Textdaten
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Autor: Alfred Freihofer
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Titel: Konrad Wiederhold
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 285–286, 289
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[285]

Konrad Wiederhold.

Von Alfred Freihofer.
(Mit den Bildern S. 285 und S. 289.)

Ueber die traurigste Zeit, die Deutschland gesehen, den Dreißigjährigen Krieg, sind wir durch eine Fülle geschichtlicher Urkunden unterrichtet. Jedes Land, fast jeder Ort hat seine Chronik, zahllos sind die Berichte, an deren Hand man die Thaten und Schicksale einzelner verfolgen kann. Aber es ist wenig Erhebung dabei zu finden, höchst spärlich sind die Namen derer, die in wahrhafter Größe und ohne Entstellung durch häßliche Eigenschaften aus dem Geschlecht jener Tage hervorragen.

Der besten einer ist der Name des tapferen Kriegshelden, der die Feste Hohentwiel populär gemacht hat, noch ehe Scheffel sie mit dem Glanz der Dichtung umwob: Konrad Wiederhold. Dem dreihundertjährigen Gedenktag seiner Geburt (20. April 1598) seien diese Zeilen gewidmet!

Konrad Wiederhold.

Wiederholds Gedächtnis lebt vor allem in Württemberg fort, denn nie hat das württembergische Fürstenhaus einen treueren Diener gehabt als diesen. Trotzdem war er von Geburt kein Schwabe, sondern er ist zu Ziegenhain in Hessen als Sohn eines Ratsmitglieds geboren. Früh widmete er sich dem Kriegsdienst: schon mit 17 Jahren kämpfte er als hanseatischer Reiter unter dem Grafen Solms vor Braunschweig, mit 20 Jahren stand er in den Diensten Venedigs, und hier führte ihn sein Schicksal mit dem Prinzen Magnus von Württemberg zusammen, der ihn mit sich in seine Heimat nahm. In wenigen Jahren brachte er es zum Kapitänmajor beim Regiment „unter der Staig“, und wo aus der Zeit um 1630 von einer Kriegsthat der Württemberger berichtet wird, ist der Name Wiederholds als der eines kecken Haudegens mitgenannt.

Die schlimme Zeit für Württemberg begann mit der für die Protestanten so unglücklichen Schlacht von Nördlingen. Der junge Herzog Eberhard III floh nach Straßburg und überließ den Schutz seines Landes dem Herzog Bernhard von Weimar. Bei Württemberg blieben nur einige wenige Burgen, wie der Asperg, der Neuffen, der Zollern (vorübergehenderweise) und der Hohentwiel. Auch von diesen ging eine um die andere verloren, nur der stolze Fels im Hegau, den Eberhard dem Konrad Wiederhold übergeben hatte, behauptete sich während der ganzen langen Dauer des Krieges gegen alle Feinde; ja selbst auf den eigenen Befehl des vom Throne vertriebenen, mit dem Kaiser paktierenden Herzogs öffnete Wiederhold die Thore nicht, sondern bewahrte auf eigene Faust seinem Herrn den letzten wertvollen Besitz, nach welchem Oesterreich und Frankreich die begierige Hand ausstreckten.

Es ist ein bis heute noch nicht mit Sicherheit gelöstes Problem der Specialforschung, ob Wiederhold bei Nichtachtung jenes Befehls im stillen Einverständnis mit dem Herzog gehandelt hat. Wahrscheinlich ist, daß der Herzog sich anfangs der Weigerung freute, daß es ihm aber in der kritischen Zeit, wo er fürchten mußte, sein Land überhaupt nicht wieder zu gewinnen, Ernst damit war, daß Wiederhold gehorchen sollte.

Der Hohentwiel im Jahre 1643.

Noch sind die Briefe vorhanden, die der Herzog mit Wiederhold gewechselt hat. Am 24. November 1635 schrieb er ihm, er solle sich unter keinen Umständen zur Uebergabe bewegen lassen, „ohne einen Befehl von unserer Hand ganz geschrieben und mit unserem kleinen Sekretinsiegel bekräftiget“, und am 21. März 1637 ordnet er in gleichem Sinne an, Wiederhold solle keinem Befehl Glauben beimessen ohne eigenhändigen Brief und Ausfertigung mit dem „kleinen Ring-Pittschaft“ – „und hast Du auch in solchem Fall auf den ersten und andern Befehl nicht zu gehen, sondern des dritten zu erwarten“.[1] Der erste Befehl zur Uebergabe erging bereits im Januar 1638 an Wiederhold durch mündliche Botschaft des Obersten Böcklin von Böcklinsau. Aber noch während dieser Sendbote auf dem Hohentwiel weilte, sandte der Herzog einen zweiten, den Amtmann Hitzler, mit dem Auftrag, daß Wiederhold „ohne Empfahung der ihm bewußten Zeichen niemand zu willen sein“ solle. Am 12. August aber befiehlt der Herzog die Uebergabe, „so lieb Dir unsere Gnade, Deine Ehre und Namen, Leib und Leben“. Der Brief ist zwar von dritter Hand geschrieben, aber es ist eine eigenhändige Nachschrift des Herzogs samt dem kleinen Siegel beigesetzt, daß der Befehl „in allem unser ernstlicher Wille und Meinung“ sei. Und am 12. September läßt der Herzog abermals schreiben und setzt Nachschrift und kleines Siegel bei, Wiederhold solle gehorchen, „wofern Du uns noch mit Treuen meynest“. Ob damit die bewußten Zeichen erfüllt waren? Jedenfalls dünkte es Wiederhold klug, sie für nicht erfüllt anzusehen. Und die ganz ungewöhnliche, wahrhaft staatsmännische Klugheit, mit welcher nunmehr dieser einfache Soldat seinen kühnen Widerstand zwölf Jahre lang wider alle Welt fortsetzte, macht sein Verhalten bewundernswert; die unerschütterliche Treue, mit der er nicht bloß die feindlichen Angriffe, sondern auch die schmeichlerischen Anerbietungen abschlug, läßt es auch moralisch durchaus gerechtfertigt erscheinen. Noch während der Friedensverhandlungen hielt Wiederhold den [286] Vorteil seines Herzogs fest in der Hand, und erst 1650, im zweiten Jahr nach dem allgemeinen Friedensschluß, konnte er die Festung, besser bewehrt und ausgestattet, als sie vor dem Kriege gewesen, dem Hause Württemberg zurückgeben.

Vor der Uebergabe schrieb Wiederhold dem Herzog einen Brief, daß er alles „aus unterthäniger Pflicht gethan und seine damals nicht wenig gefährliche Entschließung einzig und allein Ewer Fürstl. Gnaden und Hochdero Haus zu gut ergriffen habe, maßen die verstrichenen Zeiten und der gute Ausgang ein solches bezeugen. Er hoffe also, keine Ungnad oder Widriges befahren zu müssen, und bitte Fürstl. Gnaden, was Jhro etwa unbeliebig gefallen, gnädig zu verzeihen“. Die Antwort des Herzogs lautete höchst ehrenvoll: Wiederhold habe die Festung „zu seinem unsterblichen Ruhm und Unserer besten Zufriedenheit erhalten. Wann er Unseren Befehlen nicht alle Zeit folgen können, so haben Wir kein Bedenken getragen, in seinem billigen Begehren zu willfahren und ihn in Kraft dies Unserer fürstlichen Huld und Gnade beständigst und in bester Form zu versichern etc.“ Der Herzog bewies dies auch durch die That, indem er ihn mit Ehren überhäufte. Als Obervogt von Kirchheim genoß Wiederhold bis zu seinem Tod allgemein das höchste Ansehen; auch ein zeitgenössischer katholischer Schriftsteller sagt von ihm, „er wäre hoch zu loben, wenn er die gute Sache geführt hätte“.

So steht Wiederholds Bild als das des treuesten und klügsten Dieners seines Herrn in der Geschichte da. Aber noch heller erstrahlt sein Ruhm als Kriegsheld. Die Chronik der fünfzehnjährigen tapferen Verteidigung des Hohentwiels ist fast ein Unikum in der Kriegsgeschichte. Wiederhold sah sein Felsennest bald von Kaiserlichen, bald von den Bayern und den Spaniern belagert und berannt, oberste Heerführer, wie die kaiserlichen Generale Mercy und v. Sparr und der Spanier Enriquez, verschwuren sich, die Feste zu brechen; aber Wiederhold schlug mit seiner Handvoll Leute alle Angriffe siegreich ab, zwang die Belagerer zum Abzug, verfolgte sie, nahm ihnen Beute ab und machte sich durch seine kühnen Ausfälle und Handstreiche landauf landab zum Schrecken seiner Feinde. Bis nach Blaubeuren und Memmingen erstreckten sich seine Streifzüge, Städte wie Tuttlingen, Ebingen, Balingen, selbst das zuvor nie eingenommene Ueberlingen fielen zeitweise in seine Hände. Als die Bayern ihm seinen Keller (Verwalter) Stockmayer gefangen setzten, holte er sich einen Weingartner Prälaten als Geisel und ließ ihn den unfreiwilligen Aufenthalt auf dem Hohentwiel teuer bezahlen. In den letzten Jahren des Kriegs kam es dahin, daß zahlreiche Städte und Klöster und die ganze schwäbische Ritterschaft gegen beträchtliche Geldleistungen und Zufuhren mit ihm paktierten, um sich von seinen Ueberfällen loszukaufen. Ja er wurde zu einer solchen Macht, daß er schließlich wie ein Kriegführender mit Kaisern und Königen verhandelte und Bedingungen stellte. Diese Bedingungen galten einzig der Wiedereinsetzung des Herzogs von Württemberg in sein Land und man kann wohl sagen: Wiederhold hat dem Herzog nicht bloß die Festung Hohentwiel erhalten, sondern damit auch sein Land zurückgewonnen.

In den Volksschriften, die heute noch vielfach in Schwaben über Wiederhold verbreitet sind, findet man viele, zum Teil augenscheinlich sagenhafte Ueberlieferungen, die beweisen, wie groß der Ruhm seiner Tapferkeit und der Respekt davor gewesen. Von seiner Erfindungsgabe erzählte man sich u. a., er habe von der Festung herab mit großen Angelhaken nach den Feinden geworfen und sie daran über die Felsen hinaufgezogen; am Fuß der Festung habe er geladene Gewehre befestigt, die er mit Schnüren von oben her losgeschossen habe. Ganze Schiffe, hieß es, habe er auf der Festung gebaut, um sie auf den Bodensee zu schaffen und diesen zu beherrschen. Beglaubigt ist, daß er sich mit dem Bau von Windmühlen für die Festung viel beschäftigt hat. In diesen Volksüberlieferungen wird Wiederhold ganz besonders auch als ein Musterbild der Frömmigkeit gepriesen. Nicht mit Unrecht: er hing seinem evangelischen Bekenntnis mit ehrlicher Begeisterung an und bezeigte sich in vielen guten Werken bis zu seinem Tode als ein echter Christ. Aber man muß auch ihn aus seiner Zeit verstehen: Wenn in jenen Volksschriften erzählt wird, es sei ihm unter den Schrecken der Belagerung nichts wichtiger gewesen, als auf dem Hohentwiel eine Kirche zu bauen und, als sein Pfarrer an der Pest gestorben war, selbst den Prediger zu machen, oder wenn erzählt wird, er habe nach der Einnahme Ueberlingens auf alle andere Beute verzichtet und nur die Orgel sich ausgebeten, so ist das nicht wörtlich zu nehmen. Wiederhold hat allerdings von seinen Streifzügen auch einmal eine Orgel und mit der Zeit nicht weniger als achtzehn Glocken auf seine Festung verbracht, aber er führte den Krieg in der Art seiner Zeit und scheute nicht davor zurück, die schwersten Kontributionen und Brandschatzungen zu verhängen, und wo Brandschatzungen nicht halfen, auch den Brand zu legen. Den Ueberlingern nahm er keineswegs bloß eine Orgel, sondern ließ sie gehörig „bluten“, wie er es auch auf der Mainau und an anderen reichen Plätzen machte; das Kirchlein auf der Feste baute er, als er vor allen Feinden Ruhe hatte. Es scheint überhaupt, daß er mehr die Natur eines Götz von Berlichingen als diejenige eines Betbruders gehabt hat. Sind Züge letzterer Art von ihm verbreitet, so stammen sie wohl aus den letzten Jahren seines Lebens, aus der friedlichen Kirchheimer Zeit, wo er sich durch fromme und wohlthätige Stiftungen ein bleibendes Andenken sicherte.

In Kirchheim ist noch heute sein Grabmal zu sehen, und der Dichter Albert Knapp hat in unserem Jahrhundert den Spruch darauf gedichtet:

„Der Kommandant von Hohentwiel,
Fest wie sein Fels, der niemals fiel,
Des Fürsten Schild, des Feindes Tort,
Der Künste Freund, des Armen Hort,
Ein Bürger, Held und Christ wie Gold,
So schläft hier Konrad Wiederhold.“

Das Geschlecht Wiederholds hat bis in unsere Tage geblüht in Württemberg, ein Nachkomme seines Bruders war der 1885 verstorbene württembergische Kriegsminister Freiherr v. Wiederhold. Jetzt dauert der Name einzig fort in dem kinderlosen Major Konrad v. Wiederhold, der sich 1870 ausgezeichnet hat, und einem Neffen desselben in Nordamerika, Konrad Kuno v. Wiederhold, geboren 1884.


Von unsern Abbildungen zeigt eine den Hohentwiel während des Dreißigjährigen Kriegs, während die andere eine landschaftliche Darstellung des heutigen Zustandes bietet. Abgesehen von der in Scheffels „Ekkehard“ geschilderten Zeit, wo der Berg die Residenz der schwäbischen Herzoge war, hat er in den Tagen Wiederholds seine Glanzzeit gesehen. Von da ab geriet die Festung allmählich in Verfall, wiewohl sie bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts für „uneinnehmbar“ galt. Daß sie es unter einer mutigen Verteidigung wirklich war, hat Wiederhold bewiesen. Freilich unter Voraussetzung der damaligen Kriegskunst und ihrer Mittel! Wie es mit der Artillerie des 17. Jahrhunderts aussah, ersieht man aus einem bei den württembergischen Archivakten erhaltenen Bericht Wiederholds, wonach während der Beschießung unter dem Feldzeugmeister v. Sparr im Jahre 1641 rund 3000 Wurfgeschosse nach dem Hohentwiel abgefeuert wurden, von denen aber nur „47 Granaten, 25 Feuerballen und eine Ernstkugel“ in die obere Festung gelangten! Schaden haben auch diese wenig angerichtet. In unseren Tagen hat man gemäß einem Urteil der Sachverständigen auf die fortifikatorische Ausnutzung des Felsens verzichtet, aus zwei Gründen: nicht bloß die Widerstandskraft gegen das heutige Geschütz, sondern auch die Bedeutung des Platzes selbst für die Sperrung von Verkehrswegen ist eine andere geworden.

Schon in den Friedenszeiten des 18. Jahrhunderts sank die Festung zum Staatsgefängnis herab; die Besatzung bildeten Invaliden, die Festungswerke gerieten in einen langsamen Verfall. Gleichwohl war die widerstandslose Uebergabe der Festung an den französischen General Vandamme am 2. Mai 1800 ein Akt schmählicher Feigheit, der hernach an den schuldigen Offizieren mit Recht schwer geahndet wurde.

Der erste Konsul Napoleon hat die Festung zerstören lassen; es bedurfte dazu der angestrengten Fronarbeit eines halben Tausends von Bauern vom 10. Oktober 1800 bis zum 1. März 1801. – Heute ist der Berg alljährlich ein Hauptziel der Schwarzwaldtouristen, denn der Blick auf die Bodenseegegend und die ganze Wand der Centralalpen ist unvergleichlich.


[289]

Am Hohentwiel.
Nach dem Gemälde von A. Chelius.

  1. Dergleichen Befehle stehen nicht vereinzelt da. Auch in späteren Kriegszeiten pflegten die württembergischen Herzoge den Befehlshabern auf Hohentwiel solche Geheimbefehle zu erteilen. Noch im Jahre 1799 ließ der Herzog und nachmalige König Friedrich einen solchen an den Vicekommandanten v. Wolff ergehen.