Kirche und Staat im Vandalenreich 429–534

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Autor: Franz Görres
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Titel: Kirche und Staat im Vandalenreich 429–534
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aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 10 (1893), S. 14–70.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br.
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Quelle: Scans auf Commons
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[14]
Kirche und Staat im Vandalenreich 429–534.[1]
Von
Franz Görres.


I. Der religiös-politische Dualismus in den Arianischen Germanenreichen.

Die auf den Trümmern des Weströmischen Reiches von Arianischen Germanen gegründeten Staaten krankten sämmtlich an dem doppelten, dem nationalen und dem religiösen, Gegensatze, indem die Sieger einer orthodoxen romanischen Bevölkerung gegenüberstanden. Dieser innere Gegensatz trat jedoch nicht überall mit gleicher Schärfe hervor; die grössere oder geringere Schroffheit desselben war vielmehr durchweg von der mehr oder minder formlosen oder relativ rücksichtsvolleren Art und Weise bedingt, mit der die barbarischen Sieger sich mit der unterlegenen Bevölkerung, zumal hinsichtlich der Vertheilung des Grundbesitzes und der Behandlung der katholischen Kirche abfanden. Demgemäss standen sich z. B., im grossen Ganzen [15] wenigstens, im Westgothischen und Burgundischen Reiche die beiderseitigen Nationalitäten minder schroff gegenüber, als im Staate der Vandalen[2] und Longobarden. Nun konnten aber jene neuen Monarchien nur dann lebensfähig werden, wenn es den Siegern gelang, einheitliche Staatenbildungen auf Grund einer Versöhnung und Verschmelzung der beiden heterogenen Bestandtheile in’s Dasein zu rufen. Die Erfüllung dieser Lebensaufgabe wurde aber durch die feindselige Haltung der Romanischen Bevölkerungen fast unmöglich gemacht, die sich nicht mit einem passiven Widerstande begnügten, sondern sich häufig in Conspirationen mit dem auswärtigen Feind, zumal mit dem stamm- und religionsverwandten Kaiser von Byzanz, einliessen, um vom Barbarenjoch befreit zu werden. Uebrigens war für die Germanischen Sieger der religiöse Gegensatz ungleich gefährlicher als der politische. Der letztere liess sich sogar überbrücken, wenn die Germanischen Herrscher rechtzeitig zur Religion ihrer Romanischen Unterthanen übergingen. Ich erinnere z. B. an die überaus wirksame Conversion Rekared’s des Katholischen; selbst ein Geiserich würde nach der glücklichen Beobachtung eines freilich klerikalen Forschers die Katastrophe seines kurzlebigen Reiches, wo nicht verhindert, so doch mindestens recht lange hinausgeschoben haben, wenn er sich hätte entschliessen können, das athanasische Symbolum anzuerkennen[3].

Aber keine noch so grossen Beweise von religiöser und politischer Toleranz, keine noch so sehr Romanisirende Politik vermag die orthodoxe Bevölkerung mit den Germanischen Siegern [16] auszusöhnen, wenn keine Aussicht vorhanden ist, dass die letzteren auch förmlich zur Religion der Besiegten übertreten: Ich verweise in dieser Hinsicht nur auf das hochtragische Geschick des grossen Ostgothenkönigs Theoderich, der bei aller liebevollen Fürsorge für seine Romanischen Unterthanen ausser Stande war, der heissen Sehnsucht der letzteren, dem Byzantinischen Reiche einverleibt zu werden, ein Paroli zu bieten[4].

Gewiss ist auch die nationale Abneigung z. B. der Romanischen Bevölkerung des Westgothischen Reiches nicht zu unterschätzen. So lange noch ein occidentalischer Kaiser existirt oder auch nur Syagrius als Vertreter des Römerthums auftritt, äussert sich das Nationalgefühl der Galloromanen äusserst lebhaft, wie dies u. A. aus manchen Briefen des Sidonius Apollinaris erhellt. Aber seit der Bekehrung des mächtigen Frankenkönigs Chlodwig (496) fallen diesem zwar barbarischen, aber immerhin katholischen Fürsten die Sympathien der Mittel- und Südgallischen Romanen zu, die seitdem auf’s eifrigste bemüht sind, das Joch der ketzerischen Gothen abzuschütteln und Fränkische Unterthanen zu werden, so dass die wenigen strengen Massregeln des Königs Alarich II. gar nicht als Verfolgungsacte, sondern nur als berechtigte Nothwehr des Staates gelten können[5]. Weiter unten werden wir noch sehen, wie ketzerische Kaiser von Byzanz, weil der Sympathien der abendländischen Katholiken ermangelnd, höchst ungefährliche Widersacher der Arianischen Germanenfürsten sind, wie die Reiche der letzteren aber sofort wieder durch das geheime Bündniss der orthodoxen Bevölkerungen mit Byzanz in ihrer Existenz bedroht werden, sobald das Oströmische Reich wieder einen orthodoxen Kaiser hat, der den Frieden mit der päpstlichen Curie, mit der abendländischen Kirche wieder herstellt.

Nach dem Gesagten wird man es begreiflich finden, dass in Folge des politischen und religiösen Gegensatzes, und zumal des [17] letzten, die Arianischen Germanenreiche theils eine Beute des Byzantinischen Reiches wurden, so der Vandalische und Ostgothische Staat, theils wiederholt auf’s äusserste gefährdet wurden, so die Reiche der Westgothen und Longobarden. Indess hatte die angedeutete schiefe gegenseitige Stellung der beiden Nationalitäten im wesentlichen nur im Vandalischen und Westgothischen Reiche feindselige Massregeln seitens der Germanischen Sieger gegenüber der Romanischen Bevölkerung zur Folge. Die Westgothischen Behelligungen der Katholiken erscheinen, wie gesagt, in der Hauptsache nur als erlaubte staatliche Nothwehr, die Vandalischen Katholikenverfolgungen dagegen können dem rationellen Historiker vielfach nur als weit über die zulässige Nothwehr hinausgehende ethisch sowohl wie politisch verwerfliche Aggressionen gelten. Dass dem so ist, wird sich aus den folgenden beiden Abschnitten und noch mehr aus dem speciellen Theil dieser Studie ergeben.


II. Orientirende Bemerkungen über die Quellen, zumal über Victor von Vita.

Im Interesse einer unbefangenen Geschichtschreibung ist es sehr zu beklagen, dass uns über den gewaltigen Kampf zwischen den Arianischen Germanen und den orthodoxen Romanen in Afrika bloss die Berichte der letzteren, also der unterdrückten Partei, vorliegen. Doch wird dieser Uebelstand theils durch die genauen Nachrichten einzelner zeitgenössischer Schriftsteller, theils und vor allem dadurch einigermassen ausgeglichen, dass uns ein günstiges Geschick für einige Episoden jener Katholikenverfolgungen das authentischste Quellenmaterial, die bezüglichen Concilacten, katholikenfeindliche Verfügungen der Vandalenkönige u. s. w., aufbewahrt hat. Zudem fehlt es nicht ganz an katholischen Schriftstellern, die mit löblicher Mässigung die Geschichte des Vandalenreiches dargestellt haben. Eine der wichtigsten Quellen für die Geschichte der Katholikenverfolgungen unter Geiserich und Hunerich ist „Victoris – – – Vitensis Historia Persecutionis Africanae Provinciae“[6].

[18] Eine richtige klare Anschauung dieser Periode erscheint sogar bedingt von einer sorgfältigen systematischen Kritik des Vitensers. Es handelt sich hier, wie fast immer in solchen Dingen, zunächst um die Beantwortung folgender drei grundlegenden Fragen: 1. Konnte Victor gemäss seiner Informationen die volle geschichtliche Wahrheit berichten? 2. Wollte er die volle Wahrheit mittheilen? und 3. War er in Anbetracht seiner Stimmung, seiner ganzen Stellung zu den Vandalen, den erbitterten Feinden seiner Glaubensbrüder, in der Lage, die ganze ungeschminkte Wahrheit zu erzählen?

Die erste Frage ist unbedingt zu bejahen, indess mit der Bemerkung, dass Victor über die Zeiten Hunerich’s weit besser unterrichtet ist, als über Geiserich’s Religionspolitik. Seine Orientirung über den Hunerich-Sturm ist eine ganz vorzügliche. Erscheint er doch selbst als Augenzeuge vieler Gräuelscenen; so kennt er z. B. viele der auf Befehl des Königs grausam ihres Haares und der Kopfhaut beraubten Katholiken persönlich[7], er begleitet die zahlreichen, zu Anfang der Hunerich-Verfolgung nach der Wüste verbannten Bekenner[8]. Wo er selbst nicht als Augenzeuge berichten kann, da beruft er sich wenigstens auf zuverlässige Gewährsmänner[9].

Schildert somit unser Autor die Zeiten Hunerich’s so recht als classischer Zeuge, so recht aus den Ereignissen heraus – war er doch selbst in die Glaubensnoth seiner Brüder verwickelt –, so erscheint er über die Geiserich-Verfolgung weit weniger unterrichtet. Hier schildert er nicht als unmittelbarer oder doch mittelbarer Augen- und Ohrenzeuge, hier erscheint er nicht als unmittelbar an den Ereignissen betheiligt, hier vor Allem bietet er keine amtlichen Actenstücke. Ferner: Der Geiserich-Verfolgung widmet Victor nur das erste Buch seines Werkes, während die übrigen Bücher – nach der Ruinart’schen Edition vier, [19] nach der Halm’schen und Petschenig’schen Ausgabe dagegen nur zwei! – Hunerich’s Religionspolitik zum Gegenstand haben. Darum braucht man aber seine Mittheilungen über den Geiserich-Sturm noch nicht als mangelhafte anzusehen. Ihm, dem Mitgliede des Afrikanischen Klerus, der mit dem Episcopate eng verbunden war, demselben sogar höchst wahrscheinlich als Oberhirt von Vita (in der Provinz Byzacena) angehörte, musste es ein Leichtes sein, zumal bei seinen älteren Amtsbrüdern, Erkundigungen über die Bedrängnisse einzuziehen, denen die Afrikanische Kirche in jüngstverflossener Zeit preisgegeben war.

Auch die zweite Frage, die subjective Wahrheit der Berichte, ist zu bejahen. Erweckt es doch ein günstiges Vorurtheil, dass er die Regierungen der beiden Monarchen nicht etwa als eine ununterbrochene Kette von Leiden der Katholiken auffasst und darstellt, sondern gewissenhaft dem Leser auch einige, die Schreckensscenen der Verfolgung in wohlthuender Weise ablösende, Friedensepochen der Afrikanischen Kirche vorführt (454–457; 475–477; 477–481/82).

Nicht so unbedingt lässt sich aber drittens die objective Wahrheit der Berichte des Autors zugeben. Freilich wäre es unbillig, ihn desshalb zu tadeln, weil er, ein echter Sohn des abergläubischen Zeitalters, zahlreiche Mirakel in seine Erzählung hineingeflochten hat; zudem ermöglicht es die Form seiner Darstellung, die Spreu der Wunder von den geschichtlichen Thatsachen auszuscheiden. Victor hat sich aber nachweislich in Folge einer allerdings sehr verzeihlichen, einseitigen parteiischen Auffassung der Vandalischen Verhältnisse von Uebertreibungen und selbst offenbaren Unrichtigkeiten nicht ganz freigehalten.

Es ist jetzt die Frage: Welche Mittel stehen der Detailkritik zu Gebote, um in dem Wuste der unzähligen Einzelnachrichten im concreten Falle den angedeuteten Irrthümern und Schwächen des Buches auf die Spur zu kommen? Bei Beantwortung dieser Frage muss man natürlich sorgfältig zwischen der Darstellung des Geiserich-Sturmes und den Nachrichten über die Zeiten Hunerich’s unterscheiden. Was die letzteren betrifft, so ist es gerade nicht schwer, Geschichtliches und Zusätze einer getrübten Tradition auseinanderzuhalten. Erstens, der Autor selbst gibt manchmal die Mittel an die Hand, ihm handgreifliche [20] Uebertreibungen und Einseitigkeiten nachzuweisen; in solchen Fällen widerspricht er sich nämlich zuweilen selbst. Zweitens, Victor wird mitunter durch den Vergleich seiner bezüglichen Aeusserungen mit authentischem Quellenmaterial, z. B. mit Concilacten, des Irrthums überführt.

Schwieriger ist die Detailkritik für die Zeiten Geiserich’s, da uns hierfür zur Controle, abgesehen von der weiter unten zu besprechenden „Notitia episcoporum“ etc., im Grunde gar keine officiellen Dokumente, vor allem keine Concilacten, zur Verfügung stehen. Andererseits ist hervorzuheben, dass erstens auch hier innere Widersprüche des Autors den wahren Thatbestand ermitteln helfen, und dass zweitens einzelne bessere Byzantiner, wie z. B. Malchus, sich zur Prüfung der Mittheilungen Victor’s vortrefflich verwerthen lassen. Die Schilderung der Geiserich-Verfolgung erscheint auch insofern als der schwächere Theil des Buches, als hier die Chronologie oder genauer die richtige chronologische Aufeinanderfolge der betreffenden Ereignisse vielfach zu wenig Berücksichtigung gefunden hat[10].

Eine knappe Darlegung der Abfassungszeit der Schrift des Vitensers dürfte um so eher hier am Platze sein, als diese chronologische Streitfrage über den unmittelbaren Gegenstand hinaus keineswegs bedeutungslos ist.

Victor selbst bietet vier Zeitmerkmale:

1. Aus V, c. 6, bezw. III, c. 30 (Schlusssatz), einer in diesem Zusammenhang stets übersehenen Stelle, erhellt, dass der Autor sein Opus nicht vor dem Ableben des Kaisers Zeno († 491) vollendet hat.

2. I, c. 1 heisst es: „Sexagesimus nunc – – – agitur annus ex eo, quo populus crudelis ac saevus Vandalicae gentis Africae miserabilis attigit fines“.

3. Die durch Hunerich veranlasste Katholikenverfolgung ist zur Zeit, wo Victor schrieb, wenigstens noch nicht ganz erloschen; [21] dies ergibt sich theils aus der soeben citirten Stelle, wo der Vandalen noch immer mit Erbitterung gedacht wird, theils aus dem Schlussgebet des Autors (V, c. 19. 20, bezw. III, c. 64–70).

4. Zwar nicht aus V, c. 21, bezw. III, c. 71, dem Schlusskapitel – denn das ist eine Interpolation (s. unten S. 56, Anm. 1) –, wohl aber aus II, c. 5, bezw. II, c. 12 („ipse [Hunericus] – – – desiderans post obitum suum filiis, quod non contigit, regnum statuere, Theodericum fratrem – – – crudeliter coepit insequi“) und II, c. 6 – – – („solidans sibi, ut putabat, regnum, quod breve fuerat et caducum – – – convertit“) geht unzweifelhaft hervor, dass Victor erst nach dem Ableben Hunerich’s sein Buch geschrieben hat.

Hiernach ist also die Entstehungszeit der Schrift auf 486/87, auf die Anfänge des Königs Guntamunds, der von 484 bis 496 regierte, zu datiren[11].


III. Motive und allgemeiner Charakter der Katholikenverfolgungen im Vandalenreich.

Die Bedrängnisse der Afrikanischen Katholiken, zumal unter den Königen Geiserich und Hunerich[12], lassen sich in erster Linie auf den Nationalhass der Vandalen gegen die Romanen und den hiermit zusammenhängenden politischen Argwohn der ersteren zurückführen, auf die Besorgniss der Vandalen, ihre orthodoxen Unterthanen möchten sich mit dem Kaiser von Byzanz oder mit dem Weströmischen Imperator in hochverrätherische Verbindungen einlassen. Dass dem so ist, erhellt u. A. aus Victor Vit.; dort ist zunächst im allgemeinen der Vandalische Nationalhass gegen die Romanen bezeugt[13], und was die politische Eifersucht der Vandalen betrifft, so kommen zwei Stellen desselben Autors in Betracht: Geiserich verurtheilt den Bischof [22] Felix von Adrumetum (in der Zeugitana) zum Exil, weil er einen Mönch „von jenseits des Meeres“, also wohl einen Italiener, in seine Wohnung aufgenommen hatte[14], und Hunerich verlangt von den katholischen Bischöfen die eidliche Verpflichtung, mit den „regiones transmarinae“ keinen brieflichen Verkehr zu unterhalten (IV, c. 4, bezw. III, c. 19).

Ferner: die Zugehörigkeit bezw. der Uebertritt zum Arianismus gilt den Vandalenkönigen als Unterpfand auch der politischen Ergebenheit; daher verlangen Geiserich und Hunerich von solchen Romanen, die in ihre Dienste treten wollen, ja sogar von solchen orthodoxen Romanen, die ihnen schon manche Beweise der Treue gegeben haben, als Gewähr für die Dauer des gegenseitigen Vertrauens die Arianische Wiedertaufe. Die genannten Könige dulden in ihrer Umgebung aus dem erwähnten Grunde nur Arianer; daher die wiederholte kategorische Aufforderung an katholische Palastbeamte, zur Religion ihrer Germanischen Herren überzutreten (s. Victor Vit. I, c. 14, bezw. I, c. 43; II, c. 7, bezw. II, c. 23).

Am meisten beargwohnten die Vandalen den orthodoxen Klerus und zumal den Episcopat, sowie den Romanischen Adel und die einstigen Grossgrundbesitzer, und nicht mit Unrecht: denn beide Stände besassen einerseits unter den Romanen das meiste Ansehen, der erstere wegen seiner hohen Bildung und der Vortheile, die ihm aus der geschlossenen Organisation der katholischen Hierarchie überhaupt zu Gute kamen, und dann hatten beide Stände am meisten unter der tumultuarischen Occupation Afrikas zu leiden. Die Geistlichkeit wurde, wie alsbald des Nähern gezeigt werden soll, ihrer Kirchen und der damit verbundenen Einkünfte beraubt, und die Besitzer der Latifundien, sowie die Senatoren wurden zu Gunsten der königlichen Familie und der Vandalischen Herren aus ihrem Eigenthum verdrängt; ja sogar kleinere Grundbesitzer mussten auf ihre Ländereien verzichten, nur solche Felder, die sich zum Ackerbau nicht besonders eigneten, durften die Eigenthümer behalten, mussten aber für dieses zweifelhafte Recht unerschwingliche Steuern bezahlen[15]. [23] Doch beschränkten sich diese grausamen fiscalischen Massregeln im wesentlichen auf die Zeugitana oder die Proconsularprovinz, worin Karthago lag[16]. Nach obigen Erörterungen ist es geradezu unbegreiflich, wie Schröckh (Christl. K. G. XVIII, S. 92) auch nur irgendwie zweifelhaft sein kann, ob Geiserich’s Römerhass bei seinen Katholikenverfolgungen mitgewirkt habe.

Aber nicht bloss politisches Misstrauen, auch religiöser Fanatismus der Arianischen Vandalen hat zu Behelligungen der orthodoxen Romanen geführt; wiederholt wird ja in den Quellen hervorgehoben, wie die Könige unter Zustimmung und auf den Rath ihrer Arianischen Geistlichkeit gegen die Katholiken einschreiten. So schliesst Geiserich „suadentibus episcopis“ die Orthodoxen vom Hofdienst aus (Victor Vit. I, c. 14, bezw. I, c. 43). So ferner fordert derselbe Herrscher den Sebastianus „praesentibus sacerdotibus nostris“ auf, zum Arianismus überzutreten (Victor Vit. I, c. 6, bezw. I, c. 19). Weiter lässt sich Hunerich namentlich durch die fanatischen Einflüsterungen des Arianischen „Patriarchen“ Cyrila bestimmen, vor der katholischen Kathedrale seiner Hauptstadt Henker aufzustellen (Victor Vit. II, c. 3. 4, bezw. II, c. 8. 9). Dass religiöser Fanatismus bei den Vandalischen Katholikenhetzen als Motiv nicht ohne Einfluss geblieben ist, erhellt auch einerseits aus der Rachsucht, womit der siegreiche Arianismus für die lange Unterdrückung durch die orthodoxen Imperatoren sich an den Katholiken durch Rückanwendung der Ketzergesetze schadlos zu halten sucht[17], sowie andererseits aus der Besorgniss, die sich gelegentlich zeigt, durch allzu harte Behandlung der Afrikanischen Katholiken den Byzantinischen Kaiser zu Retorsionen gegen dessen Arianische Unterthanen zu veranlassen (vgl. Victor Vit. II, c. 7, bezw. II, c. 23).

Als Ausfluss eines religiösen Fanatismus lässt es sich auch auffassen, wenn z. B. König Thrasamund seine katholischen Unterthanen selbst zu einer Zeit massregelt, wo der Byzantinische Hof nicht den Mittelpunkt der romanisch-orthodoxen Propaganda bildete und auch gar nicht bilden konnte. Im Zusammenhang mit den soeben angedeuteten Motiven gab auch [24] der Umstand, dass die neue Staatskirche in dem neuen Reiche nothwendig der Fundirung und Dotation bedurfte, öfter Anlass zu Gewaltthätigkeiten gegen die katholische Kirche, die freilich zum Theil einfach in der Natur der Sache begründet waren.

So lässt es sich also erklären, dass Geiserich und Hunerich wiederholt katholische Kirchen nebst den dazu gehörigen Gütern dem Arianischen Cultus überweisen[18]. Weiter dienten die Katholikenverfolgungen auch vielfach bloss dem Zwecke einer Bereicherung des Fiscus, wie denn überhaupt Geiserich und noch mehr Hunerich einem fiscalischen Raubsystem huldigten, was freilich zum Theil mit der Gründung einer Monarchie unter ausserordentlich schwierigen Verhältnissen zusammenhing[19]. Endlich konnten die Herrscher natürlich auch aus persönlichen, specielleren Gründen Katholikenhetzen veranlassen; so hatte Hunerich die orthodoxen Bischöfe im Verdacht, sie seien gegen seinen Plan, die Krone dem Hausgesetze seines Vaters zuwider seinem Sohne Hilderich zuzuwenden[20].

Der allgemeine Charakter der Vandalischen Katholikenverfolgungen ergibt sich grossentheils schon aus den soeben skizzirten Motiven. So wurde in erster Linie die Geistlichkeit, der Episcopat, sowie der weltliche Adel, die reichen und vornehmen Laien, wegen ihres Glaubens behelligt; denn sie galten vorzugsweise den Germanischen Siegern als politisch verdächtig; diese beiden Stände hatten namentlich unter Geiserich zu leiden. Hunerich hingegen, fanatischer und politisch verrannter als sein Vater, verfolgte wenigstens seit Veröffentlichung des Februaredictes mehr unterschiedslos alle seine katholischen Unterthanen, geistliche wie weltliche, reiche, wie arme Laien, Männer wie Frauen, Erwachsene sowohl wie zarte Knaben; auch erstreckte sich seine Verfolgung, wenigstens zuletzt, auf alle Provinzen, während die Massregeln seines Vaters zumeist auf die Zeugitana nebst Karthago [25] beschränkt blieben. Diese letztere Annahme, die schon Papencordt (p. 277) vertritt, findet darin ihre Bestätigung, dass die radicalste und allgemeinste katholikenfeindliche Massregel Geiserich’s, das Verbot der Bischofswahlen, sich auf die Zeugitana beschränkt hat (s. Victor Vit. I, c. 9, bezw. I, c. 29). Thrasamund’s katholikenfeindliche Acte wiederum galten fast nur dem Episcopat.

Uebrigens fanden selbst unter Geiserich und Hunerich, wie schon angedeutet wurde, keineswegs ununterbrochene Verfolgungen statt. Die Behandlung der orthodoxen Bevölkerung war vielmehr je nach der wechselnden Machtstellung der einzelnen Könige und auch, vielfach wenigstens, nach Massgabe der Beziehungen zu Byzanz eine verschiedene. War das Verhältniss zu Neu-Rom ein entschieden feindseliges, so wurden die Katholiken schonungslos verfolgt; umgekehrt wurden sie gelinder behandelt, wenn die Könige, sei es im Bewusstsein ihrer noch nicht genug daheim befestigten Macht, sei es aus anderen Gründen, es für angemessen hielten, mit dem Oströmischen Kaiserhofe vorübergehend friedliche Beziehungen zu unterhalten; alsdann fand denn auch das Ersuchen der Imperatoren um rücksichtsvollere Behandlung ihrer Afrikanischen Glaubensgenossen geneigtes Gehör[21].

In Betreff der Tragweite der Vandalischen Befehdung der Orthodoxie ist zu bemerken, dass es unter Geiserich und Hunerich – nur diese Könige haben die katholische Kirche blutig verfolgt – zwar zu sehr vielen Bekenntnissen, aber nur zu verhältnissmässig sehr wenigen Martyrien gekommen ist. Natürlich war das Motiv dieser relativen Schonung nicht etwa einiger Sinn für Humanität, sondern man folgte nur Opportunitätsrücksichten. Die Arianer missgönnten den katholischen Romanen die Auszeichnung des Martyriums und fürchteten zudem als Folge förmlicher [26] Martyrien noch eine Verstärkung der katholischen Propaganda.

Charakteristisch für die Vandalischen Katholikenverfolgungen ist auch der Umstand, dass der Arianische Klerus, der fast unausgesetzt bemüht war, die Könige zu katholikenfeindlichem Vorgehen zu veranlassen, auch sehr häufig die Ausführung der betreffenden Decrete zu überwachen hatte; natürlich gingen diese Fanatiker in der Ausführung weiter, als selbst ein Hunerich solches befohlen hatte (s. Victor Vit. V, c. 11; 16 [Worte Hunerich’s!], bezw. III, c. 42; 54). Arianische Presbyter erlaubten sich zuweilen sogar unter der Regierung eines katholikenfreundlichen Fürsten (Guntamund), natürlich ohne dessen Vorwissen, gegen einzelne orthodoxe Geistliche empörende Misshandlungen; ähnliche Gewaltthaten liessen sich auch mitunter der Vandalische Pöbel oder auch Vandalische Krieger wider Wissen und Willen der Monarchen (Guntamund und Thrasamund) zu Schulden kommen.

Endlich ist hier noch der Stellung der Vandalen zu ihren katholischen Stammesgenossen zu gedenken. Wie zumal die beiden ersten Vandalenkönige, in diesem Punkte der höheren staatsmännischen Einsicht entrathend, überhaupt auf’s eifrigste bemüht waren, ihre Vandalen in der nationalen Eigenthümlichkeit oder vielmehr Abgeschlossenheit vom Romanischen Element zu erhalten, so suchten sie namentlich die orthodoxe Propaganda innerhalb der sogen. Vandalenloose zu verhüten (vgl. Victor Vit. I, c. 7. II, c. 13, bezw. I, c. 22. II, c. 38; 39). Die verhältnissmässig wenigen Vandalen, die trotz der Verbote Geiserich’s und Hunerich’s vom Arianismus zur katholischen Kirche übertraten, wurden zum mindesten mit derselben Härte wie die Romanen bestraft. Dahn (Könige I, p. 248 f.) hat zuerst, und gewiss mit Recht, daran erinnert, „dass diese Verfolgungen die verhängnissvolle Brücke bilden, die den Absolutismus des Königthums von der Römischen auf die Vandalische Hälfte des Reiches hinüberführen“.

Um diese Aeusserung richtig aufzufassen, muss man erwägen, dass unter Geiserich und Hunerich noch Reste der alten Volksfreiheit bei den Vandalen existirten (vgl. Dahn a. a. O., p. 224–227). Ein Geiserich selbst respectirt noch im J. 475 das Privateigenthum der freien Vandalen (s. Malchus, Excerpta [27] ex historia, ed. Bonnensis, p. 261, c. 3, und Dahn, p. 226 f.). Ferner in Strafsachen sind die freien Vandalen nur in causa perduellionis, in Hochverrathsprocessen, derselben Willkür seitens des Königthums, wie die Romanen unterworfen (s. Dahn, p. 249). Jedenfalls erblickt Dahn mit Fug in der Art, wie die katholischen Vandalen bestraft wurden, ein Steigen des Absolutismus der Königsgewalt. Die Dahn’sche These lässt sich sogar noch erweitern: Nicht bloss die Massregelungen der Katholiken, sondern die Religionsverfolgungen jenes Königs überhaupt führten die gedachten verhängnissvollen Consequenzen herbei; es erhellt dies aus dem, was Victor Vit. II. c. 1, bezw. II. c. 1, 2 über die unerhört grausame Unterdrückung der sich grösstentheils aus Vandalen rekrutirenden Manichäer durch Hunerich berichtet wird.

Das Ergebniss dieser Untersuchung geht also dahin, dass wenigstens zu Hunerich’s Zeit jeder Abfall der Vandalischen Freien von der Arianischen Staatskirche genügte, um auch sie gleich der orthodoxen Romanischen Bevölkerung, ja mehr noch als diese, der schrankenlosesten Willkür des königlichen Absolutismus, zumal hinsichtlich der Strafgewalt, preiszugeben[22].


IV. Wechselnde Schicksale der Katholiken unter der Herrschaft Geiserich’s 429–477.

Die rohen Gewaltthätigkeiten, die von Geiserich und seinen beute- und zerstörungslustigen Schaaren in den Jahren 429 bis 435 u. A. auch gegen viele orthodoxe Bischöfe und Priester, sowie [28] wie gegen katholische Cultusstätten, Basiliken, Klöster u. s. w. in jenem Zeitraum verübt wurden, wo die Vandalen, zunächst noch vorübergehend, beide Mauretanien, aber schon zum Zwecke bleibender Occupation, Numidien, Zeugitana oder die Proconsularprovinz und Byzacena überschwemmten und gemeinsam verwüsteten[23], dürfen nicht als eigentliche Religionsverfolgung gelten, müssen vielmehr theils als Consequenzen einer barbarischen Kriegsführung aufgefasst werden, zum Theil hängen jene Gewaltacte aber auch mit dem schon damals scharf hervortretenden Bestreben des Germanenfürsten zusammen, einen Fiscus, eine Staatskasse als erste und wichtigste Basis des neu zu stiftenden und fortzuentwickelnden Reiches zu begründen. Allerdings sagt Victor Vit. (I, c. 4 ed. Petschenig, ed. Halm, I, c. 1, ed. Ruinart): „Praesertim in ecclesiis basilicisque sanctorum cymitiriis vel monasteris sceleratius saeviebant, ut maioribus incendiis domos orationis magis quam urbes cunctaque oppida concremarent.“ Dieser Einwand wird aber durch folgende Erwägungen widerlegt. Erstens: in jener Periode ist wohl von Zerstörung katholischer Kirchen, aber noch nicht von einer Gründung einer Arianischen Staatskirche bezw. Dotirung derselben mit Cultusstätten und Kirchenvermögen der Katholiken die Rede. Zweitens: es lässt sich nicht nachweisen, dass die Vandalen schon damals den katholischen Afrikanern die Zumuthung stellten, die Arianische Wiedertaufe zu empfangen. Drittens: Victor Vit. (I c. 2 ed. Ruinart-Hurter, I c. 5, ed. Halm, ed. Petschenig) bezeugt ausdrücklich, dass damals katholische Bischöfe und Priester nur darum gefoltert wurden, um sie zur Herausgabe ihres Privatvermögens oder der Kirchengüter zu zwingen[24]. Viertens: sonstige Grausamkeiten, denen nicht Habsucht, sondern bloss die Rohheit oder Rachsucht des barbarischen Siegers als Motiv zu Grunde lag, wurden nachweislich nicht bloss gegen Vertreter der orthodoxen Hierarchie, sondern unterschiedslos gegen die gesammte [29] überwältigte Romanische Bevölkerung, gegen jedes Alter und Geschlecht verübt (vgl. Victor Vit. I c. 2 ed. Ruinart, I c. 5–7 incl. ed. Halm, ed. Petschenig). Schon Schröckh (Christl. K.-G. XVIII, p. 92) hat diese Vorgänge sehr richtig gewürdigt: „anfänglich waren es auch wohl nur die gewöhnlichen Grausamkeiten eines zu Verwüstungen und zur geschwinden Einsammlung der reichsten Beute erhitzten Feindes“. Im Uebrigen ist aber Schröckh’s Schilderung der Katholikenverfolgungen Geiserich’s wegen unzulänglicher Berücksichtigung der Chronologie, bezw. der verschiedenen Regierungsepochen des Vandalenkönigs, völlig ungenügend. „Von einem feindlichen Verhältnisse zwischen dem Arianischen Staate und der katholischen Kirche kann schon um desswillen in den ersten Jahren des Vandalenkrieges noch nicht die Rede sein, weil es damals noch keinen solchen Staat gab“: so urtheilt zutreffend auch Alexis Schwarze a. a. O. p. 153.

Die erste systematische Katholikenverfolgung eröffnete Geiserich erst im J. 437[25], also in einem Zeitpunkte, wo er bereits angefangen hatte, sich in seinen Eroberungen häuslich einzurichten. Im genannten Jahre stellte er nämlich vier katholischen Spaniern Namens Arcadius, Probus, Paschasius und Eutycianus, die ihm noch von seinem früheren Aufenthalte in Bätica (von c. 423–429) her bekannt waren, das Ansinnen, zum Arianismus überzutreten und ihm so ein Unterpfand unverbrüchlicher Treue zu bieten, obgleich sie ihm schon längst unzweideutige Beweise einer ebenso aufrichtigen als nützlichen Ergebenheit geliefert hatten. Da sie aber unbeugsam an ihrer religiösen Ueberzeugung festhielten, wurden sie auf Befehl des erzürnten Fürsten zuerst ihres Vermögens beraubt, dann verbannt und schliesslich grausam hingerichtet. Diese Martyrer wurden also dem stark ausgeprägten politischen Argwohn des Königs geopfert. Ein Knabe Namens Paulillus, der jüngere Bruder des Paschasius und Eutycianus, wurde auf seine Weigerung, seinen katholischen Glauben abzuschwören, zuerst lange gegeisselt und dann zur Verknechtung verurtheilt, und wenn ihm Geiserich zuletzt das Leben schenkte, [30] so geschah dies nicht etwa aus Gründen der Humanität, sondern aus Furcht, durch die Standhaftigkeit eines Kindes besiegt zu werden[26]. Papencordt (p. 73) und Dahn (I p. 246. 249) fassen mit Recht diese Begebenheit als die erste systematische Befehdung der Orthodoxie durch Geiserich auf und datiren demgemäss den Beginn der Vandalischen Katholikenverfolgungen richtig auf das Jahr 437, während Hurter a. a. O., praef. p. 41, denselben erst 442 ansetzt.

In dasselbe Jahr (437) fallen auch die ersten Massregein des Monarchen, die eine Fundation bezw. Dotirung einer Arianischen Staatskirche bezweckten. Einige orthodoxe Bischöfe wurden, ohne Zweifel zu Gunsten des Arianismus, ihrer Kirchen beraubt und auf ihre Weigerung, zur Lehre des Arius überzutreten, mit dem Exil bestraft[27]. Also ein nur mittelbar katholikenfeindlicher Act und zugleich eine unmittelbar die Interessen der Orthodoxie gefährdende Massregel! Dass Geiserich die ersten bewusst feindlichen Schritte gegen den Katholicismus erst nach dem Friedensvertrage von Hippo Regius in Numidien, also zu [31] einer Zeit unternahm, wo er officiell mit dem Weströmischen Kaiser Valentinian III. (reg. 425–455) in Friede und Freundschaft lebte, kann nicht auffallen. Denn einmal waren des Königs Beziehungen zum Byzantinischen Hofe nach wie vor unfreundliche, ja Geiserich hatte jenen Frieden hauptsächlich desshalb mit Kaiser Valentinian abgeschlossen, weil er sich noch zu schwach fühlte, einem erneuten vereinigten Angriff beider Kaiserreiche erfolgreichen Widerstand zu leisten, und dann war der fragliche Friedensvertrag, der am 11. Februar 435 abgeschlossen wurde und das östliche Numidien, Zeugitana (mit Ausnahme der Hauptstadt Karthago) und die Byzacena gegen einen alljährlich an den Hof von Ravenna zu entrichtenden Tribut in den Händen der Vandalen beliess (vgl. auch Schwarze p. 154), in der That weniger ein Friede denn ein Waffenstillstand und von keiner Seite aufrichtig gemeint, von Seite Geiserich’s nicht, wie die Ereignisse des nächsten Lustrums beweisen, aber auch von Seite des Kaisers nicht, der die Abtretung zweier Provinzen nur als eine durch die Noth des Augenblicks erzwungene betrachten mochte[28].

Dass der Friede von Hippo nicht, wie der spätere vom J. 442, vom Weströmischen Hofe als eine definitive Verzichtleistung auf die erwähnten Territorien aufgefasst wurde, würde sich auch aus der vorsichtigen, gleichsam auf Schrauben gestellten, Ausdrucksweise des Zeitgenossen Prosper Tiro (Chron. Theodosio XV. et Valentiniano IV. [conss.]) ergeben, wenn da mit Papencordt (S. 343 ff.) und Dahn (I, S. 153 Anm. 7) wirklich zu lesen wäre: „pax facta cum Vandalis, data eis ad habitandum per trigennium loco Africae portione Hippone III. Id. Febr.“[29].

[32] Am 19. Oct. 439 eroberte Geiserich durch plötzlichen Ueberfall mitten im Frieden die alte Hauptstadt Afrikas, Karthago; „das war gewiss ein Act perfidester Vertragsverletzung, aber die Wegnahme der Hauptstadt des Landes war auch für Geisarix unbedingt nothwendig, wenn er sich fernerhin behaupten wollte: denn er musste erwägen, welch’ ein gewaltiger Gegner ihm in Aëtius gegenüberstand, und dass der Römische Hof seine Ansprüche auf das entrissene Land aufrecht hielt“[30]. Ein erneuter Aufschwung der Vandalischen Macht, aber auch neue Leiden der katholischen Bevölkerung, zumal des Adels und der Geistlichkeit, waren die Folgen dieses wichtigen Ereignisses. Seit Karthago die Residenzstadt der Vandalischen Könige ist, spiegeln sich die Beziehungen der letzteren zu ihren katholischen Unterthanen überhaupt und zu den beiden Kaiserhöfen, bezw. seit Odovakar zu Ostrom allein, in ihrer Stellung zur Kathedrale, zum Bisthum Karthago. Die katholischen Oberhirten des letzteren waren, wenn auch nicht formell, so doch thatsächlich die Primaten des Afrikanischen Episcopates – es erhellt dies z. B. aus den zur Zeit des vorletzten Vandalenkönigs Hilderich stattfindenden Afrikanischen Synoden, ausserdem erkannten sie stets auch den Römischen Primat an (vgl. Victor Vitensis II c. 15 ed. Ruinart, II c. 43 ed. Petschenig)[31]; in diesen Verhältnissen lag also Grund genug zu politischem Misstrauen für die Vandalenkönige.

Man darf sich also nicht wundern, dass Geiserich gleich nach der Einnahme Karthagos den dortigen Bischof und einen grossen Theil seines Klerus verbannte und auf zerbrechlichen Fahrzeugen den Wogen des Mittelmeeres preisgab. Aber Quodvultdeus entging den grausam verschärften Gefahren der Seereise und gelangte glücklich nach Neapel. Wenn ferner berichtet wird, dass Geiserich manche Kirchen intra et extra muros seiner [33] neuen Hauptstadt, so z. B. die Basiliken ad ss. Perpetuam et Felicitatem, ad s. Celerinam, ad Scillitanos martyres, ad s. Cyprianum u. s. w. ihren rechtmässigen Eigenthümern entriss und sammt dem dazu gehörenden Kirchenvermögen dem Arianischen Episcopate überwies, so waren dies weniger direct katholikenfeindliche Acte, denn Massregeln, welche die Fundirung der neuen Arianischen Staatskirche bezweckten. Wenn Geiserich ferner viele Karthagische Senatoren nach Italien einschiffen liess, andere zurückbleibende Vertreter des reichen Adels an den Bettelstab brachte, so handelt es sich auch da weniger um eigentliche Religionsverfolgung, als um per fas et nefas bewirkte Füllung des Staatssäckels. Alles in Allem genommen übertreibt Prosper Tiro (Epit. chron. ed. Mommsen, S. 477, „Theodosio XVII. et Festo“ [conss.]), wenn er meint, Geiserich hätte zumal gegen den Adel und die Geistlichkeit gewüthet, so dass man nicht recht wisse, ob er Gott (d. h. die katholische Religion) oder die Menschen mehr befehdet hätte.

Die Eroberung Karthagos und ihre nächsten Folgen für die katholische Einwohnerschaft sind durch eine ganze Reihe von Quellenbelegen bezeugt[32]. Seitdem erscheint Geiserich auf lange Jahre hinaus, wie mit beiden Kaiserreichen, so auch und in Consequenz hiervon mit seinen katholischen Unterthanen unheilbar zerfallen.

Das Verhältniss zu West- und Ostrom wurde immer schroffer, da der kühne Herrscher seit 440 fast ununterbrochen bis zu Ende seiner Regierung alljährlich in der guten Jahreszeit in die See stechend, seine berüchtigten Raubzüge unternahm, deren Gegenstand abwechselnd die Provinzen beider Kaiserreiche, die Küsten von Spanien, Sicilien, Campanien, Calabrien, Apulien, Lucanien, Dalmatien, Epirus, Griechenland u. s. w. waren[33]. Schon früher, 437 und 438, hatten einzelne Vandalische Schaaren aus eigener [34] Machtvollkommenheit, nicht unter den Auspicien des Königs, verheerende Streifzüge gegen Sicilien und andere Inseln des Mittelmeeres unternommen[34]. Auch der Friedensvertrag vom J. 442, in dem Valentinian in die definitive Abtretung des östlichen Numidien, der Provinz Zeugitana nebst Karthago und Byzacena willigen musste und den Vandalenkönig als gleichberechtigten Fürsten unter Verzichtleistung auf den Tribut anerkannte und sich nur Mauretanien, das westliche Numidien nebst Cirta und die Provinz Tripolis vorbehielt[35], verschaffte den orthodoxen Unterthanen Geiserich’s keine Erleichterung ihrer hartbedrängten Lage. Denn einerseits verletzte Geiserich den Friedensvertrag durch jene soeben erwähnten Raubzüge, und andererseits wurde gerade seit 442 die Kluft zwischen Siegern und Besiegten erheblich erweitert: damals nämlich nahm Geiserich jene schon oben charakterisirte Vertheilung des Grundbesitzes unter seinen Vandalen vor, die so ausserordentlich die Vermögensverhältnisse der bisherigen Eigenthümer schädigte[36].

Ausser den bisher erörterten Motiven der Verfolgung gab es seit 442 noch zwei weitere Anlässe zur Massregelung von Katholiken, zumal der Geistlichkeit: einmal untersagte Geiserich innerhalb der Vandalenloose, also zumeist in der Zeugitana, jede katholische Propaganda (Victor Vit. I c. 17 bezw. I c. 22). Dann [35] verbot er den orthodoxen Priestern und Bischöfen, die in den specifisch königlichen Districten, also namentlich in der Proconsularprovinz wohnten, in ihren Predigten die biblischen Verfolger Pharao, Nabuchodonosor u. s. w. zu citiren; denn nicht ganz mit Unrecht argwöhnte er, dass manche übereifrigen Geistlichen sich jener Namen bedienten, um politische Anspielungen auf seine Religionspolitik zu machen; Viele übertraten dieses Verbot und wurden zur Strafe verbannt (s. Victor Vit. l. c.).

Natürlich war ja auch der nicht unbegründete politische Argwohn Geiserich’s nach wie vor ein wirksames Motiv zu Verurtheilungen einzelner hervorragender Katholiken. So wurde z. B. Bischof Felix von Hadrumet exilirt, weil er einem Mönche von „jenseits des Meeres“ Gastfreundschaft erwiesen hatte. Sebastianus, der Schwiegersohn des Comes Bonifatius, anfangs, zumal als Nachfolger im Obercommando des letzteren ein Gegner Geiserich’s – noch 440 hielt der König durch ihn seine Hauptstadt für bedroht (vgl. Prosp. Tiron. epit. chron. ed. Mommsen, S. 478, „Valentiniano Aug. V et Anatolio“ = 440) –, wünschte später in Geiserichs Dienste zu treten. Da der König den energischen, begabten Feldherrn – einen „vir bellicosus“ nennt ihn sogar Victor Vit.! – mit Recht noch immer fürchtete, forderte er ihn auf, „in Gegenwart seiner Bischöfe“ zum Arianismus überzutreten, und ihm so eine Garantie dauernder Freundschaft zu gewähren. Sebastian umging diese Zumuthung durch eine von Geistesgegenwart zeugende Erklärung, und später liess ihn Geiserich unter Vorwänden umbringen[37].

Endlich trat für die hartgeprüften Katholiken Afrikas eine wohlthätige Friedensepoche ein. Im Jahre 454 gestattete nämlich Geiserich auf Verwendung des Kaisers Valentinian der viele Jahre lang verwaisten hauptstädtischen Katholikengemeinde, [36] sich an Stelle des inzwischen in der Verbannung gestorbenen Quodvultdeus wieder einen Oberhirten zu wählen, und so erhielt denn Karthago am 24. October 454 in der Person des Deogratias wieder einen orthodoxen Bischof[38]. Nach dem, was vorhin (p. 32) über die kirchlich-politische Bedeutung des Bisthums Karthago gesagt wurde, kam die eben erwähnte Concession Geiserich’s der Bewilligung unverkürzter Glaubensfreiheit vollständig gleich. Diese katholikenfreundliche Gesinnung des Königs hielt bis zum Tode des Bischofs Deogratias vor; während seiner dreijährigen Verwaltung (454–457) blieb der äussere Friede der Afrikanischen Kirche unerschüttert (vgl. Victor Vit. I, c. 8 bezw. I, c. 24–27 mit I, c. 9 bezw. I, c. 28; 29).

Die Frage, welche Gründe der diplomatischen Verwendung Valentinian’s für die Katholiken plötzlich einen Erfolg verschafften, den man nach Geiserich’s bisherigem Verhalten gegen den Weströmischen Kaiser nicht hätte erwarten sollen, lässt sich nur durch Vermuthungen beantworten. Papencordt (p. 81 f.) erinnert daran, dass Geiserich wenige Jahre vorher (451) den Hunnenkönig Attila zu seinem verhängnissvollen Feldzug gegen die Römer und Westgothen veranlasste, der mit der Niederlage der „Gottesgeissel“ in den catalaunischen Gefilden endete (s. Excerpta ex Prisci rhetoris historia c. 7, ed. Bonn. p. 152), und stellt dann folgende nicht ganz unwahrscheinliche Hypothese auf; „ob Geiserich zu gleicher Zeit eine Unternehmung gegen die Römer gemacht habe, wissen wir nicht; aber es ist eher zu vermuthen, dass er mit ihnen Frieden hielt, um, wenn Attila unterläge, an ihnen noch eine Stütze gegen die Westgothen zu haben“.

Ungleich ansprechender, auch in den historischen Einzelheiten genauer scheint mir dagegen folgende Vermuthung Stadler’s v. Wolffersgrün (p. 29) zu sein: „Ob Geiserich eine Gegenleistung dafür, nämlich für den Angriffskrieg Attila’s gegen [37] Römer und Westgothen bot, etwa im Kampfe gegen Rom mitzuwirken, ist ungewiss – soviel aber sicher, dass er während dieser Zeit ruhig in Afrika geblieben ist, ja dass er nach der Niederlage Attilas sogar in seinem Auftreten gegen die Katholiken milder wurde, um das Römische Reich [ich ergänze: das unlängst noch unter der bewährten Leitung des unvergleichlichen Helden, Feldherrn und Staatsmannes Aëtius sogar mit einem Attila fertig geworden war], sich nicht neuerdings zum Feinde zu machen, oder weil im Römischen Reich wahrscheinlich die Arianer milder behandelt wurden, und dass er auf Bitte des Kaisers Valentinian im Jahre 454 selbst die Wahl eines neuen Bischofs in Karthago, Deogratias, zulässt“ u. s. w.

Nach Morcelli (Africa christ. III, p. 163, – ihm folgen auffallender Weise sogar Papencordt p. 82 und Dahn I, S. 249!) hätte der Vandalenkönig auch der Stadt Hadrumetum (an der Grenze der Zeugitana und von Byzacena) schon im Jahre 453, also noch vor der Vermittlung des Weströmischen Imperators (!), erlaubt, sich einen Bischof zu wählen, der freilich bald, noch vor Schluss des Jahres, vom König wegen Aufnahme eines monachus transmarinus wieder exilirt worden wäre!! Es handelt sich um den uns schon bekannten Bischof Felix (s. oben p. 22), dessen Victor Vit. I, c. 7 bezw. I, c. 23 gedenkt; man sieht, dass Morcelli frühere Vorgänge zu spät ansetzt[39].

In diese Friedensepoche der Afrikanischen Katholiken fallen zwei politische Ereignisse, die im Interesse des Verständnisses [38] der folgenden Untersuchungen hier eine gedrängte Erwähnung verdienen. Geiserich wusste nämlich die Verwirrung, die nach der Ermordung Valentinian’s (455) im Weströmischen Reiche herrschte, meisterhaft für seine Pläne auszunützen. Im genannten Jahre zog er bekanntlich als Sieger in die alte Königin der Welt ein, plünderte sie 14 Tage lang und kehrte mit unermesslicher Beute an Gold, Silber und Gefangenen nach Karthago zurück. Unter den Gefangenen befanden sich auch die Wittwe Valentinian’s, Eudoxia und deren beide Töchter Eudocia und Placidia; erstere wurde mit Geiserich’s Sohn Hunerich vermählt[40]. Wichtiger noch war eine weitere Folge der durch das tragische Ende Valentinian’s herbeigeführten Wirren. Um 455 vereinigte Geiserich alle die Provinzen Afrikas mit seinem Reich, welche der Friedensvertrag von 442 dem Kaiser noch gelassen hatte, nämlich die drei Mauretanien, Westnumidien nebst Cirta und Tripolis. Der Vandalenkönig stand jetzt im Zenith seiner Macht; denn von da ab gebot er über die gesammte Küste von Nordafrika von den Säulen des Herkules bis zur Westgrenze Cyrenes: mit diesem Erfolge noch nicht zufrieden, besetzte der Meerkönig damals auch die hervorragendsten Inseln im westlichen Becken des Mittelmeeres, Sicilien, Sardinien, Corsica, die Balearen und Pithyusen (vgl. Victor Vit. I, c. 4 bezw. I, c. 13)[41].

Auch die Mauren, die halbwilden Nomaden am Südsaume der langgestreckten Nordafrikanischen Küste, geriethen jetzt, wie es scheint, in eine grössere Abhängigkeit von den Vandalen. In dem Umstand, dass diese nie der Inferiorität jener Stämme den Römern gegenüber gleichkam und sofort nach Geiserich’s Ableben von beständigen Empörungen abgelöst wurde, liegt auch eine Hauptursache des schnellen Verfalles der Vandalischen Macht.

Im Jahre 457, nach dem Tode des Bischofs Deogratias, begann Geiserich die Katholiken von Neuem zu befehden und eröffnete diesen zweiten Cyklus seiner Verfolgungsacte mit dem [39] Verbot, die etwa durch den Tod der bisherigen Inhaber erledigten Bisthümer der Zeugitana oder der Proconsularprovinz durch neue Oberhirten zu besetzen (vgl. Victor. Vit. I, c. 9 bezw. I, c. 29)[42]. Das Motiv dieser Kündigung des Waffenstillstandes mit der katholischen Kirche ist in Geiserich’s sich immer schroffer gestaltenden Verhältnissen zu beiden Kaiserreichen – seit 455 begann er auch immer mehr die Küsten des Byzantinischen Reiches heimzusuchen (vgl. Procop. Bell. Vand. I, c. 5) – und zumal in dem Umstande zu suchen, dass auf den oströmischen Kaiser Marcianus, der bei aller sonstigen Tüchtigkeit sich ruhig die Vandalischen Raubzüge gefallen liess und höchstens zu fruchtlosen diplomatischen Unterhandlungen seine Zuflucht nahm, im Jahre 457 Leo I. folgte, ein Imperator, der mit aller Energie, freilich zuletzt auch erfolglos, der unerträglichen Piraterie des Meerkönigs entgegentrat[43]. Diese zweite Geiserich-Verfolgung, die unstreitig zu vielen Bekenntnissen Anlass gab und zu Zeiten, namentlich im Jahre 467, als der König durch die vereinigte Flotte der beiden Kaiser Leo und Anthemius in seiner Existenz bedroht wurde (vgl. Procop. B. Vand. I, c. 6), sehr heftig gewesen sein mag, dauerte fast zwei Jahrzehnte, bis endlich im Jahr 475 der hochbetagte Fürst, der Vermittlung des neuen Oströmischen Kaisers Zeno nachgebend, in Consequenz des mit diesem Imperator damals abgeschlossenen sog. ewigen Friedens seinen katholischen Unterthanen abermals die Cultusfreiheit wiedergab[44].

Zwar konnte er sich nicht entschliessen, wie im Jahre 454, die Ordination eines neuen Bischofs seiner Hauptstadt zuzugestehen, doch willigte er in die Rückkehr sämmtlicher verbannter Katholiken und gestattete ihnen auch, in der Kathedrale, die er lange der öffentlichen Benutzung entzogen hatte, wieder Gottesdienst zu halten[45]. Dieser Friedensvertrag blieb bis in die [40] Zeiten Gelimer’s und Justinian’s in Kraft (s. Procop. l. c.). Im folgenden Jahre (476) überliess der König in einem Vertrage dem thatsächlichen Beherrscher Italiens Odovakar den grössten Theil Siciliens gegen einen Jahreszins (Vict. Vit. I, c. 4 bezw. I, c. 14), und so starb der gewaltige Germanenfürst hochbetagt im Jahre 477, versöhnt mit allen Gegnern, die er während seiner langen sturmbewegten Laufbahn so bitter bekämpft hatte, im Frieden mit beiden Kaiserreichen, wie mit den Katholiken (Victor Vit. I, c. 17 bezw. 51. II, c. 1).

Schliesslich mögen noch einige Uebertreibungen und Unrichtigkeiten unserer wichtigsten Quellen, zumal Victor’s von Vita[46], nachgewiesen werden. Nach Victor Vit. (I, c. 2; 4 bezw. I, c. 5; 12) und Prosp. Tiron. epit. chron. (ed. Mommsen, p. 476 f. „Theodosio XVII. et Festo“ (conss.) = 439 p. Chr.)[47] sollte man glauben, Geiserich hätte alles katholische Kirchengut geraubt, und doch hat Bischof Deogratias von Karthago noch im Jahre 455 nach Victor’s eigener Angabe (I, c. 8 bezw. I, c. 25) goldene und silberne Kirchengefässe genug, um mit deren Erlös Kriegsgefangene der Vandalen loszukaufen[48]. Ferner I, c. 9 bezw. I, c. 29 behauptet Victor, von den 164 Bischöfen, die es im Jahre 457 in der Zeugitana gegeben hätte, wären zu seiner Zeit (486–87) nur noch drei am Leben gewesen, aber aus der „Notitia episcoporum et civitatum Africae“ erhellt, dass es noch am 1. Februar 484 54 Zeugitanische Bischöfe gab[49]. Weiter will [41] uns Victor Vit. I, c. 10 bezw. I, c. 30 glauben machen, die Geiserich-Verfolgungen hätten nicht bloss zahlreiche Bekenntnisse, sondern auch sehr viele Martyrien herbeigeführt („sed etiam martyria quam plurima esse probantur“). Victor theilt aber selbst zwei Begebenheiten mit, die unwiderleglich darthun, dass Geiserich und seine Geistlichkeit grundsätzlich, aus Neid und aus Besorgniss, die Hinrichtung von Katholiken könnte zur Verstärkung der orthodoxen Partei beitragen, katholische Martyrien zu vermeiden suchten: Der Sohn Geiserich’s, Theoderich, will einen ihm verknechteten Vandalen Namens Armogast enthaupten lassen, wird aber durch seinen Hauscaplan Jucundus zurückgehalten, der ihm folgendes vorhält: „poteris eum diuersis afflictionibus interficere; nam si gladio peremeris, incipient eum Romani martyrem praedicare“. Diese Worte retteten Armogast das Leben (Victor Vit. I, c. 14 bezw. 43–45)[50].

Als Bitten und Versprechungen Geiserich’s nichts über den Bekenner Mascula vermochten, „iubet [rex] eum subire sententiam capitalem, ita tamen callidus occulte praecipiens, ut si in illa hora uibrantis gladii pertimesceret ictum, magis eum occideret, ne martyrem gloriosum fecisset; si autem fortem in confessione conspiceret, a gladio temperaret. Sed ille ut columna immobilis Christo solidante fortis effectus confessor reuertitur gloriosus. Et si martyrem inuidus hostis noluit facere, confessorem tamen nostrum non potuit uiolare“ (I c. 15 bezw. I c. 47). Aber auch das Schicksal des Spanischen Knaben Paulillus, dem der König das Leben schenkte, um nicht durch die Standhaftigkeit eines Kindes beschämt zu werden, (s. oben p. 29 f.) beweist, dass Geiserich nach Kräften bemüht war, Martyrien zu vermeiden.

Ferner meint Victor Vit. I c. 17 bezw. I c. 51, der Vandalenkönig hätte nicht bloss seine eigenen orthodoxen Unterthanen, sondern auf seinen Raubzügen vielfach auch die katholischen Bewohner der Küstenländer beider Kaiserreiche wegen ihres Glaubens behelligt[51]. Indess hat es sich, dem Charakter [42] jener Raubfahrten entsprechend, da sicher ebenso wenig um systematische Religionsverfolgungen gehandelt, als das in den Jahren 429–435 auf Africanischem Boden der Fall war. Es war dem König in erster Linie um Befriedigung seiner Beutelust zu thun. Nur beim ersten Raubzug, dessen Ziel Sicilien war, ist es auch zu einer systematischen Religionsverfolgung gekommen. Hydatius (Idatius, Continuatio chronicorum Hieronym., ed. Th. Mommsen, Mon. Germ. Auct. ant. XI, pars I, p. 23) berichtet ausdrücklich, Geiserich hätte damals die Sicilischen Katholiken auch wegen ihres Glaubens belästigt.

Der Erfolg der Geiserich-Verfolgungen scheint kein erheblicher gewesen zu sein. Es will freilich nicht viel besagen, dass uns Victor Vit. I c. 16 bezw. I c. 48–50 nur eine einzige Apostatin, die Frau des Bekenners Satirus, namhaft macht; denn wir werden bald sehen, dass er die Zahl der Lapsi der Hunerich-Verfolgung gewaltig, und zwar absichtlich, unterschätzt hat.

Was endlich den Charakter Geiserich’s betrifft, so schildert Victor von Vita mit Bewusstsein diesen Verfolger seiner Glaubensgenossen als einen Unmenschen, der mit der Parität eines Tyrannen gegen seine Romanischen und Germanischen Unterthanen mit gleicher Grausamkeit wüthet. Das richtige Bild seines Charakters lässt sich aber mit Hülfe einiger ruhiger gehaltenen Quellenberichte des 5. und 6. Jahrhunderts herstellen. So ist z. B. die hohe staatsmännische Bedeutung des Meerkönigs, abgesehen von seinen Religionsverfolgungen, die man mit Dahn, Könige I, p. 244 f. als sittlich und politisch gleich verwerfliche anzusehen hat, durch Schriftsteller wie Jordanis und die vortrefflichen Byzantiner Priscus, Malchus und Procopius, und sogar durch gelegentliche Zugeständnisse, die Victor selber fast unwillkürlich entschlüpfen (I c. 4. 8. 17 bezw. I c. 13. 14. 24. 51), bezeugt. Aber auch sittliche Vorzüge des Vandalenkönigs lassen sich quellenmässig belegen; dass er die Altgermanische Vorliebe für die Tugend der Keuschheit in keiner Weise verleugnet, beweist das begeisterte Lob des „Jeremias“ jenes Zeitalters, Salvianus[52], und dass er wahre Tugend auch an [43] Romanen zu schätzen wusste, erhellt aus der grossen Auszeichnung und Achtung, mit der er den hochherzigen Friedensvermittler des Kaisers Zeno, den Patricier Severus, behandelt, einen wahrhaften Ehrenmann, der es sogar verschmäht, vom König die den Gesandten nach damaliger Sitte zukommenden Geschenke anzunehmen, und als einzige Gunst von Geiserich sich die Freilassung der Kriegsgefangenen ausbittet und auch erhält[53].


V. Die Religionspolitik des Königs Hunerich 477–484.

Das von Geiserich am Abend seines Lebens angebahnte freundliche Doppelverhältniss des Vandalischen Reiches zu Byzanz und den Katholiken wurde auch von Geiserich’s Sohn und Nachfolger Hunerich, der von Ende Januar 477 bis 13. December 484 regierte, während seiner fünf ersten Regierungsjahre aufrecht erhalten. Zwar kam es gleich anfangs zwischen beiden [44] Höfen zu Meinungsverschiedenheiten, aber Hunerich ordnete eine glänzende Gesandtschaft nach Constantinopel ab und stellte, in allen streitigen Punkten nachgebend und durch das kluge Entgegenkommen des Kaisers Zeno, der die Vertreter des Vandalenreiches mit grösster Auszeichnung empfing, bestens unterstützt, Friede und Freundschaft wieder her (vgl. Malchus, Hist. p. 239 f., c. 5). Und was seine katholischen Unterthanen betrifft, so behandelte er sie anfangs mit grosser Schonung, bewilligte ihnen unverkürzte Cultusfreiheit und überbot sogar die zuletzt von seinem Vater den Orthodoxen bewiesene Huld; denn im Jahre 481 gab er im Zusammenhang mit dem erneuten Friedensvertrage mit Byzanz auf die Verwendung seiner Schwägerin Placidia und des Kaisers Zeno die Wahl eines neuen Bischofs seiner Hauptstadt frei.

Allerdings war diese Erlaubniss an die Bedingung geknüpft, dass auch die Arianer im Oströmischen Reich sich gleicher Religionsfreiheit erfreuen sollten; im Weigerungsfalle sollten die katholischen Bischöfe und Priester im Vandalenreich zu den Mauren gesandt werden. Die in Karthago versammelten Katholiken, Bischöfe wie Laien, wollten zwar anfangs von solchen Bedingungen nichts wissen, ihre Intoleranz ging so weit, dass sie lieber auf die Wiederbesetzung des seit 24 Jahren erledigten Bisthums Karthago verzichteten, als den verhassten Ketzern im Byzantinischen Reich Cultusfreiheit zu gönnen, und die Laien erhoben sogar über die angeblich unerhörte Zumuthung ein furchtbares Geschrei. Schliesslich fügte man sich aber doch, da selbst der kaiserliche Gesandte, der die ganze Sache auf den Wunsch Hunerich’s vermittelte, sich weigerte, von dem durchaus unbilligen Ansinnen seiner tumultuirenden Glaubensbrüder officiell Kenntniss zu nehmen, und so wurde denn anı 19. Mai oder 18. Juni 481 Eugenius zum Bischof von Karthago gewählt (siehe Victor Vit. II c. 1–3 bezw. II c. 1–6). Zwischen 477 und 481 genossen also die katholischen Unterthanen Hunerich’s thatsächlich unverkürzte Religionsfreiheit (vgl. noch Victor Vit. II c. 6, bezw. II c. 17–22). Demgemäss ist es eine Uebertreibung, wenn Hefele, Langen und Graf Paul von Hoensbroech den Hunerich-Sturm schon von 477 ab datiren[54].

[45] Zwischen 477 und 481 begnügte sich der König damit, bloss die Manichäer, diese freilich in unerhört grausamer Verfolgung, seinen Arianischen Fanatismus empfinden zu lassen (Victor Vit. II c. 1 bezw. II c. 1. 21). An sich freilich kann es nicht auffallen. Denn zunächst galt diese Secte der überwiegenden Mehrzahl der Römer und Germanen als staatsgefährlich; hauptsächlich desshalb, weil man ihre strenge Askese, z. B. das Fasten am Sonntag, und die geheimen Zusammenkünfte missdeutete, hielt man die Manichäer für hervorragend unsittlich, auch standen sie in dringendem Verdacht communistischer Bestrebungen. Sodann war diese ursprünglich Orientalische Secte nirgends im Abendland so verbreitet, als eben in der Provinz Afrika. Aus beiden Gründen haben denn auch Römische wie Germanische Fürsten, heidnische wie christliche Herrscher, katholische wie Arianische Monarchen in Massregelung der Manichäer gewetteifert[55]: Ein Diocletian eröffnet den Reigen der Manichäerverfolger durch sein drakonisches, an den Proconsul Julian von Afrika gerichtetes Edict vom 31. März 287 (abgedruckt bei Gieseler, K.-G. I, p. 311), worin er befiehlt, die Vorsteher der Secte mit ihren Schriften zu verbrennen, die hartnäckigen Anhänger mit dem Schwerte hinzurichten, die Vornehmen unter ihnen in die Bergwerke zu schicken und ihre Güter einzuziehen[56]. Selbst ein Valentinian I., sonst das Muster hochherziger Duldung, obgleich eifriger Katholik[57], schritt durch die Verfügung vom Jahre 372, freilich weit weniger energisch als sein heidnischer Vorgänger, gegen die angeblich communistische Secte ein. Mehr Schwierigkeiten legte natürlich der fromme Theodosius I., der unerbittliche Verfolger aller [46] Dissidenten, mit Ausnahme der Novatianer, dieser harmlosen, im wesentlichen orthodoxen Schismatiker, durch seinen berüchtigten Ukas vom Jahre 381 in den Weg[58].

Wenn schliesslich auch der Arianer Hunerich gegen diese Parias einschritt, so ist hier nur die besondere Grausamkeit auffallend, mit der er gegen seine Manichäischen Unterthanen verfuhr[59]. Der fanatische Monarch verurtheilte dieselben theils zum Feuertode, theils überliess er sie den Gefahren des Meeres auf lecken Schiffen. Seine Verfolgungswuth entbrannte um so ingrimmiger, als er sich überzeugen musste, dass die Manichäischen Proselyten sich zumeist aus Vandalen, sogar aus der Arianischen Geistlichkeit, rekrutirten[60]. Für solche Ausschreitungen eines blutdürstigen Fanatismus wussten auch die Katholiken ihrem Arianischen König Dank[61].

Gleichfalls noch in den Anfängen seiner Regierung inscenirte Hunerich ein bisher unerhörtes fiscalisches Raubsystem (Victor Vit. II c. 1 bezw. II c. 2). Wenn auch die Orthodoxen mit diesen finanziellen Maassregeln natürlich ungleich weniger einverstanden waren, als mit der Manichäerhetze, so darf man doch nicht etwa an Präludien der Katholikenverfolgung denken; denn Geiserich’s Nachfolger brandschatzte mit der Parität eines Tyrannen alle Unterthanen unterschiedlos, Katholiken wie Arianer[62]. An der Richtigkeit der fraglichen Mittheilung Victor’s [47] ist übrigens nicht zu zweifeln, zumal da ihr der historische Zusammenhang zur Seite steht. Die beutereichen, mehrere Jahrzehnte lang fortgesetzten Meerfahrten Geiserich’s waren der Staatskasse vortrefflich zu Gute gekommen; seit 475, seit Abschluss des sog. ewigen Friedens, hörten alle Piraterien auf, und Hunerich war jetzt darauf bedacht, den sehr erheblichen Ausfall auf anderem Wege zu decken!

Schon aus der bisherigen Darstellung erhellt, dass Hunerich nicht aus aufrichtiger Sympathie für Byzanz und die Katholiken sich anfangs so nachgiebig bewies; der wahre Grund dieser Mässigung war das Bewusstsein, dass die Macht der Vandalen seit Geiserich’s Tode geschwächt war, und dass insbesondere seine eigene Herrschaft auf schwachen Füssen stand. Wohl schon seit Geiserich’s letzter Zeit war die kriegerische Tüchtigkeit der Vandalen in Folge der Einwirkung des verweichlichenden Afrikanischen Klimas erschlafft. Hunerich besass keine einzige der grossen Herrschereigenschaften seines Vaters; dazu fielen unter seiner (Hunerichs) Regierung die Mauren, wenigstens theilweise, vom Vandalenreiche ab, so z. B. die Mauren des an der Südgrenze von Numidien gelegenen Berges Aurasius oder Auress[63].

Während seiner katholikenfreundlichen Periode war Hunerich auf echt Orientalische Weise bemüht, seinem Sohne Hilderich, mit Umgehung des vom Vater erlassenen Hausgesetzes, welches, wie dies noch jetzt im Türkischen Reiche seit den Tagen Suleiman’s des Grossen üblich ist, den jedesmal ältesten Angehörigen der Dynastie in unmittelbarer Descendenz von Geiserich selbst, zum Thronerben bestimmte[64], die Nachfolge zu sichern.

Um diesen Zweck zu erreichen, beging er gegen sein eigenes Volk, ja gegen seine eigene Familie, gegen die Familie seiner Brüder Theoderich und Genzo, sowie gegen alle Anhänger derselben unter dem Vandalischen Adel die schrecklichsten Grausamkeiten; ja er, der eifrige Arianer, liess sogar einen Bischof seiner Secte, den Patriarchen Jucundus, lebendig verbrennen, weil er mit [48] den Angehörigen des Prinzen Theodorich eng befreundet war (vgl. Victor Vit. II c. 5. 6, bezw. II c. 12–17). Dieser Patriarch Jucundus ist ohne Zweifel mit jenem Presbyter dieses Namens identisch, der zu Geiserich’s Zeit gleichfalls als Vertrauter des Prinzen Theoderich, als Hauscaplan desselben erscheint[65].

Nachdem Hunerich so durch Ströme von Blut seinen Thron genugsam gekittet glaubte, entschlug er sich, wir wissen nicht recht, warum, plötzlich der bisher beobachteten Rücksichtnahme auf Byzanz und begann, den fanatischen Hetzereien seiner Bischöfe nachgebend, in weit stärkerem Masse als je sein Vater die Angriffe gegen die katholische Kirche. Die Verfolgung war jedoch zunächst noch keine allgemeine. In die Zeit zwischen dem 19. Mai bezw. 18. Juni 481 und dem 20. Mai 483 fallen folgende katholikenfeindliche Acte des König’s: 1. Er liess diejenigen, die in der Vandalischen Nationaltracht dem Gottesdienst beigewohnt hatten, überfallen und ihnen auf barbarische Weise die Stirnhaare auswinden, so dass viele zu Tode kamen (Victor Vit. II c. 3. 4, bezw. II c. 8. 9). 2. Hunerich schloss die Katholiken von den Staatsämtern und zumal vom Palastdienst aus und verhängte über die standhaft Gebliebenen später noch die weitere Strafe der Gütereinziehung und die Verweisung nach Sicilien oder Sardinien (Victor Vit. II c. 7, bezw. II c. 23). 3. Er verbannte eine grosse Anzahl von Bischöfen, Priestern und Laien, zusammen 4966 Katholiken auf einmal in die Wüste, in das Gebiet der Mauren. Sie wurden auf dem Transporte dahin noch dazu unmenschlich behandelt.

[49] Nach diesem bedenklichen Vorspiel[66] suchte Hunerich nach einem Vorwand, um die bisher bloss partielle Verfolgung auf alle Katholiken auszudehnen, und so richtete er denn am 20. Mai 483 an den gesammten orthodoxen Episcopat ein Decret, worin er ihm vorwarf, das wiederholt eingeschärfte königliche Verbot, innerhalb der Vandalenloose Gottesdienst zu halten, verletzt zu haben, und forderte alle katholischen Oberhirten auf, sich am 1. Februar 484 zu einem Religionsgespräch in Karthago einzufinden und im Wortkampfe mit den Arianischen Bischöfen die Wahrheit des Homousianischen Symbolums aus der hl. Schrift zu beweisen (Victor Vit. II c. 13, bezw. II c. 38. 39). Da es aber an dem betreffenden Termine, zu dem sich aus Afrika und den unter Vandalischer Herrschaft stehenden Inseln 466 Bischöfe eingefunden hatten[67], in Folge der gegenseitigen Erbitterung und wohl auch aus Ursache der hochmüthigen Gepflogenheiten des Arianischen „Patriarchen“ Cyrila, der sich das Präsidium anmasste, und in Consequenz des unbilligen Verfahrens der Arianer und des Königs überhaupt zu keinem eigentlichen Religionsgespräch kam (Vict. Vit. II, 16. 18, bezw. II c. 45. 46. 52–55), liessen die katholischen Bischöfe eine ad hoc bereit gehaltene schriftliche „Professio fidei catholicorum episcoporum“ dem Monarchen überreichen[68].

Am 24. Februar 484 erliess sodann Hunerich, bereitwilligst den fanatischen Einflüsterungen seiner Geistlichkeit entsprechend, ein Dekret, worin er die Rückanwendung („retorsio“) der von den christlichen Imperatoren einst verfügten Ketzergesetze auf alle Afrikanischen Katholiken befahl, ihnen jedoch eine Präclusivfrist behufs Empfang der Arianischen Wiedertaufe bis zum 1. Juni [50] einräumte. Man kann diese ziemlich langathmige Verfügung (bei Victor Vit. IV c. 2, bezw. III c. 3–14 incl.) nicht besser in extenso wiedergeben, als dies Hefele p. 613 f. gethan hat: „Hunerich erliess darauf am 24. Februar ein Edict, worin er die versammelten orthodoxen Bischöfe beschuldigte, dass sie ihr Homousion, obgleich dazu aufgefordert, weder am ersten noch am zweiten Sitzungstage – – – aus der hl. Schrift bewiesen, dagegen einen Aufstand des Volkes und ein Geschrei veranlasst hätten. Er befehle desshalb, dass ihre Kirchen so lange geschlossen bleiben sollten, bis sie sich in die befohlene Disputation einlassen würden. Weiterhin sollten die Gesetze, welche die Römischen Kaiser – – – gegen die Ketzer erlassen hätten, jetzt gegen die Homousianer angewandt werden. Sie dürften also nirgends Versammlungen halten, in keiner Stadt und in keinem Dorfe mehr eine Kirche haben, keine Taufe und keine Weihe mehr ertheilen u. dgl., und falls sie in ihrer Verkehrtheit beharrten, sollten sie mit dem Exil bestraft werden. Auch die Gesetze der Römischen Kaiser gegen die häretischen Laien sollten jetzt in Kraft treten und ihnen das Recht, zu schenken, zu testiren und Vermächtnisse, Erbschaften, Fideicommisse etc. anzunehmen, entzogen sein; auch sollten die in Würden und Aemtern Stehenden derselben beraubt und für infam erklärt werden. Alle Bücher, worin sie ihren Irrthum, die Nicänische Lehre, vertheidigten, müssen verbrannt werden. Wer aber bis zum 1. Juni sich bekehre, sollte von aller Strafe frei sein. Endlich müssten alle Kirchen sammt den Kirchengütern im ganzen Reiche den wahren, d. h. den Arianischen Bischöfen und Priestern überliefert werden.“

Dahn (p. 255–257) hat sorgfältig den juridischen Quellen des Februaredictes im einzelnen nachgespürt und für jede einzelne Bestimmung des letzteren die entsprechende Constitution aus dem Cod. Theod., aus dem sie entlehnt ist, nachgewiesen: es handelt sich zumeist um Rückanwendung der Ketzergesetze der Kaiser Theodosius I., Arcadius, Honorius und Theodosius II.

Schon vor Ablauf der Präclusivfrist, ja gleich anfangs, verübte Hunerich weitere Gewaltthätigkeiten gegen einen Theil der Katholiken. Sämmtliche orthodoxe Kirchen in ganz Afrika wurden geschlossen, die in Karthago anwesenden Bischöfe ihres Vermögens beraubt und, von allen Hilfsmitteln entblösst, aus der Hauptstadt ausgewiesen (Victor Vit. IV c. 1. 3 bezw. III c. 1. 2 [51] und III c. 15. 16). Bald nachher versprach der König, natürlich, wie sich später zeigte, in doloser Absicht, denjenigen Bischöfen vollständige Begnadigung, die sich eidlich verpflichteten, die Thronfolge seines Sohnes Hilderich anzuerkennen und nicht mehr mit der Bevölkerung „jenseits des Meeres“ zu correspondiren. Viele um das Wohl ihrer Diöcesen besorgten Bischöfe leisteten den verlangten Eid, die schlaueren Prälaten aber, die nicht mit Unrecht eine ihnen vom König gestellte Falle witterten, verweigerten den Schwur unter dem Vorwande, dass die hl. Schrift den Eid untersage (Victor Vit. IV c. 4, bezw. III c. 17–19). Der arglistige Monarch verurtheilte nun die (302?) Bischöfe, die den Schwur geleistet, zu einer milderen Form der Verbannung: Sie sollten sich all’ ihrer geistlichen Functionen enthalten und als einfache Landleute, als „coloni“ sich dem Ackerbau widmen. Die übrigen (46?) Bischöfe dagegen wurden mit einer weit härteren Strafe belegt; sie wurden nach Corsica relegirt und mussten dort für die königlichen Werften Schiffsholz fällen. So wurden alle bestraft, die einen, weil sie dem Verbot der hl. Schrift zuwider geschworen hatten, die anderen, weil sie sich der Thronfolge Hilderich’s widersetzten[69].

Die allgemeine Katholikenverfolgung begann dagegen erst am ersten Juni und dauerte demgemäss, wie Dahn (p. 257), Pötzsch (p. XXIX) und Al. Schwarze (p. 168) mit Recht annehmen, nur etwa ein halbes Jahr, da Hunerich schon am 13. December starb. Das Februardecret wurde – dafür sorgte der wilde Religionshass des Königs und noch mehr der noch weit grausamere Fanatismus der Arianischen Geistlichkeit, der die Ausführung der drakonischen Verfügung oblag – mehrfach über seinen Wortlaut hinaus in der schärfsten Form vollstreckt[70]. Sicher gab es also damals sehr viele Bekenner. Man darf sich nicht wundern, dass Eugenius von Karthago noch im Exil in der [52] Wüste unter der Bosheit eines Arianischen Geistlichen zu leiden hatte, dass der katholische Klerus in der Hauptstadt, darunter sogar noch ganz jugendliche Lectoren, zur Geisselung und Verbannung verurtheilt wurde, dass viele katholische Laien zu Karthago in Gegenwart des Byzantinischen Gesandten die empörendsten Folterqualen erduldeten, dass endlich einige orthodoxe Bewohner der Mauretanischen Stadt Tipasa der Zunge beraubt wurden[71].

Gleichwohl ist es aber in der allgemeinen Hunerich-Verfolgung nur zu verhältnissmässig wenigen Martyrien gekommen. Zwar sagt Victor Vit. V c. 3, bezw. III c. 26: In ciuitate uero Culusitana non ualeo quae gesta sunt nuntiare quia et ipsam quantitatem martyrum uel etiam confessorum inpossibile est homini supputare; weiter spricht sogar der ruhige, kirchlich unbefangene Procop (l. c.) von vielen, auf Hunerich’s Befehl grausam hingerichteten Katholiken[72][WS 1]. Aber aus einem Victor Vit. V c. 5 bezw. III c. 28 mitgetheilten Vorfall erhellt unwiderleglich, dass die Vandalen damals, ebenso wie unter Geiserich, grundsätzlich aus den bekannten Opportunitätsrücksichten bemüht waren, katholische Martyrien zu vermeiden. An jener Stelle wird über zwei Brüder, die unter den Folterqualen unentwegt an ihrer orthodoxen Ueberzeugung festhielten, Folgendes berichtet: „Quantis iam lamminis ignitis adusti sunt, qualibus ungulis exarati, quibus cruciatibus torti, ipsa res docet, quod eos ipsi tortores a sua facie proiecerunt dicentes: „istos imitatur uniuersus populus, ut nullus ad nostram religionem penitus conuertatur“[73].

[53] Von den relativ wenigen geschichtlichen Blutzeugen der allgemeinen Hunerich-Verfolgung sind die erlauchtesten Bischof Laetus von Neptis (in der Byzacena) und der Laie Victorianus von Hadrumet, damals Proconsul zu Karthago; ersterer wurde entweder schon kurz vor dem 1. Februar 484 zur Einschüchterung des zum Religionsgespräch erschienenen orthodoxen Episcopats oder, nach der wahrscheinlicheren Angabe, erst am 24. September auf Befehl Hunerich’s lebendig verbrannt[74]. Victorianus musste seine katholische Ueberzeugungstreue mit einem martervollen Tode büssen, obgleich er vorher bei Hunerich wegen seiner loyalen Dienste in grossem Ansehen gestanden hatte (Victor Vit. V c. 4, bezw.[WS 2] III c. 27). Eine sehr gut unterrichtete Quelle, die sich namentlich durch genaue chronologische Angaben auszeichnet, und jedenfalls bald nach 534 zu Karthago entstanden ist – sie schliesst mit dem Untergang des Vandalenreiches ab (vgl. Papencordt p. 357 f.) – der „Appendix Prosp. Tiron. Chron. ex Ms. Aug.“ gedenkt bloss des generellen Hunerich-Sturmes (a. a. O. p. 311): „Qui (Hunerix) in fine anni regni sui catholicae ecclesiae persecutionem fecit omnesque ecclesias clausit et cunctos Domini catholicos sacerdotes cum Eugenio Carthaginensi episcopo exilio relegavit“[75].

Bezüglich der Wirkung der Hunerich-Verfolgung will uns Victor von Vita glauben machen, es seien damals nur sehr wenige Katholiken zum Arianismus abgefallen: II c. 4, bezw. II c. 9 behauptet er in Betreff der zahlreichen Orthodoxen, die zu Karthago auf Befehl des Tyrannen eine Art von Decalvation erlitten: „Quorum nos plurimos nouimus, nec scimus eorum aliquem tunc etiam poenis urguentibus a recto itinere destitisse.“ Ferner [54] erwähnt Victor nur ein paar Lapsi, nämlich den Laien Elpidoforus zu Karthago, der sich dann als Renegat und grausamer Katholikenverfolger einen schlimmen Namen machte (V c. 9. bezw. III, c. 34), den „ex lectore Theukarius perditus“ (V c. 10, bezw. III, c. 39) und endlich „in ciuitate Culusitana“ einen weiteren Laien, den Gemahl der Bekennerin Victoria (V c. 3, bezw. III c. 26).

Aus den Acten der von 42 Bischöfen besuchten Römischen Lateransynode vom 13. März 487, deren Aufgabe es eben war, die Bedingungen festzustellen, unter denen die Lapsi des Hunerich-Sturmes die Wiederaufnahme in die katholische Kirche erlangen könnten, bezw. aus dem auf jenem Concil verlesenen Schreiben des Papstes Felix III.[76], also aus dem authentischsten Quellenmaterial, geht aber unzweifelhaft hervor, dass es unter Hunerich ausserordentlich zahlreiche Lapsi aus allen Classen von Katholiken gegeben hat, die theils gezwungen, theils freiwillig die Arianische Wiedertaufe empfangen hatten. Es kommen besonders folgende Canones der Synode in Betracht: erstens und vor allen can. 2, wo von Bischöfen, Priestern und Laien die Rede ist, welche gezwungen oder freiwillig die Wiedertaufe empfingen; zweitens can. 3, der sich mit „den (niederen) Klerikern, Mönchen, gottgeweihten Jungfrauen und Weltleuten befasst, welche ohne Zwang sich zur Wiedertaufe begeben haben;“ drittens can. 6, der sich mit „den Katechumenen befasst, welche sich von den Häretikern haben taufen lassen; viertens endlich can. 7: „Die niederen Kleriker, Mönche und Laien, welche gezwungen die Wiedertaufe empfingen, sollen drei Jahre Busse thun, Bischöfe, Priester und Diakonen aber, auch wenn sie gezwungen wurden, müssen ihr ganzes Leben lang in der Busse bleiben“[77]. Es ist übrigens klar, dass can. 4 [55] der vorliegenden Synode, wo unter den „Lapsi“ unmündige Knaben, seien sie Kleriker oder Laien, wie auch unmündige Mädchen, aufgeführt werden, nicht in unseren Zusammenhang gehört; denn es handelt sich da naturgemäss entweder um gar keine oder höchstens um eine sehr geringe moralische Schuld dieser jugendlichen Lapsi; sie werden daher auch vom Concil bezüglich der kirchlichen Pönitenz äusserst gelinde behandelt. Im Gegentheil, can. 4 dient eher zur Bestätigung als zur Widerlegung des Vitensers. Jedenfalls wird durch diesen Kanon die Erzählung Victor’s (V c. 14 bezw. III c. 49. 50) bestätigt, wonach der Fanatiker Cyrila zu Karthago einigen kleinen katholischen Knaben – einer zählte erst 7 Jahre – gewaltsam die Arianische Wiedertaufe ertheilen liess[78].

Bei Greg. Tur. hist. Franc. II c. 3 findet sich, was man bisher übersehen hat, in der Spreu seiner sonst so verworrenen und mythischen Darstellung der Vandalischen Verhältnisse eine Spur der echten Tradition über die Lapsi der Hunerich-Verfolgung: „Multi tunc errantes a fide accipientes divitias inseruerunt se doloribus multis, sicut infelix ille episcopus nomine Revocatus eo tempore est revocatus (Wortspiel!) a fide catholica.“

Man muss in der That staunen über solche Ergebnisse des Hunerich-Sturmes; begnügten sich doch die Arianischen Vandalen nicht, wie vice versa die katholische Kirche und, wenigstens zuletzt (seit der Toletanischen Arianersynode von 580), die Arianischen Westgothen, mit Handauflegung und Empfang des Abendmahles nach Arianischem Ritus den Proselyten gegenüber, heischten vielmehr die für das katholische Bewusstsein ganz besonders abstossende Wiedertaufe als Symbol des Uebertritts[79].

[56] Zum Glück für seine misshandelten katholischen Unterthanen starb König Hunerich, dieser Arianische „Torquemada“, schon am 13. Dec. 484. Die leidenschaftlichen Afrikanischen Quellen lassen ihn entweder derselben schrecklichen Krankheit, der Phtheiriasis, erliegen, woran die besonders anrüchigen Verfolger der Monotheisten, ein Antiochus IV. Epiphanes, ein Herodes, ein Galerius gestorben sein sollen (so der App. Prosp. Tir. chron. p. 311)[80] oder vindiciren ihm das klägliche Ende des Arius (so Victoris Tonnennensis chronica ed. Th. Mommsen, Mon. Germ. Auct. ant. XI, pars I, p. 189–190, „Zenone Aug. cons.“ = 479 p. Chr.). Ich verweise auch auf den abenteuerlichen legendarischen Bericht bei Greg. Tur. l. c.: „Honoricus vero post tantum facinus arreptus a daemone, qui diu de sanctorum sanguine pastus fuerat, propriis se morsibus laniabat, in quo etiam cruciatu vitam indignam iusta morte finivit“. Procopius dagegen, der unbefangene Geschichtschreiber, lässt den Monarchen einfach einer Krankheit erliegen[81].


VI. Katholikenfreundliches Verhalten des Königs Guntamund 484–496.

Baronius, Schlosser und sogar Gibbon[82] rechnen auch Hunerich’s Nachfolger Guntamund unter die Katholikenverfolger; der letztere meint gar: „Guntamund schien an Grausamkeit mit seinem Oheim (Hunerich) zu wetteifern, selbst ihn zu übertreffen“, gibt indess zu, der König hätte „endlich nachgelassen, die Bischöfe zurückgerufen [57] und dem Athanasischen Glaubensbekenntniss freie Uebung gestattet“, aber „ein frühzeitiger Tod hatte die Wohlthaten seiner zu späten Güte vereitelt“. Dagegen erblicken bei weitem die meisten unter den namhaften neueren Forschern in Guntamund nicht etwa einen Katholikenverfolger, sondern einen wohlwollenden Beschützer seiner orthodoxen Unterthanen, so u. A. Dahn und vor allem Alexis Schwarze[83]. Diese letztere Annahme ist die richtige, wie sich aus folgenden Erwägungen ergeben wird.

Freilich bezeichnet Procop (I, 8) auch den Nachfolger Hunerich’s als grausamen Gegner der Orthodoxie[84], und Theophanes, der den Procop ausschreibt, berichtet sogar, seine Vorlage überbietend, Guntamund hätte seine katholischen Unterthanen noch schlimmer, als selbst Hunerich verfolgt (Chronographia, ed. Bonn. vol. I, p. 288)[85]. Dass aber Guntamund gleichwohl irgendwie als Beschützer seiner orthodoxen Unterthanen aufgetreten sein muss, dies erhellt schon aus dem historischen Zusammenhang. Denn da es feststeht, dass König Thrasamund die unter Hunerich dem katholischen Gottesdienst entzogenen Kirchen gleichfalls schliessen liess (vgl. unten S. 63 f.), so ist es klar, dass jene Kirchen inzwischen, d. h. unter Guntamund, wieder geöffnet worden waren. Weiter hat schon Schröckh (a. a. O.) daran erinnert, dass die Afrikanischen und darum besser unterrichteten Quellen den Monarchen ausdrücklich als einen Gönner des Katholicismus gelten lassen. Victoris Tonnennensis chronica, ed. Mommsen, S. 189 f.: „Zenone Aug. cons.“ heisst es denn auch: „qui [Guntamundus] nostros protinus de exilio revocavit“, und der Append. Chron. Prosp. Tir., das sogen. Chron. Canisianum (p. 311 f.), hat uns zwei katholikenfreundliche Acte des Königs aufbewahrt. Hiernach [58] erstattete Guntamund im dritten Jahre seiner Regierung (487) den Katholiken die Kirche des Martyrers Agileus wieder zurück, nachdem Bischof Eugenius von Karthago schon früher, also spätestens 487, aus dem Exil wieder zurückgerufen war („qui tertio anno regni sui coemeterium s. martyris Agilei apud Carthaginem catholicis dare praecepit“), und im 10. Regierungsjahre (494) liess der König alle katholischen Kirchen wieder öffnen und begnadigte auf Eugenius’ Verwendung alle exilirten Bischöfe („decimo autem regni sui [anno] ecclesias catholicorum aperuit et omnes Dei sacerdotes petente Eugenio – – – de exilio revocavit“).

Gewiss ist an der Wahrheit dieser Berichte um so weniger zu zweifeln, als die eifrig katholischen Afrikanischen Autoren keinen Anlass hatten, einen ketzerischen Vandalenkönig auf Kosten der Wahrheit zu entlasten; jene Nachrichten sind indess von Ungenauigkeiten nicht ganz freizusprechen. Zunächst ist es ein Irrthum, wenn Victor von Tonnenna den Guntamund sofort (protinus) alle unter Hunerich verbannten Katholiken zurückrufen lässt[86]; denn wir haben bereits gesehen, dass im J. 486, als Victor von Vita schrieb, die Verfolgung noch nicht ganz erloschen war; dies erhellt theils aus Victor Vit. I, c. 1[87], wo der Vandalen noch immer mit Animosität gedacht wird, theils aus dem Schlussgebet des Autors.

Andererseits aber muss die Angabe des Append. Prosp. Tir. Chron., der König hätte erst 494 die gesperrten katholischen Kirchen wieder freigegeben, als ungenau bezeichnet werden: denn die schon eben erwähnte Römische Lateransynode hat zur Voraussetzung, dass schon 487/488 in ganz Afrika die Katholiken ungehindert ihre Religion ausüben konnten; das Concil befasst sich ja mit den Bedingungen, unter denen die Lapsi der Hunerich-Verfolgung wieder in die katholische Kirche aufgenommen werden könnten. Sicher war also schon im J. 487 [59] die Rückgabe zahlreicher, ja der meisten Kirchen an die Orthodoxen erfolgt; denn anderenfalls konnte ja damals von einer so umfassenden Ausübung der kirchlichen Bussdisciplin gar nicht die Rede sein. Die Restitution der meisten katholischen Kirchen wird also schon 487, gleichzeitig mit der Rückgabe des Coemeterium s. Agilei, stattgefunden haben, so dass sich die Notiz des Appendix nur auf die Freigebung des Restes der katholischen Cultusstätten bezieht. Ja man darf sogar mit Dahn (a. a. O.) annehmen, dass das Februaredict Hunerich’s schon gleich anfangs beseitigt wurde. Jedenfalls war bereits um 487 die Religionsfreiheit der Romanischen Bevölkerung im wesentlichen wiederhergestellt[88]. Immerhin ist es unzweifelhaft, dass Guntamund stets ein seinen orthodoxen Unterthanen wohlgesinnter Herrscher war[89].

Dagegen ist es richtig, dass die Bischöfe, abgesehen von dem schon spätestens 487 begnadigten Eugenius, erst 494 ihren Diöcesen wieder gegeben wurden; denn gerade, weil 487/488 die Afrikanischen Oberhirten sich noch im Exil befanden, nahm Papst Felix III. mit seiner Synode die Angelegenheit der reuigen Lapsi aus der Zeit Hunerich’s in seine Hand (vgl. Hefele a. a. O. p. 614).

Baronius macht freilich zu Gunsten seiner Annahme die Ep. 13 des Papstes Gelasius I. (sed. 492–496) geltend, wo es heisst: ecce (cum) nuper Honorico regi Vandalicae nationis – – – Eugenius Carthaginensis episcopus multique cum eodem catholici sacerdotes constanter resisterent saevienti cunctaque extremo tolerantes hodieque persecutoribus resistere non omittunt[90]. Allein aus dieser Stelle lässt sich nur so viel schliessen, dass unter Guntamund wider seinen Willen und ohne sein Vorwissen [60] einzelne partielle Verfolgungen stattgefunden haben mögen. Schon S. Basnage (p. 588) hat jene Papstworte richtig gedeutet: „cur ut Honorici sic et Guntabundi, si persecutorem egit, Gelasius non meminit? Scilicet non erat inter persecutores, imo clausa templa pandi permiserat“ etc.

War sonach Guntamund persönlich den Katholiken wohlgesinnt, so ist es nicht minder gewiss, dass es unter seiner Regierung, wie gesagt, namentlich im Anfang, wenn auch sehr wider seinen Willen, zu vereinzelten Bedrückungen von Katholiken kam, die durch die fanatische Wuth des Arianischen Pöbels oder einzelner Arianischer Geistlichen veranlasst wurden. Das erhellt erstens aus dem Umstand, dass, zur Zeit als Victor Vit. sein Buch verfasste, die Verfolgung noch nicht ganz erloschen war, und zweitens aus dem soeben citirten Gelasius-Schreiben. Das letztere beweist, dass es auch in den letzten Regierungsjahren Guntamund’s nicht ganz an katholikenfeindlichen Acten seitens des fanatischen Pöbels gefehlt hat. Ein Beispiel der Art hat uns die Vita s. Fulgentii aufbewahrt: Ein Arianischer Presbyter Namens Felix liess in der Gegend von Sicca (im östlichen Numidien) einen gleichnamigen Abt und den Mönch Fulgentius, den späteren Bischof von Ruspe, aus eigner Machtvollkommenheit grausam geisseln und decalviren (c. IX, § 16; c. X–XI, § 20). Als aber der Arianische Bischof von Karthago diese Greuelthat erfuhr, bot er – gewiss ein Beweis, dass der König katholikenfreundlich war – dem ihm persönlich bekannten und von ihm hochverehrten Fulgentius die strenge Bestrafung des Schuldigen an, die aber der Verletzte grossmüthig ablehnte (c. XI, § 21). Mit Recht beziehen Dahn (p. 258, Anm. 5) und Mally (Leben des heiligen Fulgentius, p. VIII. IX) diesen Vorfall auf die Regierungszeit Guntamund’s[91]. Das Vorkommen einzelner Verfolgungsacte trotz der wohlwollenden Gesinnung des Königs lässt uns mit Dahn (p. 258, Anm. 3) den Irrthum Procop’s – denn Theophanes, der Byzantiner des [61] neunten Jahrhunderts, kommt nicht weiter in Betracht – erklärlich erscheinen.

Guntamund’s freundliches Verhältniss zu den Katholiken führt Dahn (p. 258) mit Recht theils auf seinen scharfen Gegensatz zu Hunerich zurück, der, um seinem Sohne Hilderich die Thronfolge zu sichern, sehr grausam gegen das Haus seines Bruders Genzo, des Vaters Guntamund’s, eingeschritten war[92] – wurde doch der Neffe wider Willen des Oheims dessen Nachfolger im Vandalischen Königthum –, theils erklärt er diese Katholikenfreundlichkeit aus den Gefahren, die damals dem Reich von seiten der Mauren drohten (s. Procop. a. a. O.).

Ich möchte noch auf ein drittes, nicht minder wichtiges Motiv hinweisen, auf Guntamund’s Stellung zu Byzanz, auf die damaligen Beziehungen des Oströmischen Hofes zur Römischen Curie und zum Abendländischen Romanismus überhaupt. Der Byzantinische Hof, so lange er eifrig der Orthodoxie huldigte, unter Leo I. und während des ersten Jahrzehnts des Kaisers Zeno in engster Verbindung mit dem Römischen Papstthum und der Abendländischen katholischen Welt überhaupt, und darum dem Vandalischen Reich nicht ungefährlich, trieb eben seit 482, seit dem Henotikon Zeno’s, welches zwischen dem Katholicismus bezw. zwischen dem Chalcedonensischen Symbolum von 451 und dem Monophysitismus zu vermitteln suchte, immer mehr einem Bruche mit Rom und der Abendländischen Orthodoxie zu, es kam allmählich zu einem vorübergehenden Schisma zwischen beiden katholischen Kirchen. Acacius, Patriarch von Constantinopel, der geistige Urheber des Henotikon, wurde schon 484 auf einer Römischen Synode excommunicirt[93]. Freilich trat Zeno anfangs, ja noch im J. 484, als Beschützer des Katholicismus auf und verwandte sich noch im genannten Jahre sogar auf den Wunsch des Papstes Felix III. bei Hunerich, freilich erfolglos, für die Afrikanischen Katholiken. Aber noch vor 489 durfte es Acacius wagen, seinerseits den Papst aus den Diptychen zu streichen, blieb sogar, von Kaiser Zeno beschützt, im Amte.

Noch weit schroffer gestaltete sich das Verhältniss zwischen [62] beiden katholischen Kirchen unter Zeno’s Nachfolger Anastasius I. (491–518). Er hielt nicht nur am Henotikon fest, sondern näherte sich immer mehr dem eigentlichen Monophysitismus, so dass er als entschiedener Gegner des Concils von Chalcedon erscheint, gegen dessen Verfechter er auch vor Gewaltacten nicht zurückbebte: aus diesem Grund verfügte er u. A. die Absetzung des orthodoxen Patriarchen von Constantinopel Euphemius[94]. Die spätere griechische Tradition übertreibt natürlich Anastasius’ schroffe Stellung zur Orthodoxie; Arianer und Manichäer sollen z. B. über den Regierungsantritt dieses Imperators gejubelt haben (s. Theophanes, Chronograph. [um 818!], p. 210 f.). Besser kommt Anastasius beim (zweiten) Anonymus Valesii weg[95]; freilich ist der Bericht auch durchaus sagenhafter Natur; da wird der Monarch, der sogar einer himmlischen Vision gewürdigt wird, als gottesfürchtig geschildert. Aber auch in dieser wohlwollenden Version erscheint Anastasius’ Rechtgläubigkeit wenigstens zuletzt als anrüchig („nam ultima vita regni sui temptans eum diabolus vellens sectam Eunomianam [eine Arianische Secte!] sequi“ etc., ed. Mommsen a. a. O. p. 326 Nr. 78). Ein Zeno und vollends ein Anastasius konnten somit nicht als Vorkämpfer des katholischen Romanismus gelten[96].

Zur Zeit Guntamund’s war also eine Conspiration der Afrikanischen Katholiken mit dem ihrer Ansicht nach ketzerisch gewordenen Byzanz in keiner Weise zu befürchten; Hunerich’s Nachfolger entsprach demgemäss einfach den Anforderungen einer weisen besonnenen Politik, wenn er seinen orthodoxen Unterthanen den äusseren Frieden gönnte.

[63]
VII. Religionspolitik des Königs Thrasamund 496–523.

Guntamund’s Nachfolger, sein Bruder Thrasamund, verfolgte wieder die Katholiken[97], jedoch nicht in der rohen Manier eines Hunerich, der sich die blutigen Christenverfolger Decius, Galerius und Maximin II. zum Vorbild gewählt zu haben schien, sondern, entsprechend seiner ungleich feineren Geistesbildung, nach den Maximen Julian’s des Apostaten. In erster Linie war er bemüht, durch sanfte Massregeln seine orthodoxen Unterthanen zur Arianischen Staatskirche herüberzuziehen. Als Preis der Apostasie stellte er den Katholiken einträgliche Aemter und ehrende Auszeichnungen aller Art in Aussicht; Verbrechern sicherte er für den Fall des Uebertritts zum Arianismus gänzliche Begnadigung zu. Andererseits gab er sich den Anschein, überzeugungsfeste Katholiken, in welcher Stellung sie auch sein mochten, gar nicht zu kennen (s. Procop. I c. 8, Vita s. Fulg. c. XXI). Auch suchte dieser „Arianische Julian“ durch geschickt durchgeführte Sarkasmen den Katholicismus zu bekämpfen. Er stellte sich, als wünsche er aufrichtig, über die Wahrheit der Orthodoxie belehrt zu werden, liess sich in dogmatische Disputationen mit hervorragenden Katholiken ein, namentlich mit Bischof Fulgentius von Ruspe, spendete einer, von den letzteren auf seinen Wunsch eingereichten, schriftlichen Apologie des Katholicismus ironisch begeistertes Lob u. dergl.[98]

Dagegen verschmähte er auch gewaltsame Massregeln nicht ganz, namentlich wo es galt, den von ihm ganz richtig erkannten gewaltigen Einfluss des orthodoxen Episcopates zu brechen; doch vermied er auch hierbei stets grausame Maximen, Folterqualen oder gar Todesstrafen: Er liess die katholischen Kirchen wieder schliessen[99], verwies den Bischof Eugenius von Karthago aus [64] seinen Staaten[100] und verbannte über sechzig katholische Oberhirten, darunter auch den hl. Fulgentius von Ruspe, nach Calaris (Cagliari) auf Sardinien, weil sie sein Verbot, die durch den Tod der bisherigen Inhaber erledigten Diöcesen wieder zu besetzen, verletzt hatten (vgl. die Vita s. Fulg. c. XX, §§ 41–44 mit Victor Tonnennensis, ed. Mommsen, p. 192 f., Anastasio Aug. II cons.). Doch blieb den nach Sardinien verbannten Prälaten der briefliche oberhirtliche Verkehr mit ihren Diöcesanen unbenommen[101].

Indess verübte auch damals der Vandalische Pöbel zuweilen eigenmächtig gegen die orthodoxe Bevölkerung vereinzelte Gewaltacte, die mit den auf unblutige Verfolgungen gerichteten Plänen Thrasamund’s nicht in Einklang standen. So wurden z. B. während eines Feldzugs gegen die Tripolitanischen Mauren von den Vandalischen Kriegern auf dem Marsche nach Tripolis in der Zeugitana und in Byzacena die orthodoxen Kirchen profanirt und die katholischen Priester aufs roheste misshandelt; man beschimpfte sie durch Schläge und zwang sie zu den gemeinsten Dienstleistungen von Sklaven (vgl. Procop. I 8)[102].

[65] Als Motiv der Katholikenverfolgung Thrasamund’s macht Dahn (p. 258. 260) vor allem die Befestigung des Vandalischen Königthums durch jenen Monarchen geltend: „mächtig durch den Bund mit den Arianischen Gothen brauchte er (auf die Katholiken) keine Rücksicht zu nehmen“. Freilich heisst Thrasamund bei Procop a. a. O. der „mächtigste“ Vandalenkönig, auch war er staatsklug genug, mit dem stammverwandten Ostgothenkönig Theoderich dem Grossen, mit dessen verwittweter Schwester Amalafrida er sich in zweiter Ehe vermählte, freundschaftliche, ja innige Beziehungen zu unterhalten[103]. Indess erhellt aus Procop l. c., dass gerade unter Thrasamund die Vandalen die furchtbarste Niederlage durch die Mauren an der Südgrenze von Tripolis erlitten.

Aber noch mehr hat religiöser Fanatismus den sonst für seine Zeit hochgebildeten König[104] zu seinen Angriffen gegen den Katholicismus bestimmt; denn zu politischem Misstrauen gegen seine orthodoxen Unterthanen lag, wenigstens für den grössten Theil seiner Regierungszeit, auch nicht der geringste Grund vor: Rom und Italien waren im Besitze seines Germanischen Verbündeten, und zu Byzanz herrschte von 491–518 der Ketzerfreund Anastasius, der ja, wie wir sahen, mit dem katholischen Romanismus unheilbar zerfallen war; überdies unterhielt [66] dieser Imperator mit Thrasamund die freundschaftlichsten Beziehungen[105].

Thrasamund’s Katholikenverfolgungen waren also bis 518 so unpolitisch wie möglich; sie bedeuteten nichts denn eine muthwillige, völlig unnütze, ja auf die Dauer dem Reiche geradezu verderbliche Provocation der orthodoxen Bevölkerung Afrikas. Die katholikenfeindlichen Acte eines Geiserich und Hunerich waren verhältnissmässig sogar politisch begründet; denn jene Herrscher hatten wenigstens einigen Grund zu politischem Argwohn gegen die mit der damals orthodoxen Politik des Byzantinischen Hofes aufs innigste sympathisirenden Katholiken Afrikas.

Anders gestaltet sich dagegen die Beurtheilung von Thrasamund’s katholikenfeindlichem Auftreten im letzten Lustrum seiner Regierung. Seit dem Regierungsantritt des Oströmischen Kaisers Justinus I. (518–527), dessen Politik bereits von seinem Neffen, dem späteren Imperator Justinian, geleitet wurde (vgl. Procop. I, 9), erscheint das mit der Römischen Curie wieder völlig ausgesöhnte Byzanz abermals als der Mittelpunkt aller antigermanischen Bestrebungen des orthodoxen Romanismus im Abendlande; seit 518 wird jene Byzantinische Politik vorbereitet, die bald unter schlauer Verwerthung der katholischen Sympathieen der Romanischen Bevölkerung Afrikas den Untergang des Vandalenreiches herbeiführt[106]. Man wird es mithin in politischer Hinsicht begreiflich finden, dass Thrasamund noch auf dem Todtenbette seinen Nachfolger Hilderich sich eidlich verpflichten liess, an der bisherigen katholikenfeindlichen Politik festzuhalten[107].

[67]
VIII. Friedenszeit unter König Hilderich 523–530.

Thrasamund’s Nachfolger, Hilderich[108], der hochbetagte Sohn Hunerich’s und der Kaisertochter Eudocia, war ähnlich wie in Italien die Königin Amalasuntha, Theoderich’s Tochter, seiner Vandalischen Nation entfremdet, sanften Gemüthes, dem Kriege völlig abgeneigt und, was die Hauptsache ist, völlig romanisirt, dem Byzantinischen Hof und zumal Justin’s einflussreichem Neffen und designirtem Nachfolger Justinian I. aufs engste befreundet und gerirte sich demgemäss nicht etwa aus blossen Opportunitätsrücksichten der Politik, wie vorübergehend sogar ein Geiserich und Hunerich, sondern aus innigster Ueberzeugung, als den aufrichtigsten Freund und Beschützer des Katholicismus, wenn er auch den Arianismus nicht abschwur (s. Procop. I c. 9).

Gleich nach dem Tode Thrasamund’s – und zwar, um seinen Eid nicht zu verletzen[109], noch ehe er officiell vom Thron Besitz ergriff, – bewilligte Hilderich den Katholiken die uneingeschränkteste Cultusfreiheit, rief die verbannten Oberhirten aus dem Exil zurück, gestattete, dass an Stelle des inzwischen im Auslande verstorbenen Eugenius ein gewisser Bonifatius im Coemeterium s. Agilei zum Bischof der Hauptstadt gewählt wurde und gab gerne seine Einwilligung zur Wiederbesetzung sämmtlicher erledigter Diöcesen[110]. Jetzt fanden auch wieder katholische [68] Synoden auf Afrikanischem Boden statt[111], und zwar gleich anfangs (523/24) in der Byzacenischen Provinz zwei, zu Junca und Sufes, und im J. 525 eine grössere Synode in der Zeugitana, zu Karthago selbst, unter dem Vorsitze des Bischofs Bonifatius (s. Hefele p. 710–715, §§ 238)[112]. Eine seltsame Ironie des Schicksals liegt in dem Umstand, dass gerade der Sohn des fanatischen Arianers Hunerich, dessen Thronfolge dieser per fas et nefas zu befördern bemüht war, den Afrikanischen Katholiken die volle Glaubensfreiheit wiedergegeben hat! Auf dem letzten Concil sprach der Vorsitzende u. A. seine Freude über die Wiederherstellung der kirchlichen Freiheit aus. Manche Prälaten scheinen indess auf den erwähnten Synoden eine unwürdige, lächerliche Rolle gespielt zu haben: „Kaum waren die Afrikanischen Bischöfe aus dem Exil zurückgekehrt und von der Verfolgung befreit, so brachen Rangstreitigkeiten unter ihnen aus[113].


IX. König Gelimer und die Katastrophe des Vandalenreiches 530–534.

Die antinationale Politik Hilderich’s, der sich unkluger Weise durch sein hartes Verfahren gegen Thrasamund’s Witwe Amalafrida mit den Ostgothen verfeindet hatte (vgl. Procop I c. 9, mit Vict. Tonnenn. ed. Mommsen, p. 196 f.), vor allem seine ostensible Freundschaft mit Byzanz, seine auffallende Begünstigung der Katholiken führte eine Verschwörung aller nationalgesinnten Vandalen herbei, an deren Spitze Genzos Enkel und Geiserich’s Urenkel, Gelimer, stand, der Mann, welchem dem Geiserich’schen Testament zu Folge der Thron nach Hilderich’s Ableben zufallen musste. Gelimer, selbst hochbetagt, wartete aber den Tod des greisen Fürsten nicht ab, liess vielmehr, gestützt auf seinen mächtigen Anhang, den schwachen Monarchen absetzen und einkerkern und nahm selbst Besitz vom Throne.

Gelimer, der so im J. 530 zur Regierung kam, wurde aber seiner usurpirten Königswürde nicht froh: Kaiser Justinian erklärte, formell als Rächer seines Freundes Hilderich und Vertheidiger [69] des Geiserich’schen Hausgesetzes auftretend, in Wahrheit aber, um Afrika wieder zu erobern und auch dort der Orthodoxie zum völligen Sieg zu verhelfen, den Vandalen den Krieg und sandte seinen bewährten Feldherrn Belisar mit Flotte und Heer nach Afrika (533). Schon in Jahresfrist war das Vandalenreich mit allen dazu gehörenden Inseln eine Byzantinische Provinz[114]. Gelimer erlitt zuerst eine Niederlage bei Decimum, musste dann die Hauptstadt räumen – vorher aber liess er noch den unglücklichen Hilderich ermorden –, wurde bald nachher bei Tricameron zum zweiten Mal entscheidend geschlagen, hielt dann auf einer unzugänglichen Felsenfeste Mauretaniens eine lange Belagerung aus, bis ihn der Hunger endlich zwang, zu capituliren[115]; er liess es sich von Justinian gefallen, dass ihm dieser mit den Seinen einen ansehnlichen Grundbesitz in Galatien überwies, verzichtete aber auf den Patriciat, die höchste Byzantinische Reichswürde, weil er seinen Arianismus nicht abschwören wollte (Procop B. Vand. II c. 9).

Gelimer, der demnach eifriger Arianer aus Ueberzeugung war, würde, wie Dahn (p. 260) und Al. Schwarze (p. 172 f.) mit Recht vermuthen, sicher die Massregelungen der Katholiken, dieser Vandalenfeinde und Schützlinge des Oströmischen Kaisers, erneuert haben, mindestens im Style Thrasamund’s, hätte ihm Justinian zu solchem Rachewerk Zeit gelassen.

Die gerade auch politisch so sehr verwerflichen Katholikenverfolgungen waren den Vandalen verderblich geworden; denn der überraschend schnelle Erfolg Belisar’s lässt sich nicht bloss auf sein grosses Feldherrngenie, sondern vor allem auch auf seine geschickte Ausbeutung der Sympathieen der Romanischen Bevölkerung zurückführen. So wird z. B. die Unterwerfung der ganzen Provinz Tripolis in erster Linie durch den Verrath eines Romanen Namens Pudentius bewirkt[115]. So beeilen sich zu [70] Sylletus der katholische Bischof und die orthodoxen Adeligen, den Byzantinern die Schlüssel ihrer Stadt zu überreichen; ich erinnere endlich an den überaus herzlichen Empfang, den die katholischen Einwohner der Vandalischen Hauptstadt dem siegreichen Heerführer bereiteten. Die Orthodoxie Afrikas war gerächt: Mit der Wiederherstellung der Römerherrschaft traten auch wieder die Ketzergesetze in Kraft, und die Katholikenverfolgungen wurden bald abgelöst durch Arianerhetzen, die durch die neue orthodoxe Regierung autorisirt wurden.



Anmerkungen

  1. Literatur: F. Papencordt, G. d. Vandal. Herrschaft in Afrika (Berlin 1837); F. Dahn, Könige der Germanen I. 2. Abth., p. 140–265 u. sonst; A. Ebert, G. d. christl.-Lat. Literatur I (2. Aufl. 1889), p. 455 ff. u. sonst; W. S. Teuffel u. L. Schwabe, G. d. Röm. Literatur 2. Bd. (5. Aufl., Leipz. 1890), S. 1176; 1206 f.; 1238; 1254 f.; (§§ 460. 470, 1. 480. 483. 484); W. Pötzsch, Victor v. Vita (Döbeln 1887); M. Stadler v. Wolffersgrün, Die Vandalen bis z. Tode Geiserich’s 406–77 (Gymn.-Progr., Bozen 1883–4); Joh. Dräseke, Kirchl. Nothstände im Röm. Reiche (Z. f. kirchl. Wiss. u. kirchl. Leben 1889, p. 17–34; Alexis Schwarze, Untersuchungen über die äussere Entwicklung d. Afrik. Kirche (Göttingen 1892), zumal p. 153–83; Fr. Görres, Christenverfolgungen (in der Kraus’schen Realencyclop. 1, 215–88, zumal p. 258–282). — Weitere Literatur wird bei den verschiedenen Abschnitten citirt.
  2. Obgleich ich weiss, dass man streng genommen Wandalen, Geisarix, Hunerix, Geilamir u. s. w. sagen muss (vgl. u. a. Ferd. Wrede, Die Sprache der Wandalen, in Quellen u. Forsch. zur Sprach- u. Culturgesch. der Germanischen Völker, berausgegeben von ten Brink u. A., 59. Heft, Strassburg u. London 1886), halte ich doch an den althergebrachten Bezeichnungen Vandalen, Geiserich, Hunerich, Gelimer u. s. w. fest.
  3. Vgl. Adam Mally, Leben des hl. Fulgentius, Bischofs von Ruspe, von seinem Schüler und der fortgesetzte Culturkampf [sic!!] der Vandalen – – –; aus dem Lateinischen, Wien 1885, p.111: „– – – Politisch klüger wäre es jedenfalls von diesem Herrschergeschlechte [der Dynastie Geiserich’s, den Asdingern] gewesen, es hätte gleich dem Frankenkönig Chlodwig das katholische Christenthum angenommen und seine Grossen – – – zum gleichen Schritte vermocht, die Zukunft der Vandalen wäre eine ganz andere gewesen.“
  4. S. die treffliche Darlegung dieser Verhältnisse bei Felix Dahn, Könige II p. 166–175; III p. 187 ff. und meine Erörterungen in Fleckeisen’s Jahrbüchern 1875, Heft III p. 210 ff., 219–221.
  5. Vgl. Grey, Tur. hist. Franc. II c. 36. 37 und das Nähere in meinem in den Theolog. Studien u. Kritiken 1893, S. 708–734 erschienenen Aufsatz „Kirche und Staat im Westgothenreich von Eurich bis Leovigild, 466–567/69.“
  6. Ausgaben: 1. Eine relativ minderwerthige von P. Theod. Ruinart O. s. B., Paris 1694 (wörtlich abgedruckt von P. H. Hurter, SS. patrum opuscula selecta Tom. XXII, Oeniponti 1873, p. 100–252), 2. u. 3. zwei vortreffliche, wahrhaft kritische Editionen, recens. C. Halm, Berolini 1878 in Mon. Germ. Hist. auct. ant. Tom. III, 1; recens. M. Petschenig, Vindobonae 1881 in Corp. Script. Eccles. Lat. vol. VII. Deutsche Uebersetzungen von M. Zink, Bamberg 1883 (Gymnas.-Progr.) u. A. Mally. Wien 1884.
  7. II c. 4 ed. Ruinart; II c. 9, ed. Halm, ed. Petschenig.
  8. II cc. 8. 9 ed. Ruinart; II c. 26–30, ed. Halm, ed. Petschenig.
  9. Vgl. z. B. V c. 7 ed. Ruinart; III c. 32 (Uranius, der Gesandte des Kaisers Zeno), ed. Halm, ed. Petschenig.
  10. Richtig urtheilen über Vict. Vit. als geschichtliche Quelle A. Ebert a. a. O. p. 457 f., Teuffel u. Schwabe a. a. O., Pötzsch p. XL–XLII, Dräseke a. a. O., zumal p. 19 u. Anm. 2 das. Auler (Victor von Vita, Histor. Untersuchungen Arnold Schäfer – – – gewidmet, Bonn 1882, p. 252–275), der überhaupt in der Ehrenrettung eines Geiserich zu viel thut, behandelt von seinem hyperkritischen Standpunkt aus unseren Vitenser verächtlich, was u. a. Pötzsch u. Dräseke mit Fug schon gerügt haben.
  11. In völliger Uebereinstimmung mit den in voriger Anm. aufgeführten Forschern; nur Papencordt, S. 367, datirt die Entstehung unserer Schrift irrthümlich erst auf 488/89.
  12. Diese Katholikenhetzen werden von Auler l. c. und noch weit mehr von Pflugk-Harttung („Belisar’s Vandalenkrieg“, Historische Zeitschrift 1889, Bd. 61 p. 69–96) hyperkritisch unterschätzt.
  13. V c. 18 bezw. III c. 62.
  14. I c. 7 bezw. I c. 23.
  15. Vgl. Procop. Bell. Vand. I c. 5. Vita s. Fulg. Rusp., ed. Gallandius, c. I; Acta SS. Boll. I s. 1. Jan., p. 32, Venet. 1734.
  16. Vgl. Vict. Vit. I c. 4 bezw. I c. 12, 13 und hierzu die Erläuterungen Dahn’s, Könige I, p. 204 f., zumal Anm. 7 das.
  17. Vgl. Hunerich’s berüchtigtes Edict vom 25. Febr. 484 bei Vict. Vit. IV c. 2 bezw. III c. 3–14.
  18. Vgl. Vict. Vit. I c. 3, 5 bezw. I c. 9, 15, 16; IV c. 2 bezw. III c. 3–14 [Das Februaredict Hunerich’s]; Vit. s. Fulg. c. I a. a. O.
  19. Vgl. Vict. Vit. I c. 2, 4 bezw. I c. 5–7, 12–14; II c. 1, 7 bezw. II c. 1. 2. 23–25; IV c. 3 bezw. III c. 15. 16; V c. 16 bezw. III c. 53. 54; Prosperi Aquitani Chron., ed. CanisiusJac. Basnagius, Thesaur. monum. T. I, p. 303; Vit. Fulg. l. c., Procop. l. c.
  20. Vgl. Vict. Vit. IV c. 4 bezw. III c. 17–19.
  21. Richtig Pötzsch a. a. O. p. XXXIII und XL: „– – – Die Verfolgungen der beiden Vandalenfürsten waren doppelter Natur: Die unter Geisarix entstanden mehr aus politischen Gründen, diejenigen unter Hunarix waren zumeist aus religiösem Hasse und schnöder Habsucht hervorgegangen: jener verfolgte und schonte, je nachdem er im Kriege oder Frieden mit dem Byzantinischen Hofe lebte; dieser schonte nur so lange, als er seine Herrschaft noch nicht für befestigt genug hielt und ihm der Oströmische Kaiser gefährlich schien. Als er sich aber auf seinem Throne sicher fühlte, führte er die Kirchenverfolgung in ausgedehntestem Masse durch.“
  22. Quellenbelege für jene Massregelung orthodoxer freier Vandalen: Vict. Vit. V c. 10 bezw. III c. 38: „Nam et Uandali duo, sub Geiserico saepius confessores etc. (schon von Dahn verwerthet); V c. 8 bezw. III c. 33: – – – „quaedam uxor cuiusdam cellaritae regis, nomine Dagila, quae temporibus Geiserici multotiens iam confessor extiterat, matrona nobilis ac delicata, flagellis et fustibus omnino debilitata exilio arido et inuio relegatur“ (hier liegt offenbar in „Dagila“ ein Vandalischer Name vor, und dass es sich um eine freie Vandalin handelt, beweisen die Worte „matrona nobilis ac delicata“). Ueber die schwierige Stelle Vict. Vit. II c. 3. 4 bezw. II c. 8. 9, die wohl nur in gewissem Sinne in diesen Zusammenhang gehört, werde ich an anderer Stelle berichten. Bezüglich der Motive und des allgemeinen Charakters der Vandalischen Katholikenverfolgungen verweise ich noch auf die vortreffliche Darlegung Papencordt’s (p. 272–287) und Dahn’s (Könige, I, p. 243–260), Stadler’s von Wolffersgrün a. a. O. und Schwarze’s a. a. O.
  23. Vgl. Procop. Bell. Vand. I, c. 3; 4 mit Vict. Vit. I, 1–4.
  24. „Quanti tunc ab eis praeclari pontifices et nobiles sacerdotes poenarum generibus extincti sunt, ut traderent si quid auri uel argenti proprium uel ecclesiasticum haberent! Et dum, quae erant, urguentibus poenis facilius ederentur, iterum crudelibus tormentis oblatores urguebant, autumantes quandam partem, non totum oblatum, et quanto plus dabatur, tanto amplius quempian habere credebant.“
  25. Schwarze a. a. O. p. 153 meint nicht unrichtig, aber etwas allgemeiner datirend: „Anders wurde es (d. h. mit der Lage der Afrikanischen Katholiken) seit dem Jahre 435“.
  26. Prosperi Tironis epitoma chronica. Aëtio II et Sigisvulto (coss.) (= 437 p. Chr.) ed. Th. Mommsen, Mon. Germ. hist. auct. antiq. tom. IX, pars post. p. 475 f.: „per idem tempus quattuor Hispani viri Arcadius, Probus, Paschasius et Eutycianus dudum apud Gisiricum merito sapientiae et fidelis obsequii cari clarique habebantur, quos rex, ut dilectiores sibi faceret, in Arrianam perfidiam transire praecepit. Sed illi hoc facinus constantissime respuentes excitato in rapidissimam iram barbaro, primum proscripti, deinde in exilium acti, tum atrocissimis suppliciis excruciati, ad postremum diversis mortibus interempti – – – Puer autem, Paulillus nomine, frater Eutyciani et Paschasii, pro elegantia formae atque ingenii admodum regi acceptus et cum a professione – – – catholicae fidei nullis minis deturbari posset, fustibus diu caesus ad infimam servitutem damnatus est et ideo, ut apparet, non occisus, ne de superata saevitia impii etiam illa aetas gloriaretur.“ Stadler von Wolffersgrün (p. 21 f.), schliesst aus der Katastrophe des Arcadius und seiner Genossen mit Recht, „dass für Nichtarianer kein Platz mehr am Hofe der Vandalischen Könige war“, hätte aber auch auf das Schicksal des Knaben Paulillus eingehen müssen, weil auch daraus erhellt, dass Geiserich nach Kräften bemüht war, förmliche Martyrien zu vermeiden.
  27. Vgl. Prosp. Tironis Chron. l. c.: Gisiricus – – – quosdam nostrorum episcoporum eatenus persecutus est, ut eos privatos iure basilicarum suarum etiam civitatibus pelleret cum ipsarum constantia nullis superbissimi regis terroribus cederet.
  28. Vgl. Prosp. Tironis Chron. l. c. Theodosio XV. et Valentiniano IV. conss. = 435 p. Chr. mit Procop., I c. 4: δείσας γάρ, ἢν καὶ αὖθις ἔκ τε Ῥώμης καὶ Βυζαντίου στρατὸς ἐπ᾽ αὐτὸν ἴοι, μὴ οὐχ οἷοί τε ὦσιν οἱ Βανδίλοι τῇ τε ῥώμῃ καὶ τῇ τύχῃ ὁμοίᾳ χρῆσθαι, – – – σπονδὰς πρὸς βασιλέα Οὐαλεντινιανὸν ποιεῖται κτλ.
  29. Der richtige Text (bei Th. Mommsen, ed. Prosperi Tironis epit. chron. Mon. Germ. Hist. auct. ant. IX, pars post. p. 474) lautet aber so: Pax facta cum Vandalis data eis ad habitandum Africae portione [per Trigetium in loco Hippone III idus Febr.]. Also [weder triennium noch trigennium] und die eingeklammerten Worte sind späterer Zusatz! – Stadler (S. 21) überschätzt Geiserich’s damalige Machtstellung. Uebrigens hegt Procop. l. c. von der in Folge jenes Vertrages angeblich zwischen Geiserich und Valentinian bestehenden Freundschaft übertriebene Vorstellungen: Γιζέριχος – – – Ὁνώριχον τὸν παῖδα [diesen hatte der König bei Abschluss des Friedens als Geisel stellen müssen] τῆς φιλίας αὐτοῖς ἐς μέγα χωρούσης ἀπέλαβεν.
  30. Pötzsch a. a. O. p. V; s. auch Auler a. a. O. 265 f. und Stadler von Wolffersgrün a. a. O. p. 22 f.
  31. „– – – ecclesia Romana, quae caput est omnium ecclesiarum“ (Worte des Karthagischen Bischofs Eugenius!).
  32. Prosp. Tironis epit. chron., ed. Mommsen S. 477, Theodosio XVII. et Festo conss. (= 439 p. Chr.); Appendix ad Prosperi Tironis Chron. ex Ms. Aug., post consulatum Theodosii XVII. et Festi. – Canisius, ed. – Jac. Basnag. Thes. I, p. 311, Vict. Vit. I c. 3–5, ed. Ruinart-Hurter; I, 8–15, ed. Halm, ed. Petschenig, Vita s. Fulgentii Rusp. c. I 32 f.
  33. Vgl. Prosp. Tiron. (epit. chron. ed. Mommsen p. 478 – – – Valentiniano Aug. V et Anatolio conss. = 440 p. Chr.) mit Vict. Vit. (I c. 17 ed. Ruinart-Hurter, I c. 51, ed. Halm, ed. Petschenig) und Procop. I c. 5.
  34. Vgl. Prosp. Tiron. epit. chron. „Aëtio II et Sigisvulto conss.“, „Theodosio XVI. et Fausto conss.“ ed. Mommsen S. 475; 476.
  35. Vgl. Prosp. Tironis epit. chron. ed. Mommsen p. 478; 479 „Dioscoro v. c. cons. [et Eudoxio].“ = 442 p. Chr. („cum Gisirico autem ab Augusto Valentiniano pax confirmata et certis spatiis Africa inter utrumque divisa est“) mit Vict. Vit. (I c. 4, ed. Ruinart-Hurter, I c. 13, ed. Petschenig, ed. Halm); s. auch die zutreffende Ausführung Stadler’s von Wolffersgrün (a. a. O. p. 26 f.). Papencordt (p. 77) meint, der Friede von 442 hätte die Provinz Tripolis in einem „unbestimmten“ Verhältnisse gelassen, aber mit mehr Recht nehmen Dahn (I p. 156, Anm. 3) und Stadler von Wolffersgrün (p. 26 f. 33) an, Tripolis sei bis zum Tode Valentinian’s (455) Weströmische Provinz geblieben. Das „exterminatas“ – – – bei Vict. Vit. I c. 4 bezw. I c. 13 will nur besagen, dass schon vor 455 die Weströmischen Besitzungen in Afrika durch Vandalisches Gebiet unterbrochen waren (die drei Mauretanien und Westnumidien waren seit 442 durch die Vandalischen Provinzen Ostnumidien, Zeugitana und Byzacena von Tripolis getrennt!).
  36. Vgl. Vict. Vit. I c. 4 bezw. I c. 13, Proc. I c.5 und hierzu die Erläuterungen Dahn’s I, p. 242, Anm. 3 und Stadler's von Wolffersgrün p. 27.
  37. Vict. Vit. I c. 6 bezw. I c. 19–21, Hydatii (Idatii) continuatio chronicorum Hieronymianorum ed. Th. Mommsen, Mon. Germ. hist. auct. ant. XI, pars I, S. 25 ad a. Chr. 450 und Prosp. Tiron. epit. chron. a. a. O. S. 478 l. c. Auler’s unbegründete Vermutung, „die Lage der Afrikanischen Katholiken hätte sich (in Folge des Friedensvertrages von 442) sicherlich gebessert“ (p. 272) wird durch obige actenmässige Darlegung der Situation der orthodoxen Unterthanen Geiserich’s (im Zeitraum von 442–454) widerlegt. – Zutreffend, aber zu breit, erörtern Auler (p. 268 f.) und Pötzsch (p. VII) die Katastrophe des Sebastianus; vgl. auch Stadler von Wolffersgrün p. 25 l. und Zink (Einleitung p. VII).
  38. Vgl. Vict. Vit. I c. 8 bezw. I c. 24 („Post haec factum est supplicante Valentiniano Augusto, Carthaginiensi ecclesiae post longum silentium desolationis episcopum nominari nomine Deogratias“) mit App. ad Prosp. Tir. Chron. ad a. Chr. 454 („Carthagine ordinatur, episcopus Deogratias in basilica Fausti die dominica VIII [corr. IX] Kal. Nov.“) nebst Papencordt’s (p. 82, Anm. 2) und Stadler’s von Wolffersgrün (p. 29) Erläuterungen. Ohne allen Grund nimmt Morcelli (Africa christ. III p. 163) an, die Karthagischen Katholiken hätten heimlich den Kaiser Valentinian veranlasst, sich für sie beim König zu verwenden.
  39. Schwarze, p. 156, bemerkt zwar richtig: „Diese Pause (d. h. Friedensepoche der Afrikanischen Katholiken) dauerte aber nur drei Jahre, während welcher Deogratias das Bisthum verwaltete, scheint also zum Theil auf dem persönlichen Einflusse dieses Bischofs beruht zu haben“, aber von der weiteren durchaus schiefen Motivirung („dazu war Geiserich, und dies mag wohl die Hauptursache für die Verschonung der Katholiken gewesen sein (!), in dieser Zeit fast ganz durch die auswärtige Politik in Anspruch genommen“) hätte ihn doch sicher der klare Wortlaut des Vitensers (I c. 24 ed. Petschenig – – – factum est supplicante Valentiniano Augusto Carthaginiensi ecclesiae – – – episcopum nominari“ etc.), der wahrlich keinen Grund hatte, den Ketzerkönig per nefas zu entlassen, abhalten sollen. Beide Friedensepochen (454–457 und 475–477) waren eben das Ergebniss einer bewussten Toleranz Geiserich’s, standen im engsten Zusammenhang mit der Verbesserung seiner Beziehungen zu beiden Kaiserreichen.
  40. Vgl. Prosp. Tiron. epit. chron. ad a. Chr. 455, ed. Mommsen S. 483 f., Vict. Vit. I c. 8 bezw. I c. 24–27. Excerpta ex Prisci Hist. c. 7. 10. 14 p. 157. 216. 218 f., Procop, Bell. Vand. I c. 5 nebst den gründlichen Erläuterungen von Jos. Langen a. a. O. p. 87 und Stadler von Wolffersgrün a. a. O. p. 29–33.
  41. „Post cuius (Valentiniani) mortem (Geisericus) totius Africae ambitum obtinuit, nec non et insulas maximas Sardiniam, Siciliam, Corsicam, Ebusum, Maioricam, Minoricam uel alias multas superbia sibi consueta defendit.“
  42. Vgl. Stadler von Wolffersgrün a. a. O. p. 33.
  43. Vgl. Procop. Bell. Vand. I c. 6 mit Suidas, Lexic. s. v. χειρίζω ex Candidi Hist., Corp. script. hist. Byz. ed. Bonn. p. 477.
  44. Vgl. Vict. Vit. I c. 17 bezw. I c. 51 („Post haec Geisericus ecclesiam Carthaginis claudi praecepit, dissipatis atque dispersis per diuersa exiliorum loca, quia episcopus non fuerat, presbyteris et ministri. Quae uix reserata est Zenone principe supplicante per patricium Seuerum; et sic uniuersi ab exilio redierunt“) mit Excerpt. ex Malchi Hist. c. 3, ed. Bonn.; p. 260 f. und Procop. Bell. Vand. I c. 7.
  45. Vgl. Procop. l. c. I c. 4 mit Priscus p. 216 f., c. 7.
  46. s. Vict. Vit. I c. 10 bezw. I c. 30–34: – – – „confessorum – – – ingens et plurima multitudo“ – – –
  47. – – – nec ab ecclesiarum despoliatione abstinens (Geisericus), quas et sacris vasibus exinanitas – – –
  48. „Statim sategit uir – – – uniuersa uasa ministerii aurea uel argentea distrahere et libertatem, de seruitute barbarica liberare“ etc. Schwarze freilich a. a. O. p. 157 will hier in directer Polemik gegen mich (vgl. meinen Art. „Christenverfolgungen“, in F. X. Kraus’ Realencycl. I, p. 271) von einer Uebertreibung Victor’s nichts wissen: „Aber gesetzt auch, dass in den Jahren 435 und 439 die Kirchen ziemlich ausgeplündert wurden, – – – so konnte dieser Schaden wohl bis zum Jahre 455 wieder ersetzt sein.“ Indess das war doch kaum möglich, da der Geiserich-Sturm zwischen 440 und 454, zumal in der Hauptstadt, allzu heftig raste.
  49. Die beiden bisher nachgewiesenen Uebertreibungen des Autors von Vita betonen mit Recht auch Papencordt, p. 369 f. und Auler, p. 267; 273.
  50. Vgl. Vict. Vit. I, c. 44: „Tunc Theodericus in Bizacenam prouinciam ad fodiendas eum condemnat scrobes“.
  51. „Quae uero [Geisericus] in Hispania, Italia, Dalmatia, Campania, Calabria, Apulia, Sicilia, Sardinia, Britiis, Lucania, Epiro [uetus] vel Ellada gesserit, melius ibi ipsi qui passi sunt miserabiliter lugenda narrabunt.“
  52. De gubern. Dei l. VII c. 20–22, §§ 84–100, ed. Halm, Mon. Germ. auct. antiq. tom. I, 1 (1877) p. 99–102. Sidon. Apollin. berichtet freilich schon 458 von Geiserich, dass er träge und dick geworden sei, durch Buhlerinnen zu Grunde gerichtet. (Carmen: Panegyricus V, v. 327 ff., ed. Luetjohann (Monumenta-Ausgabe) p. 195 f.) – Pflugk-Harttung (Belisar’s Vandalenkrieg, Histor. Zeitschr. Bd. 61 [N. F. Bd. 25], Jahrg. 1889, p. 75) citirt diese Stelle, ohne im mindesten kritische Bedenken zu äussern. Ich erwidere: Es handelt sich lediglich um eine Römische Verleumdung. Denn erstens widerspricht dem angeblichen Marasmus Geiserich’s der historische Zusammenhang: Noch im J. 467 entfaltet der „dick und schwerfällig gewordene“ Monarch, von beiden Kaiserreichen zur See bedroht, eine ungewöhnliche Energie (s. Procop. B. Vand. I c. 6), und bis 474 leitet er mit alter Kraft alle Raubzüge persönlich. Sodann rührt diese Beschuldigung von einem Autor her, der nach Ausweis seines Briefwechsels einen geradezu fanatischen Hass gegen das Germanenthum hegt.
  53. Vgl. Malchus, Hist. p. 260 f. c. 3. Im übrigen verweise ich auf die zutreffende Charakteristik des gewaltigen Germanenkönigs bei Papencordt (p. 107–109), Dahn (Könige I p. 259 u. Art. Genserich in ADB Bd. 8 [1878] p. 569–73 und zumal p. 572 f.), F. D., Art. „Genseric“ im Dictionary of christian biography etc. vol. II, London 1880, p. 634 B–637 A. und Stadler von Wolffersgrün a. a. O. p. 44–46, wo es am Schluss heisst: „… wir… erkennen, dass Hochherzigkeit und edler Sinn diesem Manne nicht fremd waren; mit vollem Recht galt er daher den Vandalen nicht nur als der Begründer ihres Staates in Afrika, sondern auch als leuchtendes Beispiel für seine Nachkommen.“ Sehr einseitig urtheilt Graf Paul von Hoensbroech (Das Wunder von Tipasa, Stimmen aus Maria-Laach Bd. 37, Jahrg. 1889, p. 273) speciell über Geiserich als Katholikenverfolger („Geiserich war wüthender Arianer; sein ganzes langes Leben hindurch bis zum Jahre 477 litt die katholische Kirche unter der grausamsten Verfolgung“), ignorirt also gänzlich die Friedensepochen (454–457; 475–477)!
  54. Hefele, Concilien-G. II (2. Aufl.). p. 611; Langen a. a. O. p. 149 f.; P. v. Hoensbroech, Das Wunder v. Tipasa (Stimmen a. Maria-Laach, Jahrg. 1889, Bd. 37, p. 273 f.).
  55. Vgl. C. Kessler, Art. Mani und Manichäer, Real-Encyklop. f. protest. Theol., 2. A., Bd. IX, Leipzig 1881, p. 223–259 und G. F. S. Art. „Manicheans“ im „Dictionary of christian biography“ etc., vol. III, London 1882, S. 795 B–801 B.
  56. Ich halte dieses Diocletianische Edict, „dessen Echtheit allerdings nicht unbestritten ist“ (Kessler a. a. O. p. 254), im wesentlichen für authentisch: Eine aus dem feindlichen Persien stammende Secte, die noch dazu im Verdacht ungeheuerlicher Unzucht und communistischer Tendenzen stand, musste dem conservativen, jede neue Religion beargwöhnenden, Diocletian erst recht ein Dorn im Auge sein.
  57. Vgl. Amm. Marc. XXX c. 9 [medius inter religionum diversitates stetit] mit Socrat. hist. eccl. IV c. 1 u. Sozom. hist. eccl. VI c. 6.
  58. Vgl. Kessler a. a. O. p. 254 und zumal G. F. S. a. a. O. p. 799 f.
  59. Mit Fug meint G. F. S. a. a. O. p. 799 f.: „Still later we find the Arian king Huneric persecuting them in Africa together with the orthodox A. D. 477 (Vict. Vit. – – – II, 1)“.
  60. Vict. Vit. II c. 1 bezw. II c. 2: „Et ut (Huniricus) se religiosum ostenderet, statuit sollicitius requirendos hereticos Manicheos; ex quibus multos incendit, plurimos autem distraxit nauibus transmarinis. Quos paene omnes Manicheos suae religionis inuenit et praecipue presbyteros et diaconos Arrianae haereseos; unde magis erubescens amplius in illis exarsit. De quibus repertus est unus, nomine Clementianus, monachus illorum scriptum habens in femore: Manicheus discipulus Christi Jesu.“ (Hiernach scheinen sich die Afrikanischen Manichäer in Folge ihrer überspannten Ascese sogar tätowirt zu haben.)
  61. Vict. Vit. II c. 1 bezw. II c. 2: Propter quod magis laudabilior memoratus tyrannus uidebatur [sic!].
  62. Vict. Vit. l. c.: – – – in uno displicens (Huniricus), quia cupiditati insatiabili vehementius inhiabat et provincias regni sui uariis calumniis atque indictionibus onerabat etc.
  63. Vgl. Procop., Bell. Vand. I c. 5. 8, Prisc. p. 218 c. 10, Malch. l. c.
  64. Vgl. Vict. Vit. II c. 5 bezw. II c. 13, Procop., B. V. I c. 7, Dahn, Art. Geiserich a. a. O. p. 572 f. und Zink a. a. O. p. 31, Anm. 1.
  65. Vict. Vit. I c. 14 bezw. I c. 44: – – – Theodericus – – – a suo prohibetur Jucundo presbytero – – –; s. oben p. 41. Nach Vict. Vit. II c. 5 bezw. I c. 12–14 incl. (– – – Theodericum fratrem filiosque eius – – – crudeliter coepit insequi etc.) hätte Hunerich auch seinen Bruder Theoderich persönlich verfolgt, d. h. verbannt; Zink (a. a. O. p. 31 in Anm. 3 das.) und Pötzsch (a. a. O. p. XV, XL ff.) acceptiren diese Mittheilung unbedenklich. Indess war nach Procop. Bell. Vand. I c. 5 Theoderich, der dritte und jüngste Sohn Geiserich’s, den er freilich irrthümlich Theodorus nennt, bereits bei Lebzeiten des Vaters, und zwar schon vor Regelung der Afrikanischen Bodenverhältnisse, gestorben. – Treffend charakterisirt Joh. Dräseke (Kirchl. Zustände im Römischen Reich a. a. O.) Hunerich’s Verwandtenmorde: „In der Weise Chlodwig’s [ich füge hinzu: auch Constantin’s] wüthete er sodann mit Mord und Hinrichtung gegen die Glieder seiner eigenen Familie“ – – –.
  66. Mit Fug bemerkt Dräseke a. a. O.: „Mit einem arglisten blutigen Kirchenüberfall begann die Verfolgung (Vict. Vit. II, 4)“; vgl. auch Schwarze a. a. O. p. 159.
  67. Vgl. die „Notitia episcoporum“ (genauerer Titel „Notitia provinciarum et civitatum Africae“; die Anfangsworte: „Incipiunt nomina episcoporum catholicorum diuersarum prouinciarum, qui Carthagine ex praecepto regali uenerunt pro reddenda ratione fidei Kl. Februarias anno sexto regis Hunerici“) ad calcem des Vict. Vit. nach dem cod. Laudunensis saec. IX und dem cod. Halleri ed. Halm p. 63–71, ed. Petschenig p. 115–134; Vict. Vit. II c. 18 bezw. II c. 52 sagt bloss: „Conueniunt non solum uniuersae Africae, uerum etiam insularum multarum episcopi“ – – –.
  68. Bei Vict. Vit. III c. 1–23 bezw. II c. 56–101: „Liber fidei catholicae“.
  69. Vgl. Vict. Vit. IV c. 5 bezw. III c. 20, die „Notitia episcop.“ a. a. O., Hefele a. a. O. p. 614 und Al. Schwarze a. a. O. p. 162–167. Zutreffend meint Pötzsch p. XXX: „Aus der Bestrafung, welche die Bischöfe traf, mochten sie nun geschworen haben oder nicht, ist ersichtlich, dass Hunarix mit Hinterlist und Heimtücke gegen die Katholiken verfuhr, um diesen auf jede Weise zu schaden.“
  70. Vict. Vit. V c. 1–16 bezw. III c. 21–54 und zumal V c. 11, 13 bezw. III c. 42–44, 47, 48.
  71. Vgl. Vict. Vit. V c. 1. 6. 9–11 bezw. III c. 21–24. 29. 30. 34–44 mit Procop., B. Vand. I c. 8. Es ist gewiss richtig, wenn Proc. a. a. O. meint: γέγονε δὲ Ὁνώριχος ἐς τοὺς ἐν Λιβύῃ χριστιανοὺς (sic!) ὠμότατός τε καὶ ἀδικώτατος ἀνθρώπων ἁπάντων. Ebenso spricht Vict. Tonnennensis ed. Mommsen p. 187 „Leone Aug. III cons.“ die Wahrheit: Hugnericus – – – catholicos per Africam plus patre persequitur.
  72. βιαζόμενος γὰρ αὐτοὺς ἐς τὴν Ἀρειανῶν μετατίθεσθαι δόξαν, ὅσους ἂν λάβοι οὐχ ἑτοίμους αὐτῷ εἴκοντας, ἔκαιέ τε καὶ ἄλλαις θανάτου ἰδέαις διέφθειρε.“
  73. Gregor. Tur. hist. Franc. II c. 3 (Mon. Germ. SS. Merov.) meint in seinem sagenhaften Bericht über das Vandalenreich: Octavianus vero archidiaconus et multa milia virorum ac mulierum hanc fidem adserentium interemta atque debilitata sunt. Das angebliche Mirakel von Tipasa, dessen Vertheidigung der Jesuit Graf Paul von Hoensbroech einen ganzen Aufsatz („Das Wunder von Tipasa“, Stimmen aus Maria-Laach, 37 (1889) p. 269–83) gewidmet hat, habe ich Zeitschrift f. wiss. Theol. I, H. 4, S. 494–500 erörtert.
  74. Vgl. Vict. Vit. II c. 18 bezw. II c. 52, Vict. Tonnennensis ed. Mommsen p. 189, „Zenone Aug. cons.“ 479 p. Chr., die „Not. episc.“ und Hefele, p. 614.
  75. Schwarze (p. 167) überschätzt die Tragweite der allgemeinen Hunerich-Verfolgung hinsichtlich der Martyrien in directer Polemik gegen Papencordt (p. 116 f.) und mich (s. meine Ausführungen bei Kraus, Realencycl. I p. 275 f.); die vagen Aeusserungen Procop’s (I c. 8) zu sehr betonend, hat er sich eben, wie freilich sogar Papencordt, die entscheidende Stelle des Vitensers (III c. 28, ed. Petschenig) entgehen lassen.
  76. Die Acten dieses Concils bei Mansi, Concilior. coll. VII p. 1171. Hefele a. a. O. p. 614–616 und in extenso bei Phil. Jaffé, Regesta pontificum Rom., p. 53; derselben Materie gilt das Schreiben Felix’ III. vom 15. März 488 „Qualiter in Africa“ (bei Mansi VII p. 1056; vgl. Jaffé) a. a. O.; s. auch Kröpfler, Art. Felix III. in Wetzer u. Welte’s Kirchenlexikon 2. Aufl. Bd. IV, p. 1318.
  77. Vgl. auch Papencordt p. 282 u. Schwarze p. 168: „Dass in Folge dieser Bedrängniss doch mehr Katholiken ihrem Glauben untreu wurden und die arianische Wiedertaufe an sich vollziehen liessen, als es nach den wenigen von Victor bezeugten Fällen den Anschein hat, ist von Görres (Kraus, Realencycl. I p. 276) namentlich mit Rücksicht auf die Verhandlungen der Lateransynode vom Jahre 487/488 geltend gemacht worden“.
  78. Tali uiolentia nobis uidentibus ibi Carthagine filius cuiusdam nobilis annorum circiter septem iussu Cyrilae a parentibus separatus est – – – infantulo clamante ut poterat: Christianus sum, Christianus sum, per sanctum Stephanum Christianus sum. Cui et os opturantes insontem infantiam in suum gurgitem demerserunt. Ita de filiis medici uenerabilis Liberati factum esse probatur – – – cogitauit impietas Ariana a parentibus parvulos filios separare“ etc.
  79. Vgl. z. B. Vict. Vit. II c. 13 bezw. III c. 47, wo das rebaptizare als ein „iugulare“ (sc. animam), ein geistiges Abschlachten, bezeichnet wird; weitere Quellenbelege bei H. Hurter, ed. Vict. Vit. p. 235 f., Anm. 1, z. B. Augustin. Ep. 23, § 2: „rebaptizare catholicum immanissimum scelus est“, de unico bapt. c. 43, § 22: „rebaptizare catholicos – – – semper est diabolicae praesumptionis“, Ep. 166 Leonis papae I, wo die Wiedertaufe als „inexpiabile facinus“ gebrandmarkt wird.
  80. Das Schlusscapitel des Vitensers (V c. 21 bezw. III c. 71), wonach Hunerich der Phtheiriasis erlegen ist, muss, wenngleich handschriftlich begründet, nach Ebert’s überzeugender Beweisführung (a. a. O. p. 455 f. Anm. 4) als Interpolation gelten, aber als eine uralte Fälschung, da, wie gesagt, schon der c. 534 entstandene Appendix Prosp. Tir. chron. dem Sohne Geiserich’s jene grässliche Todesart zuschreibt.
  81. Procop. l. c. „ἐτελεύτησε νόσψ – – –“. – A. Mally (des Bisch. Victor v. Vita Verfolg. der afrikan. Kirche u. s. w. p. 139) lässt allein von allen neueren Forschern den Hunerich „eines elenden Todes sterben“, weil er eben Victor’s Schlusscapitel für echt hält (s. die vorige Note).
  82. Baronius (Ann. eccl. VI p. 363 ad a. Chr. 484, § CXXIX; 439 ad a. Chr. 495, § XXV Venet. 1709); F. Chr. Schlosser (Weltgeschichte, ältere wissenschaftliche Ausgabe Bd. II); Gibbon (Gesch. d. Abnahme u. des Falles des Röm. Reiches, übers. von C. W. v. R., VI, Cap. XXXVIII p. 325. Wien 1790).
  83. Sam. Basnage (Ann. pol.-eccl. T. III p. 588, ad a. Chr. 494, § VIII; 597, ad a. Chr. 496, § XX, Roterodami 1706); Schröckh p. 103; Papencordt p. 118; Dahn p. 258; Hefele a. a. O. p. 614, § 215; F. D., „Gundamund“ im Dict. of christian biogr., vol. II p. 810 A; Mally, Das Leben des hl. Fulgentius, Bischofs v. Ruspe, von seinem Schüler, und der fortgesetzte Kulturkampf der Vandalen (sic!) bis zu ihrem Untergang u. s. w., Einleitung. 2. Geschichtlicher Ueberblick p. VIII–X; Schwarze p.168–171.
  84. Οὗτος ὁ Γουνδαμοῦνδος πλείοσι μὲν πρὸς Μαυρουσίους ἐμαχέσατο ξυμβολαῖς, μείζοσι δὲ τούς Χριστιανοὺς ὑπαγαγὼν πάθεσιν ἐτελεύτησε – – –.
  85. Γουνδαβοῦν (sic!) – – – μείζονα κακὰ τοῖς Χριστιανοῖς ἐνδειξάμενος, scil. ἢ Ὁνώριχος.
  86. Vict. Vit. V 19. 20 (nach Ruinart und Hurter); III 64–70 ed. Halm, ed. Petschenig. Papencordt (p. 118, Anm. 2) rügt mit Fug die ungenaue Chronologie des Vict. Tonnennensis, während Hefele (a. a. O.) die Angabe dieser Quelle pure acceptirt.
  87. Ed. Petschenig: „Sexagesimus nunc – – – agitur annus ex eo, quo populus ille crudelis ac saevus Uandalicae gentis Africae miserabilis attigit fines“ etc.
  88. „Die letzte Bemerkung (des Append. Prosp. Tir. Chron.) über die Zurückgabe aller Kirchen ist nach Dahn u. Görres dahin einzuschränken, dass wohl schon seit dem dritten Regierungsjahre für die Katholiken Cultusfreiheit gewährt war, und dass in Folge dessen schon damals eine grosse Anzahl Kirchen zurückgegeben wurde, weil sonst die Bussdisciplin, welche die Lateransynode vom Jahre 487/488 voraussetzt, nicht möglich gewesen wäre“ u. s. w. (Al. Schwarze p. 169).
  89. Schwarze spricht mit Fug von einer „Friedenszeit unter Gunthamund“ (a. a. O. zumal p. 169).
  90. Diese Ep. 13 ist ohne Zweifel identisch mit dem Briefe „Cum tuae dilectionis“ bei Jaffé, Regesta pontif. Rom. p. 55, Nr. 3891 (J. 492–494).
  91. Al. Schwarze meint mit Recht (p. 169): „Dass vom Hofe her ein anderer Wind wehte, folgt auch daraus, dass der Arianische Bischof von Karthago [ich füge hinzu: toleranter als die überwiegende Mehrzahl der Amtsbrüder!] es wagen durfte und bereit dazu war, dem von einem Arianer misshandelten Bischof Fulgentius von Ruspe Genugthuung anzubieten.“
  92. Vict. Vit. II c. 5, ed. Ruinart et Hurter; II c. 12, ed. Petschenig, ed. Halm.
  93. S. Hefele a. a. O. p. 507 ff. – Zum Folgenden s. Euagrios, Hist. eccl. III 20; Vict. Vit. V 7 bezw. III 31. 32; und Dahn p. 244, Anm. 2. – Weiterhin s. Hefele p. 569.
  94. Vgl. Vict. Tonnennensis Chron. ed. Mommsen p. 191 f., Olybrio V. C.: „Anastasii autem fide, immo perfidia – – – nota – – – Anastasius adversus synodi Chalcedonensis defensores episcopos atrociter saevit“ – – –, „Anastasio et Rufo conss.“ „Asterio et Praesidio conss.“ „Paulo V. C. conss.“, ed. Mommsen, p. 192; das (zweite) Schreiben Gelasius’ I. an die Bischöfe Dardaniens (Mansi VIII p. 49–71), Hefele p. 569 f., 617 f., 671. 688 f,, Schröckh p. 521–34 und meinen Aufsatz über den Metropolitenrang der Trier’schen Kirche (Forschungen z. Dt. G., 1877, p. 172 f.)
  95. ed. Mommsen, M. G. auct. ant. IX, p. 322 ff. 326.
  96. Förderlich erörtert die gesammte Materie, das Schisma unter beiden Kaisern, sowie die Aussöhnung beider Kirchen seit 518: Josef Langen, G. der Römischen Kirche von Leo I. bis Nicolaus I. (Bonn 1885) p. 140–299.
  97. Vgl. die gründlichen Untersuchungen Hasenstab’s (Studien zu Ennodius, p. 27–38, Münch. Gymn.-Progr. 1889–1890) u. Schwarze’s p. 171 f.
  98. Vgl. Vita s. Fulgent. c. XXI–XXIV und (hiernach?) Isidor. Hispal. de viris illustribus c. 27 (– – – „est et liber altercationis eius [Fulgentii Ruspensis], quo de fide cum Thrasamundo rege – – – disputavit“), ed. Arevalus, Isidori Hisp. Opp. Tom. VII, p. 154, Nr. 37.
  99. Vgl. Vict. Tonnennensis p. 193 ed. Mommsen, Anastasio Aug. II cons.: – – (Trasamundus) – – – catholicorum ecclesias claudit. Mit Unrecht citirt Basnage a. a. O. p. 588, § VIII Hermannus Contractus, den Chronisten des elften Jahrh. (!), als „Quelle“ für diese Thatsache (vgl. Herm. Contr. seu Aug. Chron. bei Pertz, Mon. Germ. SS. V, p. 85: ‚qui [Trasamundus] – – ecclesias post aliquot annos clausit‘ – –
  100. Vict. Tonnennensis, ed. Mommsen, p. 194. „Theodoro V. C. cons.“ Eugenius – – confessor moritur. Wenn man in diesem Punkte dem sagenhaften Berichte Gregor’s von Tours (hist. Franc. II c. 3) trauen darf, so starb Eugenius als Verbannter zu Alby in Südfrankreich.
  101. Nachdem Mally, dieser echte Vertreter klerikaler Geschichtsauffassung, das Verbot Thrasamund’s, die erledigten katholischen Bisthümer wieder zu besetzen, erwähnt hat, fährt er in unverkennbarer Anspielung auf die Preussischen Maigesetze der 70er Jahre so fort (Leben des h. Fulgentius u. s. w. p. XI f.): „Die Vandalen als echte Kulturkämpfer verstanden sich schon recht gut auf die Gesetzmacherei, um ihre Pläne durchzusetzen!“ – Während die Vita s. Fulg. a. a. O. nur über 60 nach Sardinien exilirte Bischöfe kennt, spricht Vict. Tonnenn. a. a. O. schon von 120 dorthin verbannten Prälaten, und Herimannus Augiensis (a. a. O.), seine Vorlage Vict. Tonnenn. überbietend, lässt gar 240 Bischöfe unter Thrasamund nach Sardinien in’s Exil wandern! Dem Vict. Tonnenn. folgt unkritisch W. Krafft, Art. Vandalen in Herzog’s Realencycl. (2. Aufl.) Bd. XVI (1885) p. 306. – Die Exilirung von 60 Bischöfen fällt in die spätere Regierungszeit Thrasamund’s; der König scheint indess schon sehr früh gegen einzelne Prälaten eingeschritten zu sein (s. B. Hasenstab, Studien zu Ennodius, p. 27–38, und Schwarze a. a. O. p. 171).
  102. Ausser Dahn und Papencordt erörtern die Religionspolitik Thrasamund’s zutreffend P. D. (Art. „Thrasamund“ im Dictionary of christ. biography, vol. IV p. 1022) und Krafft a. a. O. Wenn Mally (Leben des h. Fulgentius, Anhang p. 104) den „schlauen Kulturkämpfer“ (sic!) Thrasamund als einen Monarchen charakterisirt, „der sich oft den Anschein von Mässigkeit, Frömmigkeit und theologischer Gelehrsamkeit gab, aber ebenso rücksichtslos wie seine Vorgänger die Katholiken misshandelte“, so übertreibt er erheblich die katholikenfeindlichen Acte des Könige, widerspricht zudem seiner eigenen früheren Darstellung der Thrasamund-Verfolgung (Einleitung, p. X–XII), worin er den Nachfolger Guntamund’s durchaus zutreffend als den „arianischen Julian“ gekennzeichnet hatte! Dahn (p. 259 und Anm. 3 das.) bezieht den Vita s. Fulg. IX 17 erzählten Vorfall auf die Regierungszeit Thrasamund’s, während er doch selbst kurz vorher (p. 258 Anm. 5) jene Stelle ganz richtig zur Geschichte Guntamund’s in Zusammenhang gebracht hatte.
  103. Vgl. Procop. l. c.; Anon. Valesii, ed. Mommsen p. 324, weitere Quellenbelege bei Papencordt p. 122 f. und Dahn I p. 161–163. 260.
  104. Vgl. Procop. l. c.; Vita s. Fulg. c. XXI. XXII; weitere Belege bei Papencordt p. 119 f., Anm. 4, und Dahn p. 161, Anm. 2. 259.
  105. Procop. l. c.: „ἐγένετο δὲ [ὁ Θρασαμοῦνδος] φίλος καὶ Ἀναστασίῳ βασιλεῖ ἐς τὰ μάλιστα“.
  106. S. Anon. Val., ed. Mommsen, p. 328.: „cui [scil. Joanni papae] Justinus imp. venienti (Cpolim) ita occurrit ac si B. Petro“ etc. Marcellini chron. ad a. Chr. 525 (ed. Mommsen, M. G. H. auct. ant. XI, p. 102) und das Nähere bei Hefele p. 570, 689–696 und Josef Langen.
  107. Vict. Tonnenn., ed. Mommsen, p. 196 f., Maximo V. C. cons. Mally findet das natürlich von seinem klerikalen Standpunkt aus unbegreiflich (Leben des h. Fulg. p. 104): „Selbst auf dem Sterbebette hatte er (Thrasamund) seine Abneigung gegen die Katholiken nicht abgelegt“ u. s. w.
  108. Vgl. über ihn Schwarze a. a. O. p. 172.
  109. Dahn p. 260 verwirft mit Recht diesen „heiligen Betrug“, über den selbst Gibbon a. a. O. p. 326 zu günstig urtheilt, und wogegen Mally (a. a. O. p. 104) selbstverständlich gar nichts einzuwenden hat: „Hilderich – – – rief, eingedenk seines Eides, ehe er noch förmlich die Regierung übernahm, die verbannten Bischöfe aus dem Exile zurück – – –“.
  110. Vgl. Vit. s. Fulg. c. XXVIII, § 59, XXIX, § 60 und Vict. Tonnenn. l. c. Dass diese Friedenspolitik auch epigraphisch bezeugt, vermuthet Schwarze a. a. O. p. 172, ohne zu überzeugen, freilich zaghaft genug: „Ein Denkmal dieses Friedensschlusses bietet uns vielleicht die unvollständige Inschrift Nr. 10 706, welche sich in einer Kirche zu Hr. Mertum in Numidien befand und von De Rossi ergänzt worden ist – – –: In nomine domini et salvatoris nostri Jesu Christi tempore domini Hildericis regis, qui – – – longamque persecutionem pacavit, hanc ecclesiam – – –. Würde diese Ergänzung richtig sein [ich halte sie für sehr gewagt!], so hätten wir in vorliegender Inschrift ein Gegenstück zu Nr. 9708, welche von der Grundsteinlegung einer christlichen Basilica im Jahre 324 berichtet.“
  111. Schwarze a. a. O. hätte sie doch ganz kurz erwähnen können.
  112. Vgl. Vita s. Fulg. c. XXIX § 67 und das Nähere bei Hefele, S. 702 f. § 236.
  113. Hefele p. 711, Anm. 5; s. auch p. 703.
  114. Vgl. Procop., Bell. Vand. I c. 9–25; II c. 1–9, Append. Prosp. Tir. p. 312, 329, Vict. Tonnenn., ed. Mommsen, p. 198, „Post cons. II. Lampadi et Orestis“, Corippus, Johannidos seu de bellis Libycis l. I, v. 381 ff.; l. III, v. 17 ff., 198–264 (rec. Jos. Partsch, 1879, in Mon. Germ., Auct. antiq. III, 2) nebst Pflugk-Harttung’s lediglich in militärisch-technischer Hinsicht verdienstlichen Erläuterungen („Belisar's Vandalenkrieg“ a. a. O.).
  115. a b Vgl. Procop. I c. 10. Zum Folgenden s. ebend. I c. 16 u. 20, II c. 14. Alle diese Momente hat Dahn (I p. 167–180) mit der erforderlichen Schärfe betont und für seine interessante Darstellung der Katastrophe des Vandalenreiches verwerthet.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage (in der Anmerkung): ἔποντας, ἔπαιέ
  2. Vorlage: bew.