.

Aber die Beweise für den echten, todten Sadleir sind ebenfalls unumstößlich und respektabel außerdem! Wer ist nun der wahre Fälscher einer Million, der lebende in Amerika oder der in London begrabene? Wir sagen, wir wissen’s noch nicht: für beide Fälle sind noch andere, sehr starke Beweise da aus andern merkwürdigen Fällen irrthümlicher Identität. Im Jahre 1839 ward in England ein gebundener, in einen Sack gesteckter, mit Wunden bedeckter Leichnam im Wasser gefunden und öffentlich ausgestellt. Er ward von drei verschiedenen Familien als einer der Ihrigen in Anspruch genommen. Dies gab zu scharfen Untersuchungen Anlaß, aus denen sich endlich klar herausstellte, daß der Leichnam ein Vierter war, und keiner der drei Familien angehörte.

Dr. Beck erzählt von einem „Auferstehungsmanne“, wie man die professionellen Ausgräber und Räuber an Leichen nennt: „Er wurde wegen Ausgrabung eines weiblichen Leichnams in Stirling vor Gericht gestellt. Es war neun Wochen nach dem Tode. Aber die Verwandten der Verstorbenen erkannten sie noch sicher, zumal da ein besonderes Kennzeichen (sie war lahm gewesen auf dem linken, kürzeren Fuße) nicht mißverstanden werden konnte. Der Angeklagte ward also verurtheilt, zwar mit Recht, aber doch aus einem ganz andern, dem Gerichte unbekannten Grunde. Der Auferstehungsmann hatte nämlich, wie sich später ganz speciell herausstellte, auch in Falkirk einen weiblichen, ebenfalls auf dem linken, kürzeren Fuße lahm gewesenen weiblichen Leichnam ausgegraben. Wegen dieses letzteren (nicht des ersteren, den man als den letzteren beschworen hatte) war der Mann vermöge eines wenigstens 30fachen, ganz gleichen Irrthums verurtheilt worden.

Noch merkwürdiger ist ein Fall aus Canada. Ein aufgefundener Leichnam wird als der eines ermordeten Mannes, Namens William Morgan erkannt. Seine Frau, sein Hausarzt, intime Freunde und mehrere Andere – Alle beschworen: ja, das ist William Morgan. Er ward also als William Morgan begraben. Kurz darauf erschien ein Aufruf, in den Zeitungen: 100 Dollars Belohnung für den, der den Leichnam des im Niagaraflusse ersäuften Timothy Muaroe entdeckt und abliefert! Die Beschreibung der Kleider und anderer Umstände machten es höchst wahrscheinlich, daß der als William Morgan begrabene Leichnam der Timothy Muaroe’s sein könne. Nach Ausgrabung des Leichnams ergab sich denn auch durch Auffindung der vorher ganz genau angegebenen Kennzeichen, daß William Morgan nicht William Morgan, sondern Timothy Muaroe von Ober-Canada war.

Diese Beispiele beweisen wenigstens, daß die Zeugnisse für die Identität des auf Hampstead gefundenen Leichnams und Sadleir’s von gar keiner sichern Geltung sein können, zumal da alle andern Umstände sehr stark zu dem Verdachte berechtigen, daß der englische Minister und Fälscher einer Million sich selbst gefälscht habe, um im Original sich drüben in einer irdischen bessern Welt noch eine Zeit lang der Früchte seines Schweißes und seiner ministeriellen Verdienste um’s Vaterland incognito zu erlaben.