Textdaten
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Autor: Ludwig Uhland
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Titel: Konradin. Bruchstück von L. Uhland
Untertitel:
aus: Taschenbuch von der Donau. Auf das Jahr 1824, S. 129–146
Herausgeber: Ludwig Neuffer
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1823
Verlag: Stettinische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Ulm
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Exemplar der HAAB Weimar auf Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Konradin
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[129]
Konradin.
Bruchstück

von

L. Uhland.


[131]
Konradin.
Bruchstück.
(Seeküste von Neapel. Konradin, Friedrich von Baden, der Truchseß von Waldburg, mit kriegerischem Gefolge, steigen aus dem Schiffe. Galvano Lancia, Marschall von Sicilien, mit seinem Sohne; Tarfe, sarracenischer Häuptling; Frangizane, römischer Edelmann, mit seiner Tochter Julia; Jungfrauen mit Blumenkränzen und Musik, apulischer Adel, Sarracenen, Volk, zu festlichem Empfange versammelt.)

Konradin.
Apul’scher Boden, freudig sey gegrüßt!
O Erde, die du dem Gelandeten
Noch unter’m Fuße wankst, ich fasse dich
Inbrünstig, wie der Bräutigam die Braut!
Land meiner Väter, du gesegnet Land,
Wie breitest du dich blühend vor mir aus,
Vom reinsten Himmel festlich überwölbt
Und in dem Meere deine Schönheit spiegelnd!

[132]

Galvano.
Er ist’s, er ist’s! Ja der ist Konradin!
Sieh hin, mein Sohn Galotto! sieh! er ist’s,
Der schwäb’sche Jüngling, der erwartete,
In deß Verheißung ich dich auferzog.
Seht Alle hin! o wer erkennt’ ihn nicht!
Die helle Stirn, des Auges geistig Feuer,
Die goldnen Locken, um die Schulter wallend:
Ja! das ist Hohenstaufisches Geschlecht.
Der einz’ge Sprößling ist’s des Herrscherstammes,
Des geistesmächt’gen, dem kein andrer gleicht,
In dem die Trefflichkeit nie ausgeblüht
Und große Väter große Söhne zeugen.
Stellt mir ihn her, den Dränger dieses Landes,
Den finstern Anjou, stellt ihn neben Diesen,
Und sagt mir: wo ist königlich Geblüt?
 (gegen Konradin vortretend:)
Erlauchter Jüngling, tausendmal willkommen!
Die Boten, die wir jüngst nach dir gesandt,
Sie brachten erst nur ein Gewand von dir,
Daß unsre Sehnsucht sich ersättige,
Bis du uns selbst erschienest. Dies Gewand,
Wir trugen es umher, wir faßten’s an,
Wir küßten es, gleich einem Heiligthum.
Und nun, Heil diesem Tag! erschienst du selbst.

[133]

Laß jetzt mich deine Hand ergreifen, küssen,
Mit heißen Freudethränen sie benetzen!

Konradin.
Wer bist du? nenne dich ehrwürd’ger Greis,
Den das Entzücken zu verjüngen scheint!

Galvano.
Ein treuer Diener war ich deinen Vätern,
Galvano Lancia, Marschall von Sicilien.
O welche Angedenken dringen jetzt,
Bei deinem Anblick, mächtig auf mich ein!
In Wehmuth und in Wonne schmelz’ ich hin.

Konradin.
Galvano Lancia? der gepries’ne Held,
Der meinem Haus ein halb Jahrhundert lang,
In Glück und Noth, mit Rath und That, gedient,
Der Friedrichs, Konrads, Manfreds Schlachten focht –

Galvano.
Und in den deinen gern verbluten wird.

Konradin.
Was konnte mir Erwünschteres begegnen,
Als daß am Eingang meiner neuen Bahn
Der vielerfahrne Greis dem Jünglinge
Die sichre Rechte bietet! leite mich!
Du kennst die Gänge, die wir Staufen gehn.

[134]

Galvano.
Es sind des Löwen Gänge. – Theurer Fürst!
Was ich, der Greis, dir leisten kann, es ist
Das Mindeste. Die hier versammelt stehn,
Die Blüthe von Apuliens Adel, sie
Erwarten deinen Wink, mit ihren Schwertern
Dich einzusetzen in dein Königsrecht.

Tarfe.
Laß, Herrlicher, auch mich dein Knie umfassen,
Laß mich den Staub von deiner Sohle küssen!
Du Sohn des Lichtes! Allah segne dich!
Dem Meer entstiegst du, wie der goldne Tag,
Vor dem das Grau’n der Mitternächte fleucht.

Konradin.
Steh’ auf, dann laß mich wissen, wer du seyst?

Tarfe.
O dein geringster Knecht, deß Name nicht
Vor dir genannt zu werden würdig ist.
Den Sarracenen, die Luceras Burg
Bewohnen, bin zum Häuptling ich gesetzt.
Dein großer Ahn, o Herr, der zweite Friedrich,
Deß Ruhm mit Sternenschrift geschrieben steht,
Hat uns den sichern Wohnsitz dort gewährt.
Ihm war des Morgenlandes Weisheit lieb,

[135]

Er sprach die Sprache der Alarben, er
Verschmähte nicht, in unsrer Tracht zu gehn,
Er ließ uns Tempel unsrem Gotte bau’n;
Er leuchtet’ Allen, wie der Sonne Licht,
Wie Allah selber, der allwaltende.

Konradin.
Ich kenn’ euch. Manfred floh in euren Schutz,
Als von den Christen er verlassen war;
Ihr aber trugt ihn jubelnd auf den Händen.

Tarfe.
Gebeut, o Herr, durch welchen Kampf und Sturm
Wir dich auf unsern Schultern sollen tragen!
Dort meine Bogenschützen brennen längst,
Den Pfeil in deiner Feinde Herz zu schnellen.

Frangizane.
Die Stätte, Fürst, die du gewürdiget
Der Anfahrt am apulischen Gestad,
Ich trage von Neapel sie zu Lehn;
Und preisen muß ich das Geschick, das mir
Die Ehre solch erhab’nen Gastes gönnt.
Mein Nam’ ist Johann Frangizane, nicht
Darf ich mir schmeicheln, dir bekannt zu seyn.
Doch mein Geschlecht ward dir vielleicht genannt.
Es ist zu Rom verbürgert und hat oft

[136]

Aus festen Thürmen, die wir dort erbaut,
Der Gibellinen Sache durchgefochten,
Sey’s gegen die Gewalt des Laterans,
Sey’s gegen guelf’schen Adels Übermuth.

Konradin.
Sollt’ ich der Frangizani nicht gedenken?
Noch, wahrlich, steh’ ich nicht so hoch und fest,
Um Freunde zu verläugnen.

Frangizane.
 Mög’ es denn
Erlauchter, dir gefallen, von den Mühen
Der Seefahrt auszuruh’n in meinem Hause,
Das dort sich im Orangenhaine birgt!
Dich zu begrüßen und dich einzuladen,
Ist meine Tochter Julia hergeeilt
Mit andern Jungfrau’n dieser Küstenlande.
Tritt näher, Julia, führe selbst das Wort!

Julia.
Wir grüßen dich als König, hoher Herr,
Und bald, wir hoffen’s, wirst du in dem Dome
Vor allem Volke Königsweih’ empfah’n.
Doch bis die Krone nun, die goldene,
Dein Haupt umfangen wird, so laß geschehn,
Daß eines Mädchens zage Hand mit Blumen

[137]

Als König dieses Landes dich bekröne!
Wohl mag ein Blumenkranz das Land bedeuten,
Das blumenreiche, wo du herrschen wirst.
 (sie bekränzt ihn)
Und so, gekrönter König, zeuch mit uns
Zu meines Vaters Hause, wo Gesang
Und Saitenspiel und Tanz gerüstet sind,
Die Feier deiner Krönung zu begehn!

Konradin.
Der Kranz, womit mich zarte Hand gekrönt,
Umrauscht die Schläfe mir nur wie ein Traum,
Wie eine Ahnung künft’ger Herrlichkeit,
Die erst erworben seyn muß und erkämpft.
Noch ist zu Festen mir nicht Zeit gegönnt,
Noch darf ich nicht im Haus der Freude weilen,
Noch muß ich rastlos steuern auf mein Ziel.
Wann erst der Sieg mir seinen Kranz gewunden,
Dann kehr’ ich wieder, dann erfreue mich
In eurer Mitte Reigen und Gesang!
Es liebten meine Väter stets und übten
Das Lied, womit man edle Frauen ehrt,
Und Kaiser Heinrich sang: „was hülfe mir
Die Krone, sollt’ ich meine Süsse missen?“
Ich selbst, im rauhen Frühling meiner Jahre,
Hab’ in der Minne Weisen mich versucht,

[138]

Und wenn ich einst vom Feld des Sieges kehre,
Dann reicht die Saiten mir! mein erstes Lied
Soll, schöne Julia, deine Anmuth preisen.

(Julia und die Uebrigen ziehen sich zurück. Konradin und Friedrich von Baden bleiben allein im Vordergrunde.)

Konradin.
O Friedrich, du Genosse meiner Jugend!
In deine treue Brust ergoß ich sonst
Die bittern Klagen über mein Geschick;
Laß jetzt mein freudig überschwellend Herz
Sich dir entschütten, hilf mein Glück mir tragen!
Wie anders, Friedrich, als in jener Zeit,
Da ich zu Landshut, an des Oheims Hofe,
Umherschlich, einsam, erblos, vaterlos!
Die Mutter sah mich nur mit Thränen an;
Die meiner Väter Gnade groß gemacht,
Verachtend schritten sie an mir vorbei.
Die Sänger, die von Hof zu Hofe wandern,
Sie sangen von der Hohenstaufen Fall,
Als wär’ es eine Mähr’ aus alten Tagen
Und wär’ ich selbst nicht von den Lebenden.
Wie anders nun! wie offen liegt die Welt
Vor mir, wie blüthenreich, wie lebensvoll!
Hier lacht mir Jugendlust und Thatenruhm

[139]

Und jede Hoffnung, jedes schönste Ziel;
Und dieses Haupt, das trauernd niederhing,
Es hebt sich in der Blumen frischem Schmucke.

Friedrich.
Auf deinen Hoffnungen, o Konradin,
Beruh’n die meinigen, ein gleiches Loos
Verbindet uns; des Erbes Räuber heißt
Dir Karl, mir Ottokar; hier in Apulien
Erobr’ ich Östreich; leih’ ich dir den Arm,
Du leihst mir einst den deinen, mächtigern.
Doch wenn der Aufgang deines Glückes, wenn
Des Landes Schönheit minder mich ergreift,
Wenn du mich oft in Gram versunken siehst:
Du weißt ja, in der deutschen Heimath blieb
Die junge Gattin mir, kaum anvermählt,
Wo diese weilt, ist mir das schönste Land.

Konradin.
Von Allem, was die Zukunft Herrliches
Mir bringen mag, ist doch das Höchste dieß:
Wenn ich die Freunde, die in meiner Noth
Mich aufgerichtet, die in meinen Kämpfen
Zu mir gehalten, wenn ich mit der Fülle
Des Dankes einst sie überschütten kann.

[140]

Truchseß.
     (Der sich während des Vorigen genähert:)
Du theilest Gnaden aus, du glühest schon
Von Siegen, während ich, dir Abschied sagend,
Die Angst des Herzens nicht verbergen kann.
Der Auftrag deines Ohms und deiner Mutter,
Der bang besorgten, weist mich nach Viterbo,
Wo ich versuchen soll, den Zorn zu sühnen
Des heil’gen Vaters, der den Bann dir schleudert.
Doch da ich jetzt, dem Schiff entstiegen, dich
Dem Schutz der Fremden überlassen soll,
So zagt mein Geist und scheiden kann ich nicht
Bevor ich dir, dem Freudetrunkenen,
Ein Wort der Warnung an das Herz gelegt.

Konradin.
Sprich, lieber Truchseß! stets noch hat dein Wort
Bei Konradin ein offnes Ohr gefunden.

Truchseß.
Sohn meiner Fürsten! dieses wälsche Land,
Das dich mit seinem falschen Schimmer blendet,
Was ist es, als ein übertünchtes Grab?
Leg’ dich in diese Blumen, und es wird
Die gift’ge Viper dir die Ferse stechen.
Entschlummre sanft, in lauer Nacht, beim Klange

[141]

Verbuhlter Lauten, und der Wand entkreucht
Der Scorpion, die tückische Tarantel.
Der Sonne Glutstral brütet Seuchen aus
Und schlägt den Leib mit Aussatz und Geschwür.
Der Boden selbst, auf dem du fußen willst,
Ist trügerisch, da drunten gährt die Hölle,
Der Abgrund reißt sich auf und speiet Flammen,
Die Erde bebt und über deinem Haupte
Bricht das Gewölb zusammen, stürzt der Thurm.
An jeder Ecke lauert Meuchelmord;
Der Weiber brennend Auge zehrt das Mark
Der Helden auf; der Freundesbecher ist
Vergiftet und die Hostie selbst ist Gift.

Konradin.
Du malest finster.

Truchseß.
 Unglücksel’ger Durst
Nach Macht und Schätzen und nach eitlem Ruhm!
Verwünschte Gier, die uns nach Fremdem spornt,
Indeß schmachvoll das Heimische verdirbt!
Wie oft, wie oft schon zog das deutsche Heer,
Erles’ne Männer, schmucke Jünglinge,
Des Vaterlandes Stolz, der Ihren Wonne,
Die Alpen nieder, um auf Wälschlands Ebnen

[142]

Dahinzuschwinden, wie das Sommergras!
Wo sind sie, deine Väter, meine Fürsten?
Das deutsche Heimathland verschmähten sie,
Um Gift zu saugen in Apuliens Gärten.
Gift schlürfte Heinrich aus dem klaren Quell;
Wenn Friedrich es nicht aus dem Becher trank,
So trank er’s aus des liebsten Freunds Verrath;
Dein Vater schlürfte Gift für Arzenei,
Was heilen sollte, würgt’ ihn so dahin,
Daß er die Stunde der Geburt verfluchte.
Wenn dich, auch dich – nein! nein! ich darf ihn nicht
Ausdenken, diesen gräßlichen Gedanken.

Konradin.
Wozu mir diese Bilder des Entsetzens?

Truchseß.
Als Heinrich mit Constanzien sich zu Mailand
Vermählt, und in dem Kreis ital’scher Großen
Zu Tische saß, da traten in den Saal
Gesandte, die vom schwäb’schen Lande kamen.
Sie schenkten ihm zur Hochzeit eine Wiege
Von Silber, schön durchbrochen und verziert,
Ein künstlich Werk der Schmiede zu Gemünd.
Die Wiege sollt’ ihn mahnen, daß ihm selbst
Und seinem Hause Deutschland Wiege sey.

[143]

So möcht’ auch ich dich mahnen, Konradin,
Daß du, von dieses fremden Landes Zauber
Umstrickt, nicht deine Wiege gar vergessest.
O denk’ an jenen Berg, der hoch und schlank
Sich aufschwingt, aller schwäb’schen Berge schönster,
Und auf dem königlichen Gipfel kühn
Der Hohenstaufen alte Stammburg trägt!
Und weit umher in milder Sonne Glanz,
Ein grünend, fruchtbar Land, gewund’ne Thäler,
Von Strömen schimmernd, herdenreiche Triften,
Jagdlustig Waldgebirg, und aus der Tiefe
Des nahen Klosters abendlich Geläut.
Dann fernhin, in den Burgen, in den Städten,
Gesegnetes Geschlecht, treufeste Männer,
Die Frauen aber sittig und verschämt,
Ja! wie uns Walther sang, den Engeln gleich.

Friedrich.
Den Engeln gleich! o was erregst du mir
Die Sehnsucht, die ich kaum beschwichtiget?

Truchseß.
Hätt’ ich sie diesem so erwecken können!
O Konradin! warum verließest du
Die Hoffnungen, die dir in Deutschland sproßten?
Die Gegenkönige, die um das Reich

[144]

Sich zanken, sind den Deutschen beide fremd;
Der Eine ward in England eingethürmt,
Jenseits der Pirenäen weilt der Andre.
Schon dreimal ward von dir im Fürstenrathe
Gehandelt, Hohenstaufen lebt uns noch.
Nur deine Jugend schien noch nicht erstarkt,
In stürm’scher Zeit das Steuer zu ergreifen.
Du aber harrest nicht und machst dich auf,
Den Lockungen des fernen Landes folgend.
Gefahrvoll ist die Bahn die du beschritten,
Und schwer, o schwer ist dieser Abschied mir.

Konradin.
Du hast, o Freund, die Stammburg mir genannt,
Den Horst, aus dem die Adler sich geschwungen:
Sie ist nicht mehr mein eigen; was auf mich,
Das Wenige, von unsrem Stammgut kam,
Veräußert ward es und zu Pfand gesetzt,
Um die apul’sche Heerfahrt zu bestreiten.
Doch wenn mir Andres nichts zum Erbe blieb,
Das Eine blieb: der angestammte Geist,
Der strebende, der nichts verloren gibt,
Mir blieben die Entwürfe meiner Väter.
Der Hohenstaufen Tagwerk ist nicht klein,
Ich muß es früh beginnen, wie die Vordern
Es früh begannen. Nicht das einz’le Land

[145]

Ist unser Ziel. Von jedem Fleck der Erde
Kann unser Streben ausgehn. Hat zuerst
Apulien mich gerufen, in Apulien
Beginn’ ich meine Bahn, doch wo sie ende,
Das liegt verhüllet in der Zukunft Schooß.
Du weißt, was uns das Lied gesungen: König
Und Adler, niedrig schwebend, taugen schlecht!
Drum lebe wohl! vollführe dein Geschäft!
Ihr aber laßt die Banner vorwärts fliegen!