Kritische Kundschaft
[68] Kritische Kundschaft. (Zu dem Bilde S. 57.) „Frische Eier – sechsundzwanzig für eine Mark!“ Der verlockende Ruf zieht die Hausfrauen scharenweise herbei; nur sprechen sie mit Dr. Faust:
- „Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“
Wenn nur drei faule unter den sechsundzwanzig sind, so ist der ganze Profit hin – man hat Erfahrungen, man ist gewitzigt! Also beginnt sofort eine allseitige eifrige Untersuchung. Streng wissenschaftlich, hält die alte Professorsfrau das Ei vor das Auge, während die dicke Haushälterin eine auf Ueberlieferung beruhende Perspektivwirkung zu erzielen sucht. Die Rentiersgattin in der Sammetmantille, welche den Eierkauf grundsätzlich keinem Dienstboten anvertraut, kennt das Geheimniß des Griffes beim Herausheben, die Arbeiterfrau daneben macht es einfacher und hält ein zersprungenes an die Nase; alle, auch die soeben mit einem gefüllten Korbe abziehende Händlerin, die noch einen vergleichenden Blick zurückwirft, sind voll Mißtrauen. Das macht aber dem alten ehrlichen Hannes nichts. Er steht wie der Fels in der Brandung, unbewegt, mit seiner Pfeife im Munde, er versteht sich auf den Markt – und die Weiber – und den Eierverkauf. Nur eines scheint er nicht recht zu verstehen: das richtige Herausgeben. Kopfschüttelnd zählt die Alte rechts die erhaltenen Nickelstücke wiederholt durch, auch die Herrschaftsköchin mit den gebrannten Löckchen, welche eine nähere Prüfung der Eier unter ihrer Würde erachtete, findet doch an dem Mißverhältniß zwischen ihrer und seiner Rechnung etwas auszusetzen und wirft dem alten braven Hannes einen entrüsteten Blick zu, der ihn freilich gerade so gleichmüthig läßt als die Zweifel der übrigen Kundschaft. Ja es scheint sogar, als entwickle sich ein ganz leises Schmunzeln in seinem verwetterten Gesicht, wenn er ihre eifrigen Bemühungen betrachtet!
Es ist ein hübsches Stückchen aus dem lebhaften Treiben eines großstädtischen Marktes, welches hier der Künstler mit Geschick und Humor herausgegriffen hat.