Kurzes Sitten-Büchlein vor Kinder

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Autor: unbekannt
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Titel: Kurzes Sitten-Büchlein vor Kinder
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Erscheinungsdatum: 1742
Verlag: Johann Jacob Enderes
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Erscheinungsort: Schwabach
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Quelle: Scans auf Commons
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[I]
Kurzes
Sitten-Büchlein
vor
Kinder,
Wie sie
Erstens,
Bey dem Aufstehen und Schlafen-gehen,
Zweytens,
Bey der Mahlzeit,
Drittens,
In der Schule und Kirche,
Und Vierdtens,
Uberall, zu allen Zeiten, gottseelig
und ehrbar sich verhalten
sollen.

Schwabach,
Zu finden bey Johann Jacob Enderes,
privil. Buch- und Disputations-Händler. 1742.

[II] DEs HErrn Furcht ist Anfang zu lernen; die Ruchlosen verachten, Weisheit und Zucht. Mein Kind! gehorche der Zucht deines Vatters, und verlaß nicht das Gebot deiner Mutter. Sprüchw. 1, 7. 8.

Denn des Vatters Seegen bauet den Kindern Häuser, aber der Mutter Fluch reisset sie nieder. Sir. 3, 10.

Und dein Lebenlang habe GOtt für Augen und im Herzen, und hüte dich, daß du in keine Sünde willigest, und thust wider GOttes Gebot. Tob. 4, 6.

Allezeit suche Rath bey den Weisen; und dancke allezeit GOtt, und bete, daß Er dich regiere, und du in allen deinem Fürnehmen seinem Worte folgest. Tob. 4. v. 19. 20.

[3]      Liebe Kinder!

ZWeyerley Dinge sind es, die ihr wohl in acht zu nehmen habet: Erstlich, daß ihr vor GOTT fromm und heilig lebet: Darnach, daß ihr auch vor Menschen unanstößig und ehrbar und beliebt in allen eurem Thun erfunden werdet. Ach wie gut ist es doch, dem HErrn seinen GOtt in der Jugend dienen, und allzeit ein gut Gewissen bewahren. Fromm seyn muß nicht bis in das Alter aufgeschoben werden; sondern man muß bald in der Jugend, ja schon in der Kindheit, anfangen, den HERRN zu suchen, weil keine Zeit und Alter im menschlichen Leben geschickter ist zum Dienste GOttes, als die Jugend. Nebst der wahren Gottseeligkeit muß auch ein Kind sich der wohlanständigen Ehrbarkeit befleißigen, und alle Grobheit in der äusserlichen Aufführung ernstlich vermeiden. Doch muß die wahre Furcht GOttes der Grund seyn aller guten Sitten, weil sonsten alles nur Heucheley, Falschheit und heydnisches Wesen ist. Erwäget, was Paulus, Phil. 4, 8. sagt: Was wahrhafftig ist, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich, was wohl lauter; ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem dencket nach. Hierzu soll euch hiermit ein kurzer Unterricht gegeben werden. Dencket allem fleißig nach, und bittet GOtt um die Erleuchtung eures Herzens, daß ihr erkennen möget, was zu eurem geistlichen und leiblichen Wohlseyn gehöret.

[4]
I. Bey dem Aufstehen und Schlafen-gehen.

1. Stehe des Morgens auf, so bald du gewecket wirst, und laß dich nicht etliche mal ruffen; Ja gewöhne dich auch ungeweckt von selbst zu rechter Zeit aufzustehen.

2. So bald du aufwachest, so erinnere dich, daß man vom Schlafe der Sünden und der Sicherheit aufwachen soll. Ephes. 5, 8.–14. 1. Thess. 5, 4.–8. Röm. 13, 11. Und dahero laß dein Herz mit Gebet zu GOTT gerichtet seyn, damit du die Erstlinge deiner Gedancken und Begierden GOtt aufopfern, und den ganzen Tag über Ihn für Augen und im Herzen behalten mögest. Ps. 5, 4. Ps. 57, 8. 9. Ps. 92, 2. 3. Ps. 119, 117. 148. Jes. 26, 9.

3. Biete andern einen guten Morgen, so du aufgestanden, und wünsche eine gute Nacht, so du schlafen gehest.

4. Wenn du dich anziehen willst, so bedencke, daß du die Kleider nur zur Bequemlichkeit und Nothdurfft, und zur geziemenden Decke deiner Blösse, nicht aber zur Hoffart brauchen sollst, und deßwegen erwäge wohl die schöne Lection, so sonderlich dem weiblichen Geschlecht gegeben wird. 1. Tim. 2, 9. 10. 1. Petr. 3, 3. 4. 5. Jes. 3, 16. 24. Dahero erinnere dich bey dem An- und Ausziehen deiner Kleider, wie du an deiner Seele bekleidet und geschmückt seyn sollst. Ephes. 4,22. 24. Coloss. 3, 9. 10. 12. 14. Gal. 3, 27. Jes. 61, 10. Offenb. Joh. 19, 8. Cap. 3, 17. 18.

[5] 5. Ziehe dich ohne Zaudern geschwind, doch ordentlich, an, daß das Halstuch und die Strümpffe fein glatt anliegen, die Kleider ordentlich zugeknöpffet und ausgekehret, und die Schuhe fest zugeschnallet oder fein zugebunden, auch reine geputzt seyn. Ein Mägdlein aber soll die Haube ordentlich aufsetzen, daß die Haare nicht herunter hängen, auch an Röcken und an der Schürze keine Tängel oder Klunckern seyn mögen.

6. Wenn du vor den Spiegel trittst, so stehe nicht etwa ganze Stunden dafür, oder siehe hernach alle Minuten hinein, oder thue es etwa, dich zu schmiegeln und Hoffart zu treiben; sondern brauche nur den Spiegel, daß du dich ordentlich und reinlich ankleidest, und dencke allezeit, wie du dich auch innwendig recht bespiegeln, und das Bild Christi in dir erblicken mögest. 2. Cor. 3, 18.

7. Wasche die Hände und das Gesichte, auch sonderlich die Augen, recht rein, den Mund spiele aus, die Zähne reibe ab, vergiß auch nicht das Schnupftuch zu dir zu nehmen, und kämme dich beyseits in einen Winckel. Vergiß aber auch nicht die geistliche Reinigung deiner Seelen. Jes. 1, 16. 17. 2. Cor. 7, 1. 1. Joh. 1, 5.–9. Cap. 3, 3. Sprüchw. 30, 12.

8. Iß nicht zuerst das Morgen-Brod; nimm auch sonst nichts anders vor, ehe du gesungen und gebetet, oder auch in der Bibel gelesen hast.

9. Wiederhole deine Lection, und bereite dich zur Schule. Alle Bücher, so du brauchest, sammle zusammen, vergiß und verliehre keines.

10. Iß dein Morgen-Brod zu Hause, und bitte deine Eltern, daß sie dirs bey Zeiten geben, damit du es [6] nicht erst auf dem Wege, oder gar in der Schule essen mögest.

11. Mercke auf die Uhr, und halte dich unterwegs nicht auf, damit du nicht zu langsam in die Schule kommest.

12. Nach dem Abend-Essen lege dich nicht sofort auf oder unter den Tisch, noch auch auf die Erden oder auf die Banck, oder auch gar ins Bette. Setze dich auch nicht in einen Winckel, und schlafe; sondern sey munter, singe, bete, und ließ ein Capitel in der Bibel, ehe du dich zur Ruhe legst.

13. Ziehe dich nicht vor dem Gebet, auch nicht vor den Leuten aus, sondern gehe an einen verborgenen Ort, und sey schamhafftig.

14. Deine Kleider wirff und lege des Abends, wenn du dich ausziehest, nicht so herum, sondern lege oder hänge sie ordentlich an einen gewissen Ort, daß du sie früh bald finden kanst. Bedencke auch, was oben aus den Sprüchen bey Num. 4. schon ist erinnert worden.

15. Bey dem Aus- und Anziehen der Kleider siehe zu, wo etwas zerrißen, damit es bald geflicket werde.

16. Ehe du dich niederlegest oder einschläffest, prüfe dein Herz vor GOtt, wie du den Tag zugebracht hast, und bedencke, wie du dem Tode und der Ewigkeit abermahl einen Schrift näher kommen bist, und ob du zu einem seeligen Tode auch wahrhafftig bereit seyst. Ps. 139, 23. 24. 2. Cor. 13, 5.

17. Bey dem Schlafengehen nimm Feuer und Licht sorgfältig in acht, daß du keinen Schaden verursachen mögest. Verrichte auch zuvor deine Nothdurfft, damit du dein Bette nicht verunreinigest, oder des Nachts aufstehen müssest.

[7] 18. Wenn du dich niederlegest, so sammle dein Herz wieder zu GOtt, und befiehl dich dem Schutz und Regierung des lieben himmlischen Vatters, und entschlage dich aller eiteln Gedancken und unnützen Geschwätzes, damit du ruhig einschlaffen, und der Satan durch böse und sündliche Träume dich an deiner Seele nicht beflecke und verunruhige, sondern die heiligen Engel bey dir bleiben, und der heilige Geist in dir geschäfftig seyn möge. Psalm. 4, 9. Ps. 63, 7. 8. Jes. 26, 9.

19. Wenn du zuweilen in der Nacht aufwachest, so laß dein Herz mit GOtt umgehen; hingegen gieb eiteln Gedancken oder unnöthiger Furcht nicht Raum. Ps. 42, 9. Ps. 77, 7. Ps. 119, 55.

20. Du magst allein, oder mit jemanden in einem Bette beysammen schlaffen, so gewöhne dich fein ehrbar, ruhig und ordentlich zu liegen, damit du deinem Schlaf-Gesellen nicht beschwerlich fallest, oder etwa das Bette zerstrampelst, und wenn du es hinaus wirffst, dir oder deinem Schlaf-Gesellen durch Entblösung Schaden thust.

21. Wenn du aber aufstehest, so mache das Bette fein hinter dir zu, daß es nicht unordentlich und säuisch aussehe.


II. Bey der Mahlzeit.

WEnn du zu Tische gehest, so kämme dich zuvor; und wenn du etwa unrein bist, so wasche dich auch.

2. Deine Messer halte sauber, und lege sie fein ordentlich an deinen Ort; lerne auch Messer, Gabel und Löffel bey der Mahlzeit mit den Händen manierlich anfassen und brauchen; stecke auch Messer und Gabel nie ohne Scheide in die Tasche, damit du nicht [8] Schaden nehmest, und laß dir lieber solche an einem ordentlichen Orte verwahren, bis du sie nöthig hast.

3. Wenn du bey Tische was helffen kanst, oder dir solches befohlen wird, so sey überall dienstfertig und höflich.

4. Wenn du vor dem Tisch stehest und betest, so richte dein Herz und Hände empor; gaffe auch nicht und greiffe unter dem Gebete hier und dahin, und laß deine Gedancken und Begierden nicht in der Schüssel seyn, sondern sey andächtig, damit deine Speise durch das Gebet geheiliget, und bey der leiblichen Speise auch deine Seele genähret und erquicket werde. Joh. 6, 27. 1. Cor. 10, 31. 1. Tim. 4, 4. 5.

5. Den Teller rücke recht vor dich, und laß ihn nicht zu weit von dir stehen, damit du den Mund über den Teller halten kanst.

6. Wenn du issest, so sitze fein gerade, und lege dein Gesicht nicht so sehr auf den Teller; sperre auch nicht das Maul so weit auf.

7. Wenn du einen Bissen in den Mund steckest, so lege vorher das Messer nieder, und brauche die Gabel, so du eine hast: Fahre aber mit Messer und Gabel nicht im Gesichte oder auf dem Tische herum, oder setze etwa den Stiel auf den Tisch, und recke die Spitze gefährlich in die Höhe.

8. Sey nicht der Erste in der Schüssel, sondern warte, bis die Aeltesten und Vornehmsten angefangen haben.

9. Bleibe vor deinem Ort in der Schüssel, und fische nicht nach dem, was dir wohl schmecket; halte auch den Mund nicht so nahe zur Schüssel, damit nicht davon wieder etwas hinein falle.

[9] 10. Iß nicht zu begierig, auch nicht zu langsam, auch nicht zu viel, damit du gesund und zur Arbeit geschickt bleiben mögest. Sir. 31, 12.–25.

11. Versuche auch, ob das Essen oder Suppe etwas zu heiß ist, und blase es lieber sachte, damit du den Mund nicht verbrennest, oder das Essen wieder aus dem Munde nehmen darffst.

12. Iß nicht unflätig; die beschmierten Hände lecke nicht ab, sondern wische sie, nebst dem Munde, öffters ab, nicht aber an die Kleider, sondern an ein Tuch.

13. Sey vergnügt mit dem, was dir gegeben wird, und begehre nicht von allen zu haben, oder fordre etwa das, was du nöthig hast, mit Grobheit, sondern mit höflichen Bitten.

14. Iß auch alles, was dir vorgesetzet wird, und sey nicht eckel, oder verachte etwa diese und jene Speise, und entschuldige dich nicht etwa: Das esse ich nicht, es sey denn, daß es dir von Natur zuwider wäre, und deiner Gesundheit schadete. Sir. 37, 30. 34. Findest du auch in der Speise etwa ein Haar, oder sonst was eckelhafftes, so thue es ohnvermerckt bey Seite, und sage oder zeige es nicht öffentlich über Tische.

15. Siehe nicht auf derer andern Teller, ob sie mehr als du bekommen. Iß auch nicht deßwegen zu geschwind, oder pfropffe den Mund zu voll, damit du deine Vergnügsamkeit bezeigen, und zur Antwort, wenn du etwa gefraget wirst, geschickt seyn mögest.

16. Vergiß nicht Brod zum Fleisch zu essen; iß nicht mehr Fleisch als Brod, und schmiere nicht die Butter, Muß oder Fett dicke auf, denn es siehet grob, und ist schädlich.

[10] 17. Rolle die Zunge nicht im Munde herum, oder strecke sie heraus, und lecke nicht an den Lippen.

18. Schmatze nicht, wie ein Fercklein; schnaube auch nicht wie ein Pferd; laß auch sonst nicht etwas garstiges dir entfahren.

19. Die Knochen beiß oder schmeisse nicht auf, vielweniger wirff sie unter den Tisch, oder auf das Tischtuch, sondern lege sie auf deinen Teller.

20. Das Brod beiß nicht mit denen Zähnen ab, sondern schneide es mit dem Messer ordentlich in der Hand; schneide auch nicht viel Bissen auf einmal ab, sondern jedesmal nur einen.

21. Schneide nicht die Rinde allein vom Brod, sondern iß Rinde und Krume zusammen.

22. Wenn du auch vor dich oder andere Brod abschneidest, so wische das Messer rein ab; beschmiere das Brod nicht, und schneide es fein gleich ab.

23. Nimm den Löffel nicht zu voll, sondern streiche ihn ab; mache nicht so grosse Bissen; halte den Mund über den Teller, damit du nichts bekleckest: Entfällt dir aber etwas, so laß es nicht liegen.

24. Hüte dich, daß du mit dem Ermel nicht auf des andern Teller oder gar in die Schüssel tauchest, oder aber deines Nachbars Messer und Gabel hinunter werffest; lässet aber jemand etwas fallen, so greiff alsobald zu, und hebe es auf.

25. Nimm dich in acht, daß du nicht das Trincken umschüttest, und Tischtuch und Kleider übel zurichtest.

26. Salz nimm nicht mit denen Fingern, sondern mit dem Messer aus dem Salz-Faß; Den [11] Teller lecke oder wisch mit denen Fingern nicht ab, sondern nimm Brod oder einen Löffel darzu.

27. Fordre nicht schon was anders, wenn du noch nicht hinunter gegessen, oder noch einen Bissen Brod liegen hast.

28. Gib bey der Mahlzeit auch wohl achtung, ob jemand etwas nöthig habe, und sey alsobald gegen jeden dienstfertig; putze auch das Licht, nimm dich aber in acht, daß du durch die Licht-Schnuppen keinen Schaden thust, oder einen Gestanck machest, oder aber durch Unvorsichtigkeit das Licht auslöschest.

29. Über Tische rede von Christlichen, erbaulichen und nützlichen Dingen, jedoch nicht eher, bis du gefraget wirst, oder es nöthig ist: hüte dich auch vor eckelhafften Discursen.

30. Wird bey der Mahlzeit von einem andern was Gutes geredet, so plaudre nicht, sondern höre in der Stille zu; doch sperre das Maul nicht auf.

31. Willst du trincken oder reden, so halte kein Brod noch Speise im Munde, wische den Mund rein ab, trincke nicht zu viel auf einmal oder zu jählich, daß du dich nicht begiessest, oder erstöckest, oder um dich sprudelst; wenn du getruncken hast, wische den Mund mit einem Tuch wieder ab; Neige dich höflich gegen alle, so bey Tische sitzen, doch gegen die Vornehmsten zuerst.

32. Wackle nicht mit dem Stuhl, und baumele nicht mit denen Beinen; lege die Hand nicht weiter als bis an Knörpel auf den Tisch. Mit dem Rücken lehne dich nicht an, setze auch den Stuhl nicht zu nahe an den Tisch, damit du jederzeit ohne Hinderniß aufstehen kanst.

[12] 33. Lege dich mit dem Ellbogen nicht auf, wenn du den Löffel in den Mund thust.

34. Die Zähne stochre nicht mit dem Messer, Gabel oder Nadel aus, vielweniger fahre mit dem Finger im Munde herum: Must du aber ja den Zahnstocher brauchen, so halte die Hand oder Serviette für.

35. Des Schneutzens und Schlafens enthalte dich, wo es müglich, bey dem Tisch: Must du aber dich schneutzen, niesen oder ausspucken, so wende dich beyseits, und halte die Hand oder Serviette für.

36. Uberhaupt mercke und richte dich darnach, wie es andere erbare und höfliche Leute bey Tische machen.

37. Wenn vielerley Gerichte aufgetragen werden, so dencke nicht, daß du von allen haben must, sondern, so du satt bist, nimm deinen Teller und Stuhl ohne Poltern und Tumult mit vom Tisch, mache einen Reverenz, und wünsche geseegnete Mahlzeit.

38. Das übrige Brod, Fleisch oder Käse stecke nicht in die Tasche; mache es aber auch so, daß du nichts darffst liegen lassen, sondern nimm oder fordere dir so viel, als du essen kanst: Wird dir aber zu viel gegeben, so gieb das, was du nicht aufzuessen gedenckest, gleich zurück.

39. Nach dem Essen lauffe nicht gleich hinaus, sondern warte, bis du GOtt, der dich gespeiset und gesättiget hat, nebst andern mit herzlicher Andacht gedancket.


III. In der Schule und Kirche.

WEnn du in die Schule und Kirche kommest, so mache einen Reverenz, und setze dich still an deinen [13] Ort, und thue dergleichen auch bey dem Herausgehen.

2. Wenn der Präceptor nicht da ist, so bedencke, daß du den allgegenwärtigen GOtt bey dir habest, drum sey stille und sittsam, und vermeide das unnöthige Plaudern und andern Unfug, und bereite dich lieber auf deine Lection.

3. Wenn du zur Kirche und Schulen gehest, so thue es nicht mit Widerwillen, sondern mit Lust und Freuden; versäume auch nicht die Catechismus-Ubungen; nimm die Bibel oder das Neue Testament, nebst dem Gesang-Buch, mit in die Kirche, die angeführten Sprüche zeichne oder schlage fleißig nach, behalte etwas, oder schreibe es auf, und über Tisch erzehle es deinen Eltern, oder in der Schule deinem Präceptor, und laß dich ferner unterrichten, damit das Wort GOttes an deinem Herzen Frucht schaffe, und durch böse Gesellschafften oder unheilige Wercke nicht wieder ersticket, und von deinem Herzen wieder gerissen werde, sondern bedencke, daß du GOtt jederzeit, und an allen Orten, im Geist und in der Wahrheit anbeten sollst.

4. Bewahre dein Herz, daß du dich nicht zerstreuest, und am Worte GOttes hinderst, durch Herumgaffen, Plaudern, Spielen oder andern Muthwillen. Wirst du unter der Predigt vom Schlaf angefochten, so stehe ein wenig auf, und suche dich desselben zu erwehren.

5. Unter dem Singen und Gebet nimm nichts vor, sondern singe und bete andächtig mit; schrey nicht so sehr, daß du dir an der Brust nicht Schaden thust, oder andern Leuten verdrießlich fallest.

[14] 6. Wenn du betest, so bedencke, daß du mit GOtt redest; stelle dich in tieffster Demuth deines Herzens und mit gefaltenen Händen vor Ihn, stehend, sitzend oder kniend.

7. Wenn GOttes Wort gehandelt wird, so bedencke, daß GOtt selbst mit dir rede; sey andächtig, ehrerbietig und aufmercksam.

8. Wenn im Beten oder Singen der Name GOtt und JEsus, oder HErr, Vatter, Christus und dergleichen genennet wird, so neige dich mit Herz und Liebe aus Ehrfurcht vor GOtt.

9. Sey stille und aufmercksam, und gib auch andern Kindern mit Unruhe, Plaudern und Muthwillen kein Aergerniß, sondern mit stiller Andacht ein gut Exempel. Habac. 3, 20.

10. Dein Buch schlage ohne Geräusch auf, und lerne nicht laut, sondern heimlich; bete aber, ließ und sage fein laut, deutlich, langsam und mit Verstand deine Lection in der Kirche und Schule, und gewöhne dich nicht durch die Nase oder sonst undeutlich zu reden.

11. Deine Lehrer halt in Ehren, und sey ihnen gehorsam. Nimm auch die Schul-Gesetze in acht, und hüte dich, daß du darwider nicht muthwillig sündigest.

12. Strecke dich nicht mit den Händen oder Leibe aus vor Faulheit, weder in der Schule noch vor andern Leuten.

13. Krieche nicht unter den Tisch oder Banck, sondern sitze ruhig; lauffe auch nicht immer hinaus, aus diesem und jenen Fürwand, damit dein Gemüthe nicht zerstreuet werde.

[15] 14. Stosse nicht mit dem Fuß an des andern Fuß, so gegen dir über sitzet. Setze nicht auf des andern Banck die Füsse, daß du nicht seine Kleider verderbest.

15. Spiele nicht mit den Fingern in den Hut, oder an der Mütze oder Schürze; ließ die Federchen nicht vom Rock ab.

16. Ziehe nicht die Schue, Rock oder Camisol aus; Lege nicht das Halstuch oder Haube ab; binde nicht die Schürze anders um; Thue die Hände nicht unter den Tisch.

17. Lege die Hand nicht auf des andern Achsel; knaupele nicht an den Händen und Fingern, zumahl wenn sie krätzig sind: vielweniger stecke die Hand in den Mund.

18. Sitze nicht so unverschämt, daß man die blosse Haut sehen kan, sondern halte deine Kleider fein zu.

19. Kirschen, Schoten oder ander Obst geniesse zu Hause mit Dancksagung; bringe aber keines mit in die Schule.

20. Siehe mehr auf dich, als auf andere; lache und höhne niemand aus, oder gieb jemand etwa üble Beynamen.

21. Rede niemahls eher, bis du gefragt wirst; verstehest du aber etwas nicht, so sey Lehr-begierig, und frage mit Bescheidenheit, wo und wie es sich schicket.

22. Laß dich nicht über eine Sache etlichemal erinnern, sondern sey weise, und folge bald.

23. Wenn du schreibest, so besudele weder die Hände noch das Gesicht; besprütze auch nicht mit Dinte die Stube, Bäncke und deine oder andere Kleider; nimm auch deine Feder-Büchse und Schreibe-Zeug in acht, und halte es sauber.

[16]
IV. Uberall zu allen Zeiten.

1. GEsell dich nicht zu bösen Buben, denn die verführen und verderben dich.

2. Geselle dich aber zu Frommen, davon du Besserung haben kanst.

3. An die Flüsse und Wasser gehe niemals, weil du in Gefahr kommen kanst.

4. Im Sommer bade dich nicht in dem Wasser; im Winter glandre nicht auf dem Eiß; wirff dich nicht mit Schnee-Ballen; fahre nicht auf dem Schlitten. Habe keinen Gefallen am Muthwillen und frechen Spielen.

5. Hüte dich, das du nicht auf den Jahr-Märckten herum lauffest, oder bey den Narren, oder auch bey den spielenden Kindern sitzest; besuche auch keine Comödien.

6. Hüte dich, daß du nicht in garstigen schändlichen Büchern liesest; auch daß du nicht in der Charte, Würffel oder Bret-Spiele spielest.

7. Wenn du Geld bekommest, so gieb es aufzuheben, damit du nicht Gelegenheit haben mögest, allerhand zu naschen; werden dir aber ein paar Pfenninge gegeben, so siehe zu, daß du es nicht verschwendest, sondern ordentlich anwendest.

8. Kömmt ein Fremder oder guter Freund in das Haus, so heisse ihn willkommen, und wenn du ihm die Hand geben sollst, so gieb ihm nicht die Lincke, sondern die Rechte, halte aber die Hände aus unzeitiger Schamhafftigkeit nicht vor die Augen, auch kehre ihm den Rücken nicht zu.

[17] 7. Sey bald bemühet, daß du ihm einen Stuhl bringest, darauf er sich niedersetzen könne.

8. Dein Gesicht verstelle nicht durch Runzeln der Stirn, und durch Sauer-sehen.

9. Wirst du von jemanden gefraget, so richte dein Haupt auf, und antworte nicht mit Kopff-Nicken, sondern mit Worten.

10. Laß dich nicht etlichemal fragen, und sey nicht stöckisch, sondern antworte, sobald du gefraget wirst, doch mit Bedacht, Freundlichkeit, Demuth und Bescheidenheit.

11. Wenn du den Mund voll Essen hast, so rede niemahls mit einem, sondern iß zuvor hinunter.

12. Falle dem, so mit dir redet, nicht ins Wort, sondern laß ihn ausreden; hast du etwas zu widersprechen, so bitte um Erlaubniß.

13. Wenn du andere hörest mit einander reden, so schweige still, bis sie dich fragen, oder gehe gar auf die Seite.

14. Wenn du siehest, daß jemand in der Stube etwas zu schreiben, oder sonst vorhat, mache kein Geräusche, damit du ihn nicht hinderst, vielweniger plaudere.

15. Wenn du zu Leuten gehen willst, so lauffe nicht gleich hinein, sondern klopffe bescheidentlich an.

16. Triffst du sie über der Mahlzeit an, so sprich: Geseegnete Mahlzeit! neige oder bücke dich aber jedesmahl, doch scharre mit dem Fuß nicht zu weit hinten aus.

17. Kommst du zu jemand, der Geld auf dem Tische oder sonsten etwas liegen, item ein Schränckgen eröffnet hat, so tritt nicht nahe hinzu.

[18] 18. Hüte dich, daß du niemand behorchest, weder von ferne, noch auch an der Stuben-Thür. Denn es ist eine Unvernunfft, einem an der Thüre horchen. Sir. 21, 26.

19. Wenn dir jemand was schencket, so nimm es mit aller Ehrerbietigkeit und Dancksagung an, und zwar mit der rechten Hand; hast du etwan Handschuh an, so ziehe den von der rechten Hand zuvor ab.

20. Versprichst du etwas, so suche es zu halten, damit dein Thun Wahrheit sey; siehest du aber vorher, daß du es nicht halten kanst, so versprich es nicht.

21. Deinen Reverenz mache allezeit tieff und langsam mit erhabnen Gesichte beym Kommen und Weggehen: Den Rücken aber kehre einem niemals zu.

22. Aussen vor der Thür nimm deinen Hut schon ab, und schmeiß die Thür nicht so hart zu.

23. Wenn jemand nieset, so bücke oder neige dich, und sey höflich gegen ihm.

24. Die Nase halte rein, grüble aber vor andern Leuten nicht so darinnen, noch rümpffe dieselbe.

25. Wenn du dich schneutzest, so kehre dich auf die Seite; wirff den Unflath nicht so herum; wische ihn auch nicht auf den Ermel, sondern brauche ein Schnupff-Tuch darzu, und dieses zieh nicht halb, sondern ganz aus der Tasche: Besiehe aber auch hernach den Unflath nicht.

26. Wenn du ausspeyest, so thue es vor dich gerade hin, niemals aber weit von dir; halt deine Hand vor, und den Fuß darüber, scharre aber nicht, daß nicht ein Geräusch entstehe.

[19] 27. Wenn du gähnest, so halte die Hand vor den Mund: Des Rölpens aber und Auslassens enthalte dich gänzlich.

28. Halte deine Kleider, Schuh und Strümpffe sauber und rein, und gehe nicht schlotterig einher.

29. Wenn etwas davon zerrissen ist, so lasse es beyzeiten flicken, und gehe nicht aus, du habest denn ganze, obgleich alte, Kleider.

30. Die Nägel schneide fleißig ab.

31. Wenn du zur Kirche gehest, so thue es mit Lust und Freuden; nimm die Bibel, oder das Neue Testament, nebst dem Gesang-Buch, mit; die angeführten Sprüche schlage fleißig nach, behalte etwas, oder schreibe es auf, und über Tische erzehle es deinen lieben Eltern.

32. Bewahre dein Herz, daß du dich nicht zerstreuest, und am Wort GOttes hinderst, durch herum gaffen, plaudern und spielen.

33. Auf Hochzeiten, Kind-Tauffen, Kirch-Messen, Meister-Essen, guten Montagen, und andern Schmausereyen, bist du in Gefahr, weil mehrentheils dieselbe nur mit Fressen, Sauffen und Tanzen, aber nicht in Gottesfurcht, zugebracht werden.

34. Bey Begräbnissen sey lieber, und erinnere dich deines Todes. In das Trinck-Haus gehe gar nicht, wenn dich auch gleich jemand darzu verleiten wollte; da wohnet GOtt nicht.

35. Im Lachen mäßige dich: Uber eines andern Schaden und Fall, oder Bosheit, lache niemals.

36. Siehest du ein Kind fallen, so fange nicht an zu lachen, und gehe nicht vorüber, sondern hilff ihm wieder auf.

[20] 37. Hüte dich, daß du nicht die Wände, Tische und Bäncke mit Kreide, Dinte oder Koth beschreibest und beschmierest, noch auch mit dem Messer etwas davon abschneidest.

38. Alles, was du von feinen Leuten wohlanständiges siehest, dessen befleißige dich.

39. Sey gegen jedermann freundlich, höflich, dienstfertig und ehrerbietig, absonderlich aber gegen deinen Eltern, Präceptoren und Befreunden, weil solche dir näher verwandt sind, als Fremde, theils für dein geistliches Leben sorgen.

40. Denenjenigen, so dir auf einige Weise Wohlthat erzeigen, suche dich danckbar zu erweisen, und des Empfangenen nimmermehr zu vergessen; ja ist es möglich, so erwiedre solches durch würckliche Dienste: Denn Undanck ist das größte und schändlichste Laster.

41. Obrigkeitliche Personen venerire und ehre mit sonderlichen Respect, denn sie stellen GOttes Bild auf Erden vor.

42. Was dir befohlen wird, das verrichte augenblicklich, oder so du nicht im Stande bist, so entschuldige dich freundlich, und bitte um Gedult.

43. Enthalte dich alles Murrens, Widersprechens, und unhöflichen Auffahrens, sowohl gegen jedermann, als sonderlich deine Vorgesetzte.

44. Alte Leute verspotte nicht, sie sind auch jung gewesen, wie du, und du kanst vielleicht auch alt werden, wie sie.

45. Siehest du jemand fallen, oder sonst in Unglück kommen, so lache dessen nicht, denn es kan dir auch [21] begegnen; hilff ihm aber, wo es möglich ist, und so du nicht die Krafft hast, so ruffe andere zu Hülffe.

46. Wirst du von jemand unhöflicher Weise angefahren, verschimpffet, beleidiget, oder unrecht bechuldiget, so ertrage solches mit Gedult und Stillschweigen, oder so andere zugleich vorhanden, so entschuldige dich modest, und wenn dir Gewalt geschehen, so klage daselbst, wo du Hülffe haben kanst.

47. Hat dir jemand Unrecht gethan, und erkennet solches, so vergib ihm sein Verbrechen, auch so er dir solches gleich nicht abbittet; hüte dich aber, Zorn und Rachgier im Herzen zu hegen, denn dieses vertreibt den Geist GOttes.

48. Mit denen andern Knaben sollt du dich weder zancken noch schlagen: Dieses zu vermeiden, hüte dich vor Uneinigkeit, und vor dem Umgange mit boshafften und ungezogenen Kindern.

49. Sey kein Wäscher und Zeitungs-Bringer; sage auch nicht dem andern, was dir von ihm gesagt worden, damit du andere nicht in einander hetzest, noch selbsten in Verdruß kommest.

50. Die Fehler und Bestraffungen deiner Mitschüler sage nicht nach, es bringt Verdruß und Haß, aber keine Besserung.

51. Unter deinen Mitschülern habe keinen öffentlichen Feind, den du dir durch Beleidigung machest; erwähle dir aber ein oder zwey fromme und wohlgezogene Kinder zu Freunden, mit denen du deine Lection wiederholest, und einander keine Aergerniß gebet.

52. Vor unzüchtigen Bildern, Worten und Gesängen hüte dich; meide grobe Schrifften und unschamhaffte [22] Possen, und geselle dich nicht leicht zu groben und unflätigen Gesinde.

53. Halte dich in deiner Kleidung und an deinem ganzen Leibe reinlich, das macht dich nicht nur denen Leuten angenehm, sondern zeigt auch, daß ein reiner Geist in einem reinen Leibe wohne.

54. Meide aber allen Stolz und Hoffart; prange nicht mit denen die gegebenen neuen Kleidern, sondern dencke, daß es eine Decke unserer Sünden und Schwachheit sey.

55. Bey Tische halte dich mäßig, iß dich aber satt, daß du zwischen Mahlzeiten nicht wieder Speise fordern müssest; auch übersacke dich nicht, daß du dadurch zu deinen Verrichtungen nicht träge und ungeschickt werdest.

56. Hast du nach etwas ein Verlangen, so bitte deine Eltern bescheiden darum, und wenn du es empfangen, so dancke freundlich: Bekommest du es nicht, so trotze nicht, sondern gedencke, daß sie besser wissen, was die dienlich sey, als du selbst.

57. Müßiggehen laß dir nimmer belieben, es schwächet Geist und Leib, und gibt Gelegenheit zu Sünden: Darum arbeite allezeit, nur hüte dich, was sündliches und unnützliches zu thun.

58. Nimm dir nicht etwas Gefährliches, oder was deine Kräffte übersteiget, vor, für dich alleine zu thun, damit du weder am Leibe noch Leben Schaden nehmest.

59. Siehe, daß du alles, was dir nöthig, selber habest: So dir aber etwas fehlet, so entlehne solches bey jemand anders, nim es aber nicht ungemeldet hinweg.

60. Wenn du das Geborgte gebrauchet, so gib es [23] seinem Besitzer mit Danck wieder, und behalte ja nicht für dich, was nicht selbst dein eigen ist.

61. Spricht dich jemand an, ihm etwas zu lehnen, das thue willig, so ferne es in deinem Vermögen stehet: Mercke aber, wem du was leihest, daß du aus Unachtsamkeit nicht drum kommest.

62. Was dir gegeben wird, das nimm mit höflichem Danck an; und so es auch wenig wäre, so sey vergnügt damit: Laß dichs aber nicht verdriessen, wenn andre mehr als du bekommen, denn Neid und Geitz sind zwey derer schändlichsten Laster.

63. Hüte dich vor Lügen, welche sonderlich der Jugend ein heßlicher Schandfleck sind; und schäme dich nicht, lieber zu gestehen, wo du geirret hast, als mit Läugnen und Erdichtung falscher Dinge dein Verbrechen zu beschönigen.

64. Suche niemand zu betrügen, noch mit falschen Worten dasjenige, was sein ist, abzuschwatzen, ihm das Deinige anzuloben, und hinters Licht zu führen.

65. Hüte dich für Kaupelen, es ist der erste Anfang zum Diebstahl. Behalt, was dein ist, und laß einem jeden, was sein ist.

66. Wenn du von jemanden etwas Böses oder Schändliches reden hörest, so verschweige solches, und trage es nicht bey andern aus, damit du seinem ehrlichen Namen, wenn er unschuldig wäre, nicht Abbruch thust.

67 Höre nicht gerne die Ohren-Blåser, noch die Verläumder, sie sind des Satans Boten, und verrichten sein Amt. Hüte dich auch selbst, daß du auf niemand etwas erdichtest, und gewöhne dich nicht, neue Zeitungen und Geschwätze umher zu tragen.

[24] 68. Wenn du etwas von Geld zu deinem eigenen Gefallen anzuwenden hast, so verschleudere solches nicht, denn dadurch gewöhnest du dich zur Verschwendung, die zuletzt das Armuth mit sich führet.

69. Sehne dich nicht gute Bißlein zu essen, und verlange nicht leckerhaffte Speisen, sondern vergnüge dich mit deiner ordentlichen Kost, denn dieses erhält deine Gesundheit, jenes macht Leib und Gemüthe weich; Folge darinnen Daniels und seiner Gesellen rühmlichen Exempel.

70. Verklage niemand leichtlich, sondern vertrage lieber ein kleines Unrecht; ist dirs aber zu leiden nicht möglich, oder ist dir dein Widersacher zu aufsätzig, so belange ihn bey deinen oder seinen Vorgesetzten.

71. Gib niemanden Ursache, dich zu verklagen, und hüte dich, auch den Geringsten zu beleidigen.

72. Wirst du zu Unrecht angeklaget, so beweise deine Unschuld gründlich und sittsam.

73. Wenn jemand seiner Bosheit wegen gestraffet worden, so freue dich nicht darüber; rücke ihm auch weder sein Verbrechen, noch die erlittene Straffe weiter auf.

74. Siehest du jemand eines Verbrechens wegen straffen, so prüfe dich, ob du nicht auch solche Schuld habest, oder es anderweit verdienet? Schlage in dich und bessere dich.

75. Wenn du bey deinem Lernen was fassest, und es andern fürthun solltest, so bilde dir nichts darauf ein; wer weiß, worinnen andere dich wieder übertreffen? [25] treffen? dancke aber GOtt für den Seegen, den Er dir hierinnen verliehen.

76. Achte niemanden gering und verächtlich, so schlecht er auch scheinet, denn in kurzer Zeit kan sich viel ändern, und offt aus einem elenden Kerl noch ein geschickter Mann werden.

77. Siehest du, daß andere gelehrter und geschickter als du sind, so mißgönne es ihnen nicht, sondern bemühe dich vielmehr, durch Fleiß und Gebet ihnen nachzufolgen.

78. Menge dich nicht in allzuviele Dinge; Wer alles lernen will, thut in keinem etwas rechtes, daher bleib bey einem, lerne es gründlich, denn Stümpler sind dem gemeinen Wesen nur eine Last.

79. Habe keinen Gefallen an Gauckeleyen und Brod-losen Künsten, sie zerstreuen dein Gemüthe, und du hast bey solchen keinen Beruff, auch keinen Seegen von GOtt zu erwarten.

80. In Worten sey lieber sparsam, als zu frey; denn Reden bringt viel in Schaden: Was du aber reden mußt, das sage mit Bedacht, deutlich, und siehe ihm munter in die Augen.

81. Mußt du in Gegenwart fürnehmer Leute reden, so schäme dich nicht, schlage nicht die Augen stets zur Erden, stottere und übereile dich nicht, fasse aber deine Rede aufs kürzeste, erzeige dich höflich und ehrerbietig dabey.

82. Du redest aber mit wem du wollest, so gewöhne dich nicht aus vollem Halse zu schreyen; murmele aber auch nicht unverständig, sondern rede laut.

[26] 83. Auf der Gasse einem nachschreyen, oder im Hause mit grossem Gethön ruffen, ist wider die Ehrbarkeit.

84. Tadele nicht anderer Leute Thun in Gegenwart anderer, es ist möglich, daß du es nicht sattsam verstehest, oder daß die, so es hören, dir darüber gram werden.

85. Glaube nicht alles, was dir die Leute sagen, denn die Welt ist betrüglich; doch stelle dich nicht, als ob du an etwas zweiffeltest.

86. Sey lieber um erwachsene und alte Leute, von denen kanst du was lernen, wenn sie selbst tugendsam sind, als bey jungen rohen Leuten, die dich durch ihr Exempel verführen.

Dein Lebenlang habe GOtt vor Augen und im Herzen, und hüte dich, daß du in keine Sünde willigest, noch thust wider GOttes Gebot. Tob. 4, 6.

[27]
Eines
Klugen Vatters
Kurzer,
doch fürtrefflicher,
Denck-Zettel,
Zu
einer honnetten Aufführung
vor seine Söhne.

[28]      Liebsten Söhne!


EHret euren Schöpfer mit einer geziemenden Furcht; setzet euer unverrücktes Vertrauen auf desselben Vorsorge, und flehet Ihn um kräfftige Hülffe an.

Lasset eine ungemeine Hochachtung eines heiligen Lebens, und einen ernsthafften Abscheu der Gottlosigkeit von euch spühren.

Lasset euer Christenthum, doch ohne Gleißnerey, erblicken; seyd andächtig; doch sonder Aberglauben.

Bedienet euch eurer Vernunfft, mehr zu einer Beruhigung, als zur Stöhrung der höchst-angenehmen Ruhe.

Hasset diejenigen nicht, so einer andern Religion zugethan.

Liebet euren Nächsten, und verzeihet ganz gütig euren Feinden; aber verlasset euch nicht das geringste auf dieselben.

Hütet euch vor Schande, und trachtet dahin, daß ihr in keine Verachtung gerathet.

Seyd kühn, sonder Verwegenheit; beständig, sonder Eigensinn; freygebig, ohne Verschwendung.

[29] Haltet euch zur besten Gesellschafft; meidet andere, doch so, daß ihr selbigen keine Verachtung zu erkennen gebet.

Ehret einen jeden, nachdem es sein Stand und Meriten erfordern. Erweiset euch in allen dem, so einen honetten Menschen wohlanständig ist, dienstfertig; doch treibet keine Kinder-Possen.

Haltet euch sauber, doch so, daß es nicht affectirt heraus komme.

Setzet das Heyl eurer Seelen niemahls in Gefahr, in Willens, euer Glücke fester zu setzen.

Erweiset euren Eltern und Obern gebührende Ehre, nicht aus Zwang, sondern aus Liebe und Schuldigkeit; dieses schmecket nach einer annehmlichen Freyheit, jenes nach einer verdrießlichen Sclaverey.

Umarmet die Liebens-würdige Jugend, und hasset alle Laster: Denn es ist nichts abscheulicher, als ein Lasterhaffter.

Bemühet euch mit honetten Leuten umzugehen; fliehet die Conversation derjenigen, so dem Spielen nachhängen. Entschlaget euch aller Aufschneider, aller Verläumder, aller Zänckischen und Ruchlosen. Entziehet euch allezeit derselben ohne Streit und Weltläufftigkeit.

Haltet alle dasjenige, wozu ihr euch verpflichtet. Machet euch nicht zu gemein.

Untersuchet aufs möglichste, worinnen eure Kräfften, und worinnen eure Schwachheiten bestehen.

[30] Verwundert euch niemahls über anderer Leute Meriten, denn ein jeder hat seine Fehler.

Betrachtet diejenigen, so geringer, wie ihr, seynd, so werdet ihr weit grössere Ruhe besitzen.

Liebet so sehr die Klugheit und Mäßigung, so sehr man sonsten einen gar zu zornigen und tollen Menschen zu hassen pfleget.

Schicket euch in die Zeit, schicket euch in die Leute, und betrachtet den Ort, da ihr lebet.

Erdultet dasjenige, so nicht zu ändern stehet, ohne Herz-fressende Bekümmerniß.

Folget in allen Dingen derselben Meynung, so die mäßigste scheinet, so, daß ihr weder jemanden tadelt noch verdammet.

Führet euch gegen jedweden ganz freundlich auf; weil nichts so wohl stehet, als wenn man etwas von seinem Rechte abtritt.

In euren Kleidern, in euren Reden, und in allen eurem Thun lasset nichts absonderliches, nicht gar zu prächtiges hervor blicken.

Strebet dahin, wie ihr erlernen möget, mit eurem Stande zufrieden zu seyn, und deßwegen keinen Unmuth mercken zu lassen. Studiret diese Regeln fleißig, denn der ist der glücklichste Mensch von der Welt, der seine Zufriedenheit bey sich selber kan antreffen.

Wiedmet euch der bey allen beliebten Höflichkeit, indem nichts schädlicher, als tölpische Sitten an sich haben.

[31] Widersprechet niemahls, und lebet bemühet, daß ihr euch nicht bey andern verdrüßlich machet. Erdultet die Fehler eurer Freunde, seyd großmüthig und barmherzig. Entschlaget euch aller Håndel.

Enthaltet euch der Mißgunst und Verstellungen. Denn jenes ist ein Zeichen eines sehr schlechten Verstandes, und dieses ein Zeichen eines leichtfertigen Gemüths.

Liebet einige Gemüths-Belustigungen; doch sonder Hintansetzung eurer Schuldigkeit. Seyd kein Liebhaber des Spielens.

Bezeiget euch demüthig bey gutem Glücke, und standhafftig in dem Unglücke, so euch ohne eure Schuld zustößt.

Haltet die Gerechtigkeit in Ehren, und gebet allezeit eure Erkänntlichkeit zu erkennen; aber haltet niemahls Rechnung von euren Wohlthaten, denn wenn man sie in Vergessenheit stellet, bemühen sich diejenigen, so sie empfangen, sich desto verdienter zu machen.

Hütet euch, daß ihr einem Fürsten nichts Pedantisches vorbringet, noch dasjenige, so gar zu hoch heraus kommet.

Stellet euch nicht gar zu hoffärtig, nicht gar zu geschäfftig, auch nicht gar zu schmeichelnd an. Traget eine geziemende Liebe gegen eure Familie, und stöhret zu keiner Zeit derselben Wohlstand. Dieses ist eine von den größten Annehmlichkeiten des Lebens. Und das Unglücke, so sich in eurem Hause zuträget, müßt ihr nimmermehr ausplaudern.

[32] Entbrechet euch alles Müßiggangs. Denn man kan einem den Titul eines honetten Menschen nicht zu eignen, daferne man nicht einiger Arbeit ergeben.

Verdammet den schändlichen Geitz, und suchet nicht in allen Sachen euren Vortheil.

Beobachtet eines andern Fehler; aber lasset es euch nicht mercken, daß ihr sie sehet.

Meidet die Unmäßigkeit, und lebet ganz ordentlich. Das unordentliche Leben ist der Jugend sehr angenehm; aber es ruiniret dieselbe im höchsten Grad.