Kreuzeswissenschaft/Erhellung des Schaffensprozesses

« Aufbau und Zielstellung des Werkes Edith Stein
Kreuzeswissenschaft
Edith Steins Persönlichkeit im Lichte der Kreuzeswissenschaft »
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§ 3. ERHELLUNG DES SCHAFFENSPROZESSES

Der Schaffensprozeß bleibt im allgemeinen das Geheimnis des Autors. Das Schaffensprodukt, formal vollendet in Maschinen- oder Druckschrift, verrät wenig oder nichts über den Werdegang des Gedankengebäudes und seiner Darstellung. Überdies verwischen sich in der endgültigen Fassung durch die innere und äußere Vollendung des Werkes, dem Grad dieser Vollendung entsprechend, die Züge seiner Entstehungsgeschichte.

Vom Standpunkt der Bewertung des Schaffensprodukts ist es gerechtfertigt, allein seine letztliche Form als vollgültig anzuerkennen, demgegenüber Bemühungen, den Schleier des Geheimnisses um seinen Werdegang zu lüften, als sachlich wertlos, persönlich indiskret abzulehnen. Anders stellt sich die Frage gegenüber den Aufgaben: Rekonstruktion eines nachgelassenen Manuskriptes, dessen Blätter verstreut teils in der geistlichen Heimstätte der Autorin zurückgefunden, teils aus den Trümmern eines benachbarten Klosters aufgelesen werden konnten; und Rekonstruktion des geistigen Portraits der Autorin selbst, die, frühvollendet im Opfertod der Deportation, von den Trümmern unseres Zeitalters begraben wurde. Hier kann ausschließlich der Einblick in den Schaffensprozeß Auskunft geben über die Konzeption des Werkes und über den Grad seiner Vollendung. Zugleich liefern das inhaltliche und formale Studium der Aufzeichnungen sowie die Auswertung der Skizzen und Notizen Anhaltspunkte für die Umreißung des geistigen Portraits E. Steins in ihrer letzten Lebens- und Schaffensperiode.


Im besonderen waren er drei formale Merkmale, die in dem vorliegenden Manuskript den Weg zur Erforschung des Schaffensprozesses wiesen: das Schriftbild, die Ausschaltung von Blättern und die zweifache Abänderung der Seitenzählung.

Das Schriftbild ist in dreifacher Hinsicht aufschlußreich für den Nachweis und die chronologische Ordnung der Schaffensstadien: Feder, Tinte (Fluß und Farbe), Schrift (Größe und Duktus). Aus den verschiedenen Verbindungen, in denen diese Merkmale in Erscheinung treten, heben sich zwei Typen des Schriftbildes voneinander ab, von denen sich das, wie wir später erkennen werden, chronologisch ältere Schriftbild unter zwei Aspekten darstellt:

[287]

Schriftbild I a) Feder: Füllfeder: spitz - weich
Tinte Fluß:
Farbe:
schwach
grünlich - bläulich
Schrift Größe:
Duktus:
sehr klein - klein
zart / ohne Druckakzente
b) Feder: Füllfeder: spitz - weich
Tinte Fluß:
Farbe:
schwankend: schwach - normal
schwankend: grauschwarz - schwarz
Schrift Größe:
Duktus:
klein - mittelgroß
zart / Druckakzente
Schriftbild II Feder: Füllfeder: breit - weich
Tinte Fluß:
Farbe:
normal
wässerig / grünlich - bläulich, vereinzelte Worte (Buchstaben) grauschwarz
Schrift Größe:
Duktus:
mittelgroß
kräftig / Druckakzente

Für beide Schriftbilder charakteristisch sind starke und häufige Schwankungen zwischen gleichmäßiger, kalligraphischer Federführung einerseits und ungleichmäßiger, zunehmend flüchtiger Federführung andererseits. In noch hervorstechenderer Weise treten diese Schwankungen in der globalen Betrachtung des Blattspiegels hervor. Sie legen als psychologische Deutung im ersteren Fall eine Arbeitsweise in ausgeglichener Verfassung nahe, im letzteren hingegen eine stark nervöse Haltung, sei es infolge des übermäßig raschen Fluges der Gedanken, sei es infolge nervlicher Überreizung.

Stellt sich nun die Frage der chronologischen Bestimmung der Schriftbilder, inhaltlich und formal, im Zuge der Ausarbeitung des Werkes und im Rahmen der einzelnen Seiten. Dieser Vergleich der Manuskriptblätter führt zu dem folgenden Ergebnis:


1. In der Niederschrift des Textkerns finden sich alle Schriftbilder vertreten.

2. Korrekturen im Textkern, geschrieben im Schriftbild I, tragen stets den Charakter des Schriftbildes Ib oder des Schriftbildes II.

3. Ergänzungen im Textkern, geschrieben im Schriftbild I, tragen, insofern es sich um Anmerkungen, Umarbeitungen oder Einschübe längerer Abschnitte handelt, die Züge des Schriftbildes Ib oder des Schriftbildes II; insofern es am Rand angezeigte Gliederungsbezeichnungen und Überschriften sind, ausschließlich die Züge des Schriftbildes II.

4. Nirgends finden sich umgekehrt im Textkern, geschrieben im Schriftbild II, Korrekturen oder Ergänzungen in einem der Aspekte des Schriftbildes I.


[288] Hieraus folgt: Zum ersten ist Schriftbild I einem chronologisch dem Schriftbild II voraufgehenden Schaffensstadium zuzuordnen. Zum zweiten ist den beiden Aspekten des Schriftbildes I chronologische Bedeutung beizumessen: das Schriftbild Ia geht dem Schriftbild Ib voraus.

Die ausgeschalteten Blätter konnten durch Nachweis des dem Wortlaut nach entsprechenden Textabbruchs oder der dem Sinngehalt entsprechenden Einsatzstellen eindeutig identifiziert werden. Dadurch wurde sowohl ihre Zugehörigkeit zu dem vorliegenden Werk als auch ihre ursprüngliche Position im Manuskript vor ihrer Ausschaltung oder Umarbeitung festgestellt. Im Zuge dieser Prüfung von Textübergängen konnte gleichzeitig ermittelt werden, daß die Zahl der erhaltenen ausgeschalteten Blätter keineswegs der Gesamtzahl der im Laufe des Schaffensprozesses ausgeschalteten Blätter gleichzusetzen ist. Uns erhalten sind insgesamt rund 40 Blätter, ihrer einstigen Stellung nach zugehörig zum Inhaltsverzeichnis, zur Einleitung und zu den beiden ersten Teilen des Werkes. Im Rahmen des Inhaltsverzeichnisses und der Einleitung finden sich Belege für zweimalige Ausschaltung von Blättern, resp, zweimalige Umarbeitung der betreffenden Texststellen[1]. Hinsichtlich Federführung finden sich alle Schriftbilder vertreten, doch weist die Mehrzahl der Blätter das Schriftbild Ia auf. Die Beschreibung und Einordnung der erhaltenen ausgeschalteten Blätter ist aus der nebenstehenden Tabelle ersichtlich[2]. Aus dieser Gegenüberstellung der ungültigen Blätter und der entsprechenden Abschnitte des Manuskripts kann auch abgelesen werden: die chronologische Ordnung der Blätter; das chronologische Verhältnis der Schriftbilder zueinander.

Die Abänderung der Seitenzählung ist unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten: dem Zahlenbild und dem Schriftbild.

Für das Zahlenbild ist kennzeichnend: die Zahl selbst wird verändert und zwar stets erhöht; demgegenüber bleibt die ursprüngliche Folge der Blätter unverändert. Mit anderen Worten: den ausgeschalteten [289]

AUSGESCHALTETE BLÄTTER
(erh. ausg. Bl.: alte Seitenzählung)
MANUSKRIPT
(letztgültige Seitenzählung)
Schriftbild: Schriftbild:
Ia Ib II Ia Ib II
Inhaltsverz., S. 1-2
S. 1-5 / S. 2
S. 8-13
S. 17-19
nicht erhalten
S. 24a, b
nicht erhalten
S. 36-43
S. 139b, c / S. 141 /
unnummeriertes Blatt
S. 215-216 / S. 218-219
nicht erhalten
S. 256
nicht erhalten


S. 317-320
S. 325-340
Inhaltsverz., S. 2-3




        /

    /

/







S. 417





        /

    /

/







S. 260-267
nicht erhalten






        /        

    /        

/        







Einleitung, S. 1-9
Einl., - 1. T., S. 9-14
1. Teil, S. 17-19
1. Teil, S. 21-24
1. Teil, S. 25-27
1. Teil, S. 28
1. Teil, S. 39-46
2. Teil, S. 141-144


2.Teil, S. 251





2. Teil, S. 367-370
2. Teil, S. 375-394
3. Teil, S. 417-430
Inhaltsverz., S. I-III








2. Teil, S. 215-220

2. Teil, S. 256
2. Teil, S. 257-258
2. Teil, S. 2590.6
2. Teil, S. 260-305


3. Teil, S. 430-432

[290] Blättern entsprechen erweiterte Texteinschübe an den entsprechenden Stellen des Manuskripts.

Hinsichtlich Schriftbild heben sich folgende Grundtypen der Schreibweise ab:

Bleistift I, verwandt: Schriftbild I
Bleistift II, verwandt: Schriftbild II
Rotstift, verwandt: Schriftbild II
Tinte, Schriftbild Ib
Tinte, Schriftbild II

Diese Grundtypen treten in mannigfaltigen Kombinationen in Erscheinung, die im Vergleich ihrer gegenseitigen Überlagerung oder Aufeinanderfolge eine chronologische Klassifizierung des Schriftbildes zulassen. In Übereinstimmung mit dem aus der zeitlichen Bestimmung des laufenden Textes gewonnenen Ergebnis gruppieren sie sich im Sinne dreier Arbeitsphasen, deren letzte im Zuge der Überarbeitung die beiden vorhergehenden abermals revidiert. So spiegelt die Seitenzählung in ihren verschiedenen Aspekten des Schriftbildes den Schaffensprozeß in drei Stadien gegliedert wieder:

Stadium I: Bleistift I
Stadium II: Tinte, Schriftbild Ib (Abk. Tinte Ib)
Bleistift I, korrigiert in Tinte Ib
Stadium III[3]: Tinte, Schriftbild II (Abk. Tinte II)

Bleistift I, korrigiert in Tinte II
Tinte Ib, korrigiert in Tinte II
Tinte II, korrigiert in Tinte II
Bleistift I, zweifach korrigiert in Tinte II
Bleistift I, zweifach korrigiert in Tinte II; letztgültige Seitenzahl wiederholt in Rotstift
Bleistift I, korrigiert in Rotstift
Bleistift II
Bleistift I, korrigiert in Bleistift II
Bleistift II, korrigiert in Rotstift


[291] Für das erste Stadium ist demnach die Grundtype Bleistift I charakteristisch; für das zweite Stadium die Grundtype Tinte Ib. Im dritten Stadium wird die Seitenzählung im Aspekt des Schriftbildes II in Tinte, Blei- oder Rotstift geschrieben.

Wir haben im Vorhergehenden die formalen Merkmale: Schriftbild, Ausschaltung von Blättern und Abänderung der Seitenzählung näher umschrieben. Hieraus ergab sich die Möglichkeit, jedes der Merkmale auch chronologisch zu bestimmen. In Zusammenfassung dieser von verschiedenen Standpunkten aus gewonnenen zeitlichen Anhaltspunkte erscheint die Hypothese einer Gliederung des Schaffensprozesses in drei Schaffensstadien begründet:

Schaffensstadium I: Entwurf in Schriftbild Ia.
Blätter dieses Entwurfes können im Inhaltsverzeichnis, in der Einleitung, im 1. und 2. Teil bis S. 375 des Manuskripts nachgewiesen werden.
Schaffensstadium II : Überarbeitung und Fortsetzung des Entwurfes in

Schriftbild Ib.
Die Überarbeitung erstreckt sich über den gesamten Entwurf. Sie ist formal aus Verbesserungen im Blattspiegel und aus dem Einschub neugeschriebener Abschnitte oder Blätter ersichtlich.
Die Fortsetzung des Entwurfes gedeiht bis zur Vollendung des 2. Teils und zur Niederschrift des 3. Teils bis S. 344 des Manuskripts.

Schaffensstadium IIIa: Abermalige, teilweise zweifache Überarbeitung und

Fortsetzung der im vorhergehenden Stadium revidierten Fassung des Entwurfes.
Die Überarbeitung betrifft in erster Linie: den 2. Teil ab ca. S. 200 bis ca. S. 358 des Manuskripts; das Inhaltsverzeichnis; Fußnoten und Gliederungsbezeichnungen im Text.
Als Fortsetzung werden neu entworfen: S. 444-464 des 3. Teils und das Vorwort.

Schaffensstadium IIIb: Durchsicht dieser letztgültigen Fassung mit Eintragung vereinzelter Korrekturen und Ergänzungen[4].


[292] Das Schaffen bricht mit der im dritten Stadium vollendeten Beschreibung des Todes des hl. Johannes vom Kreuz ab. Der Schlußabschnitt, der zweifellos gedanklich bereits konzipiert war, konnte nicht mehr schriftlich niedergelegt werden. Ebensowenig konnten als nächstfolgende und letzte Arbeitsetappe durchgeführt werden: die Ergänzung des Inhaltsverzeichnisses in Hinsicht auf den 3. Teil, die Durchsicht der neugeschriebenen Blätter und die Angleichung der Seitenzählung des 3. Teils an die des 2. Teils in ihrer letztgültigen Fassung.

Unter der Voraussetzung der Tragkraft dieser Hypothese ergeben sich im vergleichenden Studium der Schaffensstadien:

1. Als inhaltliche Merkmale des Schaffensprozesses:

– Dem Aufbau des Werkes liegt von Beginn an eine feste, das ganze Werk umspannende Konzeption zugrunde. Die Umarbeitungen tasten niemals den Grundriß des Gedankengebäudes an, sondern beschränken sich auf Änderungen im Rahmen der Untergliederung: tief ergreifende Stufung der Gliederung, Ergänzung von Untergliedern, Umstellung in der Gleich- oder Unterordnung der Glieder.

– Die Umarbeitungen scheiden sich ihrer Zielstellung nach in zwei Gruppen:

einerseits Umarbeitungen, die der technischen Feilung, der stilistischen Vervollkommnung oder der erhöhten Klarheit der Darstellung dienen; sie erscheinen unter den Schriftbildern Ib oder II, sind demnach Produkte des zweiten und dritten Schaffensstadiums;

andererseits Umarbeitungen, die der Entwicklung eigener Gedanken Raum geben, die einen Lösungsversuch bisher unentschiedener Fragen und eine persönliche Stellungnahme zur Kreuzeslehre beinhalten; sie sind im Charakter des Schriftbildes II geschrieben, also aus der Schau des letzten (dritten) Schaffensstadiums geboren.

2. Als zeitliche Begrenzung der Schaffensstadien:

– Aus dem Papier der Manuskriptblätter: Ein gültiges Blatt der Einleitung im Schriftbild Ib und mehrere ausgeschaltete Blätter der Einleitung im Schriftbild Ia tragen auf der Rückseite die Maschinenkopie eines Textes aus Wege der Gotteserkenntnis. Für diese Studie E. Steins konnte bei der Rekonstruktion des Nachlasses ein Imprimatur von September 1941 aufgefunden werden[5]. Ferner ist eine Skizze zum Inhaltsverzeichnis auf der Rückseite eines Briefes vom 23. Dezember 1941 geschrieben.

– Nach Aussage ihrer Mitschwestern aus dem Echter Karmel hat E. Stein bis zum Tage ihrer Verhaftung (2. August 1942) an der Vollendung des vorliegenden Werkes gearbeitet.

[293] Auf Grund dieser Angaben läßt sich der Werdegang des Werkes zeitlich begrenzen und gliedern: der Schaffensprozeß umfaßt insgesamt eine Zeitspanne von kaum 9-10 Monaten; er setzt mit dem ersten Schaffensstadium ca. September-Oktober 1941 ein und wird, nahe der Vollendung, im dritten Schaffensstadium am 2. August 1942 abgebrochen. Zusammengedrängt in diesen ungemein kurzen Zeitabschnitt erscheint die Arbeitsleistung nur erklärlich unter Voraussetzung pausenloser, konzentrierter Arbeit an einem virtuell ausgereiften Geistesprodukt. Das bedeutet für die Gliederung des Schaffensprozesses die Annahme einer unmittelbaren Aufeinanderfolge der Schaffensstadien.

Der Rückschluß, daß es sich bei dem vorliegenden Werk um die Niederschrift eines ausgereiften Geistesproduktes handle, legt die Frage nach seiner inneren Genese nahe. Wir müssen unseren Blick rückwärts richten. Finden sich in der Entwicklung und im Schaffen E. Steins Hinweise auf die Beschäftigung mit dem Leben und der Lehre des hl. Johannes?

Ein erster Hinweis liegt in der religiösen Entwicklung E. Steins. Die Lektüre der Schriften der hl. Teresia veranlaßten sie zum Übertritt in die katholische Kirche, die Ideen der Kreuzeslehre gewannen sie für das karmelitanische Leben[6]. Daß auf dem Hintergrund dieser religiösen Entwicklung ein unablässiges Studium der mystischen Literatur stand, bedarf keiner greifbaren Beweise; das ist selbstverständliche Voraussetzung bei der eigengesetzlichen Denkkraft der Steinschen Persönlichkeit.

Zum zweiten weist die philosophische Entwicklung E. Steins in gleiche Richtung. Nach Anlage und ersten Studien psychologisch-pädagogisch nach der Tiefenpsychologie orientiert, wendet sie sich später der modernen Philosophie zu, mit Spezialisierung in der phänomenologischen Richtung. Hierauf folgt eine Zeitspanne intensiver Arbeit im Rahmen der Soziologie und der Pädagogik, die durch die zunehmende Betonung des religiösen Moments gekennzeichnet ist. Dann tritt eine Wendung des philosophischen Interesses zur Scholastik ein, verbunden mit dem Versuch einer Zusammenschau der scholastischen und der modernen Denkweise. Schließlich treten nach einer Periode des Studiums, der Übersetzung und der Interpretation führender Denker der katholischen Philosophie die zentralen metaphysischen Fragen von religionsphilosophischem Standpunkt aus in den Vordergrund. In organischem Verband mit dieser Entwicklung [294] steht das vorliegende Werk an deren Endpunkt, zugleich am Beginn eines neuen religionsphilosophischen Anstiegs.

Ein dritter Hinweis befindet sich in den Schriften der Autorin. Die innere Vorbereitung zur Konzeption dieser Studie läßt sich in ihrem Schaffen über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren zurückverfolgen. Abgesehen von einem kleinen Aufsatz Das mystische Sühneleiden. Zum Fest des hl. Johannes vom Kreuz, wahrscheinlich im Jahre 1934 verfaßt, steht die Kreuzeswissenschaft unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit: Aufbau der menschlichen Person (Manuskript der Vorlesung W.S. 1932/33 am Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik, Münster); Theologische Anthropologie (unvollendetes Manuskript der nicht mehr gehaltenen Vorlesung S.S. 1933); Über Glauben, Wissen, Erkennen (Fragment eines Manuskriptes, ca. 1932-33); Endliches und Ewiges Sein, 1936; Wege der Gotteserkenntnis, 1941[7]. In der Meisterschaft der Einfühlung und in der analytischen Deutung weist die Kreuzeswissenschaft zurück auf: Zum Problem der Einfühlung (Dissertation, 1917); Beiträge zur philosophischen Begründung der Psychologie und Geisteswissenschaften (Jahrb. f. Philos. u. Phänom. Forschung, 1922)[8]. Schließlich zeugt die Übertragung der Gesänge des hl. Johannes von der genialen sprachlichen Einfühlungsgabe Steins als Übersetzerin des hl. Thomas von Aquino (Quaestiones disputatae de veritate, 1931-1932), des Areopagiten (Manuskripte: Briefe des Areopagiten, ca. 1933; Himmlische Hierarchie, ca. 1933; Kirchliche Hierarchie, 1934) und Kardinal Newmans (The Idea of a University, 1933-1934)[9].


  1. Der Vergleich der ausgeschalteten Blätter untereinander und mit dem teils gültigen, teils durchstrichenen Textlaut des Manuskriptes ergibt jedoch, daß auch S. 43-46 des ersten Teils zweimaliger Umarbeitung unterlag.
  2. Die Blätter wurden aufgefunden: als lose Blätter; in einem eigenen Umschlag vereinigt als Anhang des Manuskripts; dem Manuskript selbst einverleibt. Im letzteren Fall sind sie auf der Rückseite oder auf einem Teil des Blattspiegels mit noch gültigem Text beschrieben. Beweise der Ausschaltung: alle losen Blätter und ca. die Hälfte der anderen Blätter sind von Steins Hand als ungültig durchstrichen; Seitenzählung des Manuskripts und Korrekturen an den Einsatzstellen weisen auf Ausschaltung der Blätter hin; ihr Inhalt erscheint absorbiert im Text des Manuskripts.
  3. Zur zeitlichen Abgrenzung der innerhalb dieses Stadiums verwendeten Grundtypen: Der Rotstift dient stellenweise als Hilfsmittel bei der obenerwähnten Revision (Angabe der definitiven Seitenzahl). Demgegenüber wird er auch zur definitiv nicht gültigen Veränderung der Zählung verwendet, die an diesen Stellen in letztlich richtiger Weise in Bleistift II angezeigt ist.
    Umgekehrt erscheint die Type Bleistift II als einzige und endgültige Anzeige der Seitenzahl, als endgültige Korrektur von Bleistift I, als gültige Basis oder als ungültige Vorstufe zu der in Tinte II oder in Rotstift angezeigten Nummerung.
    Sowohl Rotstift als auch Bleistift II sind nur in den späteren Abschnitten des Manuskripts anzutreffen (ab 2. Teil, S. 344).
    Diese komplexe Situation läßt die Vermutung zu: Bleistift II bildet die Vorstufe oder Basis, der Rotstift die Vorstufe oder Verdeutlichung der in der abermaligen Revision begonnenen, jedoch nicht beendeten Seitenzählung in Tinte II.
  4. Als Schriftbild erscheint hier eine Variante des Schriftbildes II, die entweder die Tintenfarbe oder die Schriftgröße betrifft: Schriftbild II ist in der für Schriftbild Ib charakteristischen schwarzen Tintenfarbe oder mittleren Schriftgröße geschrieben. Die Eintragungen finden sich sowohl in Schriftbild II als auch in Schriftbild Ib.
  5. Siehe E. Steins Werke, Bd. VII und Tijdschrift voor Philosophie, 8. Jahrg. Nr. 1, Februar 1946.
  6. Siehe im Vorhergehenden den biographischen Abriß.
  7. Die drei erstgenannten Manuskripte befinden sich im Besitz des Husserl-Archivs; die beiden folgenden Werke s. E. Steins Werke und Tijdschr. v. Philos.
  8. Der Neudruck dieser Studien im Rahmen der gesammelten Werke ist beabsichtigt.
  9. Die Übersetzung der Quaestiones disputatae de veritate erscheint im Neudruck, s. E. Steins Werke, Bd. III und IV. Die Manuskripte der im Folgenden genannten Übersetzungen befinden sich im Besitz des Husserl-Archivs; s. Newman auch im Theatinerverlag, München 1928.
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