Die Welfenprocesse und die ersten Regierungsjahre Friedrich Barbarossa’s (1138–1156)

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Autor: Ignaz Jastrow
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Titel: Die Welfenprocesse und die ersten Regierungsjahre Friedrich Barbarossa’s (1138–1156)
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aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 10 (1893), S. 71–96; 269–322.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br.
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[71]
Die Welfenprocesse und die ersten Regierungsjahre Friedrich Barbarossas (1138–1156).
Von
J. Jastrow.


Während die Aechtung Heinrich’s des Löwen im Jahre 1180 wiederholt Gegenstand genauer Untersuchung in ihren straf- und processrechtlichen Einzelheiten gewesen ist, haben die früheren Welfenprocesse eine solche Untersuchung bisher nicht gefunden. Es scheint, dass dort gerade die mangelhafte Ueberlieferung die Forschung immer auf’s neue gereizt, und dass ein reichlich vorliegendes Material, das nur der richtigen juristischen Interpretation harrt, den gleichen Reiz nicht geübt hat.

Eine genaue Durcharbeitung dieser Processe an der Hand alles dessen, was wir sonst von dem älteren Deutschen Processverfahren wissen, gewährt uns nicht nur in processgeschichtlicher Beziehung manchen neuen Aufschluss, sondern wirft gleichzeitig auch hier und da neues Licht auf die politischen Verhältnisse, unter denen die Processe geführt wurden. Aus diesem Grunde sind einige Studien über die Politik der ersten Regierungsjahre Friedrich’s mit der Behandlung der älteren Welfenprocesse unter gemeinsamer Ueberschrift vereinigt.


I.
Aechtung Heinrich’s des Stolzen, 1138.
(Sententia nulla im Deutschen Recht.)

Das Römische Recht kennt neben dem ungerechten Urtheil noch ein nichtiges Urtheil. Das erstere muss wegen Ungerechtigkeit angefochten werden, widrigenfalls es rechtskräftig wird; gegen das letztere kann zwar der Verurtheilte appelliren, er [72] kann aber auch die Appellation unterlassen und zu jeder beliebigen Zeit dem Urtheil, sobald es gegen ihn geltend gemacht werden soll, die exceptio nullitatis entgegenstellen.

Nach der herrschenden Annahme[1] ist das Institut der „sententia nulla“ eine Eigenthümlichkeit des Römischen Rechts. Im Deutschen Recht habe dasselbe keinen Platz. Nach Germanischer Auffassung sei vielmehr jedes in rechtmässiger Form verkündete Urtheil rechtskräftig, wenn es nicht binnen vorgeschriebener Zeit angefochten werde.

Diese Annahme ist nicht richtig. Auch nach Germanischer Auffassung kann es ein Urtheil geben, welches so absolut rechtswidrig ist, dass es von dem Rechte als nicht bestehend angesehen wird, dass es für „sententia nulla“ gilt und von dem Verurtheilten vollkommen ignorirt werden darf. Ein Beispiel einer solchen sententia nulla bietet die Aechtung Heinrich’s des Stolzen.

1. Die Berichte über die thatsächlichen Vorgänge bei, vor und nach der Aechtung Heinrich’s des Stolzen sind dürftig, aber übereinstimmend. Die Hauptquellen sind die Chronik Otto’s v. Freising und die Historia Welforum. Dass in Bezug auf Thatsachen nicht nur zwischen diesen beiden Quellen kein Widerspruch besteht, sondern dass auch die vereinzelten Mittheilungen gleichzeitiger Annalen in diesen Rahmen sich vollständig einfügen, lehrt die Darstellung bei Bernhardi[2]. Die thatsächlichen Vorgänge sind darnach die folgenden.

Am 7. März 1138 war Konrad zum König gewählt und am 13. März gekrönt worden. An beiden Acten war der Schwiegersohn seines Vorgängers, Heinrich der Stolze, Herzog von Baiern und von Sachsen, nicht betheiligt gewesen. Da dieser seit dem Tode seines Schwiegervaters im Besitz der Reichsinsignien war, so hatte Konrad bei der Krönung sich mit imitirten Insignien behelfen müssen. Konrad verlangte die Herausgabe der Insignien. Er lud Heinrich auf den 23. Mai zu einem Hoftage nach Bamberg; Heinrich erschien nicht. Er setzte ihm einen zweiten Termin auf den 29. Juni nach Regensburg. Hier erschien Heinrich. Es kam auch zu einer Herausgabe der Regalien, aber [73] dennoch nicht zu einem geordneten Verhältniss zwischen Beiden. Um dasselbe herbeizuführen, veranstalteten König und Herzog in der ersten Hälfte des Juli eine Zusammenkunft an der Grenze des Schwäbischen und des Baierischen Herzogthums bei Augsburg. Beide erschienen bewaffnet. Der König lagerte in der Schwäbischen Stadt Augsburg, der Herzog gegenüber auf der Baierischen Seite des Lech. Die Verhandlungen waren resultatlos. Konrad ging eilends von Augsburg weg nach Würzburg, sprach hier unmittelbar darauf die Acht über Heinrich aus[3] und belehnte mit dem Herzogthum Sachsen sofort den Markgrafen Albrecht von der Nordmark. Darauf begab Konrad sich nach Sachsen und liess auf dem Hoftage zu Goslar am 25. December feststellen, dass Heinrich auch Baierns verlustig gegangen sei. Im nächsten Jahre[4] belehnte er mit Baiern den Markgrafen Leopold von Oesterreich.

2. Dass man in Sachsen die Aechtung als rechtlich nicht vorhanden ansah, zeigt sich zunächst darin, dass die Sächsischen Fürsten Heinrich auch weiter als ihren Herzog betrachteten. Es tritt die Auffassung mit besonderer Deutlichkeit in den gleichzeitigen Sächsischen Annalen zu Tage. Die Anerkennung des königlichen Actes erscheint dem einen Annalisten geradezu als „Untreue“, nämlich gegen den Herzog[5]. Nach dem Tode Heinrich’s wird notirt[6], dass sein gleichnamiger junger Sohn folgte, wie etwas Selbstverständliches, als ob nichts vorgefallen wäre. In dieser Auffassung fand eine Anerkennung Albrecht’s des Bären keinen Raum. Und als dieser endlich den Anspruch auf Anerkennung aufgibt, wird er von dem Annalisten betrachtet wie ein reuiger Sünder, der wieder zu Gnaden angenommen [74] wird[7], und die Sächsische Tradition sagt geradezu, dass er „Besserung gelobt“ habe[8]. – Dass in den Welfischen Kreisen Süddeutschlands keine andere Auffassung herrschte, als in den Norddeutschen, sehen wir aus der sehr gemässigten und verhältnissmässig objectiven Darstellung der Historia Welforum, welche ebenfalls nach dem Tode Heinrich’s den Anspruch auf Baiern direct auf Grund des Erbrechts[9] erheben lässt und die Nothwendigkeit der darauf folgenden Rebellion einfach damit begründet, dass Konrad sich einer Justizverweigerung schuldig gemacht habe („dum iusticiam apud regem impetrare non posset“).

3. Neben dieser fest und klar gehaltenen Welfischen Auffassung erscheint die Staufische zag und unbestimmt. Der Hohenstaufische Geschichtschreiber Otto von Freising war ein Halbbruder des Königs, er war ein rechter Bruder Leopold’s, der von Konrad’s Hand das Herzogthum Baiern erhalten hatte. Trotzdem finden wir bei ihm nichts als die blosse Referirung der Achtaussprechung, aber keinerlei Versuch, dieselbe juristisch zu halten. Die Belehnung Albrecht’s des Bären übergeht Otto mit Stillschweigen, und an die Belehnung des eigenen Bruders mit Baiern weiss er nur die melancholische Notiz zu knüpfen, dass damit die Zwietracht über Baiern gekommen sei[10]. – Dasselbe Bild wie aus dem Staufischen Geschichtschreiber tritt uns aus der Handlungsweise des Staufischen Königs entgegen. Als der von ihm eingesetzte Herzog von Baiern im Jahre 1141 starb, [75] hat Konrad nicht gewagt, Baiern wieder zu vergeben[11]. Sachsen hat er, wie bekannt ist, an den Erben Heinrich’s des Stolzen gehen lassen und diesen im Besitze ausdrücklich anerkannt[12]; einer eigenmächtigen Entscheidung über Baiern suchte er dadurch aus dem Wege zu gehen, dass er durch die Ehe Gertrud’s mit Heinrich von Oesterreich einen Consens der Mutter in Vertretung ihres jungen Sohnes zu erlangen suchte[13].

4. Haben wir schon hiernach den Eindruck, dass die Aechtung Heinrich’s des Stolzen auf Welfischer Seite als rechtlich nicht vorhanden betrachtet und dass dem auf Staufischer Seite kaum schüchtern widersprochen wurde, so tritt diese Anschauung mit unzweifelhafter Gewissheit uns in dem Process entgegen, welchen später, im J. 1147, der mündig gewordene Heinrich (der Löwe) von Sachsen um sein zweites Herzogthum beim Hofgericht anstrengt. Wiederum auf Welfischer Seite die strict festgehaltene Anschauung, dass Baiern dem Sohne kraft Erbrechts gehört, so als ob eine Aechtung des Vaters gar nicht existirte. Dem gegenüber macht Konrad kaum einen ernstlichen Versuch, die Aechtung zu vertheidigen. Ja, als er sich entschlossen hat, seine persönliche Stellung zur Sache von einem Spruche des Fürstengerichts abhängig zu machen, spricht er davon in Ausdrücken, als ob damit dem Kläger schon alles zugestanden sei. Und als unter Friedrich I. der Process weiter geführt wird, sehen wir aus der ganzen Art, wie der Babenberger den Process behandelt, dass ihm keine andern als dilatorische Mittel (Frustriren des Termins und Benörgelung der Ladung) zur Verfügung stehen[14].

5. Man mag bei diesem Sachverhalt noch so viel auf die persönliche Schwäche Konrad’s III. und auf die Verlassenheit des Babenbergischen Herzogs schieben, so lässt sich doch Eines nicht wegleugnen: wenn die Welfischerseits behauptete Nichtigkeit des (unangefochten gebliebenen) Urtheils etwas nach Deutschem Recht absolut Unzulässiges wäre, so würde dieser Grund entweder von dem Hohenstaufischen Geschichtschreiber oder von den Hohenstaufen und Babenbergern im Process irgend einmal dem Welfen entgegengehalten werden. So aber ist das Sachverhältniss nur [76] auf eine Art zu fassen: Welfischerseits wird sententia nulla behauptet, und Staufischerseits wird mit der Möglichkeit gerechnet, dass in der That sententia nulla vorhanden sein könnte.

6. Es fragt sich nun, worauf die Sachsen die Nullität des Verfahrens gründeten. Die Antwort darauf gibt die Welfische Glosse[15] zu Otto von Freising, welche aus dem „iudicio principum“ durch den Einschub eines Wortes „iudicio quorundam principum“ macht. Der Einwand gründete sich also auf die Besetzung des Gerichts.

Es war die Regel, dass am Hofgericht ein Jeder von seinen Stammesgenossen abgeurtheilt wurde[16]. Die Aechtung wurde auf heimathlichem Boden des Verurtheilten ausgesprochen, oder wenn dies nicht angängig war, doch nachträglich wiederholt. Nun kann wohl kein Zweifel sein, dass als Stammland des angestammten Herzogs von Baiern in der Regel Baiern angesehen wurde. Aber selbst wenn man das Stammland des Welfengeschlechts, Schwaben, dafür gelten lassen wollte[17], oder wenn man, da zunächst über Sachsen verfügt werden sollte, es für zulässig erklären möchte, sich an dieses zu halten, – man käme immer zu demselben Resultat: dass die Aechtung nicht auf Stammesboden stattgefunden habe. Denn Würzburg, wo die Aechtung ausgesprochen wurde, liegt weder in Baiern, noch in Schwaben, noch in Sachsen, sondern auf völlig unbetheiligtem Boden, nämlich in Franken.

Nun ist richtig, dass diese Vorschriften über Zusammensetzung und Oertlichkeit des Gerichts nicht immer genau beobachtet worden sind. Wenn aber die Sache wirklich sich so verhielt, wie die Welfen sie darstellten, dass Konrad von Augsburg, wo er angesichts der Baierischen Grenze Hoftag hielt, sich davon machte, um in Würzburg mit „ein Paar Fürsten“, die er gerade mitgenommen hatte, die Aechtung auszusprechen: so leuchtet ein, dass dies nicht der Spruch eines Hofgerichts war, und dass füglich seine Nichtigkeit behauptet werden konnte.

7. Dieses Bild eines in Urtheilsform gekleideten Willküractes wird nun noch ganz erheblich verstärkt, sobald wir uns [77] die Frage vorlegen, welches denn der Grund der Aechtung gewesen sei. Zunächst muss auffallen, dass wir nach einem solchen Grunde zu suchen haben, dass Staufischerseits nirgends der Versuch gemacht wird, einen solchen Grund anzugeben.

Die Weigerung Heinrich’s, die Regalien auszuliefern, kann keinerlei Grund zur Aechtung hergegeben haben. Staufische und Welfische Berichte gehen zwar in manchen Punkten aus einander; darin stimmen sie überein, dass diese Angelegenheit zur Zeit der Aechtung erledigt war.

Man hat behauptet, der Grund der Verurtheilung sei der gewesen, dass Konrad es für unzulässig erklärt habe, dass ein Herzog zwei Herzogthümer besitze. Aber weder ist uns überliefert, dass Konrad diesen Grund für die Aechtung angegeben habe[18], [78] noch ist uns ein solcher Rechtssatz aus dem Reichsrecht bekannt. Und hätte es selbst einen solchen Rechtssatz gegeben, so könnte auf Grund dessen ein Reichsfürst eben nur zur Herausgabe seines zweiten Herzogthums verurtheilt, und erst wenn er Ungehorsam dagegen zeigte, könnte ihm ein peinlicher Process gemacht werden, der mit Aechtung endigte. Das Verfahren gegen Heinrich ist aber umgekehrt gewesen: erst wurde er geächtet; mit der Aechtung war der Verlust sämmtlicher Reichslehen von Rechtswegen verbunden, und die nachträgliche Aberkennung der Herzogthümer hat nur den Werth einer gerichtlichen Constatirung der Thatsache[19].

Es bleibt also nur die Annahme übrig, dass die Aechtung auf Grund einer ganz allgemeinen Pflichtwidrigkeit erfolgt sei, welche mit all’ diesen Dingen nichts zu thun hat. Die einzige Pflicht, welche Heinrich gegen Konrad überhaupt vernachlässigen konnte, war die Pflicht der Huldigung. Nehmen wir nun an, dass Heinrich wirklich nicht gehuldigt hat, sei es, dass er es nicht wollte, sei es, dass Konrad ihm vielleicht absichtlich die Möglichkeit nahm[20], sei es, dass die Huldigung vielleicht gerade desswegen unterblieb, weil Heinrich sie für beide Herzogthümer leisten, Konrad sie aber nicht anders annehmen wollte, als für eines: in allen diesen Fällen lag doch unterlassene Huldigung rechtlich erst dann vor, nachdem eine angemessene Frist verstrichen war. Welches diese Frist war, ist uns zwar nur aus Gesetzen über Italien überliefert. Allein da hier die allgemeine deutschrechtliche Frist von Jahr und Tag genannt wird[21], so ist es natürlich anzunehmen, dass dies die allgemeine Frist im Reiche war. Konrad hat seine Regierung am 7. März 1138 angetreten. Er hat die Aechtung Mitte Juli desselben Jahres ausgesprochen, d. h. noch nicht 4 ½ Monat nach seinem Regierungsantritt.

Ferner kann auf Grund der blossen Thatsache der unterlassenen Huldigung noch nicht die Aechtung ausgesprochen, sondern [79] nur ein daraufhin gehendes Verfahren eröffnet werden. Ein solches Verfahren bewegt sich in drei Terminen. Wir hören aber nichts von einer dreimaligen Vorladung. Die Ladung Heinrich’s nach Bamberg und Regensburg geschieht bloss in Sachen der Regalien. Und dass Heinrich zu dem Würzburger Tage, wo seine Aechtung erfolgte, geladen worden wäre, wird gar nicht einmal behauptet.

Wollte man aber auch alle diese Termine und Ladungen mit Aechtung und Huldigung in Zusammenhang bringen, wollte man den Termin für die Huldigung noch so eng bemessen, es bleibt keinerlei Möglichkeit, in einem Zeitraum von 4 ½ Monaten erstens eine angemessene Frist für die Huldigung und zweitens drei angemessene Fristen für Termine unterzubringen.

Nehmen wir nun dazu, dass alle Umstände für die Annahme sprechen, dass Konrad in Würzburg in der That nur von wenigen Fürsten umgeben war[22], so wird uns die Anschauung vollkommen begreiflich, dass ein unter Vernachlässigung aller Fristen und Ladungspflichten von einer beliebigen kleinen Fürstenversammlung an beliebigem Ort ausgesprochener Spruch kein Urtheil sei und es durch die blosse formale Thatsache, dass der König der Versammlung präsidirte, auch kein Urtheil werden könne.

Alles was wir über die Vorgänge nach der Aechtung hören, bleibt unverständlich, wenn wir nicht annehmen, dass dem Deutschen Recht wenigstens die Möglichkeit einer sententia nulla geläufig war.

8. Das Ergebniss, dass die sententia nulla keine specifische Eigenthümlichkeit des Römischen Rechts ist, kann in keiner Weise überraschen. Bei einigem Nachdenken muss man sich sagen, dass die sententia nulla ein Institut ist, welches keinem Rechtsleben fehlen kann. Auch heute, wo sie angeblich abgeschafft ist, wo jedes Erkenntniss die Rechtskraft beschreitet, sobald es nicht binnen gesetzlicher Frist angefochten wird, bleibt doch immer noch die Möglichkeit, von einem vorgelegten Schriftstück zu bestreiten, dass es überhaupt ein gerichtliches Erkenntniss sei. Wenn die ersten besten zusammengelaufenen drei Leute gegen mich ein landgerichtliches Erkenntniss fabriciren, oder [80] wenn drei wirkliche Landrichter in fideler Weinlaune sich den ungehörigen Scherz erlauben, ein solches Erkenntniss mit Unterschrift und Amtssiegel herzustellen: so ist selbstverständlich, dass ich nicht nöthig habe, gegen ein solches „Erkenntniss“ zu recurriren, sondern dass ich ihm überall, wo es mir etwa vorgehalten wird, die exceptio nullitatis entgegenstellen kann. Ist dies aber richtig, dann macht es rechtlich keinen Unterschied, ob ich behaupte, dass der „erkennende Richter“ niemals Richter gewesen sei oder dass eine Stunde vor der Urtheilsfällung seine Pensionirung in Kraft getreten sei; ob ich behaupte, dass der „erkennende Richter“ im Scherz oder dass er in sinnloser Trunkenheit gehandelt habe. Und so eröffnet sich die Perspective auf eine ganze Reihe von Nullitätsfällen[23], die allen Rechtssystemen gemeinsam sind, ganz gleichgültig, ob ihre Gesetzbücher sie zufällig erwähnen oder nicht.

Das ist aber der Fehler, der so oft begangen wird, wenn man gewisse Institute als specifisch Römisch-rechtlich ausgibt. Man übersieht, dass uns von dem Rechtsleben der Römer eben mehr in juristischer Form erhalten ist, als von dem anderer Völker. Eine ganze Reihe von Instituten wird heute bloss desswegen als Römisch-rechtlich betrachtet, weil von den älteren Literaturen die Römische die einzige ist, in welcher sie zufällig aufgezeichnet und erhalten sind.


II.
Das Vermächtniss Konrad’s III.

Ueber die letztwilligen Bestimmungen Konrad’s III. haben wir zwei Traditionen, eine Staufische und eine Antistaufische.

Die Staufische Tradition ist uns am deutlichsten erhalten bei Otto v. Freising (Gesta Frid. I, 70):

– – – 15 Kal. Marcii vitam finivit, regalia duci Friderico cum unico suo item Friderico commendans. Erat enim tamquam

[81]

vir prudens de filio suo adhuc parvulo, ne in regem sublimaretur, quasi desperatus; idcirco et privatae et rei publicae melius profuturum iudicabat, si is potius, qui fratris sui filius erat, ob multa virtutum suarum clara facinora sibi succederet.

Diese Auseinandersetzung zerfällt in zwei Theile. Der erste ist ein Bericht über Thatsachen, der zweite (enim) gibt eine Motivirung derselben. Als Thatsache berichtet Otto, dass der sterbende König seinen einzigen Sohn und die Reichsinsignien dem Herzog von Schwaben in aller Form übergeben hat. Als Motivirung fügt Otto hinzu, dass der König klug genug gewesen sei, um die völlige Unmöglichkeit der Wahl seines kleinen Sohnes einzusehen, und dass er daher bei Zeiten, so viel wie an ihm war, direct dem einzigen handlungsfähigen Hohenstaufen die Krone in die Hand spielen wollte.

Die Antistaufische Tradition liegt in einer grossen Anzahl späterer Berichte vor, verhältnissmässig am günstigsten in der Halberstädter Bisthumschronik (Gest. episc. Halberst., M. G. SS. 23, 107).

Qui cum filium suum puerum adhuc, regem futurum, et insignia imperialia domni Frederici ducis Suevie, qui proximus eius heres fuit, fidei commendasset – – –

Auch diese Auseinandersetzung zerfällt in Bericht und Motivirung. Der Bericht gibt die Thatsache, dass der König auf dem Sterbebette Sohn und Reichsinsignien an den Herzog von Schwaben übergab. Die (eingeschobene) Motivirung besagt, dass Konrad gerade die Absicht gehabt habe, den Sohn als Thronerben (regem futurum) dem Herzog als dem nächstberechtigten Agnaten (proximus eius heres) zu übergeben.

Die Staufische Tradition sieht in der Wahl des Herzogs von Schwaben eine Befolgung der Absichten König Konrads, die Antistaufische eine Abweichung von denselben. Beide stimmen aber, soweit wir sie bisher kennen gelernt haben, darin überein, dass als Thatsache nichts vorlag, als die Uebergabe des Sohnes und der Reichsinsignien an den Herzog.

Jede dieser Traditionen hat nun ihre eigene Geschichte, in welcher der ursprüngliche Bestand von Thatsachen aus dem Bestande von Auffassungen und Anschauungen allmählich vermehrt wird.

[82] In der Staufischen Tradition ist der ursprüngliche Bestand klar. Die Thatsache eines Vermächtnisses zu Gunsten des Herzogs von Schwaben enthält dieser ursprüngliche Bestand nicht. Wir besitzen über diese Wahl eine besonders reichhaltige Correspondenz Staufischerseits: die officielle Anzeige an den Papst[24], ein gleichzeitiges officiöses Schreiben Wibalds an dieselbe Adresse[25] und die Antwort des Papstes[26]. Weder in den ersteren die Erwähnung irgend eines anderen Rechtstitels als der Wahl, noch in den letzteren eine Spur davon, dass in den mündlichen Berichten der überbringenden Gesandtschaft etwas derartiges enthalten wäre. Dass man sich auf die Wahl und nur auf diese beruft, tritt noch besonders deutlich in einer bei Otto eingeschobenen Parenthese hervor, in welcher er betont, dass es der Stolz dieser Krone sei, unabhängig von jedem Erbrecht rein nach Fürstenwahl vergeben zu werden[27]. Otto gibt Alles, was er dann über Friedrichs Mittelstellung zwischen Staufen und Welfen und seine Qualification zum endlichen Austrag des Streites ausführt, als Motive der Fürsten, als seine Erinnerung („ut recolo“) an die Wahlverhandlungen[28]. Ja, er betont ausdrücklich, dass für die Fürsten bei der Bevorzugung des Neffen vor dem Sohne eben nicht ein Eifer für die Willensintentionen des verstorbenen Königs, sondern die rein sachliche Rücksicht auf das öffentliche Wohl massgebend gewesen sei[29].

Diese letztere Bemerkung scheint vorauszusetzen, dass es schon zu Ottos Zeiten ein Staufisches Gerede gab, welches betonte, dass die Wahl „regis Conradi zelo“, in Befolgung eines politischen Testaments, so zu sagen auf Grund eines Erbrechtes, [83] erfolgt sei. Aber indem Otto von einer solchen Auffassung seinen Lesern Kenntnis zu geben scheint, verwahrt er sich dagegen, dass er dieses Argument geltend mache. Dass für dasselbe eine positive Thatsache gar nicht angeführt werden könnte, geht aus seiner eigenen Darstellung hervor. Und ein Bewusstsein davon, dass alles, was an Thatsachen angeführt werden konnte, einer gegentheiligen Deutung fähig war und gegnerischerseits wohl auch schon damals einer solchen unterzogen wurde, ist mit Ottos Darstellung und seiner Verwahrung gegen das schwanke Argument zum mindesten nicht unvereinbar.

Erst in der letzten Zeit Kaiser Friedrich’s I. begegnen wir in der Staufischen Historiographie einer anderen Anschauung. Die poetische Umformung Otto’s, die unter dem Namen Guntheri Ligurinus geht, ein Lobgedicht auf Friedrich, das im Jahre 1187 an ihn gerichtet wurde[30], erzählt den Hergang zwar im Ganzen nach Otto, betont aber zweimal, dass in der Handlung Konrad’s eine Quasi-Erbeseinsetzung des Neffen („velut haeredi“, „haeredem quasi designare“) liege. An die Spitze dieser Ausführungen stellt er die ausdrückliche Behauptung, dass in den Thatsachen ein Beweis für die Absicht Konrad’s enthalten sei, an den Schluss [84] einen Protest gegen die (Antistaufische) Anschauung, als ob Friedrich’s Thronfolge ein Bruch des Erbrechts, eine Uebertragung auf ein anderes Geschlecht, eine „translatio regni“ enthalte; davon, dass das Reich (statt unter einen bekannten Erben) unter einen unbekannten neuen Herrn gebracht worden sei, könne keine Rede sein. – Merkt man hier noch sehr deutlich das bewusste Bestreben, den überlieferten Thatsachen einen anderen Sinn zu geben, so stellt die ungefähr aus derselben Zeit stammende Kölner Königschronik bereits als Thatsachen nebeneinander: dass Konrad auf dem Sterbebette seinem Neffen die Insignien übergeben, ihm seinen jungen Sohn empfohlen und ihm den Rath ertheilt habe, wegen seiner Nachfolge in der Regierung mit den Fürsten zu sprechen[31].

Ist immerhin diese Erwähnung noch ziemlich formlos und auch in der Fassung gerade nicht sehr präcis[32], so begegnen wir in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts in der Ursperger Chronik[33] der vollkommen sicheren Behauptung, dass Konrad das [85] Reich seinem Neffen hinterlassen habe. Und zwar denkt der Autor sich dieses Hinterlassen im Wege einer förmlichen Erbberedung, indem einerseits Konrad dem Neffen die Anwartschaft auf das Reich gibt, andrerseits dieser verspricht, dem jungen Sohne später das Herzogthum Schwaben abzutreten. Wenn Otto die ganze Argumentation über Friedrich’s Mittelstellung zwischen Hohenstaufen und Welfen ausdrücklich bloss als Argumentation der Fürsten gegeben hatte, so erscheint in der Ursperger Chronik gerade Konrad’s Vermächtniss im engsten historischen Zusammenhang mit Friedrich’s Verdiensten um die Aussöhnung Welf’s VI. Wenn Otto sich dagegen verwahrt hatte, dass er auf die Befolgung eines Vermächtnisses auch nur als Motiv für die Wähler irgend welches Gewicht lege, so sagt die Ursperger Chronik geradezu, Friedrich habe den Thron überkommen „mehr durch Uebertragung von Seiten seines Oheims als durch Wahl der Fürsten“. Da die Ursperger Chronik Otto’s Werk über Kaiser Friedrich nicht gekannt hat, so ist eine Polemik gegen Otto in diesen Worten nicht enthalten. Eher müsste man in der (unbekannten) Quelle des Urspergers oder in dem Gerede, welches in dieser Quelle, wie im Ligurinus und in der Königschronik, seinen späten literarischen Niederschlag gefunden hat, eben die Darstellung erblicken, gegen welche schon seiner Zeit Otto sich gewandt hat[34].

Wie sich die Tradition bei zunehmender räumlicher Entfernung von Personen und Dingen schon vorher[35] weiter entwickelt hatte, sehen wir an dem Byzantinischen Schriftsteller Cinnamus. Diesem steht die Thatsache, dass Friedrich auf Grund eines Erbrechts [86] folgte, bereits so fest, dass er sie nicht einmal mehr auf eine testamentarische Verfügung des Sterbenden zurückführt. Er weiss zu erzählen, dass schon bei der Wahl von 1138 von den damaligen beiden Staufischen Brüdern, Friedrich dem Einäugigen und Konrad, jener gewählt wurde, aber wegen seines körperlichen Gebrechens zu Gunsten seines jüngeren Bruders verzichtete, gegen den eidlichen Consens Konrad’s, dass nach seinem Tode Friedrich’s Sohn (Friedrich) auf dem Throne folge. Hier erscheint also Friedrich Barbarossa schon während der ganzen Regierungszeit Konrad’s als Kronprinz[36][WS 1]. – – –

[87] Nicht so vollständig wie die Entwicklung der Staufischen Tradition vermögen wir die der Antistaufischen zu reconstruiren. Wie wir überhaupt über eine Gegenpartei bei Friedrich’s Wahl nur sehr dürftige Nachrichten haben[37], so haben wir vollends nichts, was wir etwa der Staufischen Correspondenz gegenüberstellen könnten, auch keine Geschichtserzählung über die Thronfolge, welche nur annähernd so früh, wie die Otto’s, niedergeschrieben wäre. Erst ganz gegen Ende des 12. oder Anfang des 13. Jahrhunderts begegnet uns die oben erwähnte Halberstädter Bisthumschronik; sicher erst dem 13. Jahrhundert gehören zwei andere Antistaufische Berichte Albericus von Troisfontaines und die Chronik von St. Clemens in Metz an. Wir lernen die Antistaufische Tradition erst in einer Zeit kennen, in welcher bereits eine Vermischung der in Betracht kommenden Ereignisse und Persönlichkeiten stattgefunden hat.

Schon die Halberstädter Bisthumschronik, welche den jungen Sohn Konrad’s „rex futurus“ nennt und Friedrich I. erst den Thron besteigen lässt, nachdem jener gestorben ist, scheint von der Voraussetzung auszugehen, dass es sich um den erwählten König Heinrich (VI.) handle. Sie scheint den Vorgang sich in der Weise zu denken, dass Konrad seinen bereits erwählten Sohn Heinrich dem Neffen als Vormund übergibt, dass dieser aber nach dem Tode Konrad’s die formelle Wahl verschleppt, bis sein Mündel inzwischen stirbt und er sich selbst zum König wählen lässt. Der Chronist erzählt Konrad’s Tod unmittelbar im Anschluss [88] an die Rückkehr vom Kreuzzuge und setzt ihn in das Jahr 1150[38], und zwar, wie wir gesehen haben, vor den Tod seines Sohnes Heinrich, welcher in demselben Jahre starb[39].

Denselben Anschluss des Todes an die Rückkehr vom Kreuzzuge finden wir bei Alberich von Troisfontaines, nur mit dem Unterschiede, dass das Jahr, in welches er beide Ereignisse zusammenpresst, das richtige Todesjahr (1152) ist. Er sagt ausdrücklich, dass der junge Sohn, um den es sich handelt, der vor der Kreuzfahrt erwählte König Heinrich sei, obgleich er ihm später den Beinamen „von Rothenburg“ gibt, einen Beinamen, den nur der junge Friedrich (Sohn Konrads III.), getragen hat. Hier kann man deutlich sehen, wie die beiden Söhne Konrad’s in einander übergehen, wie denn Alberich auch den thronfolgeberechtigten Sohn weiter leben, mündig werden und den Papst als Vertreter seines Erbfolgerechts auftreten lässt. In der ganzen Erzählung erscheint Friedrich I. noch nicht einmal als vormundschaftsberechtigter Agnat. Als solcher wird eine uns sonst völlig unbekannte Persönlichkeit, ein angeblicher Ludwig von Nürnberg, eingeführt. Da dieser das Kreuz nimmt, übergibt er die Vormundschaft dem vom Kreuzzuge eben zurückgekehrten Herzog Friedrich. Dieser missbraucht seine Stellung dazu, sich selbst wählen zu lassen, schleppt sein Mündel auf der Romfahrt mit sich, erzwingt vom Papst zuerst einen Segen, wird aber dann von ihm verflucht, wenn er nicht dem mündig gewordenen Mündel die Herrschaft zurückgäbe; der Ungetreue bleibt aber auf dem Throne, und, sein Mündel überlebend, regiert er im Ganzen 39 Jahre[40]. [89] Der junge Friedrich „von Rothenburg“ wurde mündig im Jahre 1157, er starb im Jahre 1167. Man sieht, wie der Gedanke, dass in ihm ein berechtigterer Erbe lebte, in die Geschichte des kaiserlich-päpstlichen Conflictes hineinverwoben wurde.

Die Chronik von St. Clemens in Metz endlich kennt nicht nur die Uebergabe des Sohnes an den Herzog Friedrich von Schwaben, sondern eine förmliche eidliche Verpflichtung, das Reich für das Mündel zu verwalten. Der treulose Vormund habe dann unter Nichtachtung des geschworenen Eides das Reich an sich gerissen. Den jungen Sohn, um den es sich handelt, nennt der Chronist weder Friedrich noch Heinrich, sondern Karl. Konrad hat einen Sohn Karl niemals gehabt[41]. – Die später folgende Erzählung der ersten Romfahrt Friedrich’s I. beginnt der Chronist mit den Worten: „Fridericus dux“. Ob darin eine neue Betonung des blossen Charakters als Usurpator des Thrones liegen soll, kann dahingestellt bleiben, da die Auffassung des Autors ohnedies klar genug ist.

Suchen wir diese Anhaltspunkte für die Geschichte der Tradition in den uns sonst bekannten Gang der Ereignisse einzufügen, so ergibt sich etwa die folgende Entwicklung.

Konrad III. hat auf seinem Sterbebette seinen unmündigen Sohn und die in seinem Gewahrsam befindlichen Reichsinsignien, da es eine Königin nicht gab, ordnungsmässig dem nächsten grossjährigen Agnaten, seinem Neffen, dem Herzog Friedrich von Schwaben, übergeben. Friedrich’s Wahl war das Ergebniss einer imponirenden Machtstellung und einer diplomatischen Geschicklichkeit, welche darauf Gewicht legte, durch freie Wahl der Fürsten zur Krone zu gelangen[42]. Nachdem Friedrich König geworden war, tauchte der Gedanke auf, ihn als Erben Konrad’s hinzustellen und in der Uebergabe der Reichsinsignien wie des [90] jungen Sohnes ein Vermächtniss des sterbenden Königs zu erblicken. Freilich war diese Uebergabe ebenso der gegentheiligen Deutung fähig. Otto von Freising wehrt daher jede Deutung der letzten Handlung König Konrad’s ab. Ihm ist die Erhebung Friedrich’s ein Act der freien Fürstenwahl. Friedrich’s ganze Stellung ist in seinen Augen das Motiv, um dessentwillen die Fürsten (aus eigener Ueberlegung) ihn wählen.

Weitaus der grösste Theil von Friedrich’s Regierung trug die Signatur der Lage, die bei seinem Regierungsantritt massgebend gewesen war: die beiden engverbundenen Familien der Staufen und Welfen durch seine Person in ihrer Einheit dargestellt; die Kreise, die vorher mit dieser Hohenstaufisch-Welfischen Gruppe in Feindschaft gelebt hatten, ebenfalls unter dem gemeinsamen Königthum versöhnt. Eine Wendung trat dann, gegen 1180, durch den Zwist mit Heinrich dem Löwen ein. Und dieser Zwist loderte in der nächsten Generation im Kampfe zwischen einem Welfischen und einem Staufischen Kaiser auf das Mächtigste empor. In diesen Kämpfen der späteren Generation ist es vorgekommen, dass der Hohenstaufe Philipp, um das Reich nicht einem Kinde anzuvertrauen, statt seines jungen Neffen die Zügel selbst in die Hand nahm (1198). In diesen Kämpfen auch hat es sich ereignet, dass schliesslich der Papst zu Gunsten des übergangenen Knaben (Friedrichs II.) eingeschritten ist (1212).

In dieser späteren Zeit, in welcher Hohenstaufen und Welfen nicht mehr als verwandte Häuser, sondern nur noch als blutige Feinde gedacht wurden, hat sich die Antistaufische Auffassung über die Art gebildet, in welcher der Ahnherr der regierenden Hohenstaufen die Krone erlangt habe. Und ihr gegenüber verschob dann die Staufische Tradition, was sie ursprünglich als Motiv der wählenden Fürsten berichtet hatte, rückwärts in die Seele des sterbenden Konrad. In dieser Entwicklung blieb die Staufische Tradition immerhin noch gezügelt, wiewohl auch sie in ihren uns in weiter Ferne begegnenden Ausläufern sich bis zu einer Erbberedung schon bei der Wahl von 1138 entwickelte. Die Antistaufische Tradition aber machte eine völlig zügellose Entwicklung durch. Sie verwechselt Personen und Jahre, sie lässt den jungen Sohn weiter leben und zu seinen Gunsten den Papst eingreifen (= Friedrich II.!). Sie überträgt die Stellung Philipp’s, der zu Anfang wirklich die Regierung nur vormundschaftlich [91] geführt hatte, auf Friedrich Barbarossa, den sie ebenso die vormundschaftliche Regierung missbrauchen lässt, um sich selbst aus einem Regenten zum König zu machen. Schliesslich fehlt in dieser Tradition auch nicht einmal der Welfische Gegenkaiser: der verdrängte Neffe verschmilzt mit Heinrich dem Löwen zu einer Person[43].

[92] Die weitere Fortentwicklung dieser Gliederkette von Traditionen wurde dadurch bestimmt, dass ein Glied (und zwar nicht gerade das jüngste) durch eine ganz besondere Gunst des Schicksals bevorzugt wurde. Sofort nach der Erfindung der Buchdruckerkunst erschien, noch im 15. Jahrhundert, die Geschichte Friedrich’s I. aus der Ursperger Chronik im Druck. Diese Priorität ist für die Auffassung einer ganzen Gelehrtengeneration entscheidend geworden. Unsere Auffassung der Hohenstaufischen Geschichte steht in vielen Dingen noch heute in unbewusster Abhängigkeit von der Art die Dinge anzusehen, welche dieses erste in Massen verbreitete mittelalterliche Geschichtswerk den Gelehrten des ausgehenden 15. Jahrhunderts einimpfte. Als dann im Jahre 1515 gleichzeitig mit einem grösseren Theildruck der Ursperger Chronik auch Otto v. Freising im Druck erschien, las man das, was der Freisinger erzählte, in den (zur Lectüre bereits mitgebrachten) Anschauungen des Urspergers. Noch im 18. Jahrhundert sind Hahn[44] und selbst Mascou[45] vollständig durch die Ursperger Erzählung, von der Erbeseinsetzung Friedrich’s beherrscht, indem sie neben dem Ursperger Otto dafür anführen zu können glauben. Ja Bünau[46] liest die gleiche Anschauung aus Otto allein (und dem Ligurinus) auch ohne den Ursperger heraus. Dass später M. J. Schmidt[47] eine zwischen den Quellen hindurch lavirende Ausdrucksweise hat, scheint mehr [93] zufällig zu sein; jedenfalls hat dies auf die Entwicklung der Ansichten keinen Einfluss gehabt. In unserem Jahrhundert lässt Kortüm[48] den sterbenden Konrad sogar zum Zwecke der Erbeseinsetzung eine förmliche Ansprache an Friedrich halten, und Raumer[49] berichtet wenigstens kurz als Thatsache, dass Konrad nicht seinen kleinen Sohn, sondern seinen Neffen den Fürsten empfahl. Dass der kritische Jaffé[50], der sehr correct nur die Vormundseinsetzung und die Uebergabe der Reichskleinodien an Friedrich als Thatsachen berichtet, wie unwillkürlich hinzufügt: „für seine Erhebung gab er sterbend seine Stimme“, ist noch nicht einmal der merkwürdigste Beweis von dem unbewussten Einfluss der Ueberlieferung auf das Verständniss der Quellen. Sogar Luden[51], der die kritische Brechaxt anlegt und es für möglich hält, dass die Erzählung von der Ueberlassung des Herzogthums an Friedrich von Rothenburg sich erst e post gebildet habe, meint, dass die Accentuirung des Urspergers „fast scheine“ gegen Otto gerichtet zu sein; „denn Otto möchte die Sache gern so darstellen, als sei Friedrich nicht regis Conradi zelo zum Reiche gelangt.“ Ganz dicht an die richtige Fragestellung herangerückt, kommt Luden doch nicht auf den Gedanken, den umgekehrten Fall auch nur in Erwägung zu ziehen.

Als die neuere Geschichtsforschung daran ging, den Uebergang der Regierung von Konrad auf Friedrich ex professo zu behandeln, hat sie zunächst versucht, über die Widersprüche der Quellen hinwegzukommen. Etwa gleichzeitig erschienen zu Anfang der siebenziger Jahre die Doctordissertation von Wetzold und die umfangreich angelegte Darstellung von Prutz. Wetzold nahm die Ueberlieferung, wie er sie gerade vorfand: „Noch vor seinem Ende übergab er (Konrad) seinem Neffen Friedrich von Schwaben die Reichsinsignien und empfahl ihm seinen kleinen Sohn Friedrich. Zugleich liess er sich von ihm das Versprechen geben, dass er [94] seinem Sohn, wenn er zu Jahren gekommen wäre, das Herzogthum Schwaben abtreten wolle.“ In der Note freilich erklärt er, Ludens Ansicht zu theilen, dass der Vertrag über Schwaben e post fingirt worden sei; kein gleichzeitiger Schriftsteller erwähne den Vertrag[52]. – Von solchen Widersprüchen ist Prutz frei. Er sucht die vorgefundenen Elemente der Ueberlieferung, soweit es angeht, in eine Form zu bringen, in der sie mit einander vereinbar sind; soweit es nicht angeht, wird das Ueberlieferte abgestossen. „In richtiger Würdigung der bedrängten Lage, in welcher er das Reich zurückliess, hatte Konrad darauf verzichtet, den so natürlichen Wunsch, dass sein Sohn Friedrich ihm in der Herrschaft folge, den Fürsten an das Herz zu legen und ihnen sterbend die Ausführung desselben zu empfehlen. – – – So hatte denn Konrad selbst die Blicke der Fürsten auf den Mann gelenkt, von dem er meinte, dass er der schweren Last der Krone und den Kämpfen, die zur Herstellung des ehemaligen Glanzes derselben notwendig waren, gewachsen sein werde. Indem er seinem Neffen Friedrich, dem durch vielerlei treffliche Eigenschaften ausgezeichneten Herzog von Schwaben, die Reichskleinodien übergab, und dem Schutze desselben seinen unmündigen Sohn empfahl, hatte er denselben als den von ihm gewünschten Nachfolger bezeichnet.“ Prutz hütet sich, etwas als Thatsache zu referiren, wogegen man ihm Quellenstellen anführen könnte. Indem er rein negativ betont, dass Konrad seinen Sohn den Fürsten nicht präsentirt habe, indem er ferner hervorhebt, dass durch diese negative Thatsache die Blicke der Fürsten auf Friedrich von Schwaben gelenkt seien, gelingt es ihm, in dem Leser den Eindruck zu erwecken, dass Konrad zu Gunsten seines Neffen auf die Nachfolge seines Sohnes verzichtet habe, ohne dass er es dem Leser ausdrücklich sagt[53]. – Im Jahre 1888 folgte Peters mit einer monographischen Untersuchung. Er bemerkt richtig, dass er nicht eine, sondern zwei Traditionen vor sich hat. Während die Antistaufische Tradition schwer zu charakterisiren sei, erblickt er als Charakteristikum der Staufischen Tradition, wie sie schon bei Otto von Freising „klar und deutlich“ hervortrete, die Erzählung vom Verzichte Konrads auf die Erbfolge des Sohnes zu Gunsten [95] des Neffen[54]. Je weniger er es für möglich hält, in dem Gewirre der Ueberlieferung zu einer zuverlässigen Darstellung von der Wahl Friedrich’s I. zu kommen, desto sicherer hält er an diesem Punkte fest. Geradlinig weiter denkend, muss er Otto’s Worte „non regis Conradi zelo“ übersetzen: nicht aus Eifer gegen (!) König Konrad. „Unmittelbar nach dem Tode Konrad’s ist Friedrich I. mit der Behauptung aufgetreten, dieser habe ihm die Nachfolge im Reiche zugestanden“[55]. – Auf Peters gestützt, ist dann unmittelbar darauf Hasse über ihn hinausgegangen. Eine chronikalische Ueberlieferung, mit welcher sich so wenig anfangen lasse, wie Peters selbst eingestehe, müsse man ganz aufgeben. Halte man sich aber blos an die Briefe und Urkunden, so sehe man nichts von einem geordneten Wahlverlauf. Die Wahl Friedrich’s I. habe einen ganz tumultuarischen Charakter getragen. Um so mehr sei es begreiflich, wie hinterher die königliche Kanzlei bemüht gewesen sei, den Staatsstreich in Vergessenheit zu bringen und die mangelnde Legitimität der Nachfolge durch einen fingirten letzten Willen des Vorgängers zu begründen[56].

Diese Vorarbeiten fand Giesebrecht vor, als er in seiner Kaiserzeit an diesen Punkt gelangte. Er entscheidet sich für Otto von Freising, giebt in vorsichtiger Weise das wieder, was nach allgemeiner Ansicht als der Kern der Staufischen Tradition galt und combinirt damit die Notiz (vgl. oben S. 861) über die Griechische Politik. Indem diese letztere Notiz „gleichsam als Testament“ bezeichnet wird, wird in ähnlicher Weise wie bei Prutz in dem Leser die Vorstellung hervorgerufen, dass es sich um eine quasi-letztwillige Anordnung auch über die Erbfolge zu Gunsten des Neffen gehandelt habe, ohne dass es ausdrücklich gesagt würde[57]. – Diese Darstellung schneidet keinem Nachfolger [96] den Rückzug ab. In dem neuesten und gelehrtesten Werk über Konrad, dem von Bernhardi[58], wird nicht nur erzählt, dass Konrad seinen Neffen, indem er ihm die Reichsinsignien übergab, als Nachfolger „designirte“, sondern sogar die Hinzufügung des Wunsches über die Zuwendung des Herzogthums an Friedrich von Rothenburg als wahrscheinlich bezeichnet. Otto von Freising habe es wohl nicht für angemessen gehalten, in seinem dem Kaiser gewidmeten Werk an Konrad’s Wunsch zu erinnern.

So sehen wir, dass die letzte Ausbildung der Staufischen Tradition, die Erzählung vom Verzichte zu Gunsten des Neffen, den massgebenden Einfluss auf alle Neueren geübt hat. Sie streiten mit einander über den Charakter der Wahl, Prutz bemerkt die Widersprüche in der Tradition, Peters entdeckt sogar richtig, dass zwei Traditionen vorhanden sind, Giesebrecht hütet sich (wie Prutz), der Tradition mehr zu trauen, als nöthig ist, um eine zusammenhängende Darstellung herauszubekommen. Dass aber in der ursprünglichen Staufischen Tradition das gestanden habe, was die ausgebildete Staufische Tradition ausdrücklich berichtet, – diese Voraussetzung ist ihnen Allen gemeinsam.

Und so musste denn die Kritik der Tradition gerade in dem Punkte einsetzen, welcher communis opinio doctorum war.

[269]
III.
Process Heinrich’s des Löwen um Baiern (1147-1154).


1.

Der Process Heinrich’s des Löwen um Baiern hat im Ganzen nicht weniger als 9 Jahre gedauert. Es ist uns aus demselben weder ein Klageantrag noch ein Endurtheil im Wortlaut erhalten. Um uns den Verlauf des Processes klar zu machen, müssen wir da einsetzen, wo verhältnissmässig die reichlichsten Quellen über ein und dasselbe Stadium des Processes vorhanden sind.

Dies ist das Jahr 1151 vor dem Regensburger Tage (Juni). Ueber den damaligen Stand des Processes haben wir Aeusserungen von zwei Seiten, beide erhalten im Wibald’schen Correspondenzbuch:

Konrad an Wibald, 1151, Jan. (ep. Wib. Nr. 319, S. 449): – – – nos ex consilio et peticione principum duci H(einrico) Saxoniae ad expostulandam beneficialem iusticiam curiam Ulme in octava epiphaniae [Jan. 13] indiximus. Ipse vero ad eandem curiam non solum venire neglexit, verum etiam armata manu ducatum Bawariae occupare conatus est. Nos itaque, debitum regalis censurae magis quam eius facta attendentes, aliam curiam ex iudicio principum in festo Barnabae apostoli [Juni 11] Ratispone ei prefiximus, querimoniae ipsius Deo auctore satisfacturi.

[270]

Heinrich an Wibald, 1151 (ep. Wib. Nr. 320, S. 449): – – – vestram adimus obnixe deprecantes benivolentiam, quatinus in curia, quam rex 2 Idus Iunii [Juni 12] Ratispone celebrandam indixit, nobis assistatis et, quam in nos det sententiam, audiatis. Pollicitus est enim, quod secundum iusticiam vel principum consilia, qui ad curiam confluent, se nobis responsurum.

Es kann kein Zufall sein, dass in diesen Briefen von beiden Seiten die technischen Ausdrücke für „Klage“ und „Klagebeantwortung“ vorkommen. Deutlich ist dies bei dem zweiten, nach Regensburg ausgeschriebenen Tage. Konrad spricht von der Klage Heinrich’s, „querimonia“, Heinrich spricht von der Klagebeantwortung, „se (der König) nobis responsurum“. „Respondere“, von der Thätigkeit des Richters gebraucht, ist mir nicht bekannt. Konrad wird also ausdrücklich als Beklagter bezeichnet.

Zwingen uns nicht blos diese Ausdrücke, sondern auch die thatsächliche Stellung Konrad’s zu den Processhandlungen in gleicher Weise, ihn als Beklagten anzunehmen, so steht daneben die zweifellose Thatsache, dass nach seinem Tode sein Rechtsnachfolger Friedrich I. nicht als Beklagter erscheint, dass vielmehr unter diesem der schwebend vorgefundene Process als Klagesache des Herzogs Heinrich [des Löwen] von Sachsen gegen Herzog Heinrich [Jasomirgott] von Baiern (Oesterreich) weiter verhandelt wird. Da aus der ganzen Art dieser Weiterverhandlung hervorgeht, dass man nicht etwa mit dem Regierungswechsel eine Aenderung im Rubrum des Processes herbeigeführt glaubt, so muss das Rubrum von Anfang an Heinrich contra Heinrich gelautet haben und die Stellung Konrad’s eine Episode gewesen sein.

Danach haben wir uns den Hergang wie folgt zu denken.

Heinrich von Sachsen hat gegen Heinrich von Oesterreich geklagt mit dem Antrage, ihm Baiern herauszugeben. Klagegrund ist sein Erbrecht. Der Beklagte beruft sich darauf, rechte Gewere am Herzogthum erhalten zu haben, und stellt seinen Gewährsmann, König Konrad. Dieser tritt für ihn ein, „antwortet“ für ihn, d. h. übernimmt die Stelle des Beklagten[59], [271] mit der Behauptung, zur Verfügung über das rechtskräftig aberkannte Herzogthum Baiern berechtigt gewesen zu sein. Der Kläger hält dem entgegen, dass der Gewährsmann unbefugt gehandelt habe, da das Erkenntniss nichtig gewesen sei.

Dies ist der Sachverhalt, den eine Notiz Otto’s von Freising in der Zeit vor dem Kreuzzuge[60] in die Worte zusammendrängt: „ducatum Noricum, quem patri suo non iuste abiudicatum asserebat, iure haereditario reposcens“.

Einer Begründung bedarf jetzt nur noch der Umstand, dass der Einwand unbefugter Besitzübertragung noch zu so später Zeit erhoben werden kann, da ja im Allgemeinen bei Immobilien der Satz gilt, dass Jeder, der gegen eine öffentlich vorgenommene Besitzübertragung nicht binnen Jahr und Tag Einspruch erhebt, sich „verschwiegen“ hat. Unser Fall bildet eine Ausnahme, da der Kläger zur Zeit der Besitzübertragung noch minderjährig war. Gegen den Minderjährigen läuft diese Frist von Jahr und Tag nicht schon vom Tage der Besitzübertragung; doch muss er nach erlangter Grossjährigkeit die Klage binnen Jahr und Tag anstellen. Dies hat im vorliegenden Fall der Kläger gethan. Heinrich von Sachsen, kurz vorher noch unter Vormundschaft stehend[61], hat die Klage [272] im Jahre 1147 erhoben. Otto von Freising berichtet dies zum Frankfurter Reichstag vom 30. März 1147, indem er hinzufügt, [273] dass der Herzog „eben mannbar geworden war“[62]. Otto rühmt, dass der König mit Klugheit und Geschicklichkeit den Kläger zu bewegen wusste, dass er bis zu Konrad’s Rückkehr vom Kreuzzug „ruhig warten wolle“[63], d. h. Konrad nahm die Klage an und erzielte einen provisorischen Vergleich, wonach der Process bis zur Rückkehr vom Kreuzzuge vertagt werden sollte. Der Kläger hatte damit seinen nächsten Zweck erreicht. Denn für die Unterbrechung der Verjährung ist die Anhängigmachung der gerichtlichen Klage das einzige, aber auch das vollständig ausreichende Mittel[64].

Danach ist der Stand des Processes, welchen jene Briefstellen vom Jahre 1151 im Auge haben, klar. Alles ist auf die Frage reducirt, ob Konrad im Stande gewesen war, das Herzogthum Baiern an Heinrich von Oesterreich rechtsgültig zu übertragen. Um diese Rechtsgültigkeit zu vertheidigen, hat Konrad die Rolle des Antworters (Beklagten) übernommen. Diese an sich einfache Lage, wie sie in den Klagen um Immobilien gar nicht selten vorkommt, wird nun aber dadurch complicirt, dass es für dieselbe in dem vorliegenden Falle kein anderes Forum als das Hofgericht gibt. Und so ist Konrad gleichzeitig Beklagter und Gerichtshalter in einer Person. Urtheiler sind die Fürsten im Hofgericht. In dieser Sachlage hängt der Fortgang des Processes von dem Könige ab. Dieser hat im Jahre 1151 bereits eine Concession gemacht (pollicitus est): er wird schon seine Klagebeantwortung nicht nach Willkür ergehen lassen, sondern dieselbe von einem Weisthum der Fürsten abhängig machen. Die Schwierigkeit, die in der Doppelstellung des Königs liegt, soll also dadurch behoben werden, dass er freiwillig erklärt, von dem (gewissermassen privatim einzuholenden) Gutachten schon seine Parteirolle abhängig zu machen, so dass also dieses Gutachten mit derselben Bedeutung wie ein formelles Erkenntniss auftreten sollte („quam in nos det sententiam“).

[274] Damit vereinbar ist nun auch, was Konrad von dem ersten, nach Ulm anberaumten, Termin sagt. Es ist ein erster Termin zur mündlichen Anbringung und Begründung der Klage. Vorangegangen war dieser Terminsbestimmung bereits eine Verhandlung im Hofgericht über die Klage. In dieser vorangegangenen Verhandlung hatte das Hofgericht in fürstlicher Besetzung beschlossen (ex consilio – – principum), dass ein Termin zu bestimmen, die Klage also anzunehmen sei.

Dass an jenen Verhandlungen im Hofgericht Heinrich von Sachsen irgend wie betheiligt sei, hören wir nicht. Wem Konrad „versprochen“ hat, seine Klagebeantwortung vom Gutachten der Fürsten abhängig zu machen, wird nicht gesagt; es können wohl nur die Fürsten gewesen sein, denen die Zusage gemacht ist. Der Kläger hat also unter den Fürsten einen Anhang, der seine Sache führt. Wenn Bernhardi (S. 866) annimmt, dass es die mit ihm verwandten Konrad von Zähringen und Friedrich von Schwaben seien, so ist dies um so ansprechender, da der erste Termin ja auf Schwäbischem Boden, in Ulm, stattfand.

Zur Zeit des Ulmer Tages (11. Januar) hat Heinrich sich angeschickt (conatus est), Baiern mit bewaffneter Macht zu besetzen. Wohin er damals seinen Weg genommen, wissen wir nicht. Aber vier Monate später, im Mai, erhält Konrad in Nimwegen, von den Utrechtern tödtlich beleidigt, eine Nachricht aus Baiern, die ihn nöthigt, die Verfolgung jener Niederlothringischen Sache aufzugeben und nach Baiern zu eilen[65]. Diese Nachricht über die Erhebung Otto’s von Wittelsbach und seiner Söhne[66] ist das Einzige, was wir von Unruhen in Baiern zu dieser Zeit hören.

Was auf dem Regensburger Tage in der Sache geschehen [275] oder nicht geschehen ist, vermögen wir nur aus einer kurzen annalistischen Notiz zu schliessen, nach welcher Heinrich auch noch einen dritten Termin, zu Würzburg, frustrirt hat (non venit)[67]. Wir können also nur annehmen, dass Heinrich, obgleich er die Ulmer Zusage Konrad’s als ein wichtiges Zugeständniss betrachtete, dennoch vorzog, in Regensburg auszubleiben, und dass man hier die dritte Ladung beschloss. Der Würzburger Reichstag fand im September statt[68].


2.

Suchen wir nun diese Daten in den uns sonst bekannten Gang der Ereignisse einzufügen, so ergibt sich etwa das folgende Bild.

Heinrich von Sachsen erhob sofort, nachdem er mündig geworden war (1147), beim Hofgericht Klage gegen Heinrich von Oesterreich auf Herausgabe Baierns. Der Verklagte beruft sich darauf, die Gewere am Herzogthum vom König erhalten zu haben. Dieser übernimmt die Rolle des Antworters. Der Kläger bestreitet, dass Konrad verfügungsberechtigt gewesen sei, da die Aechtung Heinrich’s des Stolzen rechtsungültig sei[69]. Konrad konnte eine Verhandlung über die Frage der Rechtsgültigkeit dieses seines Actes nicht von der Hand weisen. Mit den Vorbereitungen zum Kreuzzug beschäftigt, suchte er den Kläger zunächst dilatorisch zu behandeln. Es wird schon als ein diplomatischer Erfolg bezeichnet, dass es ihm gelang (März 1147), den jungen Mann zu einem Vergleich zu bewegen, wonach die Ansprüche bis zur Rückkehr vom Kreuzzug ruhen sollten.

Unmittelbar nachdem Konrad vom Kreuzzug zurückgekehrt, also die Vergleichsfrist abgelaufen war, nahm Heinrich seinen Anspruch wieder auf. Noch im Jahre 1149 urkundete er als „Herzog von Baiern und Sachsen“[70]. Im Jahre 1150 hat die [276] ordnungsmässige Behandlung seiner Klage auf Belehnung mit dem Herzogthum Baiern im Königsgericht begonnen.

Nun sehen wir Heinrich in doppelter Action. Durch seine fürstlichen Freunde betreibt er den regelrechten Fortgang des Processes, und sucht sich einer Majorität im Hofgericht zu versichern. Er selbst aber setzt sich einstweilen dem Spruch nicht aus, sondern geht daran, sein Erbe einfach in Besitz zu nehmen.

Im Jahre 1150 ergeht auf die Klage die erste Entscheidung. Das Hofgericht beschliesst Annahme der Klage und Anberaumung eines Termins zur Klagebegründung. Heinrich rüstet sich, um Baiern zu besetzen, und setzt für die Dauer seiner Abwesenheit in Sachsen eine Regentschaft ein[71].

Gemäss dem Beschlusse des Hofgerichts beraumt Konrad den Termin an: Ulm, 11. Januar. Heinrich behält die Besetzung Baierns im Auge und bleibt im Termin aus. Sein Anhang unter den Fürsten ist stark genug, um zu verhindern, dass gegen den Abwesenden ein Contumacialnachtheil beschlossen wird[72]. Das Hofgericht beschliesst vielmehr eine zweite Ladung. Gleichzeitig wird Konrad zu dem Zugeständniss vermocht, nach erfolgter Klagebegründung ein Gutachten des Hofgerichts in fürstlicher Besetzung einzuholen und von demselben seine Klagebeantwortung abhängig zu machen. Der Termin wurde in das Land gelegt, welches Heinrich zu besetzen sich anschickte (Regensburg, 12. Juni). Konrad sprach davon in Ausdrücken, als ob es sich nur noch darum handeln könnte, dort zu thun, was Heinrich von Sachsen verlangte.

In dem dazwischen liegenden halben Jahre ist Heinrich von [277] Sachsen weiter thätig, sich eines günstigen Gutachtens zu versichern. Er wendet sich an einzelne Fürsten und sucht deren Stimmen zu gewinnen. Gleichzeitig aber bricht auch schon die erste kriegerische Unruhe in Baiern los. Pfalzgraf Otto von Wittelsbach und seine Söhne erheben sich. Gerade in der Gegend, in welcher der nächste Termin stattfinden sollte, ist Schloss Kelheim, eine natürliche Festung im Donaustrom oberhalb Regensburgs, der Mittelpunkt des Aufruhrs. Die Bewegung scheint ernst genug, um Konrad von seinem einzigen Zuge nach Lothringen mitten in seiner Thätigkeit abzurufen (Mai).

In dieser Zeit ist Heinrich von Sachsen in Süddeutschland. In welchen Beziehungen er zu der Baierischen Erhebung stand, ob dieselbe bestimmt war, die Regensburger Gegend in seine Gewalt zu bringen, ob sie ein vorzeitig ausgebrochener Aufruhr war, das wissen wir nicht. Wir sehen Heinrich zu derselben Zeit, wo er in Süddeutschland an der Spitze seiner bewaffneten Mannschaft steht, gleichzeitig diplomatisch thätig, sich einer Mehrheit im Hofgericht zu versichern[73].

Unter Hintansetzung aller anderen Interessen erreichte Konrad das Zustandekommen des Regensburger Reichstages. Heinrich von Sachsen blieb aus, es wurde ihm aber noch ein dritter Termin bestimmt, d. h. es war unter den Fürsten weder eine hinreichende Mehrheit, dass Heinrich wagen konnte, zu erscheinen und sich dem Spruche auszusetzen, noch eine hinreichende, dass er abgewiesen werden konnte.

Auf dem dritten Termin (Würzburg, September) blieb Heinrich ebenfalls aus, und die Stimmung war derart, dass man sich bereits als im Kriegszustande befindlich betrachtete. Dann wagte Konrad es, Sächsischen Boden zu betreten, wurde aber durch Heinrich’s Rückkehr so überrascht, dass er alsbald abzog.

Das Ergebniss war also folgendes: Heinrich hatte seinen Anspruch auf Baiern nicht durchgesetzt, aber man hatte auch nicht gewagt, diesem Anspruch durch Gerichtserkenntniss ein Ende zu machen. Seine militärischen Rüstungen hatten zu einer Besetzung Baierns nicht geführt, aber Konrad’s Diversion nach Sachsen war mit überraschender Energie beseitigt.

[278] Weder in militärischer noch in diplomatischer Beziehung hatte der Herzog von Sachsen einen Sieg erfochten; aber in beiden Beziehungen hatte er erwiesen, dass er allein im Stande war, dem Deutschen Könige mitsammt seinem Anhange die Stange zu halten.

Dieses Verhältniss erhält seine rechte Beleuchtung, wenn man bedenkt, dass der Herzog ein junger Mann von 22 Jahren war.


3.

Der Fortgang des Processes unter Friedrich I. bildet in allen neueren Darstellungen der Geschichte dieser Zeit einen Gegenstand der Behandlung, der an den verschiedensten Stellen zur Erwähnung kommt, ohne dass es möglich wäre, aus diesen Erwähnungen das einheitliche Bild eines Gerichtsverfahrens zu erhalten.

Nach Raumer[74] befand Friedrich sich in einer doppelten Verlegenheit: einmal weil beide Heinriche ihm gleich nahe verwandt waren, sodann weil er an die Aussprüche König Konrad’s in der Sache gebunden gewesen sei: unter diesen Umständen sei es das angemessenste gewesen, die ganze Sache nochmals im Wege Rechtens auf einem Reichstage zu untersuchen. Heinrich von Oesterreich fand sich indess mehrerer Vorladungen ungeachtet nicht ein, theils weil dieselben nicht gehörig ergangen, theils weil eine nochmalige Untersuchung der durch Konrad’s Belehnung zweifellos gestellten Thatsache unzulässig sei. „Um dieses Ungehorsams, dieser Verletzung der Form willen ward dem Herzoge, ohne in die Rechtsfrage selbst tiefer einzugehen, auf einem Reichstage in Goslar das Herzogthum Baiern abgesprochen und seinem Gegner verliehen. Zwar blieb jener für den Augenblick noch im Besitze des Landes, allein Heinrich der Löwe vertraute um so gewisser auf den künftigen Beistand des Königs, da dieser seine Wünsche bei andern Gelegenheiten ebenfalls unterstützte“. Nachdem er die Rückkehr von der Romfahrt berichtet, erzählt Raumer[75], Heinrich der Löwe sei sehr ungehalten darüber gewesen, dass ihm Heinrich von Oesterreich „ungeachtet der königlichen Belehnung“ Baiern schlechterdings nicht einräumen wollte. Friedrich habe den letzteren mit mündlichen Verhandlungen nicht [279] zur Nachgiebigkeit bringen können, „und die im October 1155 wiederholte Belehnung setzte seinen Gegner nicht in den Besitz“. Auch missbilligte mancher Fürst, dass Friedrich die Vereinigung zweier Herzogthümer in einer Hand zugestand. Anderseits hätte die Trennung ebenso gut zu Fehden geführt wie die Vereinigung, „weshalb alles darauf ankam, einen dritten mittleren Ausweg zur Zufriedenheit aller Theile aufzufinden. Dies gelang im Herbste 1156 auf dem Reichstage zu Regensburg“.

Nach Philippson[76] stand Friedrich von vornherein auf Seite des Welfen. Dieser leistete den Vorladungen Folge, während Heinrich Jasomirgott (von Oesterreich) ausblieb. Dann sollte auf dem Reichstage zu Worms (1153, Anfang Juni) das Urtheil gesprochen werden. Hier behauptete Heinrich Jasomirgott, nicht gesetzmässig geladen zu sein. „Wahrscheinlich führte er den übrigens falschen Grund an, dass er Baierns nur auf Baierischem Grund und Boden beraubt werden könne. Zu Regensburg, wo Heinrich Jasomirgott ebenfalls Rede stehen musste, und wohin der König die Baierischen Grossen zusammenberufen hatte, gelang es nicht einmal, den in Baiern zwischen der Welfischen und Oesterreichischen Partei immerfort wüthenden Kämpfen ein Ende zu machen. Auf einem abermaligen Reichstage zu Speier entschuldigte sich der Oesterreicher wieder, er müsse wegen Baierns in diesem Lande belangt werden. Da riss dem Könige die Geduld – – –. Als auf dem Reichstage zu Goslar sich trotz ergangener Aufforderung Heinrich Jasomirgott wiederum nicht gestellt hatte – war Goslar ja ausserhalb Baierns –, nahm Friedrich, mit Beistimmung der anwesenden Fürsten, die Herzogswürde von Baiern seinem Oheim und übertrug sie an Heinrich den Löwen – – – –. So hatte der Welfe endlich das Langersehnte und Angestrebte durchgesetzt. Baiern war jetzt sein rechtmässiges Besitzthum geworden. Wahrscheinlich hatte indess Friedrich die geheime Bedingung gestellt, von der wirklichen Ausführung dieses Urtheils möge der Herzog jetzt noch abstehen, da etc. – – –“. Nach der Romfahrt (S. 217) macht Friedrich dann vergebliche Versuche, Heinrich von Oesterreich zur Abtretung Baierns zu bestimmen. „Aber der hartnäckige Babenberger lehnte jeden Vergleich ab“. Auf dem Reichstage zu Regensburg erschien nur Heinrich der [280] Löwe, „welcher nun endlich in öffentlicher Sitzung vor dem kaiserlichen Thron sein Herzogthum zurückerhielt – – –. Aber war auch der Welfe so vollständig und unwiderleglich de jure Herzog von Baiern, de facto war er es dadurch noch immer nicht geworden. Hartnäckig klammerte sich Heinrich Jasomirgott an die Herrschaft, die ihm immer mehr aus den Händen entwich; nach wie vor übte er Regierungshandlungen aus. Sein Gegner, Heinrich der Löwe, glaubte, einstweilen mit der erneuten Sicherstellung seines Rechtes auf Baiern genug gethan zu haben, und wandte sich jetzt wieder den Sächsischen Verhältnissen zu, die seine Anwesenheit dringend erforderten“. Endlich (S. 223) im Mai 1156 gelang es dem Kaiser, den Oesterreicher gegen grosse anderweitige Vortheile zur Abtretung Baierns zu bewegen; und im September auf dem Regensburger Reichstage las Herzog Wladislav von Böhmen der Versammlung das „endgültige“ Urtheil vor.

Auch Prutz[77] sieht den Tag von Goslar als den Termin zur endgültigen Erledigung der Sache an, „hier sollte und musste sie nach Friedrich’s Willen ihre Erledigung finden“. Da Heinrich von Oesterreich wiederum ausgeblieben war, wurde „durch Urtheil der zahlreich versammelten Fürsten das Herzogthum Baiern ihm ab- und Heinrich von Sachsen zugesprochen“. Aber Friedrich trug Bedenken, seinen Oheim gewaltsam zur Verzichtleistung zu nöthigen, und suchte ihn durch Anerbietung einer glänzenden Entschädigung zur Herausgabe zu vermögen. Als jedoch eine Zusammenkunft nach der Rückkehr aus Italien erfolglos blieb, „liess Friedrich sich jetzt nicht länger hinhalten“. Er veranstaltete eine neue Unterredung, welche ebenfalls resultatlos blieb. „Jetzt aber stand der Kaiser nicht an, energischere Massregeln zu ergreifen: er setzte daher zunächst den zu Goslar gefassten Beschluss der Fürsten, wonach dem Herzog von Sachsen auch Baiern zu übergeben sei, jetzt wirklich in Vollzug. Um die Mitte October 1155 hielt er einen Reichstag zu Regensburg: der Hauptzweck desselben war, Heinrich von Sachsen dort, in der Hauptstadt Baierns, in den wirklichen Besitz seines Herzogthums einzuführen. Dies geschah denn auch in aller Form – – –. Damit war die Baierische Streitfrage erledigt – – –. Doch blieb [281] dem Kaiser noch eins – – –, nämlich seinen Oheim zu versöhnen“. Im September 1156 war „die Regelung der Baierischen Streitfrage so weit vorgeschritten, dass in feierlicher Reichsversammlung der endliche Abschluss derselben vor sich gehen sollte“. Folgt der Regensburger Reichstag. – In ähnlicher Art erzählt Prutz den Hergang in seinem zweiten einschlägigen Werke[78].

Riezler[79] macht darauf aufmerksam, dass auf dem Hoftage in Bamberg am 3. Februar 1154 der Babenberger als anwesend genannt werde, Heinrich der Löwe aber nicht. Er knüpft daran die Vermuthung, dass der König hier einmal versuchte, den Oheim allein zu sprechen und zu überreden. „Als dies – – – nicht glückte, that er den entscheidenden Schritt auch ohne seine Zustimmung. Auf einem Tage zu Goslar, wo der Babenberger nicht erschien, wurde in den ersten Tagen des Juni 1154 nach dem Urtheile der anwesenden Reichsfürsten das Herzogthum Baiern Heinrich dem Löwen zugesprochen, eine rein politische Massregel, die sich in rechtliche Form hüllte, aber jeder rechtlichen Begründung ermangelte, und nicht nur beim Babenberger, sondern auch bei anderen Fürsten herbe Unzufriedenheit wachrief. Mit Rücksicht auf diese Stimmung verzichtete Friedrich, dem Goslarer Rechtsspruche durch Belehnung des Welfen und seine Einführung in den Besitz Baierns sofort thatsächliche Folge zu geben – – –“. Sogleich nach der Rückkehr aus Italien dringt der Kaiser in seinen Oheim, „seinem Ausgleichsplane zuzustimmen“. Da dies misslingt, setzte er „im Vollgefühl seiner durch den Römerzug befestigten Autorität auf dem in Regensburg anberaumten Tage Heinrich den Löwen in den Besitz des Baierischen Herzogthums“ (October 1155). Darauf erneute Verhandlungen und Ueberredung des Babenbergers. Mitte September 1156 versammeln sich dann die Reichsfürsten auf’s neue in Regensburg zum letzten abschliessenden Tage – – –. Hier wurde der Ausgleich durchgeführt, wie ihn der Kaiser schon lange festgesetzt, doch bisher geheim gehalten hatte.

Eine andere Auffassung zeigt Giesebrecht. In dem Abschnitte, welchen er „Friedrich’s I. mühselige Anfänge“ überschreibt, erzählt er[80], dass es Friedrich von vornherein das [282] liebste gewesen wäre, den Oheim zu freiwilligem Verzicht zu bewegen, dass dieser aber alle Termine durch Ausbleiben oder Ausreden vereitelte. Auch auf einem Reichstage zu Regensburg 1153, wo Friedrich endlich den Streit – – – zur Entscheidung zu bringen hoffte – – –, kam man nicht weiter, da der Babenberger wahrscheinlich denselben Einwand gebrauchte und der König auch jetzt noch nicht Ernst zeigen wollte. Nachdem Giesebrecht dann die Erhebung Wichmann’s auf den Stuhl von Magdeburg erzählt hat, fährt er fort: „Unter dem unmittelbaren Eindruck dieses Erfolges wagte Friedrich endlich auch eine vorläufige Entscheidung in dem unseligen Streit über das Herzogthum Baiern herbeizuführen“. Tag von Goslar. „Der König überliess den Fürsten, über den Anspruch des Welfen auf Baiern das Urtheil zu fällen, und sie erkannten die Rechtmässigkeit seines Anspruches an. Nach 7jährigem Kampfe hatte der junge Herzog von Sachsen erreicht, dass durch Fürstenspruch sein Erbrecht auch auf das zweite grosse Herzogthum seiner Vorfahren bestätigt wurde“. Nach der Romfahrt kam es Friedrich vor allem darauf an, die unklaren Verhältnisse Baierns zu regeln; hier war zunächst Ordnung zu schaffen, wenn man das Uebel mit der Wurzel ausrotten wollte. Vergebliche Unterhandlung mit dem Babenberger. „Aber der Kaiser war jetzt nicht mehr gewillt, seinen Oheim zu schonen. In feierlicher Sitzung des Reichstags übergab er dem Welfen wieder das Herzogthum seiner Väter; die Baierischen Grossen mussten dem neuen Herzog huldigen und ihm den Lehnseid leisten; die Regensburger Bürger ihm nicht allein Treue schwören, sondern auch Geiseln stellen. Der junge Welfenfürst hatte erreicht, wonach er so lange gestrebt hatte“. In einer Zusammenkunft des Jahres 1156 gelang es Friedrich endlich, seinen Oheim zur Nachgiebigkeit zu bewegen, und auf dem Regensburger Reichstage, September 1156, „wurde der bereits vereinbarte Vertrag zwischen den beiden Heinrichen zum Vollzug gebracht“.


Die vorstehenden Darstellungen zeigen eine wahre Musterkarte verschiedener juristischer Auffassungen. Raumer und Riezler gehen davon aus, dass Friedrich res iudicata vorgefunden habe. Während Riezler nun consequent dabei bleibt, die nochmalige Entscheidung in entschiedener Sache als eine einfache [283] Rechtswidrigkeit zu betrachten, stellt Raumer es als das Angemessenste hin, die verfahrene Angelegenheit ab integro zu verhandeln (ohne dass wir darüber aufgeklärt werden, wie sich ein derartiges Verfahren von einem Rechtsbruch unterscheide[81]), und sucht sich schliesslich durch ein rein formales Contumacialerkenntniss aus der Schlinge zu ziehen. Umgekehrt erscheint bei Philippson und bei Prutz gerade Heinrich Jasomirgott als der böswillige Rechtsverletzer; und derselbe Friedrich, der bei Riezler einen Act der Cabinetsjustiz übt, erscheint bei Giesebrecht in einer Situation, in welcher er kaum wagt, dem Rechte freien Lauf zu lassen[82]. Aber mehr noch als diese Abweichungen muss das auffallen, worin alle übereinstimmen: die Streitigkeit wird erst durch Richterspruch entschieden und dann noch einmal durch Vergleich beendigt. Friedrich hat im Jahre 1154 dem Babenberger das Herzogthum Baiern aberkannt, und im Jahre 1156 verhandelt er mit ihm als Herzog von Baiern. Hat Heinrich der Löwe im Jahre 1154 das Herzogthum erhalten, so ist völlig unklar, zu welchem Zwecke nachher eine Belehnung vorgenommen oder gar „wiederholt“ wird, wenn damit die Besitzübergabe noch immer nicht verbunden sein soll. Namentlich bei Philippson und bei Prutz wird dem Leser beständig gesagt, dass nun endlich die endgültige Entscheidung falle, um ihn dann noch durch ein paar Reichstage hindurchzuführen; und selbst als dem Kaiser nach gesprochenem Erkenntniss wirklich „die [284] Geduld reisst“, thut er nichts anderes, als neue Ausgleichsverhandlungen zu beginnen. – Die Hauptschwierigkeit, wieso nach dem Urtheil von Goslar der Streit noch jahrelang dauern konnte, hat Giesebrecht dadurch zu beseitigen gesucht, dass er das Urtheil eine „vorläufige Entscheidung“ nennt; aber im Satze darauf erklärt er sofort, dass nunmehr Heinrich der Löwe eine Anerkennung seines Erbrechts „erreicht“ habe. – Zu alledem kommt noch, dass der schliessliche Vergleich, wie Friedrich I. selbst ihn in dem Privileg für den Oesterreicher berichtet, ein Muster juristischer Correctheit ist und alle Rechtsformen mit einer Peinlichkeit wahrt, wie sie auch ein heutiger Notar nicht überbieten könnte. Es fällt uns also desto schwerer anzunehmen, dass er den vorangehenden Process in einer Weise geleitet haben soll, welche uns nicht sollte zur Klarheit darüber gelangen lassen, ob denn nun ein rechtskräftiges Erkenntniss, eine Belehnung, eine Besitzübertragung vorliegt oder nicht.


In der That ist eine solche Klarheit möglich, sobald wir jeden einzelnen Schritt der Verhandlungen juristisch fassen. So dürftig auch unsere Ueberlieferung ist, so genügt sie doch vollkommen, um in ihr den regulären und bis in’s Einzelne correcten Gang des Processes zu erkennen.

Otto von Freising berichtet über den Process der Jahre 1152/4 an folgenden drei Stellen.

(II, 7.) Rex ergo predictam litem iudicio vel consilio decisurus, utrique autumpnali tempore mense Octobri in civitate Herbipoli curiam prefigit; quo dum alter, id est Heinrici ducis filius, veniret, alter se absentaret, iterum et iterum vocatur.
(II, 9.) Ad predictam curiam [Wormatiae] prenominati duces ambo Heinrici, pro ducatu Norico, ut dictum est, contendentes, venerunt; sed, altero quod legittime vocatus non fuerit pretendente, debitum finem negotium ibi habere non potuit.
(II, 11.) Proximo dehinc mense Decembrio utrique duces Heinricus et itidem Heinricus iudicio principis in civitate Spira adsistunt; sed iterum altero de legittima se vocatione excusante, res protelatur – – –. Proinde in oppido Saxoniae Goslaria curiam celebrans, utrosque duces datis edictis evocavit.

[285]

Ubi dum, altero veniente, alter se absentaret, iudicio principum alteri, id est Heinrico Saxoniae duci, Baioariae ducatus adiudicatur.

Knüpfen wir nun an den Stand des Processes an, wie wir ihn unter Konrad verlassen haben, so ist zunächst klar, dass es sich nur noch um einen Process Heinrich contra Heinrich handelt. Der König erscheint in keiner andern Rolle mehr, als in der des Gerichtshalters. Noch mehr als die hier gegebene Stelle bestätigt es der ganze Zusammenhang, in dem sie Otto vorbringt, und die längere Auseinandersetzung, die er daran knüpft. Friedrich hat also auf die Fortsetzung der Rolle des Gewährsmannes von vornherein verzichtet.

Der Gang des Processes, wie er Otto vorschwebt, ist der folgende. Friedrich lädt beide Parteien auf den Hoftag von Würzburg (1152, October). Da der Verklagte hier ausbleibt, wird er ein zweites und drittes Mal (iterum et iterum) geladen. Erst in dem dritten Termin (Worms 1153, Juni 7) erscheint der Verklagte, erhebt aber den Einwand, dass seine Ladung nicht rechtmässig erfolgt sei[83]. Der dritte Termin wird daher wiederholt (Speier 1153, December). Als der Verklagte hier von neuem behauptete, dass auch diese Ladung nicht rechtmässig erfolgt sei, wird der Termin noch ein drittes Mal wiederholt (Goslar 1154, Juni). Hier bleibt der Verklagte aus, und es ergeht ein Contumacialurtheil.

In Processen um liegenden Grund besteht dieses Contumacialurtheil darin, dass für den Kläger „Anleite“ beschlossen wird. Die Anleite ist eine Einweisung in den Besitz des streitigen Gutes. Sie hat noch nicht zur Folge, dass der Verklagte die Gewere am Gute verliert[84].

[286] Die Anleite kann sich der thatsächlichen oder der blos symbolischen Besitzeinweisung bedienen[85]. In ein streitiges Haus kann z. B. der Kläger als Besitzer „eingeführt“, oder es kann ihm als Zeichen der Einführung der Schlüssel übergeben werden. In dieser Frage hatte das Gericht oder der von ihm bestellte Anleiter freie Hand.

In der Thätigkeit des Anleiters treffen wir Friedrich selbst. Als Heinrich der Löwe im Juni 1154 den Goslarer Beschluss erstritt, war alles bereits in Vorbereitung zur Romfahrt, die im Herbst beginnen sollte. Im September 1155 kehrte der Kaiser zurück und beraumte auf Mitte October den Termin zur Ertheilung der Anleite in die Baierische Hauptstadt Regensburg an. Die kurze Zwischenzeit benutzte er zu Unterhandlungen. Die Ausführung des Anleitebeschlusses ist an sich ein Zwangsact, zu welcher es Verhandlungen mit dem Beklagten nicht bedarf. Bei der Weite des Spielraums aber ist Platz für solche Unterhandlungen. Hier setzt Friedrich ein. Gegenstand seiner persönlichen Unterredung mit dem Babenberger in der Gegend von Regensburg ist die nothwendig gewordene Anleite und die dazu erforderliche Verhandlung mit Heinrich dem Löwen (transactio facienda cum altero Heinrico, qui iam ducatum obtinuerat). Wozu Friedrich den Verklagten „überreden“ will, wird nicht gesagt. Denkt man an den Ausgang, den ein paar Jahre später die Angelegenheit in Wirklichkeit genommen hat[86], so liegt die Annahme am nächsten, Friedrich habe den Babenberger dafür gewinnen wollen, die Anleite ganz überflüssig zu machen und an deren Stelle sofort ein definitives Verhältniss gegenseitiger Concessionen treten zu lassen. Wie dem auch sei, es gelang nicht, den Babenberger für irgend eine Theilnahme an den bevorstehenden Verhandlungen zu gewinnen, weder in dieser persönlichen Unterredung noch in einer commissarischen Verhandlung an der Baierisch-Böhmischen Grenze, in welcher Otto von Freising das Amt des Vermittlers übernahm. Der Gegenstand der Berathung war wieder die Anleite und die dazu nöthigen Verhandlungen mit Heinrich dem Löwen (super eodem negotio). [287] Man schied von einander unverrichteter Sache, ohne sich zu grüssen[87].

Der Process ging also seinen Gang. Zu dem festgesetzten Termin, Mitte October, erschien der Kläger am Hoflager zu Regensburg, und Friedrich ertheilte ihm die Anleite. Es geschah in der Form, dass die Hauptstadt selbst, welche Otto bei dieser Gelegenheit so recht als den Schlüssel des Baiernlandes schildert, ihm übergeben[88] wurde und die Baiern ihm verschiedene Eide leisteten. Die anwesenden Baierischen Fürsten leisten ihm Hulde durch Eid[89], die Bürger von Regensburg fügen dem Eid noch Geiseln bei, „um jede Möglichkeit einer Schwankung auszuschliessen“. Als Zweck der ganzen Handlung wird die Sicherung des Klägers bezeichnet. Das ist die Anleite, die Otto nicht übel mit „in possessionem mittere“ übersetzt[90].

[288] Ueber Form und rechtliche Bedeutung der Anleite am Hofgericht haben wir einen Bericht, welcher zwar erst aus dem Jahre 1409 stammt, sich aber ausdrücklich als altes Herkommen gibt. Darnach hat der vom Gericht bestellte Anleiter dem Verklagten persönlich von dem Gerichtsbeschluss Kenntniss zu geben mit dem Bemerken, dass er noch eine äusserste Frist habe, binnen 6 Wochen und 3 Tagen Einspruch bei Gericht zu erheben. Thut der Beklagte das nicht, so wird dann erst dem Kläger die rechte Gewere am streitigen Gute zugesprochen. Thut er es aber, so muss der Process genau so weitergeführt werden, als ob der Beklagte in einem der ersten drei Termine rechtmässig Einspruch erhoben hätte[91].

[289] Nachdem Friedrich als Anleiter zuerst dem Kläger Anleite gegeben und ihn so für die Zeit der Romfahrt genügend gesichert hat, hat er nach Beendigung der Romfahrt der zweiten Pflicht des Anleiters genügt, dem Beklagten Kenntniss und Gelegenheit zur Verhandlung zu geben. Dies geschah in der Nähe des Anleiteplatzes Regensburg (5. Juni 1156) und zwar mit Erfolg: der Verklagte erklärte sich zu „Verhandlungen“ bereit, d. h. er machte von seinem Rechte der Wiederbelebung des Processes Gebrauch[92]. Dieses Stadium des Processes hat Otto im Auge, wenn er sagt, „dass in der Sache ein Termin anberaumt werden musste“[93]. Da in diesem Termin (in Regensburg) der Spruch nur formell verkündet wird[94], so müssen wir annehmen, dass er schon vorher unter den Betheiligten vereinbart war, wie denn auch Otto jene Verhandlung bei Regensburg schon als den thatsächlichen Abschluss der Streitigkeiten feiert[95].

Nachdem durch den Einspruch des Beklagten der Process wieder in Gang gebracht worden ist, gelingt es dem Kaiser, beide Parteien daraufhin zu einigen, dass sie sich seinem Schiedsspruch unterwerfen[96]. Der Schiedsspruch bestand, wie bekannt ist, darin, dass Heinrich von Sachsen auch Baiern als zweites Herzogthum erhalten, aber Oesterreich in völliger Unabhängigkeit [290] davon abgetrennt und mit besonderen Privilegien ausgestattet werden sollte.

Der Schiedsspruch ist nur mündlich erlassen worden[97]. Er wurde auf demselben Reichstage zu Regensburg durch symbolische Uebergabe sofort vollzogen. Nach erfolgter Vollziehung hat aber Friedrich dem neuen Herzog von Oesterreich eine feierliche Urkunde über seine neuen Privilegien ausgestellt und in dieser Urkunde den Hergang berichtet. Denselben Bericht gibt Otto. Der Bericht der Urkunde ist in den rechtlichen Einzelheiten peinlicher; dem Bericht bei Otto kann man einige Aeusserlichkeiten entnehmen.

Der König nennt sich, den Schiedsrichter, als denjenigen, der den Streit beendigt hat (controversiam hoc modo terminavimus). Die Beendigung bestand in Vollstreckung des Schiedsspruches und die Vollstreckung geschah in folgenden Acten.

1. Heinrich von Oesterreich lässt das Herzogthum Baiern an den Kaiser auf; die Auflassung geschieht symbolisch durch 7 Fähnlein.

2. Mit dem so in seine freieste Verfügung gekommenen Herzogthum Baiern belehnt der Kaiser Heinrich von Sachsen.

3. Der nunmehrige Herzog von Baiern lässt einen Theil seines Herzogthums, nämlich die Mark Oesterreich, an den Kaiser auf; auch diese Auflassung geschieht symbolisch durch 2 Fähnlein. Bestimmt wird dabei der Umfang der Mark auf den Umfang zur Zeit des Markgrafen Leopold, einschliesslich der dazu gehörenden 3 Grafschaften.

4. Die Mark Oesterreich, welche sich also in diesem Augenblick in der Verfügung des Kaisers befindet, wird unter Consens der Fürsten zu einem Herzogthum erhoben. Die Form der Consensertheilung ist die der gerichtlichen Urtheilsfindung (consilium et iudicium principum)[98]. Zum Urtheilsfinder wird der [291] Herzog Wladislaw von Böhmen bestimmt; er findet das Weisthum, dass Oesterreich zu einem Herzogthum zu erheben sei, spricht es aus (promulgat), die Fürstenversammlung als Ganzes approbirt seinen Spruch. Darauf erklärt der Kaiser die Umwandlung (commutavimus).

5. Mit dem nunmehrigen Herzogthum Oesterreich belehnt der Kaiser seinen Oheim Heinrich und dessen Gemahlin Theodora.

6. Dabei ertheilt er dem Herzogthum noch ganz besondere Privilegien.

7. Nachdem dies geschehen, ertheilt er dem Herzog von Oesterreich auch noch eine Königsurkunde darüber.


IV.
Der Ausgleich Heinrich’s des Löwen mit Albrecht von Brandenburg. (1152.)

Die Streitigkeiten um das Erbe der ausgestorbenen Grafen von Ploetzke und der ebenfalls ausgestorbenen Grafen von Winzenburg sind nach einer Seite hin ein ungelöstes Räthsel. Es ist völlig unklar, auf welchen Rechtstitel die beiden streitenden Theile, Herzog Heinrich und Markgraf Albrecht, ihren Anspruch stützten; und es ist auch nach der Lage der Quellen nicht möglich, hierüber irgendwie zur Klarheit zu gelangen[99]. – Hingegen scheinen mir die Schwierigkeiten, welche man sich wiederholt über die letzten Stadien dieses Streites gemacht hat[100], in unseren Quellen nicht begründet.

Dass der Tenor des Ausgleiches die Ploetzke’sche Erbschaft dem Markgrafen, die Winzenburg’sche dem Herzog zusprach, ist der gemeinsame Bericht aller Quellen. Wann und wo aber die Entscheidung erfolgte, ob unter Friedrich I. der Streit nur mit friedlichen oder, wie zur Zeit seines Vorgängers, dazwischen auch mit kriegerischen Mitteln fortgefochten wurde, darüber besteht Meinungsverschiedenheit.

Soviel lässt sich aus den in verschiedenen Quellen überlieferten Thatsachen combiniren, dass die Erbstreitigkeit von Friedrich I., sofort nach der Krönung, auf dem Reichstage zu Merseburg im Mai [292] in die Hand genommen wurde und auf dem Reichstage zu Würzburg im October erledigt war. Wenn Helmold erzählt, dass auf dem Reichstage zu Merseburg der Streit (noch) nicht beigelegt werden konnte, die Annalen von Stade notiren, dass er in Würzburg ausgeglichen worden ist, und wenn endlich die Kölner Annalen die Angelegenheit genau zwischen dem Merseburger und Würzburger Tage erzählen, so vermag ich darin nicht einen Widerspruch, sondern nur ein vortreffliches Zusammenstimmen zu erblicken. Man muss sich die Verhandlungen dieser Zeit nicht immer anders vorstellen wollen, als wie heutzutage Verhandlungen geführt werden; so, als ob eine Verhandlung nicht anders stattfände, als mit Scepter und Reichsapfel in der Hand eröffnet und ebenso geschlossen. Der Richter beraumt einen Termin an, bringt in demselben durch concrete Vorschläge die Parteien etwas näher und setzt für die endgültige Erledigung einen zweiten Termin an. Haben die inzwischen weiter gehenden Verhandlungen bereits zu einem Ergebnisse geführt, so dient der zweite Termin zur Protocollirung. Wer von dem ersten Termin berichtet, dass der Streit „nicht“ erledigt werden konnte, hat Recht; wer von dem zweiten Termin berichtet, dass der Streit hier seine Erledigung fand, hat ebenfalls Recht; und wer noch im Anschluss an den ersten Termin den Ausgleich vor dem zweiten erzählt, hat nicht minder Recht. – Man muss nur aus der manchmal etwas bilder- und phrasenreichen Sprache die nackten Thatsachen zu abstrahiren wissen. Die Quellenstellen sind folgende:

Helmold Cap. 73 (Octavausgabe S. 143): Et habita est curis illa celebris apud Marcipolim – – –. Dissensio autem, que erat inter ducem et marchionem sedari non poterat, eo quod principes elati, regis adhuc recentis monita parvi penderent. – Ann. Palid. a. a. 1152 (Mon. Germ. SS. 16, 86): Fridericus novus rex pentecosten Merseburg celebravit – – –. Contentio principum Heinrici ducis et Adelberti marchionis propter hereditates comitum Bernardi et Heremanni mutuis depredationibus et incendiis plurimum leserat regionem; at ubi refulsit sol, qui tunc erat in nubilo [II Macc. 1,22], incliti terre bellorum motus festinato represserunt atque ut possessio Bernhardi plenarie marchionem adtingeret, duce que Heremanni fuerant obtinente, secundum auctoritatem regis egerunt. Rex Wirceburg conventum habens, ibi expeditionem in Italiam

[293]

etc. – Ann. Stad. ad a. 1152 (Mon. Germ. SS. 16, 344): Rex Wirceburch conventum habuit ibique Heinricum ducem et Albertum marchionem discordantes pacificavit et principes expeditionem in Langobardiam etc.

Worauf die Erzählung zurückgeht, dass zwischen den beiden Terminen blutige Fehde bestand (Heinemann, Albrecht 1, S. 196. 382; Philippson I, S. 171; Prutz, Friedrich I, S. 38; Giesebrecht V, S. 12), vermag ich nicht festzustellen. Bei Helmold I, 73, auf welche Stelle Prutz und Philippson sich berufen, steht von kriegerischen Unternehmungen zwischen Beiden überhaupt nichts. Der Satz, welchen Prutz abdruckt, „dissensio sedari non poterat“, besagt nur negativ, dass ihr „Dissens“ nicht beseitigt wurde; aber eine Hindeutung auf eine blutige Auskämpfung desselben, auf eine „Fehde“, enthält der Satz nicht. Die Poehlder Annalen, auf welche Heinemann und Philippson sich berufen, erzählen zum Jahre 1153 (Mon. Germ. SS. 16, 86–87) den Tod des Grafen Liudolf von Woeltingrode und die Erscheinung seines verstorbenen Sohnes, für welchen der Vater ein Seelgeräthe gestiftet hatte, aus dem Grabe. Nur bei dieser Gelegenheit wird eingeschaltet, dass der Sohn „in der Fehde zwischen dem Herzog und dem Markgrafen“ seinen Tod gefunden hatte, nämlich in der Fehde, welche der Annalist zum vorigen Jahre 1152 als beendet bezeichnet hatte. – Das früher sogenannte Chronicon Luneburgense, welches dieselben Autoren citiren, enthält auch das nicht, wofür es citirt wird. Im Anschluss an den Merseburger Tag berichtet der Chronist:

Do ward orloge under marcgreven Albrechte unde hertogen Heinrike umbe en erve twier greven, Bernardes unde Hermannes. Dat underviengen de herren altohant unde verevenden’t also, dat de marcgreve Bernardes erve behelde, unde Hermannes de hertoge. Do makede de koning enen hof to Wirzeburch dar sworen de herren ene herevard etc. (Sächsische Weltchronik c. 297: Mon. Germ. Dtsch. Chr. 2, S. 219).

Das heisst, wir haben an dieser Stelle einfach eine Wiedergabe jener erstgenannten Stelle der Poehlder Annalen (s. oben S. 292) zwischen den beiden Terminen von Merseburg und Würzburg, wobei das Plusquamperfectum („contentio… leserat regionem“) ungenau durch das Imperfectum („Do ward orloge“) wiedergegeben wird. – Die Correspondenz des Sachsenherzogs Heinrich zur Werbung kriegerischer Bundesgenossen, welche [294] allerdings zum mindesten auf Fehdebereitschaft würde schliessen lassen, steht bei Sudendorf (Registrum II, Nr. 42–44, 47/48, S. 125–127) nicht zum Jahre 1152, sondern zu den Jahren 1139 und 1142. Nur weil Heinemann (S. 382,15–16) meinte, dass die Correspondenz in jene Zeit nicht passe, hat er sie in diese gesetzt, in welche sie aber noch weniger passt (Heinrich der Löwe bittet seinen Stiefvater, – mit dem er seit Jahren im Process um Baiern liegt! – um Unterstützung).

Soviel ich sehe, bleibt als einzige[101] Stütze die Erfurter St. Peterschronik übrig.

Ubi [in Merseburg] eciam gravis discordia inter Heinricum Saxonum ducem et Adelbertum marchionem oritur, quibus inter se hostiliter postea dimicantibus, opulentissima villa Osterroth, mire pulchritudinis edificium in Lutrede, pleraque castella ac ville quam plurime devastantur. (Chronicon Sampetrinum ad a. 1152, ed. Stübel: GQnProvSachsen, Bd. 1, Halle 1870, S. 29.)

Hier steht allerdings das zweifellose Wort „postea“, aber es steht in einem Satze, in welchem das ebenso zweifellose Wort „oritur“ entschieden falsch ist. Da der Chronist den Beginn der thatsächlich schon seit Jahren bestehenden Streitigkeit irrthümlich auf den Merseburger Tag setzt, so kann er selbstverständlich alles, was er von diesem Streite hört, nicht anders als „postea“ datiren. Es ist ausserdem bei dem Charakter, welchen diese in anderen Partien gleichzeitige Chronik gerade in dem betreffenden Abschnitte trägt[102], unzulässig, dass man in der Ordnung der Ereignisse ihre Zeitbestimmung und nur die ihrige zu Grunde lege.

Mir scheint, dass der Ausgangspunkt für die Annahme, als ob ein Theil der kriegerischen Action zwischen Heinrich und Albrecht noch in die Regierungszeit Friedrichs I. zu setzen sei, nicht in den Forschungen über die Geschichte dieses Jahres zu suchen ist, sondern ganz ausschliesslich in den Untersuchungen Heinemann’s über die Correspondenz bei Sudendorf. Weil Heinemann [295] zu dem Ergebniss gelangte, dass Heinrich der Stolze nicht der Urheber der Correspondenz sein könne, schob er sie Heinrich dem Löwen zu, supponirte in Folge dessen einen Kriegszustand desselben im Jahre 1152, klammerte sich an das „postea“ der Erfurter St. Peterschronik und deutete alle übrigen Quellenstellen so, dass die gelegentlich erwähnten kriegerischen Unternehmungen früherer Jahre in das Jahr 1152 gelegt wurden. So viel ich sehe, geht diese Ansicht bei allen Neueren bloss auf Heinemann zurück. Philippson citirt die Quellen, welche Heinemann citirt. Prutz ist in seinem ersten Buche über Heinrich den Löwen von dem damals eben erst erschienenen Werke von Heinemann noch nicht beeinflusst und spricht nur von Verhandlungen. Erst in seinem zweiten Buche über Friedrich I. hat er die „verderbliche Fehde“ eingeschoben und der Stelle bei Helmold die veränderte Deutung gegeben; hier citirt er auch schon Heinemann. Diese Auffassung ist dann in die Darstellung von Giesebrecht übergegangen.

Prutz, Heinrich der Löwe S. 103.
     
Prutz, Friedrich I. S. 38. 45.
     
Giesebrecht, Kaiserzeit 5, S. 12. 18.
 (In Merseburg.) Friedrich bemühte sich eifrigst, die Hadernden zu versöhnen. Aber alle seine Vermittlungsversuche blieben unbeachtet. Erst später kam eine Aussöhnung zu Stande, indem man den streitigen Besitz unter beide Parteien vertheilte – – –.  An dem starren Eigensinn dieser Männer aber, welche sich seit des Sachsenherzogs auffallender Begünstigung durch Friedrich noch offener als früher als leidenschaftliche Nebenbuhler entgegentraten, scheiterten alle Bemühungen des Königs, so dass die verderbliche Fehde fortdauerte.
 (In Würzburg.) Zwischen ihnen brachte Friedrich jetzt endlich einen Vergleich über die streitigen Besitzungen der Grafen von Winzenburg und Ploetzke zu Stande – – –. Für Sachsen, das unter diesen Fehden so schwer gelitten hatte, „leuchtete nun endlich die bisher vom Nebel verdüsterte Sonne wieder auf“.
 Der Reichstag zu Merseburg war nicht ohne äusseren Glanz, aber der Hauptzweck desselben wurde nicht erreicht. Ein Austrag der Streitigkeiten zwischen Herzog Heinrich und Markgraf Albrecht kam nicht zu Stande, vielmehr entbrannte die blutige Fehde zwischen ihnen auf’s neue.
 (In Würzburg) – – – gelang es endlich einen Ausgleich zwischen Herzog Heinrich dem Löwen und Markgraf Albrecht herbeizuführen – – –. Für das östliche Sachsen, welches unter den Feindseligkeiten dieser beiden mächtigen Herren schwer gelitten hatte, traten nun ruhigere Zeiten ein; „die bisher vom Nebel umhüllte Sonne leuchtete hier wieder hell“.

[296] Die Nebeneinanderstellung zeigt deutlich, wie Prutz erst nachträglich zu einer völlig veränderten Auffassung der Poehlder Annalen gekommen und wie dieselbe dann mitsammt dem Citat aus dem zweiten Buch der Makkabäer und dem von Prutz aus eigenen Mitteln zugelegten „endlich“ in die Giesebrecht’sche Darstellung übergegangen ist. Hiermit ist aber dem Poehlder Annalisten eine Auffassung imputirt, von welcher er das Gegentheil ausdrücklich bekundet. Er hat die Vorstellung, dass eine Fehde zwischen dem Herzog und dem Markgrafen gewüthet „hatte“, dass sie aber beim Erscheinen Friedrich’s ein Ende nahm. Von einer Störung der Verhandlungen durch einen erneuten Ausbruch der Fehde weiss er nichts, und von dem aufathmenden „endlich“ nach dem Würzburger Reichstag ist er so weit entfernt, dass er vielmehr die Verhandlungen schon vor diesem Tage als abgeschlossen ansieht. Gerade die Schleunigkeit und Piötzlichkeit, mit welcher die Fehde, die unter Konrad Sachsen verwüstet hatte, beim Erscheinen Friedrich’s ein Ende nahm, will er mit dem biblischen Citat bezeichnen. Friedrich ist ihm die Sonne, die aus der Wolkenverhüllung hervortritt.

Es hätte nun Jemand das Recht, die Auffassung des Poehlder Annalisten auf Grund besserer Berichte anzufechten; aber zur Beseitigung irgend einer anderswo auftauchenden Schwierigkeit dem Annalisten die gegentheilige Auffassung unterzuschieben, dieses Recht hat die Forsehung nicht.

Es kann völlig dahingestellt bleiben, wie und ob die Correspondenz Heinrichs des Stolzen bei Sudendorf etwa zu verwerthen ist[103]; es genügt, festzustellen, dass sie für die Geschichte des Jahres 1152 nicht zu verwerthen ist.

Für die ganze Auffassung des Regierungsantritts Friedrich’s I. ist es aber von ausschlaggebender Wichtigkeit, sich von dem Einflusse dieser angeblichen Correspondenz Heinrich’s des Löwen zu emancipiren. Wenn wir wirklich annehmen wollen, dass der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg, während ihre Sache vor Friedrich I. verhandelt wird, einfach drauf [297] losschlagen, morden und plündern, hervorragende Fürstensitze (wie Lutter am Barenberge) geradezu verwüsten, so müssen wir alles, was wir sonst über das erste Regierungsjahr Friedrich’s I. und namentlich über den Eindruck, den der Verlauf desselben bei den Zeitgenossen gemacht hat, wissen, vollständig streichen. Eine Quellenkritik aber, welche, bloss um eine Quelle nicht untergehen zu lassen, ihre Notizen mechanisch in ein anderes Bild einträgt, kann zu einem wahrheitsgemässen Ergebniss niemals führen.


V.
Friedrich I. und die Parteien.
(Um 1152.)

Die Erhebung Friedrich’s I. ist von den Zeitgenossen selbst als eine Wendung empfunden worden, welche ebenso schnell wie einschneidend eingetreten ist. Während seit Jahrzehnten die Physiognomie des Reichslebens Parteiung war, ist die Physiognomie desselben seit geschehener Wahl nach dem allgemeinen Eindruck die Eintracht.

Mit welchen Mitteln Friedrich diese Eintracht erzielt, wie er vorhandene Widerstände überwunden hat, darüber ist jede zusammenhängende Tradition untergegangen.

Dass Widerstände zu überwinden waren, ist an sich unzweifelhaft. Es ist das Verdienst von Prutz[104], die Vorstellung von einer allgemeinen, die ganze Wahlverhandlung beherrschenden Eintracht durch Otto’s eigenen Bericht erschüttert zu haben, indem er darauf aufmerksam machte, dass Otto die einmüthige Wahl ausdrücklich als das „endliche“ Exgebniss der Berathungen bezeichnet[105]. Wir haben ferner gesehen[106], dass es über die Wahl Friedrich’s I. von vornherein neben der Staufischen eine Antistaufische Tradition gegeben hat, welcher der Gedanke zu Grunde lag, dass Friedrich nicht der Nächste zur Krone war, und dass es kein geebneter Weg gewesen, der ihn zu derselben geführt habe. Aber Otto spricht sich über den [298] Widerstand, der zu überwinden war, bevor „endlich“ die Eintracht Platz griff, nicht näher aus; und jene Antistaufische Tradition ist nur in so später Form auf uns gelangt, dass jeder Versuch, aus ihr bestimmte Personen oder Motive zu reconstruiren für unmöglich angesehen werden muss.

Für die Frage, auf welche Personen Friedrich sich gestützt, welcher Mittel er sich bedient hat, um dieselben zu gewinnen, welches die Personen waren, die bei dem grossen Einigkeitsschmaus die Zeche zu bezahlen hatten, – für alles das sind wir im wesentlichen auf Rückschlüsse aus den Thatsachen vor und nach der Wahl angewiesen. Durch solche Rückschlüsse ist es nicht möglich, eine wirkliche Erzählung von den Hergängen zu erhalten, die zu der neuen Gruppirung geführt haben. Wir vermögen nicht zur Gewissheit darüber durchzudringen, in wie weit vor der Wahl wirkliche Abmachungen stattgefunden haben, als deren Ausführung die späteren Ereignisse anzusehen wären, inwiefern diese späteren Ereignisse nur die Folge des geschaffenen Einverständnisses oder mehr die Erfüllung von Hoffnungen, als von bestimmt stipulirten Verabredungen sind. Gleichwohl lernen wir durch eine Zusammenstellung solcher charakteristischen Thatsachen doch ziemlich richtig die Motive und Interessen kennen, welche sich hier zusammenfanden. Solche Thatsachen scheinen mir die folgenden zu sein.

1. Es ist oben[107] darauf hingewiesen worden, dass Heinrich der Löwe in seinem Process um Baiern in den Jahren 1149 bis 1151 im Hofgericht, d. h. in der Umgebung des Königs, eine Mehrheit für sich hatte, um eine Abweisung seiner Klage zu verhindern, aber einer Mehrheit für ein obsiegendes Erkenntniss nicht sicher war.

2. An hervorragenden Verwandten unter den Reichsfürsten hatte Heinrich damals seinen Schwiegervater Konrad von Zähringen, seinen Schwager Berthold von Zähringen, seinen Oheim Graf Welf VI. und seinen Vetter Herzog Friedrich von Schwaben[108].

[299] 3. Dass unter den ad 2 genannten Personen politische Beziehungen bestanden, ist aus der Zeit nach der Wahl nachweisbar.

Zwischen dem zum König erhobenen Schwabenherzog Friedrich und dem Zähringer (an Stelle des Vaters ist inzwischen der Sohn getreten) ist unmittelbar nach der Wahl ein förmlicher Vertrag, betreffend gegenseitige Hilfeleistung in Burgund bezw. Italien, perfect. Der Vertrag ist erhalten[109]. An der Spitze derer, die ihn von Seiten des Königs beschworen haben, stehen Heinrich und Welf. – Ebenfalls unmittelbar nach der Wahl ist die Belehnung Welf’s mit dem grossen Italienischen Lehen perfect[110] und die Angelegenheit Heinrich’s in Gang, deren sorgsame Regelung wir ununterbrochen vom Jahre 1152 bis zum Jahre 1154 (bezw. 1156) Schritt vor Schritt sich entwickeln sahen.

4. Erscheinen so der Zähringer und die beiden Welfen als eine geschlossene Gruppe um Friedrich, schon so unmittelbar nach der Wahl, dass man in ihr die Gruppe (oder eine der Gruppen) erblicken muss, aus welcher die Wahl Friedrich’s hervorgegangen ist, so sind wir für die weitere Zurückverfolgung dieser Gruppe allerdings bloss auf die Spuren angewiesen, welche auf Friedrich’s Stellung in den vorangegangenen Conflicten einen Rückschluss gestatten.

Aus der romantischen Erzählung bei Helmold, wie Konrad im Jahre 1151, um sich ungestört auf Sächsischen Boden wagen zu können, den Herzog Heinrich den Löwen, der sich in Schwaben aufhält, dort interniren lässt, wie aber Heinrich mit List aus Schwaben zu entkommen weiss und gerade in dem Augenblick in Braunschweig erscheint, wo Konrad schon ganz nahe der Stadt ist[111], ist als Thatsache nur das Eine zu entnehmen: dass [300] man in Sachsen das Herzogthum Friedrich’s als das Land ansah, in welchem Konrad seinen Gegner gut verwahrt glaubte, und aus welchem dieser dennoch entwichen ist. – In der Stellung eines Mannes, der mit seinem königlichen Oheim gut Freund zu bleiben weiss, ohne darum gegen seine Welfischen Verwandten einen Finger zu rühren, erscheint Friedrich, deutlicher erkennbar, im Jahre vorher (1150) bei der Erhebung Welf’s VI. und deren Ausgang. Auch hier ist es das Herzogthum Friedrich’s, auf dessen Boden der Welfe sich befindet. Derselbe hat einen Angriff auf das königliche Hausgut gemacht. Aber nichts verlautet von einer Betheiligung des Schwäbischen Herzogs an der Abwehr. Bei der einzigen militärischen Action, von der wir hören, ist der officielle Führer Konrad’s Sohn Heinrich, ein Knabe von 13 Jahren[112]. Wir haben die bestimmte und zuverlässige Notiz, dass damals ein energisches Vorgehen gegen Welfische Gefangene, und namentlich die Fortsetzung der kriegerischen Action an einem Einspruch scheiterte, welcher auf dem Hoftag zu Speier die Mehrheit gewann, und dass man in den Kreisen der Minderheit den Eindruck einer böswilligen Verhinderung der Ausnutzung der Situation hatte[113]; der Wortführer wird in einem [301] vertraulichen Briefe als ein „Achitofel“ bezeichnet. Einige Zeit später wird der „gemeinsame Neffe Konrad’s und Welf’s“[114] ausdrücklich als derjenige genannt, der die Aussöhnung seiner beiden Oheime in die Hand genommen, die Zurückgabe der Gefangenen vermittelt und eine Bürgschaft für Welf’s Wohlverhalten übernommen hat. Hiermit sind nun zusammenzuhalten die beiden Thatsachen, dass auf jenem Hoftage zu Speier Friedrich ganz sicher anwesend[115], und also Mitglied der Mehrheit, aber ebenso sicher mit dem von der Minderheit verwünschten „Achitofel“ nicht identisch ist[116]. Mag derselbe nun Konrad von Zähringen[117] oder ein anderer einflussreicher Fürst gewesen sein: die Stellung Friedrich’s in der Angelegenheit Welf’s, sobald man deren Verlauf im ganzen ins Auge fasst, ist klar.

5. Erst auf dem Hintergrunde einer solchen durch zwei Jahre bereits befolgten und theilweise auch bewährten Politik einer vermittelnden Stellung lässt sich die bekannte Bemerkung Otto’s von Freising, dass die Fürsten im Jahre 1152 von der Wahl Friedrich’s die vollständige „Beruhigung“ des Staufisch-Welfischen Conflictes sich versprachen, vollständig verstehen. War die Politik Friedrich’s so, wie wir sie aus den dürftigen Spuren glaubten reconstruiren zu dürfen, so erscheint es nicht mehr als Phrase, sondern als ein Bild von treffender Deutlichkeit, wenn Otto sagt, dass die Wähler in dem gemeinsamen Verwandten beider Häuser den Eckstein zwischen zwei Wänden erblickt hätten[118].

[302] 6. Auf welchen Anhang in Baiern selbst Heinrich der Löwe seinen Wiedergewinnungsversuch im Jahre 1151 stützte, und wie dieser Anhang mit ihm in die neue Gruppirung um Friedrich I. ging, das entzieht sich einer genauen Feststellung, weil wir über die Vertheilung der Welfischen und Babenbergischen Sympathien unter den Baierischen Grossen keinerlei Angaben haben. Aber das einzige Baierische Haus, von dem wir wissen, dass es zu einer für Heinrich günstigen Zeit die Waffen erhoben hat[119], das Wittelsbachische, erscheint unmittelbar nach der Krönung und von da ab dauernd, in der Umgebung Friedrich’s. Der Putsch in Baiern war von Otto von Wittelsbach und seinen Söhnen inscenirt; in den Urkundenreihen Friedrich’s treffen wir ebenfalls den alten Vater wenigstens mit seinem ältesten (gleichnamigen) Sohne neben einander. Nächst ihm gehört zu den häufigsten Besuchern des Hofes aus Baiern Ottokar III. aus Steiermark, ebenfalls ein erklärter Gegner der Babenberger. Er war ein Schwestersohn Welf’s.

Auf jenem Regensburger Reichstage (29. Juni 1152) wurde Graf Konrad II. von Dachau zum Herzog von Kroatien und Dalmatien (Meranien) ernannt. Der also Ausgezeichnete ist bekannt als einer der treuesten Anhänger der Welfen im Baierlande. Man darf wohl die ganze Familie als Welfisch gesinnt ansehen; denn auch die Burg Vallei seines Bruders Arnold spielt in den Kämpfen des Jahres 1140 eine bedeutende Rolle[120].

Es spricht sonach alles dafür, dass ein Baierischer Anhang Heinrich’s des Löwen mit zu der Gruppe gehörte, welche Friedrich erhob. Nachweisen können wir jedoch Beziehungen Friedrich’s aus seiner früheren Zeit nur in einem Falle. Im Jahre 1146 war in einer sonst nicht aufgeklärten Fehde Konrad von Dachau in die Gewalt Friedrich’s gekommen. Dieser aber hat ihn ohne Weiteres wieder frei gegeben, ohne auf die Freunde zu hören, welche ihm den Rath gaben, dies doch nur gegen ein Lösegeld zu thun[121].

[303] 7. Um die Mitte des Jahres 1153 ist Friedrich’s Ehescheidung perfect[122]. Dass auch dies nur der Abschluss einer weiter zurückreichenden Entwicklung ist, kann keinem Zweifel unterliegen. Die jetzt verstossene Gemahlin ist auch vorher in Friedrich’s Urkunden nicht ein einziges Mal genannt, während doch sonst in den Königsurkunden die Königinnen und ihre Fürsprache eine grosse Rolle spielen. Sie ist nie Königin gewesen; denn Friedrich hat sich allein ohne seine Gemahlin krönen lassen. Also schon zur Zeit der Krönung, d. h. zur Zeit von Friedrich’s Wahl, stand das Zerwürfniss fest.

Ueber den Ursachen der Scheidung liegt ein Dunkel[123]. Als officieller Grund wird natürlich der einzige kanonisch zulässige, eine angebliche Verwandtschaft der beiden Ehegatten, genannt.

Da in der Familiengeschichte der Verstossenen sich noch ein anderer unaufgeklärter Punkt findet, so kann hier möglicher Weise ein Räthsel durch das andere gelöst werden.

Adele stammte aus dem Hause der Markgrafen vom Nordgau, welche nach Beerbung der Grafen von Cham und Vohburg sich Markgrafen von Vohburg nannten. Ihr Vater, Markgraf Diepold von Vohburg war am 8. April 1146 gestorben. Damals war unter Uebergehung seines Sohnes Berthold die Markgrafschaft vom Könige an den Grafen Gebhard von Sulzbach verliehen, welcher in der That bis zum Jahre 1149 als Markgraf erscheint. Dann ist aber die Markgrafschaft doch an Berthold von Vohburg gegeben worden, welcher von 1150 ab als Markgraf nachweisbar ist[124]. Auch hier ist über die Ursache der auffallenden Erbentziehung und der ebenso auffallenden Restituirung absolut nichts bekannt.

Entnehmen wir aber aus diesem Vorfalle so viel, dass Vohburger und Sulzbacher feindliche Geschlechter waren, so werden wir die Vohburger auf der Seite suchen, welcher Friedrich in Baiern feindlich gegenüber stand, die Sulzbacher auf der befreundeten.

[304] 8. Zu Heinrich’s Sächsischen Gegnern erscheint Friedrich unmittelbar nach der Wahl bereits in festen Beziehungen. Die Häupter der Gegnerschaft sind Markgraf Albrecht von Brandenburg und Erzbischof Hartwig von Bremen. Der hauptsächlichste Streitpunkt zwischen Albrecht und Heinrich betraf die Winzenburger und die Plötzkauer Erbschaft. Der Erzbischof bestritt dem Sachsenherzog das Recht, die Bischöfe in den Slavischen Gegenden zu investiren, was vielmehr nur dem Kaiser zukomme, und unterstützte ausserdem im Dänischen Thronstreite Sven gegen den vom Herzog unterstützten Knut. Alle diese Streitpunkte hat Friedrich noch im Laufe des Jahres 1152 erledigt oder der Erledigung ganz nahe gebracht. Die Erbschaftsprocesse zwischen Heinrich und Albrecht wurden dahin beglichen, dass Heinrich die Winzenburger, Albrecht die Plötzkauer Erbschaft erhielt. In Betreff des Dänischen Thronstreites liess Heinrich den ursprünglich von ihm unterstützten Prätendenten Knut fallen. Sven, der sich bereits im thatsächlichen Besitz des Königreichs befand, wurde anerkannt, und vom Könige belehnt, während Knut mit Seeland abgefunden wurde. Endlich erkannte Friedrich das Recht Heinrich’s, die Ueberelbischen Bischöfe zu investiren, an, während Heinrich seinerseits anerkannte, dass er dieses Recht nur im Namen des Königs übe.

Diese Sächsischen Streitigkeiten und ihre Erledigung sind der einzige Punkt, an welchem wir etwas Genaueres über das Tempo der Abwicklung feststellen können.

Der Dänische Thronstreit war auf dem Reichstage zu Merseburg entschieden und die Entscheidung durch Belehnung vollzogen.

Die Sache Heinrich contra Albrecht wurde sofort auf dem Reichstage zu Merseburg im Mai in die Hand genommen und war auf dem Reichstage zu Würzburg im October erledigt[125].

Das förmliche Privileg, durch welches die Investiturfrage erledigt wurde, ist erhalten und oft gedruckt[126]. Es ist undatirt und wird in den Juni des Jahres 1154 gesetzt[127]. Aber der Grundsatz, welcher hier urkundlich fixirt ist, wird von Friedrich [305] bereits zwei Jahre vorher befolgt. Helmold hat die Nachricht, dass auf dem Merseburger Reichstage Hartwig mit seinem Versuche, eine nochmalige königliche Belehnung anzuregen, durchgefallen ist. Die Autorität Heinrich’s in den Slavenlanden erscheint auf diesem Reichstage bereits so unangezweifelt, dass Vicelin es gar nicht mehr wagt, die königliche Belehnung auch nur zur Sprache zu bringen[128].

Wir besitzen aus der Zeit des Merseburger Reichstages die Urkunde über eine Privilegienbestätigung, in welcher Sven, Knut, Erzbischof Hartwig, Herzog Heinrich, Markgraf Albrecht u. A. neben einander als Zeugen erscheinen. Sven wird bezeichnet, als „König der Dänen, welcher daselbst sein Land aus der Hand des Herrn Königs empfing“. Knut wird bezeichnet als „ein anderer Däne, welcher daselbst das Land in die Hand des Herrn Königs aufgelassen hat“[129]. Die Urkunde stammt also aus dem Stadium der Verhandlungen, in welchem die Anerkennung Sven’s vollendete Thatsache war, während die Abfindung Knut’s noch nicht bestimmt und dieser also nur ohne Titel zu nennen war. Die gemeinsame Mitwirkung Hartwig’s, Heinrich’s und Albrecht’s an einem Acte ist zwar keineswegs ein Beweis für complete Aussöhnung, aber immerhin im Vergleich zum Jahre vorher ein Symptom geschehener Annäherung.

Dass diese Annäherung bei Albrecht in gutem Werden begriffen war, haben wir in der vorangegangenen Untersuchung gezeigt; dass Erzbischof Hartwig noch für Jemanden galt, der auf jeden noch vorhandenen Zwiespalt eine neue Hoffnung baute, geht aus der Darstellung bei Helmold hervor[130].

[306] Wenn Friedrich im März gewählt und diese Reihe von Streitigkeiten im Mai theils erledigt, theils der Erledigung so nahe gebracht ist; wenn durchweg der neue König principiell feste Stellung genommen hat: so folgt daraus einerseits, dass gewisse Abmachungen schon vor der Wahl stipulirt waren, andrerseits dass dieselben nicht in Gestalt abschliessender Vereinbarungen zu denken sind. Der eine der Betheiligten hatte vom König festere, der andere vielleicht losere Zusagen erhalten, noch ein anderer mochte in der Hoffnung auf solche Zusagen oder in Erkenntniss der Unmöglichkeit einer anderen Politik dem gemeinsamen Candidaten der übrigen seine Stimme geben. Als Vertreter dieser drei Arten von Wählern lernen wir hier Heinrich, Albrecht und Hartwig kennen. Dazu stimmt es, dass bei der Krönung, zu welcher Friedrich nur eine auserlesene kleine Anzahl[131] von Fürsten mitnahm, die beiden ersteren neben einander anwesend sind[132].

9. Lernen wir in Sachsen den neu gewählten König in der umfassendsten Stellung kennen, mit dem Herzog im Einverständniss, mit dessen bisherigen Widersachern mehr oder weniger schon in gewinnendem Einvernehmen, so ist Baiern geradezu das einzige Land, in welchem Friedrich während der ersten Jahre seiner Regierung ganz ausschliesslich auf Seiten einer Partei erscheint, ohne die andere gewinnen zu können. Erst im Jahre 1156 ist durch die berühmte Abtrennung Oesterreichs der Babenberger Heinrich so zufriedengestellt worden, dass die förmliche Belehnung Heinrich’s des Löwen mit Baiern erfolgen konnte. Dass aber der Goslarer Rechtsspruch vom Jahre 1154 nicht eine bloss platonische Bedeutung hatte, und dass dieser Standpunkt, Heinrich den Löwen rechtlich als Herzog von Baiern anzuerkennen, für Friedrich schon auf dem Merseburger Tage des Jahres 1152 feststand, ist oben gezeigt[133]. Eben dort sind die chicanösen Einwände des Babenbergers und das schliesslich nothwendig gewordene Contumacialverfahren in dem Processe, welcher sich durch die Jahre 1152–1154 hinzieht, des näheren beleuchtet. [307] Friedrich hat Baiern, so lange es im Besitz des Babenbergers war, gemieden. Und von dem einzigen Hoftage, den er vor dem ersten Termin in der Baierischen Sache Ende Juni 1152 auf Baierischem Boden, in Regensburg, hielt, hat Otto die geheimnissvolle Notiz, dass Friedrich’s Plan einer Ungarischen Expedition an einem Fürstenwiderstande „aus gewissen geheimen Gründen scheiterte“[134].

In dem Babenberger Heinrich, dem Oheim (Halboheim) Friedrich’s, haben wir einen der Reichsfürsten zu sehen, welche von Friedrich nicht gewonnen waren. Zu derselben Zeit, wo für Friedrich die Anerkennung der Slavischen Stellung Heinrich’s des Löwen feststeht, steht für ihn auch schon die rechtliche Anerkennung von dessen Baierischen Ansprüchen fest. Mit Heinrich dem Löwen ist ein Pact geschlossen, das Einverständniss geht über die Leiche des Babenbergers.

10. Am 7. Juni 1153 ist die Absetzung des Erzbischofs Friedrich von Mainz perfect. Sie erfolgte durch zwei zu einer Kirchenvisitation nach Deutschland geschickte Cardinäle in Gegenwart des Kaisers. Ueber das Processverfahren gegen den Erzbischof, der bereits einmal im Jahre 1148 suspendirt gewesen war, ist Zuverlässiges nicht festzustellen, namentlich nicht über die Frage, in wie weit etwa die Processe der Jahre 1148 und 1153 zusammenhängen[135] und welches schliesslich der ausschlaggebende Grund für die Verurtheilung war[136]. Für uns genügt die Thatsache, dass man selbst in den Kreisen Friedrich’s die Absetzung wie die unmittelbar darauf erfolgte Erhebung des königlichen Kanzlers Arnold zum Erzbischof von Mainz für einen persönlichen Act des Königs hielt, welcher die Absetzung „durch die [308] Legaten“ und die Ernennung seines Kanzlers „durch die Wahl seitens einiger dort anwesender Kleriker und Laien aus Mainz“ vorgenommen habe[137]. Das Vorgehen erhält seine Beleuchtung durch eine Randbemerkung der Kölner Königschronik, nach welcher schon in einem frühen Stadium der Verhandlungen über die Königswahl der Erzbischof Heinrich von Mainz mit einer gehässigen Beschuldigung die Wahl von Friedrich abzulenken gesucht habe[138].

Es kann dahin gestellt bleiben, wie viel oder wie wenig auf derartige Randbemerkungen eines unbekannten Urhebers im allgemeinen zu geben sei; in unserem speciellen Falle ist diese lose Notiz glaubwürdig, weil sie nichts sagt, als was wir ohnedies vermuthen müssen: dass Heinrich von Mainz ein alter Feind Friedrich’s war.

Bestätigt wird das dauernd gespannte Verhältniss zwischen Erzbischof und König durch die Thatsache, dass der Erzbischof nie als Besucher am königlichen Hofe erscheint. Die einzige Königsurkunde, in welcher er als anwesend genannt wird, stammt aus einer Zeit, in welcher der königliche Hof nach Mainz gekommen war[139].

[309] Schon Monate lang vor erfolgter Absetzung hat Friedrich den Namen des Erzbischofs als Erzkanzlers aus seinen Urkunden weggelassen[140].

Der Erzbischof von Mainz war die wahlleitende Person. Ob der kanonische Process, in den er einige Jahr vor und wiederum ein Jahr nach der Wahl verwickelt ist, auch zur Zeit der Wahl schwebte, ob derselbe eine Handhabe bot, sich von der Wahlleitung des Erzbischofs zu emancipiren, oder welche Schritte man sonst gethan hat, um einen schädlichen Einfluss seiner Leitung zu beseitigen, – über alles das ist nichts zu ermitteln[141].

[310] 11. Wir sehen also bei Beginn der Wahlverhandlungen zwei Gruppen, eine von Friedrich zusammengebrachte und eine gegnerische. Als die Männer, welche der ersteren den Ausschlag verschafft haben, nennt eine annalistische Notiz[142] die Erzbischöfe Arnold II. von Köln und Hillin von Trier, und Prutz[143] hat bereits darauf aufmerksam gemacht, dass dies durch Friedrich’s eigenes Urtheil bestätigt wird. Die Uebertragung herzoglicher Rechte in Lothringen in weiterem Umfange und die ganze Stellung Arnold’s von Köln liess ihn schon in den ersten Monaten der Regierung deutlich als einen der ersten Vertrauensmänner des Königs erscheinen[144]. Und als in späteren Jahren Friedrich dem Trierer seinen Dank für Dienstleistungen auf der Romfahrt aussprach, hat er nicht unterlassen, hinzuzufügen, „sowie auch vorher und nachher“[145].




Suchen wir nun aus den zusammengestellten Thatsachen und den daran geknüpften Folgerungen ein zusammenhängendes Bild zu gewinnen, so gehen wir davon aus, dass in den letzten Regierungsjahren Konrad’s das treibende Element in der Deutschen Politik das Welfische war. Graf Welf VI., der von dem Kreuzzuge [311] auf eigene Hand heimgekehrt war, nimmt eine selbständige Stellung gegen den König ein. Heinrich der Löwe, als Herzog von Sachsen anerkannt, nennt sich „Herzog von Sachsen und von Baiern“ und geht gegen den König sowohl im Wege gerichtlicher Klage, als auch gleichzeitig an der Spitze eines Heeres vor, um sein Recht auf das zweite Herzogthum geltend zu machen. Schon hat auch Heinrich der Löwe auf einen Anhang unter den Baierischen Fürsten und Magnaten zu rechnen. Aber seine an Stärke zunehmende Stellung fängt bereits an, ihn seinen Sächsischen Nachbarn gefährlich zu machen. Es bildet sich unter den Sächsischen Fürsten eine Oppositionspartei gegen Heinrich den Löwen, welche mit König Konrad gemeinsame Sache macht.

Zu den Verwandten der Welfen, auf welche diese bis zu einem gewissen Grade rechnen konnten, gehörte auch der Herzog Friedrich von Schwaben. Er war ein Neffe des Grafen Welf und ein Vetter Heinrich’s des Löwen. Aber er war ebenso ein Neffe König Konrad’s. Dem entsprechend lernen wir den Herzog Friedrich in diesen Jahren in einer Stellung kennen, in welcher er den Welfen durch Thun oder Lassen Vorschub leistete, ohne es jedoch mit seinem königlichen Oheim zu verderben. Auf dem Boden seines Herzogthums war es, dass im Jahre 1150 Graf Welf seinen Aufruhr mit den Waffen in der Hand begonnen hat, ohne dass er ihm entgegen getreten wäre; zur Abwehr gegen Welf auf Schwäbischem Boden hatte Konrad den dortigen Herzog nicht zur Verfügung, es wird als officieller Führer ein Sohn Konrad’s genannt, der noch ein Knabe war. Ebenfalls auf dem Boden des Schwäbischen Herzogthums war es im Jahre darauf (1151), dass Heinrich der Löwe, den der König hier festgehalten glaubte, entkam, um diesen vor Braunschweig zu überraschen und zu vertreiben. In beiden Fällen erscheint der Herzog von Schwaben zu den Welfen etwa in dem Verhältnisse wohlwollender Neutralität. Unter allen Verwandten der Welfen war er der Geeignetste, wenn es sich um Vermittlung bei dem Könige oder sonst um Verhandlungen handelte. Bei dem Ausgleich mit dem Grafen Welf, der in der Hauptsache dazu führte, dass Konrad den Frieden erkaufte, wird Friedrich ausdrücklich als derjenige genannt, der zwischen seinen beiden Oheimen vermittelte und für Welf die Bürgschaft übernahm. In dem Process um Baiern verfügt Heinrich der Löwe im Fürstengericht über eine Mehrheit, die gross [312] genug ist, solange es sich darum handelt, ihm eine wohlwollende Gerichtsleitung zu sichern, aber allerdings nicht gross genug, um ihm eine Majorität bei der Urtheilsfällung zu sichern; eine Parteibildung, die uns erklärlich wird, wenn wir annehmen, dass der Herzog Friedrich von Schwaben und sein Anhang für das erstere unbedingt, für das letztere aber nicht unbedingt zu haben war.

Als nun Konrad III. starb, war diese Welfische Gruppe einschliesslich ihres Hohenstaufischen Verwandten die einzige grössere Gruppe, die es unter den Fürsten gab. Sie umfasste Graf Welf VI., Heinrich den Löwen als Herzog von Sachsen, ferner dessen Anhang in Baiern, wie die Wittelsbacher, den altbewährten Welfischen Parteigänger Konrad von Dachau, Ottokar von Steiermark, den Schwestersohn Welf’s, wohl auch Andere, wie das den Dachauern verwandte Haus der Grafen von Vallei, die Grafen von Sulzbach u. A. m. Von weiteren Verwandtschaftsverzweigungen, über welche die Welfen verfügten, ist die bedeutendste Heinrich’s schwiegerväterliches Haus, das mächtige Geschlecht der Zähringer; von Friedrich’s Verwandten sein Schwager Herzog Matthäus von Oberlothringen. Friedrich von Schwaben hat die für ihn günstige Position benutzt, um im Besitz der Regalien sofort nach dem Tode seines Oheims Verhandlungen mit den einzelnen Fürsten zu beginnen und mit einer unerhörten Schleunigkeit zu Ende zu führen. Drei geistliche Fürsten werden uns hauptsächlich als diejenigen genannt, deren Vermittlung bei dieser so überaus geschickten diplomatischen Action er sich mit Erfolg bedient hat. Es sind die Erzbischöfe Arnold von Köln, Hillin von Trier und Bischof Eberhard II. von Bamberg. Das Ergebniss seiner diplomatischen Anstrengungen war, dass im Grossen und Ganzen die Sächsischen Gegner Heinrich’s des Löwen für die Gruppe gewonnen wurden: die beiden Markgrafen sicher; in wie weit auch der Erzbischof, ist nicht genau zu sagen.

Als Gegner standen dieser Koalition gegenüber hauptsächlich der in seinem Herzogthum bedrohte Herzog von Baiern, Heinrich Jasomirgott, mit ihm sein weitverzweigtes Babenbergisches Haus und der Erzbischof von Mainz, der in der traditionellen Feindschaft seines Bischofssitzes gegen das Salische und Staufische Blut verharrte; verstärkt wurde dieser Gegensatz noch dadurch, dass der Bischof von Bamberg, der seit einem Menschenalter [313] den Kampf für die Unabhängigkeit seiner Kirche vom Mainzer Erzsprengel durchfocht, ein erklärter Vertrauensmann Friedrich’s war. Zu den Babenbergern kam ferner hinzu ihr ganzer Baierischer Anhang: die von ihnen zu Lehen gehenden Grafen Ostbaierns um Inn, Salzach und Enns (Ortenburg, Reichenhall, Schala, Pütten, Burghausen, Plain)[146], sowie die Markgrafen von Vohburg. (Möglicherweise müssen wir auch zu diesen Gegnern Friedrich’s den Erzbischof Hartwig von Bremen mitrechnen.)

Im Laufe von mehreren Wochen war das ganze System von Verabredungen, Versprechungen oder Verheissungen, welches erforderlich war, um jene grosse Gruppe zusammenzuhalten und noch zu vergrössern, zum Abschluss gebracht. Der Erfolg war, dass Herzog Friedrich von Schwaben über einen so überwältigend grossen Theil der Deutschen Fürsten verfügte, wie seit Menschengedenken nie ein Candidat bei Beginn einer Wahl verfügt hatte. Für einen Augenblick übernahm der Erzbischof von Mainz eine Art Führung der Wahlopposition, fiel aber vollständig damit ab. Ob die Opposition sich schliesslich fügte und dem offenbar siegreichen Candidaten nun ebenfalls ihre Stimme gab, oder ob sie sich vor der formellen Abstimmung entfernte, wissen wir nicht. Die Thatsache aber steht fest, dass das Ergebniss der formellen Abstimmung eine einmüthige Wahl war und dass keine Aufstellung eines Gegenkönigs, keine Versagung der Anerkennung erfolgte; ein Ereigniss, wie es in der ganzen damals lebenden Generation kein Einziger erlebt hatte.

Und nun erfolgte die Ausführung der Verabredungen des Gewählten mit seinen Wählern. Zum Theil handelte es sich hier bloss um die Effectuirung fester Zusagen, zum anderen Theil aber auch um die Durchführung der in Aussicht genommenen Verhandlungen, Abfindungen und Ausgleichungen im einzelnen. Ohne dass wir sagen können, wie viel davon auf die eine oder die andere dieser Kategorien zu rechnen ist, erhalten wir ein ungefähr richtiges Bild der erfolgten Abmachungen an den thatsächlichen Ausführungen, wie sie im Zeitraum etwa eines Jahres (1153–1154) Schlag auf Schlag auf einander folgten.

Den beiden Welfen wurden die weitgehendsten Zugeständnisse gemacht. Graf Welf sollte als Markgraf von Tuscien [314] und Herzog von Spoleto eine massgebende Stellung in Italien erhalten. Heinrich dem Löwen gegenüber verzichtete Friedrich darauf, in dem Processe um Baiern die Rolle des Beklagten zu decken, wie Konrad es gethan hatte. Er stellte ihm den freien Rechtsgang gegen den Babenberger zur Verfügung. Heinrich der Löwe erhielt zu dem Herzogthum Sachsen auch das Baierische. Gegen Anerkennung des neuen Zustandes erhielt (später) der Babenberger eine Abfindung (in seinem privilegirten Herzogthum Oesterreich). Heinrich’s Stellung in den Slavenländern wurde im status quo anerkannt, d. h. das bereits thatsächlich von ihm geübte Recht der Bischofsinvestitur wurde von Friedrich sanctionirt, wogegen Heinrich ausdrücklich anerkannte, dass er dieses Recht nur im Namen des Königs übe. Zwischen Heinrich dem Löwen und seinen Sächsischen Gegnern wurde ein vollkommener Ausgleich erzielt. In den beiden Erbschaftsstreitigkeiten mit Albrecht von Brandenburg wurde jedem der streitenden Theile eine Erbschaft zugesprochen, wogegen er auf die andere verzichtete. In dem Dänischen Thronstreit liess Heinrich der Löwe seinen Prätendenten, der sich ohnedies nicht gehalten hatte, fallen, während der siegreiche Prätendent von der Partei Hartwig’s von Bremen die förmliche Belehnung durch Friedrich erhielt. Dem Zähringer wurde Burgund nicht nur bestätigt, sondern Friedrich verpflichtete sich auch, es ihm zu verschaffen, wogegen jener erhöhte Hilfeleistung auf der Romfahrt zusagte. Die Baierischen Anhänger Heinrich’s des Löwen erhielten Beweise königlicher Gnade. So wurde Graf Konrad von Dachau zum Herzog von Kroatien und Dalmatien (Meranien) ernannt, Otto von Wittelsbach und Ottokar von Steiermark kamen wenigstens in nahe und häufige Beziehungen zum Hofe. Die Bischöfe, welche um das Zustandekommen der Wahl sich besondere Verdienste erworben hatten (Arnold von Köln, Hillin von Trier, Eberhard II. von Bamberg), erhielten durchweg Belohnungen in Land; aus ihnen entnahm der König seine Vertrauensmänner, wie denn dem Trierer und dem Bamberger die erste Gesandtschaft an den Papst aufgetragen wurde. In Fühlung mit den massgebenden Kreisen des Deutschen Episkopats erlangte Friedrich auch Zugeständnisse von Seiten des Oberhauptes der Kirche. Das Haupt der Opposition, der Erzbischof Heinrich von Mainz wurde seines Amtes entsetzt, und Friedrich’s Ehe mit Adele aus jenem Hause der Vohburger, [315] welche wir zur Babenbergischen Partei zu rechnen haben, wurde gelöst.

Ueberblicken wir das ganze System dieser Verträge, so läuft es im wesentlichen darauf hinaus, dass der neue König die Bedeutendsten seiner Gruppe in massgebenden Stellungen anerkennt oder sie in solche bringt: Berthold von Zähringen in Burgund, Welf in Italien und vor allem Heinrich den Löwen in Deutschland. Die Gegner werden entweder beseitigt, wie Heinrich von Mainz, oder sie werden durch Zugeständnisse gewonnen. Manche fügten sich vielleicht von vornherein schon vor der Wahl (wie Hartwig von Bremen?), Andere bleiben obstinat, werden aber schliesslich auch durch Zugeständnisse gewonnen (wie Heinrich Jasomirgott). Der neue König enthält sich im ganzen einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten der einzelnen Länder und erreicht dadurch die allgemeine Anerkennung seines Königthums. Was ihm für dieses bleibt, ist einmal eine gewisse Oberleitung, namentlich bei ausbrechenden Streitigkeiten unter den Einzelnen, und sodann die auswärtige Politik; für beides hält Friedrich, bei weitgehendster Nachgiebigkeit auf allen anderen Gebieten, mit unbedingter Festigkeit an den königlichen Rechten in Betreff der Bischofsernennung fest. Soweit dieses Anerkennungsrecht dem Königthum bereits entglitten ist, fügt er sich. An den Aussenrändern des Reiches im äussersten Nordosten, im Slavenlande, lässt er es Heinrich dem Löwen und im äussersten Südwesten, in Burgund, dem Zähringer innerhalb der Grenzen, in denen es zu einem jus quaesitum geworden ist. An der nordwestlichen Grenze, wo die Grafen von Flandern ein ähnliches Recht über das Bisthum Cambrai erworben zu haben scheinen, war Friedrich bereit, die vollendete Thatsache anzuerkennen; als sich aber schliesslich herausstellte, dass der Anspruch nicht zu Recht bestand, hat er das Privileg zurückgenommen. In dem eigentlichen Deutschen Reiche ist die Linie, hinter welche er sich unter keinen Umständen zurückdrängen lässt, das Wormser Concordat.

Die vorstehende Darstellung kann für sich nicht den Werth eines im einzelnen genauen Abbildes der thatsächlichen Vorgänge in Anspruch nehmen. Immerhin ist aber in dieser Zeichnung die Anzahl der feststehenden Linien doch zu gross, als dass wir an der Richtigkeit des Bildes im Grossen und Ganzen zu zweifeln [316] Anlass hätten. Und jedenfalls steht das Bild, wie wir es hier entworfen haben, der historischen Wahrheit näher, als die übliche Art der Darstellung, in welcher die über Deutschland kommende Eintracht wie ein Deus ex machina auf die Bühne tritt.

Nur mit Hilfe dieses allgemeinen Bildes vermögen wir auch die grosse Umwandlung, welche sich in so kurzer Zeit vollzogen hat, an den Beispielen einzelner Personen uns klar zu machen. Der auffallendste Unterschied in der Gruppirung der Wähler im Jahre 1152 im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Wahlen besteht in der veränderten Stellung des Deutschen Episkopats. Sowohl bei der Wahl des Jahres 1125, als auch bei der des Jahres 1137 war das eigentlich massgebende Element der Römisch gesinnte Episkopat gewesen, jene Richtung, welche damals in der gesammten Europäischen Cultur die bedeutendste war und als deren Heros man mit vollem Recht den heiligen Bernhard betrachtet; die Laienfürsten, welche mit dieser Richtung zu gehen verstanden, gelangten zu Einfluss.

Diese ganze Richtung war nun mit einem Schlage bei Seite geschoben, indem es Friedrich gelang, zu der ohnedies schon grossen Gruppe seiner Welfischen Verwandten auch noch die Sächsischen Gegner des Welfen hinzuzubringen und so eine Gruppe von Laienfürsten in einer Grösse zu schaffen, wie sie seit Menschengedenken in Deutschland nicht vorgekommen war. Jetzt lag das Verhältniss umgekehrt: von dem Episkopat konnten diejenigen zu Einfluss gelangen, welche sich dieser Gruppe anschlossen. – Ermöglicht wurde diese Umwandlung freilich nur dadurch, dass die Richtung Bernhard’s von Clairvaux, namentlich in Folge des gewaltigen Misserfolges im zweiten Kreuzzuge, in ganz Europa auch in den kirchlichsten Kreisen ohnedies im Niedergange war. Der Mann, der einst bei allen Europäischen Angelegenheiten seine Hand im Spiele hatte, sass jetzt, von einer neuen Richtung überholt und einflusslos geworden, hinter den Mauern seines Klosters. Die Wahl des Jahres 1152 war nicht sowohl eine Niederlage seiner Richtung, als die endgültige Constatirung dieser Niederlage.

Es ist kein Zufall, dass die grosse Mehrzahl der Bischöfe, deren Friedrich I. sich bedient hat, verhältnissmässig neu ernannt waren; theils solche, welche Konrad III. nach seiner Rückkehr vom Kreuzzuge, d. h. also in der Zeit nach dem Umschwunge [317] der Europäischen Stimmung auf bischöfliche Stühle gebracht, theils solche, welche Friedrich I. gleich in dem ersten Jahre seiner Regierung selbst ernannte. Aber auch von den älteren Mitgliedern des hohen Klerus sind viele mitgegangen. Und hier haben wir die Möglichkeit, die Umwandlung ihrer Anschauungen und ihrer Stellung an zwei Beispielen genauer zu verfolgen.

Das erste und berühmteste dieser Beispiele ist die weitgehende innere Umwandlung, welche in jenen Jahren mit dem Bischof Otto von Freising vor sich geht. Unter der Regierung Konrad’s III. hat Otto seine grosse Weltchronik verfasst, welche erfüllt ist von dem Gedanken, dass die irdischen Staaten seiner Zeit sich im tiefsten Verfall befänden, und dass die einzige Hoffnung des Menschengeschlechts auf der grossen kirchlichen Organisation beruhe. Er schildert den Niedergang des Kaiserthums in den letzten Generationen und ist überzeugt davon, dass das Ende der Welt nahe bevorstehe. Seine damalige Stimmung hat er selbst als Ueberdruss am Leben bezeichnet. In den Jahren, wo dann unter dem Eindrucke der thatsächlichen Misserfolge der Kirche die Europäische Stimmung von der kirchlichen Leitung der allgemeinen Angelegenheiten sich abwendet, empfindet Otto gemeinsam mit seiner ganzen Generation den grossen Mangel einer starken Regierungsgewalt in Deutschland. In dem Augenblick, in welchem sich ihm die Möglichkeit eröffnet, in Deutschland eine Regierungsgewalt zu errichten, welche wirklich dem vorhandenen staatlichen Verfall ein Ende bereiten könnte, tritt er auf die Seite des Mannes, dem er diese Erfolge zutraut. Otto von Freising ist der einzige Babenberger, der sofort und dauernd auf die Seite Friedrich’s tritt, während sein ganzes Haus sich entweder von der Erhebung oder doch von dem Erhobenen fern hält. Und einige Jahre darauf hat Otto dann in seinem zweiten Geschichtswerk die Erfolge dieser neuen Politik verkündet und offen bekannt, dass er von einer finsteren zu einer heiteren Lebensauffassung durchgedrungen sei.

Otto ist eine tief philosophisch angelegte Natur. Es ist neuerdings mit Recht betont worden, dass seine Augustinische Weltanschauung ihn bis zu seinem Lebensende nicht verlassen hat. Er hat nur den mit einander ringenden Elementen in seinem Ideenkreise eine gänzlich veränderte Stellung gegeben. [318] Es liegt in der Umwandlung seiner Anschauungen an der Hand neuer Thatsachen und im Hinblick auf neu auftretende Persönlichkeiten etwas Edles und Erhabenes.

Aber neben diesem hohen Charakter hat es auch Andere gegeben, bei denen der Umschwung in gewöhnlicherer Weise sich vollzogen hat, wie denn bei jeder grossen Umwandlung der Parteien der geschaffenen oder der werdenden Mehrheit sich das Gros der Leute anschliesst, die mit dem Strome schwimmen. Ein bezeichnendes Beispiel dieser Art Leute bietet uns der Abt Wibald von Stablo.

Wibald war das rechte Urbild des Deutschen Klerikers im Zeitalter des h. Bernhard gewesen. In erster Linie Kleriker und erst in zweiter Reichsfürst, betrachtete er die Stellung, die er im Reichsleben einnahm, im wesentlichen unter dem Gesichtspunkte der Kirche. Ist er am Hofe, so erscheint ihm seine Stellung als eine Art Aufpasser- oder Botschafterposten im Interesse des Papstes[147]. Als Konrad zurückkehrte, glaubte er an ihm Allüren von Selbständigkeit zu bemerken und macht darauf aufmerksam, dass man dies nicht etwa auf das Bündniss mit dem Griechen zu schieben habe, sondern dass das Beispiel der Griechischen Kaiser mit ihrer Ueberhebung und ihrer Unbotmässigkeit „den Mann“ angesteckt habe. Er rühmt sich, Konrad wieder demüthig und gehorsam gemacht und Leuten, die nach einer anderen Richtung hin zogen, die Stange gehalten zu haben[148]. Da Konrad der kirchliche König war und blieb, so war Wibald unter den Gegnern der Welfen. In jenem Kampfe gegen Welf gehörte er zu der unterlegenen Minderheit, ja er hatte persönlich das schärfste Vorgehen befürwortet[149]. Bei Konrad’s Tode war Wibald auf der Rückreise aus Italien begriffen. Von der Todesnachricht wurde er in Speier überrascht in einer Zeit, als Friedrich I. seine Verhandlungen schon in die Hand genommen hatte. Wie Wibald sich damals zur Wahl stellte, wissen wir nicht. Ob er die Situation sofort überblickte, und ob vielleicht hiermit seine spätere Andeutung[150] zusammenhängt, dass [319] er es gewesen, der dem Kölner eine Art Leitung in die Hand spielte, oder ob er sich vielleicht noch eine Weile sträubte, mit anderen Worten, ob er sich schon der werdenden oder erst der gewordenen Mehrheit anschloss, vermögen wir nicht zu sagen. Jedenfalls hat er dem neuen Herrn sich frühzeitig genug zugesellt, um sich werthvoll zu machen. Auch er gehörte zu der kleinen Schaar, die zur Krönung mitgenommen wurde. Noch von dem Krönungsaufenthalt in Aachen datirt die Privilegienbestätigung[151] für ihn. In seinem späteren Briefwechsel spielen nach wie vor die kläglichen Beschwerden über jedes ihm widerfahrene Unrecht dieselbe Rolle[152]. Die hierfür höchst werthvolle Stellung in der Umgebung des Königs erhält er sich, indem er den neuen Curs ohne weiteres mitmacht. Die diplomatische Note, in welcher Friedrich I. dem Papst seine Thronbesteigung anzeigt, ist von ihm verfasst. Es ist ihm sehr zum Bewusstsein gekommen, dass sie von jener Demuth und Botmässigkeit, die er früher an einem König im Verkehr mit Rom für so nothwendig erklärt hatte, nichts enthielt. Aber ohne dass er irgend etwas von einem Gesinnungswechsel sich oder Anderen gegenüber erwähnt, motivirt er die Fassung des Briefes mit einem Kanzleigebrauch, der auf die Zeiten Heinrich’s IV.(!) zurückgehe[153] und beruhigt den Ueberbringer des Briefes, von dem er Widerspruch [320] befürchtet, damit, dass andere Europäische Könige noch eine ganz andere Sprache redeten. – Dass seine Stellung nicht mehr die alte ist, fühlt er in einer Beziehung: das vordringende Element sind die Laienfürsten geworden (neben denen er sich zu halten suchen muss). Aber der neue König ist ein Mann, der gegen gute Dienste nicht undankbar ist, und darauf beruht seine Hoffnung und seine Sicherheit[154].

Der Streit um die Besetzung des Erzbisthums Magdeburg war die erste Probe auf den Werth der neuen Gruppirung. In diesem Streit haben die massgebenden Spitzen des Deutschen Episkopats auf Seiten des Deutschen Königs gegen den Römischen Papst gestanden. Wenn wir hier neben den Bischöfen jüngerer Generation auch Otto von Freising und Wibald von Stablo finden, so sehen wir, wie in diesem Zeitalter die verschiedensten Persönlichkeiten im Klerus zu dem gleichen Umwandlungsprocess gelangten[155].


Ergebniss.

Die Analyse der älteren Welfenprocesse hat zu einem Ergebniss geführt, welches von den bisherigen Darstellungen wesentlich abweicht. Macht man sich von dem Vorurtheil los, dass die „sententia nulla“ eine Eigenthümlichkeit des Römischen Rechts sei, bedenkt man, dass jedes Rechtssystem Nullität des Verfahrens innerhalb irgendwelcher Grenzen kennen muss, so ergiebt sich [321] die correct juristische Form, in welcher man in Sachsen die Aechtung Heinrich’s des Stolzen aufnahm: man focht sie nicht an, sondern man ignorirte sie. Diese Auffassung des Processes von 1138 giebt erst die Möglichkeit, das Klagefundament des Processes, den Heinrich der Löwe später um Baiern geführt hat, zu verstehen. Klagefundament in diesem Processe ist das Erbrecht auf Baiern unter consequenter Ignorirung der geschehenen Aechtung und des damit verbundenen Lehensverlustes. Für den zunächst Beklagten, den von Konrad zum Baiernherzog ernannten Heinrich von Oesterreich, tritt dessen Gewährsmann König Konrad selbst als Antworter ein und übernimmt die Rolle des Beklagten. Mit dessen Tode und dem Regierungsantritt Friedrich Barbarossa’s schwebt der Process wieder zwischen Heinrich (dem Löwen) von Sachsen und Heinrich (Jasomirgott) von Oesterreich. König Friedrich functionirt als Gerichtshalter und zuletzt als gekorener Schiedsrichter. Jede Phase des Processes, jede einzelne Processhandlung ist juristisch klar und durchsichtig. Weit entfernt davon, das Bild unsteten Hin- und Herverhandelns zu bieten, wie es aus den heutigen Darstellungen bei allen ihren Abweichungen übereinstimmend hervortritt, ist dieser achtjährige Process vielmehr eines der bestüberlieferten Beispiele correcten Processverfahrens nach älterem Deutschen Recht. – Zwischen diesen beiden Processen liegt die Erledigung der Streitigkeiten Heinrich’s des Löwen mit Albrecht von Brandenburg. Auch dieser Ausgleich erscheint als eine correct und glatt geführte Verhandlung des jungen Königs.

Die Klarstellung dieser Processe lässt nun auch einen Rückschluss auf die politischen Verhältnisse zu, unter denen sie geführt wurden. In den verschiedenen Stadien des langwierigen Processes um Baiern lernen wir die Gruppen am Hofe kennen. Die treibende Kraft in der letzten Zeit Konrad’s III. ist die Welfische Gruppe: der alte Welf und seine beiden Neffen, Heinrich der Löwe und Friedrich Barbarossa. Den Kern der Gegengruppe bilden Heinrich Jasomirgott von Oesterreich und die Sächsischen Gegner Heinrich’s des Löwen. Der natürliche Throncandidat der Welfischen Gruppe ist dasjenige Mitglied derselben, welches der männlichen Abstammung nach Hohenstaufe ist: Friedrich Barbarossa. Indem es demselben gelingt, auch die Sächsischen Gegner des Welfen zu seiner Gruppe herüberzuziehen, [322] schafft er eine so umfassende Coalition, dass seine Wahl ohne Weiteres von statten geht. Nicht darin lag der diplomatische Erfolg Friedrich Barbarossa’s, dass er Welfen und Hohenstaufen miteinander versöhnte (die Elemente zu dieser Koalition fand vielmehr der gemeinschaftliche Verwandte beider Häuser schon vor, als die Thronfolgefrage auftauchte), sondern darin, dass es ihm gelang, zu dieser Gruppe auch noch die Sächsischen Gegner des Welfen herüberzuziehen. Ein Vermächtniss Konrad’s III. hat nicht bloss nicht in der Geschichte, sondern auch nicht einmal in der älteren Tradition eine Rolle gespielt.

Der an der Spitze einer grossen, umfassenden Fürstencoalition auf den Thron gelangte junge König führt den am Hofgericht schwebenden Process gegen das Oberhaupt der gegnerischen Gruppe, gegen Heinrich Jasomirgott, mit einer geradezu musterhaften juristischen Correctheit und mit dem ganzen Masse von Langmuth, das der ältere Deutsche Rechtsgang erforderte. Heinrich den Löwen und seine Sächsischen Gegner söhnt er als gemeinsamer Vertrauensmann aus.

Giesebrecht hat das erste Capitel seiner einschlägigen Darstellung überschrieben: „Friedrich’s I. mühselige Anfänge“. Die trübe Beleuchtung dieser Anfänge ist im Wesentlichen bedingt durch die blutigen Unterbrechungen von Friedrich’s Eingreifen in den Streit zwischen Heinrich und Albrecht, sowie durch die Ziellosigkeit der ersten Unterhandlungen in dem Process um Baiern. Beide Punkte verschwinden und mit ihnen das Bild, das man sich nach Giesebrecht von dem ersten Auftreten Friedrich’s machen musste. An dessen Stelle tritt das Bild jenes Friedrich, wie ihn Geschichte und Tradition kennen: die Gestalt eines Diplomaten von zielbewusster und gewinnender Liebenswürdigkeit, eines kundigen und geschickten Richters, der auf die peinlichste Wahrung der Rechtsformen das grösste Gewicht legt, um das so erworbene Vertrauen im rechten Augenblick dazu zu benutzen, eine autoritative Entscheidung durch einen nicht minder autoritativen Schiedsspruch entbehrlich zu machen. Friedrich selbst hat sich mit Stolz den „Friedreichen“, den Friedestifter genannt.



Anmerkungen

  1. Skedl, Die Nichtigkeitsbeschwerde in ihrer geschichtlichen Entwicklung, eine civilprocessuale Abhandlung, Leipzig 1886. S. 1. 59.
  2. Konrad III., Leipzig 1883. S. 40–81.
  3. Die Tage von Augsburg und Würzburg müssen zwischen dem Regensburger Tage vom 29. Juni und dem Aufenthalt Konrad’s in Quedlinburg am 26. Juli (Stumpf Nr. 3380) liegen, also der Augsburger in der ersten Hälfte des Juli und der Würzburger unmittelbar darauf.
  4. Die Ansichten schwanken vom Anfang des Jahres bis zum Juli (Bernhardi S. 8112).
  5. Ann. Patherbr. (Ann. Col. maximi) ad a. 1138 – – – Tunc Bernhardus de Pluozeke, cognatus imperatricis, licet sero poenitentia ductus, tandem post subversionem urbis et distractionem facultatum suarum domnam imperatricem adiit, pro admissa infidelitate veniam petiit et impetravit (Scheffer-Boichorst, Ann. Path., Innsbruck 1870, S. 162).
  6. Vgl. Bernhardi S. 11836.
  7. Ann. Palid. ad a. 1140 (Mon. Germ. SS. 16, 80) – – – Adelbertus marchio cum pro conservando ducatu molimina sua cerneret ubique cassari, quin etiam cedes et depredationes in populo grassari, ut prudens ab incepto destitit et sollerti cura quosque principum Saxonie conveniens, oportuna satisfactione quo repatriaret, exegit.
  8. – – – unde irwarf wider de herren van Sassen, dat he wider to lande quam, unde lovede beterunge. (Sächs. Weltchr. c. 277, M. G. Chr. 2, 211.) „beterunge“ ist Uebersetzung von satisfactio. Ich weiss nicht, was Bernhardi (S. 23527) auf den Gedanken bringt, umgekehrt die satisfactio auf eine ihm zu leistende Genugthuung zu beziehen.
  9. Es kann hierbei vollkommen dahingestellt bleiben, ob Welf das Erbrecht für sich oder für seinen Neffen beansprucht; auch wenn letzteres der Fall war, konnte nach deutscher Auffassung vom Rechte der Vormundschaft sehr wohl gesagt werden: „Guelfo prefatum ducatum iure hereditatis ad se spectare proclamans.“
  10. Otto Fris. Chron. VII, 26.
  11. Bernhardi S. 3138.
  12. Bernhardi S. 27842.
  13. Bernhardi S. 3138.
  14. Hierüber siehe unten (im nächsten Heft).
  15. R. Wilmans im Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, Bd. 11 (1858) S. 35.
  16. Franklin, Reichshofgericht 2, S. 159.
  17. Vgl. unten.
  18. Der einzige, auf den man sich gewöhnlich beruft, Helmold, sagt dies nicht; schon deswegen nicht, weil er die Aechtung überhaupt nicht berichtet. Helmold hat die Vorstellung, dass sofort beim Tode Lothar’s neben Heinrich dem Stolzen, dem Lothar das Herzogthum Sachsen „gegeben“ hatte („dedit“ I, 54 in.), auch Albrecht als Prätendent aufgetreten sei. Nachdem Konrad gewählt ist, will er Albrecht im Herzogthum halten und führt zu dessen Gunsten an, es sei nicht recht, dass ein Fürst zwei Herzogthümer habe; Heinrich nämlich „beanspruchte“ (sibi vendicabat) die zweifache Herzogswürde. Mehr als einen solchen Billigkeitsgrund referirt nicht einmal Helmold. Uebrigens ist in seiner Erzählung der Kampf Heinrich’s gegen Albrecht die Hauptsache, der Kampf Heinrich’s gegen den Kaiser ein Ereigniss, das ohne Motivirung eingeführt und nur deswegen erwähnt wird, weil Heinrich in diesem Kampfe seinen Tod fand. Für Helmold ist Heinrich der Stolze (oder wie er ihn noch, der späteren Unterscheidung zwischen Vater und Sohn unkundig, nennt: der Löwe) Herzog von Sachsen; er weiss wohl, dass König Konrad sich einmal gegen die Cumulirung ausgesprochen habe, aber nichts von einem Urtheilsspruch: auf den Vater folgt der Sohn, als ob nichts vorgefallen wäre. (Helmold I, 54: „Statim enim, ut corpus defuncti cesaris [Lotharii] perlatum est in Saxoniam et Lutture tumulatum, orte sunt seditiones inter Heinricum, regis generum, et Adalbertum marchionem, contendentium propter ducatum Saxonie. Conradus autem rex in solium regni levatus, Adalbertum in ducatu firmare nisus est, iniustum esse perhibens, quemquam principum duos tenere ducatus. Nam Heinricus duplicem sibi vendicabat principatum, Bawarie atque Saxonie. Bellabant igitur hii duo principes, duarum sororum filii, intestinis preliis, et commota est universa Saxonia – – –“. I, 56: „Postquam igitur Heinricus, gener Lotharii regis, auxilio socrus Rikenze imperatricis ducatum obtinuit et nepotem suum Adalbertum Saxonia deturbavit, Adolfus comes rediit in cometiam suam. – – – Post hec Heinricus Leo [= Superbus] cepit armari adversus Conradum regem, duxitque contra eum exercitum in Thuringiam, ad locum, qui dicitur Cruceburg. Bello itaque per inducias protracto, dux rediit in Saxoniam et post non multos dies mortuus est. Obtinuitque filius eius Heinricus Leo ducatum Saxonie, puer adhuc infantulus.“)
  19. Bernhardi S. 5514.
  20. Dahin könnte die Plötzlichkeit seines Aufbruchs von Augsburg gedeutet werden.
  21. Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6 S. 554.
  22. Bernhardi S. 55.
  23. Alles dies läuft darauf hinaus, über der juristischen Bedeutung des Wortes „Nullität“ nicht die eigentliche Bedeutung des Wortes „nulla“ zu vergessen. Dass da, wo es kein Erkenntniss gibt, sententia nulla im letzteren Sinne vorliegt, ist nicht wohl zu bestreiten. Allein diesen Unterschied betonen zu wollen, heisst das Sachverhältniss verdunkeln. Auch der römische Ausdruck „sententiam esse nullam“ hat ursprünglich keine andere Bedeutung gehabt als „sententiam non esse“ und erst sehr spät statt der Bedeutung des „Nichts“ die der „Nichtigkeit“ in sich aufgenommen.
  24. Wib. ep. Nr. 372 (Jaffé, Bibl. 1, 499).
  25. Ib. Nr. 375 (S. 503).
  26. Ib. Nr. 382 (S. 513).
  27. Ubi cum de eligendo principe primates consultarent – nam id iuris Romani imperii apex, videlicet non per sanguinis propaginem descendere, sed per principum electionem reges creare, sibi tamquam ex singulari vendicat prerogativa –, tandem ab omnibus Fridericus Suevorum dux, Friderici ducis filius, petitur cunctorumque favore in regem sublimatur. (Otto Fris., Gesta Frid. II, 1.)
  28. Huius consultationis summa in illamque personam tam unanimis assensus ratio haec, ut recolo, fuit. (Ib. II, 2).
  29. Ita non regis Conradi zelo, sed universitatis, ut dictum est, boni intuitu hunc Fridericum eius filio item Friderico adhuc parvulo preponere maluerunt. Hac consideratione et ordine electio Friderici celebrata est.
  30. Wattenbach II5, S. 256.

    Hanc ipsum voluisse suis succedere regnis
    Et patruum res ipsa probat, cui sanguine juncto
    Ac velut haeredi moriens insignia nuper
    Regia, vel parvâ sperans de prole, reliquit
    Quippe Deus si regna diu voluisset in illâ
    Stare domo, prolem potuit servasse priorem,
    Quae jam suscepto consorti foedere regno,
    Flebilis indignâ praecessit morte parentem.
    Nunc quoniam fatis e fratribus alter iniquis
    Occidit, et casu regnum fraudavit acerbo,
    Alter adhuc teneris puer est male firmus in annis:
    Quis melius patruo (faveat modo vestra voluntas)
    Succedat quam quem studiis et carne propinquum
    Ipse sibi haeredem quasi designasse videtur?
    Noverat ille quidem generosae robora mentis
    Noverat atque ideo regnum quantum esset in ipso
    Tradidit, et nato voluit praeferre nepotem.
    Nec alienus erit: nulla hîc translatio regni,
    Nulla sub ignoti redigemur jura tyranni.

    (Gunther Ligurinus s. de rebus gestis Friderici I Aug. libri decem; ed. Dümge [Heidelberg 1812] lib. I, v. 316 ff.)

  31. Rex Cuonradus apud Babinberg infirmitate decubans et diem mortis sibi adesse sentiens, duci Friderico, filio fratris sui, regalia tradidit, filium suum Fridericum adhuc parvulum commendavit, et ut pro regno sibi acquirendo principibus loqueretur suasit. (Ann. Col. max. I u. II a. 1152, M. G. SS. 17, 764.)
  32. „Pro regno sibi adquirendo“ ist philologisch nach dem Sprachgebrauche der Zeit zweideutig. Die Deutung auf den Neffen ist nur deswegen geboten, weil dieser Chronik nicht die Absicht zuzutrauen ist, dass sie etwas dem Staufischen Kaiser Ungünstiges sagen wollte. – Ferner ist der Ausdruck „regnum adquirere“ immerhin noch allgemein. Wenngleich es das Natürliche ist, ihn von der Thronfolge zu eigenem Recht zu verstehen, so legt er doch immerhin dem sterbenden Konrad noch nicht eine Erklärung in den Mund, welche eine Regierungsfolge des Neffen als Vormundes für den Sohn geradezu und unbedingt ausschlösse.
  33. Chronicon Ursperg. (M. G. SS. 23, 344) übernimmt die Historia Welforum, ändert aber den Sinn durch die (gesperrt gedruckten) Zusätze: „Rex ergo accepto consilio Welfoni aliquos redditus de fisco regni cum villa Merdingen concessit, ac sic firmata pace ipse rex, relicto filio parvulo Friderico, in brevi post vita decessit ac in monasterio Loracensi est sepultus et Friderico fratueli suo sedem regni reliquit, statuens cum eodem, ut filio suo, cum ad annos perveniret, ducatum Sueviae concederet“. – Erst durch den Zusatz „statuens“ erhält das reliquit seine zweifellose Bedeutung. – Aus unbekannter Quelle ist die spätere Erzählung des Urspergers (a. a. 1152, S. 345): Anno Domini 1152, ab Urbe condita 1905. Fridericus, huius nominis primus, 91. loco ab Augusto regnum accepit, magis ex delegatione patrui sui, quam ex electione principum – – – Huic imperium cessit, eo quod prefatus Welf, avunculus eius, et alii principes Alamannie proxima linea consanguinitatis eum attingerent. Et ideo, quod cum ex nominis sui interpretatione pacis dives vocitaretur, inter principes Alamannie studuit pacem potissimum reformare, ut ad expugnandas maxime Italicarum gentium virtutes bellicas posset efficacius insistere.
  34. Otto Fris.
         
    Chron. Ursp.
         Ita non regis Conradi zelo, sed universitatis – – – boni intuitu hunc Fridericum – – – preponere maluerunt.      – – – regnum accepit, magis ex delegatione patrui sui, quam ex electione principum – – –
  35. Das Originalwerk des Cinnamus, wovon uns nur ein Auszug erhalten ist, wird in die Zeit zwischen 1180 und 1183 gesetzt (Krumbacher, Byz. Literatur, S. 83).
  36. Cinnamus I, 20. Κορράδος δὲ εἰς τὴν πατρίδα παλινοστήσας, ὀλίγον ἐπιβιοὺς ἐτελεύτησεν – – – μεθ᾽ ὃν Φρεδερίκος τὴν ἀρχὴν ἔσχεν (folgt eine Erzählung über die Erbfolge nach den Saliern und ein angebliches Versprechen Lothar’s an die Hohenstaufen) – – – Ἐπειδὴ γοῦν ὀλίγῳ ὕστερον ἀπεβίω [Lothar], τοῦ κλήρου ἐπὶ τὸν πρεσβύτατον τῶν ἀδελφῶν πίπτοντος, λέγω δὲ τὸν Φρεδερίκου πατέρα, αὐτὸς τὸν ἕνα πεπηρωμένος τοῖν ὀφθαλμοῖν Κορράδον τὸν ἀδελφὸν ἀνθ᾽ ἑαυτοῦ ἑίλετο, ὅρκοις ὁμολογήσαντα πρότερον ἐς Φρεδερίκον τὸν υἱέα τὴν ἀρχὴν, ἐπειδὰν θνήσκοι, διαβιβάσαι. Διὸ Κορράδος τελευτῶν, ὥσπερ ἔφην, Φρεδερίκῳ τὸ στέμμα περιετίθει. – Die Erzählung ist in der Hauptsache beherrscht von der Byzantinischen Vorstellung eines Erbrechts, an dessen Stelle bestimmte Verabredungen treten können. Für die Tradition in Deutschland beweist Cinnamus nichts. – Für die Geschichte derselben das Schreiben zu verwerthen, welches Kaiser Friedrich in Sachen der Alliance gegen Roger an Kaiser Manuel gerichtet hat, ist ebenfalls nicht möglich, weil die Schreiben nach Byzanz durchweg in andern als sachentsprechenden Ausdrücken abgefasst sind. Um die Gleichberechtigung gegenüber Byzanz zu wahren, wird Konrad von seinem Nachfolger ebenso als „imperator“ bezeichnet, wie er sich selbst im Verkehr mit Byzanz diesen Titel beigelegt hatte. Ferner nennt ihn Friedrich „inclitus triumphator“. Und auf derselben Stufe steht es, wenn Friedrich dem Byzantiner sich als der von Konrad ernannte (declarasset) Nachfolger vorstellt. Eine ernste Kritik als terminus technicus verträgt der Ausdruck in keinem Falle. Denn mag Konrad ihn zum Fortsetzer seiner Regierungsthätigkeit als Vormund oder als König empfohlen haben, mehr als eine Empfehlung war es in keinem Falle. Was Friedrich an dieser Stelle sagen will, ist nur das Eine, dass er Byzanz gegenüber der zweifellose Rechtsnachfolger des Bundesgenossen sei; und hierfür bedient er sich des Ausdruckes, der nach Byzantinischen Verhältnissen es am anschaulichsten bezeichnet. Der Vertrag war ausdrücklich mit Verbindlichkeit für die beiderseitigen Nachfolger abgeschlossen; zufällig hatte ihn Friedrich als Begleiter Konrad’s mit beschworen (Cinnamus II, 19, S. 87: dazu Bernhardi, Konrad S. 681). Möglicherweise liegt hierin der Schlüssel dazu, wieso den Byzantinern Friedrich als der erklärte Thronfolger erschien und erscheinen wollte. Nur insofern kann dieser Brief in Betracht kommen, als er uns zeigt, aus welchen Anlässen die Staufische Tradition sich allmählich bilden und erweitern konnte. Die Stelle lautet: Siquidem beatae ac semper recolendae memoriae predecessor ao patruus noster, inclitus triumphator, sanctissimus videlicet imperator Conradus, moriens, cum nos declarasset imperii sui successores, inter precipua pie ac paterne ammonitionis documenta instanter nos hortatus est: ut amicitiam tuam fideliter amplecteremur et fraternitatis vinculum inter nos indissolubili vinculo necteremus, quatenus imperia nostra per dilectionem unum fierent et utrique idem amicus idemque hostis existeret. Inde est, quod nos, ammonitionem eius effectu prosequente complere maturantes, et etiam voluntati tuae, quam ex litteris tuis persensimus, ad confirmandam inter nos amicitiam fraterna benignitate occurrsitantes, ad augmentum firmioris concordiae et incrementum utriusque imperii thalamum nobis de aula imperii tui preparari et de sanguine tuo uxorem ducere Deo annuente desideramus (Jaffé, Bibl. 1, 549).
  37. Hierüber vgl. unten (im nächsten Heft).
  38. (Conradus, Damascum capere non valens) – – – tandem ad propria est reversus, annoque Domini 1150 debitum carnis persolvit. Qui cum filium suum, puerum adhuc, regem futurum, et insignia imperalia domni Friderici, ducis Suevie, qui proximus eius heres fuit, fidei commendasset, defuncto ipso puero, idem Fridericus dux in regem est elevatus (Geste ep. Halberstadt.: Mon. Germ. SS. 23, 107).
  39. Bernhardi, Konrad S. 85236.
  40. Chronica Albrici monachi trium fontium a. a. 1152 (M. G. SS. 23, 841): Mortuus est Conradus in reditu sue peregrinationis, qui filium suum Henricum nomine in regem Aquis cum esset iturus Ierosolimam, sublimaverat.
         Ludovicus de Norenbergis qui erat tutor, audita morte imperatoris, cruce signatus est et ipsum puerum commisit avunculo suo duci Frederico, a partibus transmarinis regresso. Quomodo ejusdem Friderici filius [gemeint ist Friedrich, Sohn Friedrich’s] a maiori parte baronum electus Romam abiit, infantem secum duxit, benedictionem a papa violenter extorsit, et quod papa post benedictionem dedit ei maledictionem, nisi infanti regnum redderet, cum ad etatem pervenisset, sed eodem infante qui dicebatur infans de Rodeburc similiter mortuo, regnum sibi retinuit idem magnus Fredericus filius ducis Frederici, fratris eiusdem Conradi, et imperavit annis 39.
  41. Chronicon S. Clementis Metense a. a. 1143 (M. G. SS. 24, 501) fährt unmittelbar nach dem Kreuzzugsberichte fort: Conradus vero imperator, cum Karolum haberet unicum, regni reliquit heredem, Friderico tunc duce existente, puerum et regnum sub sacramento commisit. Quibus omnibus spretis, imperium vivente puero sibi arripuit.
  42. s. unten (im nächsten Heft).
  43. Chron. Laudun. a. 1153 (M. G. SS. 26, 443) Fredericus. Iste cepit regnare anno 16. Lodovici regis Francorum. Hic in concione ubi convenerant omnes principes imperii, quorum erat imperatorem eligere, accepta corona imperiali quam maior pars nepoti suo Henrico duci Saxonum dare ordinaverat, proprio capiti inposuit, dicens, se magis idoneum esse quam omnes alii. Sicque se ipsum elegit et nepotem suum ducem Saxonum corona frustravit. – Die übrigen, im Text nicht erwähnten, Quellen geben für die Entwicklung der Ueberlieferung nichts Charakteristisches mehr. Je nach dem Bilde, das man sich nach dem kampf- und verhandlungsreichen Leben des Kaisers später von ihm machte, schrieb man schon seinen Wahlerfolg einer Gewaltthätigkeit (Auctarium Vindobon. M. G. SS. 9, 723 a. a. 1153 [Zusätze von einer Hand von Ende d. 13. Jhs.]: „Fridericus de Stouf per astuciam et magnam violenciam ad electionem imperii Romani apud Mogunciam pervenit“) oder einer diplomatischen Geschicklichkeit zu. So Giselbert (Chron. Hanon. Octavausg. S. 88/9): „Saepe nominati eciam comitis diebus, defuncto Conrado Romanorum rege, principes Teutonie, sicut iuris et moris est, in villa supra Mogum fluvium, que Franchenevors dicitur, convenerunt ad eligendum sibi imperatorem. Cum autem super electione tanti honoris tot et tanti principes dissentirent, communi consensu et consilio in quatuor principes prepotentes super hac electione compromiserunt, quorum unus fuit Fredericus predictus Suevorum dux, nepos supradicti Conradi regis, qui Fridericus pre ceteris milicia et animositate florebat. Illorum autem quatuor, quorum dispositioni imperialis electio commissa erat, quisque ad ipsius maiestatis culmen anhelabat. Fridericus autem astutus et vividus, cuique sociorum suorum loquens secretius, quemque eorum ad imperium tendere faciebat, promittens cuique imperium si ei soli ab eis tribus tota electio committeretur. Tres igitur in quartum Fridericum Suevorum ducem, fide et iuramento datis securitatibus, totam electionem posuerunt. Convocatis autem aliis principibus omnibus, qui in ipsos quatuor compromiserant et inde finem fecerant, tres professi sunt quod soli Suevorum duci totam electionem concesserant. Universis autem audientibus et non contradicentibus, Fridericus dixit se de sanguine imperatorum ortum esse, et ad regendum imperium se nullum meliorem scire, et ideo ad tante maiestatis apicem se eligebat. Unde multi qui eum dilexerant maiori gaudio exultabant, quidam autem pro invidia et avaricia dolebant, sed electioni contraire nequaquam poterant, Fridericus autem, qui ad conventum electionis cum providentia venerat, in tribus milibus militum armatorum, cum festinatione Spiram civitatem adiit, ibique se in regem coronari fecit, ne quis sibi ulterius posset resistere. Inde coronatus Aquis palatium venit, ibi coronam regiam gestavit, et postmodum nacto tempore Romam veniens, imperiali corona insignitus fuit.“ – Beide Charakterzüge gemischt erscheinen im Chronicon fratris Balduini. Hugo, Sacrae antiquit. Mon. 2, (Sancti-Deodati 1731), S. 171: An. 1152. „Sequenti anno Conradus Imperator occubuit. Fridericus, consobrinus Conradi, imperat triginta septem annis. qui concordi principum electus sententia: „gratias“, inquit, „ago vobis, quod in electione concordastis; tamen si alium elegissetis, me socium haberet; si duos, me tertium; si sex, essem septimus.“ Quod licet arroganter dixisse videbatur, tamen modeste et civiliter tractavit Imperium.“
  44. S. F. Hahn, Vollständige Einleitung zu der Teutschen Staats-, Reichs- und Kaiserhistorie, Bd. 3 (Halle u. Leipzig 1723), S. 245.
  45. J. J. Mascovii Commentarii de rebus imperii Romano-Germanici sub Lothario et Conrado III. Lipsiae 1753, S. 305/7.
  46. Herrn H. v. Bünau’s, Probe einer genauen und umständlichen Teutschen Kayser- und Reichs-Historie oder Leben und Thaten Friedrich’s I. Römischen Kaisers. Leipzig 1722, S. 1.
  47. M. J. Schmidt, Geschichte der Deutschen, Bd. 2 (Ulm 1778), S. 532.
  48. F. Kortüm, Kaiser Friedrich I. mit seinen Freunden und Feinden. Aarau 1818, S. 27.
  49. F. v. Raumer, Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit [1823], 4. Aufl. (Leipzig, 1871), S. 1–2.
  50. Ph. Jaffé, Geschichte des Deutschen Reichs unter Konrad III. Hannover 1845, S. 209.
  51. H. Luden, Geschichte des Teutschen Volkes, Bd. 10 (Gotha 1835), 8, 293–295; 617–618.
  52. Wetzold, Wahl Friedrich’s I. Göttinger Dissertation 1872, S. 8.
  53. Prutz, Friedrich Bd. I (1871) S. 27.
  54. Peters, Die Wahl Kaiser Friedrich’s I.: Forschungen zur Deutschen Geschichte 20 (1880) S. 454.
  55. Ib. S. 472.
  56. Hasse, die Erhebung Kaiser Friedrich’s I.; in Historische Untersuchungen, Arnold Schäfer gewidmet (Bonn 1882) S. 335.
  57. Giesebrecht, Kaiserzeit Bd. IV S. 360: „Der König selbst fühlte, dass es an der Zeit sei, für sein Haus und für das Reich Fürsorge zu treffen. Er sah ein, dass die Wahl seines einzigen ihn überlebenden Sohnes Friedrich, eines etwa achtjährigen Knaben, unter den obwaltenden Verhältnissen kaum zu erwarten sei, und glaubte desshalb am besten für Deutschland und zugleich für sein Haus zu sorgen, wenn er den Fürsten seinen Neffen, Herzog Friedrich von Schwaben, zu seinem Nachfolger empfehle; ihm übergab er die Reichsinsignien und übertrug er zugleich den Schutz seines Sohnes. Unter den letzten Vorschriften, die er Friedrich gleichsam als sein Testament hinterliess, war auch die, dass er fest an den Bund mit dem Griechischen Reiche hielte.“
  58. Bernhardi, Konrad, S. 924; 92539.
  59. Dass nach Deutschem Recht der Auctor, auf welchen sich der Beklagte beruft, wirklich vollständig für ihn eintritt, zeigt sich am deutlichsten in den Processacten der späteren Zeit, in welchen schliesslich der Name des ursprünglich Beklagten (des Besitzers) vollständig verschwindet, und der Auctor geradezu als Beklagter genannt wird. Der Auctor ist rechtlich verpflichtet, für denjenigen, dem er den Besitz übertragen hat, so einzustehen, als ob er selbst der Beklagte wäre (Laband, Die vermögensrechtlichen Klagen nach den Sächsischen Quellen des Mittelalters, Königsberg 1869, S. 259; 284–287; Planck, Deutsches Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. I, Braunschweig 1878, S. 541).
  60. Siehe unten S. 2731.
  61. Zu diesem Resultat gelangt man, wie immer man auch über den Mündigkeitstermin Heinrich’s des Löwen denke. Heinrich’s des Löwen Geburtsjahr wird auf 1129 angesetzt (Philippson, Heinrich d. L., 1, S. 334). Er war also im Jahre 1147 achtzehn Jahre alt. Nimmt man an, dass er als Herzog von Sachsen nach Sächsischem Recht zu beurtheilen sei, so gelangt nach dem Sachsenspiegel der Knabe zwar schon mit 12 Jahren „zu seinen Jahren“, aber erst mit 21 Jahren „zu seinen Tagen“. Wer „unter seinen Tagen“ ist, kann, wenn er will, unter Vormundschaft bleiben. (Kraut, Vormundschaft, Göttingen 1835, Bd. 1, S. 144–149; Rive, Geschichte der Deutschen Vormundschaft, Bd. 21, Braunschweig 1866, S. 59–60; Wackernagel, Die Lebensalter, ein Beitrag zur vergleichenden Sitten- und Rechtsgeschichte, Basel 1862, S. 50–51). Dass Heinrich von diesem Recht thatsächlich Gebrauch machte, geht daraus hervor, dass er im Jahre 1144, also 15jährig, einen Process am Hofgericht „per tutores suos“ anstrengt (Ann. Stad. ad a. 1144. Mon. G. SS. 16, 324). Wenn nun Heinrich etwa zwei Jahre später seine Vormünder entliess, wozu er rechtlich jederzeit befugt war (Kraut 1, S. 148), und wenn er dann binnen Jahr und Tag die Klage anstrengte mit der Begründung, dass er soeben erst aus der Vormundschaft entlassen sei, so konnte Otto von Freising hiervon sehr gut den Ausdruck brauchen: der „eben mannbar gewordene“ Sohn Heinrich’s des Stolzen. – Noch besser würde allerdings der Ausdruck Otto’s passen, wenn es sich nicht um die Beendigung einer selbstgewählten Vormundschaft, sondern um den Ablauf in Folge des gesetzlichen Mannbarkeitstermins handelte. Sie würde uns auf einen Grossjährigkeitstermin von 18 Jahren führen. Ein solcher kann in der That auf zweierlei Art in Betracht kommen. Einmal kennt das Schwäbische Recht den Mündigkeitstermin von 18 Jahren. Es ist nun ein ganz merkwürdiges Zusammentreffen, dass wir später nach der Aechtung Heinrich’s des Löwen hören, er habe die Rechtsgiltigkeit der Aechtung angefochten, weil dieselbe auf Schwäbischem Boden hätte stattfinden müssen, „dicens se de Suevia oriundum“. (Arnoldus Lub. II, 10; Mon. G. SS. 21, 133). Diese Rechtsauffassung ist insofern nicht ganz aus der Luft gegriffen, weil in der That nach älterer Deutscher Auffassung das Stammesrecht sich bestimmte nach dem Ort, wo das Stammgut des Geschlechtes lag, und dies war für alle Welfen Altdorf in Schwaben (Wackernagel, 2, S. 67 und Schröder, Rechtsgesch. S. 611, vgl. Franklin, Hofgericht, Ueber die Heimat nach altdeutschem Recht, insbesondere über das Hantgemal: Philol. und hist. Abh. der Berl. Akad. 1852, S. 67). Wenngleich ich in keiner Weise dafür eintreten will, dass diese Auffassung im 12. Jahrhundert rechtlich massgebend war, so würde doch jene Notiz Arnold’s verständlich werden, wenn wir in irgend welcher andern Beziehung sehen, dass das Welfengeschlecht Schwäbisches Recht beibehielt. – Allerdings ist man, wenn man den Termin von 18 Jahren als gesetzlichen Mündigkeitstermin Heinrich’s des Löwen betrachten will, nicht unbedingt genöthigt, ihn gerade aus dem Schwäbischen Recht abzuleiten. Der heute im Deutschen Privat-Fürstenrecht weitverbreitete Termin von 18 Jahren muss im 14. Jahrhundert bereits eine Art gemeines Fürstenrecht gewesen sein, da die Goldene Bulle ihn für alle Kurprinzen ohne Unterschied des Stammes festsetzt. Es ist kaum anders anzunehmen, als dass in den vorangegangenen Jahrhunderten dieser fürstliche Mündigkeitstermin sich allmählich gebildet habe. Die Herausbildung eines fürstlichen Mündigkeitstermins kann sich in der Weise vollzogen haben, dass es in den einzelnen Häusern üblich wurde, überall, wo das Recht die Verlängerung der Vormundschaft gestattete, von diesem Recht bis zum vollendeten 18. Lebensjahr und nicht länger Gebrauch zu machen. Da diese Frage bis jetzt noch nicht genügend untersucht ist, so lohnt es wohl, auf jeden einzelnen Fall fürstlicher Majorennität aufmerksam zu machen. Für die Frage aber, die uns hier beschäftigt, führen alle Eventualitäten zu demselben Ergebniss: dass Heinrich der Löwe im Jahre 1147, eben der Vormundschaft entwachsen, die Klage anstrengte.
  62. Otto Fris., Gesta I, 45: Ad predictam curiam Heinricus, Heinrici, de quo supra dictum est, Noricorum ducis filius, qui iam adoleverat, venit, ducatum Noricum, quem patri suo non iuste abiudicatum asserebat, iure hereditario reposcens.
  63. ib. (fortfahrend): Quem princeps multa prudentia et ingenio inductum usque ad reditum suum suspendens, quiete expectare persuasit.
  64. Laband S. 300.
  65. Otto Fris., Gesta I, 68/9: rex – – – ad civitatem ipsorum processisset, nisi quod propter quorundam Noricorum comitum insolentiam in eandem revocabatur provinciam – – –. Post haec palatino comite Ottone ob filiorum suorum excessus proscripto, vicinum eius castrum Cheleheim dictum – – – obsidione cingit eumque ad hoc, ut unum filiorum suorum obsidem daret, coëgit.
  66. Welchen Grund Otto von Freising zu der sonderbaren Ausdrucksweise hat, welche die Söhne als die einzigen Aufrührer hinstellt, obgleich nach seiner eigenen Erzählung der Vater mit der Acht bestraft werden muss, ist nicht ersichtlich.
  67. Ann. Stad. (Mon. G. SS. 16, 327) a. 1151: Conradus rex conventum habuit apud Wirceburg. Et dux Saxonirae ibi non venit, nam dux ei oppositus erat.
  68. Es ist derselbe, auf dem die Romfahrt beschlossen wurde. (Bernhardi, Konrad, S. 891.)
  69. Hierüber siehe oben Seite 71–80.
  70. Konrad’s erster Hoftag diesseits der Alpen ist Pfingsten (22. Juni) 1149 in Salzburg (Bernhardi, Konrad, S. 75719); die erste nachweisbare Urkunde, in der Heinrich sich dux Bauariae et Saxoniae nennt, ist vom 13. September 1149 (ib. S. 7178).
  71. Helmold I, 70; dazu Bernhardi, Konrad, S. 8653.
  72. Solche Contumacialnachtheile gab es. Franklin, Reichshofgericht 2, S. 230. Die dreimalige Ladung ist selbstverständlich gegenüber dem Beklagten. Dass aber der Kläger ohne weiteres verlangen kann, dass das Gericht sich um den Beklagten dreimal bemühe, wenn er selbst es nicht der Mühe für werth hält, zu erscheinen, ist keineswegs selbstverständlich. Es ist ein ganz auffallender Erfolg. – Es ist eine vollständige Umkehr des wahren Sachverhalts, wenn die Sache gewöhnlich so dargestellt wird (Bernhardi, Konrad, S. 866; Giesebrecht 4, S. 347), als ob es ein Erfolg Konrad’s gewesen wäre, Heinrich noch hinzuhalten.
  73. S. oben S. 270 den Brief an Wibald.
  74. Hohenstaufen 3 Bd. 2, S. 6.
  75. Bd. 2, S. 37.
  76. Heinrich der Löwe, Bd. 1, S. 172.
  77. Heinrich der Löwe, S. 110. 130. 141.
  78. Kaiser Friedrich I., 1, S. 52. 55. 88. 97.
  79. Geschichte Baierns Bd. 1, S. 656. 661.
  80. Kaiserzeit 5, S. 13. 30. 35. 76.
  81. Die neuerdings von Schröder aufgestellte Theorie (Rechtsgesch. S. 17391. 53347), dass die Urtheile des Hofgerichts keine Rechtskraft besessen hätten und also jederzeit von neuem zur Verhandlung gebracht werden konnten, ist hier auch nicht einmal anwendbar; denn soweit wird vermuthlich auch Schröder nicht gehen, dies von bereits vollstreckten Urtheilen anzunehmen. Dass der König gegen seinen gesprochenen Spruch neue Gründe anzuhören sich bereit erklärt, kann man vielleicht aus dem Billigkeitscharakter des Königsgerichts herleiten. Sollte aber das bereits vollstreckte Urtheil revisibel (und zwar jederzeit revisibel!) sein, so würde das bedeuten, dass es keinen unsichereren Besitztitel gegeben hätte, als den Besitz kraft Urtheils im Königsgericht.
  82. Dabei werden wir nirgends in den Stand gesetzt, die juristische Motivirung in Bezug auf ihre Quellenmässigkeit zu prüfen. Es ist ohne Zweifel gestattet, eine dem Rechte der Zeit entsprechende Motivirung bei den Parteien vorauszusetzen, auch wenn sie nicht quellenmässig bezeugt ist. Woraufhin Philippson aber dem Babenberger eine Motivirung in den Mund legt, die er selbst für unzutreffend hält, ist nicht zu sehen.
  83. Dieser Einwand hat nichts Auffallendes. In den Processacten der späteren Zeit betonen die Parteien sehr häufig, dass sie die Ladung frühzeitig und specialisirt genug erhalten müssen, um sich alles Nothwendige vorher überlegen zu können. Andernfalls erkennen sie die Ladung nicht als gesetzliche an. (Franklin, Reichshofgericht, Bd. 2 S. 215–24.) Fürsten hatten das besondere Privileg langer Fristen. Auch der gleich zu erwähnende Bericht spricht von der Terminsbestimmung „iuxta distanciam et qualitatem persone“.
  84. Eine Analogie des so entstehenden Rechtsverhältnisses bieten allenfalls die heutigen gerichtlichen Veräusserungsverbote. Der Kläger wird durch dieselben einigermassen gesichert, aber dem Verklagten wird darum sein Eigenthumsrecht noch nicht abgesprochen.
  85. Franklin, Reichshofgericht, S. 292.
  86. Hieran zu denken wird man auch durch die Ausdrucksweise Otto’s veranlasst: Cui dum ille tunc non acquiesceret.
  87. Otto Fris., Gesta II, 42: Igitur consummato feliciter viae labore princeps ad familiaria remeans domicilia alloquitur in confinio Ratisponensium patruum suum Heinricum ducem, ut ei de transactione facienda cum altero Heinrico, qui iam, ut dictum est, ducatum Baioariae iudicio principum obtinuerat, persuaderet. Cui dum ille tunc non acquiesceret, iterum diem alium, quo eum super eodem negotio per internuncios conveniret, in Baioaria versus confinium Boemorum constituit. Quo princeps veniens, Sabezlaum ducem Boemiae, Albertum marchionem Saxoniae, Herimannum palatinum comitem Rheni cum aliis viris magnis obvios habuit – – –. At cum multis modis ad transigendum nos, qui mediatorum ibi vice fungebamur, operam daremus, infecto adhuc negotio, insalutati ab invicem separati sunt.
    43. Post haec mediante Octobre – – –.
    Ob der Herzog von Böhmen etwa als Vertreter seines Babenbergischen Schwagers erschien, ist aus Otto (der in diesem Zusammenhange auch von anderen Dingen spricht) nicht zu ersehen.
  88. Sie befindet sich im Jahre 1156 vor dem Ausgleich nicht mehr im Besitz der Babenberger. (Otto Fris., Gesta II, 55.)
  89. Der Huldigungseid in blosser Erwartung eines (späteren) Lehens kommt auch sonst vor (Waitz, Dt. Verf.-Gesch., 6 S. 43).
  90. Gesta II, 43: Post haec mediante Octobre imperator Ratisponam. Norici ducatus metropolim, curiam celebraturus ingreditur, habens secum Heinricum, Heinrici ducis filium, in possessionem eiusdem ducatus mittendum. Haec civitas super Danubium – – – ex ea parte qua predicto amni duo navigabilia, Reginus scilicet et Naba, illabuntur flumina posita, eo quod ratibus oportuna bonaque sit, vel a ponendo ibi rates Ratisbona vel Ratispona vocatur, Baioariorum quondam regum, modo ducum sedes – – –. Igitur sedente ibi in publico consistorio imperatore, iam sepe nominatus Heinricus dux possessionem suam patrumque suorum recipit sedem. Nam et proceres Baioariae hominio et sacramento sibi obligantur, et cives non solum iuramento, sed etiam, ne ullam vacillandi potestatem haberent, vadibus obfirmantur.
    Von einer „Belehnung“ Heinrich’s des Löwen, wie sie fast in allen neueren Darstellungen erzählt wird, ist nicht mit einem Worte die Rede. Otto’s Ausdrucksweise ist deswegen so gewunden, weil ihm daran liegt, eine Einweisung zu bezeichnen, welche keine Belehnung ist. Otto recapitulirt das Ergebniss des Actes dahin, dass Heinrich d. L. zwei Dinge erhielt: einmal die beantragte (symbolische) Besitzeinweisung in das Herzogthum (possessio sua) und dann den concreten Besitz der Hauptstadt selbst (patrum suorum sedem). Er hält es für nöthig, diese Recapitulation zu begründen, und leitet mit „Nam“ die Begründung ein, sowohl für die possessio (hominium der proceres), als auch für die sedes patrum (die ganz besondere Fesselung der Bürger von Regensburg).
  91. Nullo eciam in tercio comparente, judicio decernitur in eodem quedam induccio vulgariter dicta anleyte et habet se ad modum monicionis que sic fit: [§ 5.] Item scribitur et mandatur per judicem alicui vicino nobili vel ad minus militari ut propria in persona possessorem aut occupatorem bonorum, super quibus agitur, accedat et illam moneat seu verbis talibus alloquatur: Ecce mandatum est mihi in presente litera per judicem curie imperialis judicii, ut tibi notificem, quod talis A. vel B. super talia bona vel tale castrum etc. pro tanta summa tott fecerit querelas et quod tali die in tercio videlicet judicio decreta sit induccio sibi danda et si hujusmodi bona in sex septimanis et tribus diebus defendere non curaveris, scias, quod ulterius procedetur. [§ 6.] Item et quando volens defendere bona hujusmodi infra jam dictum tempus prefatum judicem accedit dictam induccionem repetendo, tunc admittitur sicut in primo vel secundo vel tercio terminis et prefigitur sibi et actori terminus legittimus justiciam prosequendi – – –. (Vogel, in der Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgesch. German. Abth. Bd. 2 (1881) p. 191.) – Ueber die Bedeutung der häufigen Fristerstreckung vgl. Jastrow, Dt. G. unter d. Hohenstaufen, Bd. 1. S. 186.
  92. Gesta II, 47: Proxima dehinc tercia feria [1156 Juni 5] non longe a civitate Ratispona patruum suum Heinricum ducem alloquens, ad transactionem cum altero itidem Heinrico faciendam tunc demum inclinavit. Preponebat hoc princeps omnibus eventuum suorum successibus, si tam magnos sibique tam affines imperii sui principes sine sanguinis effusione in concordiam revocare posset.
  93. Gesta II, 54: – – – ad curiam Ratisponensem, ubi consilium pro terminanda duorum ducum lite publicari debuit, – – –.
  94. Gesta II, 55: – – – consilium quod iam diu secreto retentum celabatur, publicatum est.
  95. Siehe oben Note 1.
  96. Der königliche Schiedsspruch unterscheidet sich von dem königlichen Rechtsspruche nicht immer in der Form; denn auch jenen kann der König durch Urtheil finden lassen. Aber er unterscheidet sich sachlich, insofern er nicht eine Entscheidung der Rechtsfrage bietet, sondern dasjenige Verhältniss festsetzt, zu welchem der König das Vertrauen hat, dass es eine dauernde Eintracht herbeiführen wird. Der vorliegende Fall zeigt dieses Verhältniss deutlich. Denn die Abtrennung der Mark Oesterreich kann weder als Rechts- noch als Billigkeitsurtheil, sondern nur als Zweckmässigkeitsurtheil motivirt werden.
  97. Dies geht aus der Arenga des Oesterreichischen Privilegiums hervor. (Stumpf 3753, jetzt auch bei Doeberl, Mon. Germ. Selecta. München 1890. Bd. 4, S. 88): „Quamquam rerum commutatio ex ipsa corporali institutione possit firma consistere, vel ea que legaliter geruntur, nulla valeant refragatione convelli, ne qua tamen possit esse rei geste dubietas, nostra debet intervenire imperialis auctoritas.“ In diesem Privileg setzt der Kaiser voraus, dass es bisher eine schriftliche Bestätigung der Vorgänge noch nicht gegeben habe, wie dies dann auch rechtlich nicht erforderlich sei.
  98. Wacker, Der Reichstag unter den Hohenstaufen. (Leipzig 1882) S. 51. 78.
  99. Weiland, Sächsisches Herzogthum unter Lothar und Heinrich d. L. (Greifswald 1866) S. 96–98.
  100. z. B. Prutz, Heinrich d. L. S. 1032; id., Friedrich I, 1. 381.
  101. Das Chron. montis Sereni (Mon. Germ. SS. 23, 149), welches Sächsische Verwüstungen zum Jahre 1153 berichtet, kann nicht angeführt werden, da dieses Jahr sicher falsch ist.
  102. Bei dem Jahre 1149 schliesst der erste Bestandtheil der Chronik; der zweite umfasst die Zeit 1149–85, ist erst nach Schluss dieser Periode niedergeschrieben und ist in der Chronologie „wenig zuverlässig“. Vgl. Erich Schmidt: ZVThürG: N. F. 4 (1885). S. 130.
  103. Ich meinerseits möchte die Unmöglichkeit, für sie ein passendes Jahr herauszufinden, als einen Beweis mehr dafür ansehen, dass der Reinhardsbrunner Epistolarcodex, dem die Stücke entnommen sind (Sudendorf, Vorrede S. VIII Nr. 4), voll von Schülerarbeiten im Briefschreiben ist. Vgl. Wattenbach im Archiv für Kunde Oesterr. Geschichtsquellen 14. S. 57.
  104. Kaiser Friedrich I. 1, S. 400.
  105. Otto Fris. II, 1: Ubi cum de eligendo principe primates consultarent – – –, tandem ab ommnibus Fridericus Suevorum dux, Friderici ducis filius, petitur cunctorumque favore in regem sublimatur.
  106. Siehe oben S. 81–96.
  107. Siehe oben S. 274.
  108. Schon Bernhardi hat für die auffällige Verschiebung auf dem Ulmer Tage die Vermittlung Konrad’s v. Zähringen und Friedrich’s angenommen (Bernbardi, Konrad S. 866); nur dass er freilich darin irrt, dass er annimmt, die Verschiebung sei eine Concession Heinrich’s gewesen (hierüber s. oben S. 2761).
  109. Wib. ep. Nr. 383, S. 514 („1152 ante Jun. 1“).
  110. Ficker, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens 2 (1869), S. 226.
  111. Helmold I, 72: Posuit ergo rex custodiam per omnem Sueviam, ne forte dux elaberetur, ipse vero abiit Goslariam, accepturus Brunswich et omnia castra ducis. Instabat autem sacra nativitas Domini. Intelligens igitur dux consilium regis in malum, et intercisum sibi digressum Suevie, fecit denunciari omnibus amicis suis tam liberis quam ministerialibus, ut convenirent ad urbem quandam acturi cum eo diem sollempnem. Fecit verbum hoc diffamari et personari in auribus vulgi. Assumptisque tribus fidissimis viris, vespere quodam mutavit vestem, et elapsus de castro, nocturnum aggressus est iter, et transiens medias hostium insidias, quinto demum die apparuit Bruniswich – – –.
  112. Die Quellen siehe bei Bernhardi, Konrad S. 796–798. Dass ich im übrigen die Auffassung Bernhardi’s nicht theile, siehe in meinen „Hohenstaufen“ (Bibl. Dt. G.) 2. Buch.
  113. Wibald an Bischof Hermann von Constanz 1150 Februar (ep. Nr. 234, S. 353): Siquidem post insperatam et ab omni humano consilio et opere ferme alienam et de celis traditam victoriam, voluimus et, quantum in re militari oportuit, suasimus, ut dominus noster rex, quem propicia divinitas miris et clementibus beneficiis conservat et provehit, non cessaret successus urgere suos, et hostes suos, incomparibili dampno affectos metuque et angore animi perculsos, invaderet, ac sese aliquando ad faciendum iudicium et iusticiam, ad subveniendum matri suae aecclesiae, accepta tam mirabili opportunitate, expediret. Contradicebat inveteratus ille Achitofel, qui vix ingentem dissimulare tristiciam poterat et, assumpta sanctioris amiciciae persona, de tempore et auris causabatur, et sacratissimi ieiunii religionem predicabat, et astruebat: oportere hominem, quem iustus Dominus qui iusticias diligit iam iudicavit, legitimis induciis et interpellationibus in ius vocari: pium esse et conveniens, nullam captivis lesionem inferri – – –. Popularis erat senis oratio et ad hominum negligentiam pigriciam ac desidiam accommoda. Nos tamen contra nitebamur et asserebamus: fama constare bella – – –. Inermem vicit oratio armati, cuius tamen arma effecerant, ne is, cui persuadebat, ad perfectum vicisset. Ita factum est, ut nec bellum geramus nec iudicia exherceamus; set spe rerum inanium animos pascimus.
  114. Hist. Welf. cap. 28: Fridericus fratruelis regis, sororius eiusdem Guelfonis, medium se ad compositionem faciendam interposuit, captivosque duci reddi ac regem de cetero securum penes illum esse, provida deliberatione confirmavit. Auch dieser Ausgleich ist wesentlich anders aufzufassen, als Bernhardi ihn darstellt. Vgl. S. 3001.
  115. Bernhardi, Konrad S. 792.
  116. Die Identität wird ausgeschlossen durch oratio senis. Friedrich war damals 27 Jahre alt.
  117. So Bernhardi S. 799.
  118. Otto Fris. II, 2: Principes igitur non solum industriam ac virtutem iam sepe dicti iuvenis, sed etiam hoc, quod utriusque sanguinis consors tamquam angularis lapis utrorumque horum parietum dissidentiam unire posset, considerantes, caput regni eum constituere adiudicaverunt, plurimum rei publicae profuturum precogitantes, si tam gravis et diutina inter maximos imperii viros ob privatum emolumentum simultas hac demum occasione, Deo cooperante, sopiretur.
  119. Otto Fris., Gesta I, 69; dazu oben S. 2742.
  120. Bernhardi, Konrad S. 183, vgl. S. 30930, 3254.
  121. Otto Fris., Gesta I, 25; vgl. Bernhardi, Konrad S. 484.
  122. Otto Fris., Gesta II, 11: – – – mense Septembri principes – – – convocantur – – –. Rex tamen, quia non multo ante haec per apostolicae sedis legatos ab uxore sua ob vinculum consanguinitatis separatus fuerat, pro ducenda alia etc.
  123. Prutz, Friedrich I, S. 491; Giesebrecht V, S. 27.
  124. Giesebrecht IV, S. 317. 469.
  125. S. hierüber oben S. 291–97.
  126. Stumpf, Nr. 3692; jetzt auch in der kleinen Sammlung von Döberl, Mon. Germ. selecta 4 (München 1890), S. 83–85.
  127. Auf ebendemselben Goslarer Tag, welcher in der Baierischen Sache die rechtliche Entscheidung brachte.
  128. Persuasit [= suchte zu überreden] igitur archiepiscopus Vicelino episcopo, ut investituram de manu regis perciperet, non fructum ecclesie, sed odium ducis intentans. At ille non consensit, ratus iram ducis implacabiliter accendi. In hac enim terra sola ducis auctoritas attenditur. Soluta est curia. (Helmold I, 73.)
  129. Die Privilegienbestätigung für Corvei, Merseburg 1152 Mai 18, weist als Zeugen neben einander auf: Sveno rex Danorum, qui ibidem regnum suscepit de manu domini regis. Knut, alter Danus, qui ibidem regnum in manu domini regis refutauit. Hartwigus Bremensis archiepiscopus. – – – Heinricus dux Saxonie. Dominus Welpho avunculus eius. Conradus Marchio de Misna et filii eius. Marchio Adelbertus et filii eius. (Erhard, Codex dipl. Westf. 2 [Münster 1851], Nr. 283, S. 66; Stumpf 3626).
  130. – – – principes Danorum confederati sunt – – –. Dissensio autem, que erat inter ducem et marchionem sedari non poterat – – –. Persuasit igitur archiepiscopus Vicelino etc. (Helmold I, 73.)
  131. – – – cum paucis, quos ad hoc ydoneos iudicavit, caeteris in pace dimissis, rex – – – naves ingreditur. (Otto Fris., Gesta II, 3.)
  132. Stumpf Nr. 3615.
  133. Siehe oben S. 285–287.
  134. Ibi etiam princeps, eo quod, omnibus in proprii imperii finibus ad eius voluntatem compositis, virtutem animi, quam intus gerebat, extra ferri disponeret, Ungaris bellum indicere ipsos, que ad monarchiae apicem reducere volebat. Sed cum assensum super hoc principum quibusdam de causis latentibus habere non posset, ad effectum tunc perducere ea quae mente volvebat non valens, ad opportuniora tempora distulit. (Otto Fris., Gesta II, 6.)
  135. Dass im Jahre 1148 die Suspension wieder aufgehoben wurde, geht, wenn man schon auf das Zeugniss Bernhard’s v. Clairveaux nicht volles Gewicht legen wollte, so doch aus den später vorgenommenen Amtshandlungen Heinrich’s hervor (Bernhardi, Konrad S. 72632. Allein aus der Zurücknahme der Suspension folgt noch nicht, dass der Process beendet war.
  136. Vgl. Prutz, Friedrich I., 1, S. 405–406.
  137. Proximum dehinc pentecosten Wormatiae ferians, Heinricum Maguntinae sedis archiepiscopum, virum pro distractione aecclesiae suae frequenter correptum nec correctum, per eosdem cardinales deposuit ac Arnaldum cancellarium suum per quorumdam ex elero et populo, qui illuc venerant, electionem ei subrogavit. (Otto Fris., Gesta II, cap. 9)
  138. Ann. Colon. max. Cod. II (Mon. Germ. SS. 17, 764): Sed licet favorem multorum haberet, Henricus episcopus Maguntiensis unanimitatem quorundam invectivis quibusdam debilitare conatus est, asserens, quod fastu quodam inductus inter consecretales suos concionatus fuerit: quia regnum adepturus esset, nolentibus omnibus qui adfuissent. Cuius obiectionis malum archiepiscopus Coloniensis mitigavit, regem ab intemptamentis excusans et episcopi molimen annullans. – Dass dem Autor ein frühes Stadium der Verhandlungen vorschwebt, geht daraus hervor, dass er sich die Anhängerschaft Friedrich’s noch als einen engen Kreis vorstellt (unanimitas quorundam). – Mit Recht ist von Prutz (Friedrich I, S. 401) diese Stelle als vollgültiger Beweis dafür angeführt worden, dass Friedrich die Durchsetzung seiner Wahl mit „einer seinem persönlichen Interesse dienenden Partei“ begonnen habe. Denn wenn auch der Kölner Autor die Mainzer Beschuldigung nicht als wahrheitsgemäss ausgeben will, so nimmt er doch an der Thatsache einer durch vertrauliche Verabredungen zusammengehaltenen Clique (consecretales) keinen Anstoss.
  139. Prutz, Friedrich I., 1, S. 4061. – Stumpf Nr. 3654. – Stumpf, Acta Mag. (Innsbr. 1863) S. XVIII führte ausserdem noch Constanz 1153 März 28 an, welche Urkunde er aber jetzt als Fälschung bezeichnet (= Stumpf 3666). – Stoewer, Heinr. I. v. Mainz (Diss. Greifswald 1880) S. 711 meint, Heinrich habe um diese Zeit eine Annäherung an Friedrich gesucht und sei mit ihm nach Trier gegangen, wo er in dem Streit um Cambray genannt werde. In der That nennen die Ann. Camerac. (Mon. Germ. SS. 16, 523) die drei Rheinischen Erzbischöfe; aber urkundlich nachweisbar (Stumpf Nr. 3655–57) sind von ihnen nur der Kölner und der Trierer.
  140. Zum letzten mal genannt: 24. April 1153 (St. 3668). Die Urkunden vom 29. Mai (St. 3669. 3670) sind ohne vice.
  141. Unser einziger Bericht über die Vorbereitung des Wahltages ist das officiöse Schreiben Wibald’s an den Papst vom 27. März 1152 (Wib. ep. Nr. 375, S. 503). Wibald erzählt, dass er auf der Rückkehr aus Italien in Speier die Nachricht vom Tode Konrad’s III. erhalten habe und fährt fort: Enavigavimus ita summa cum celeritate Coloniam, ut tanto esset Coloniensis ad providendum rei publicae cautior ac liberior, quanto esset inter suos ab omni turbulentae conventionis impetu securior. Ceperunt deinde summi principum sese per nuncios et literas de habendo inter se colloquio pro regni ordinatione sollicitare. Sicque factum est, ut, cum pauci admodum crederentur venturi, maxima tamen optimatum multitudo 17 die post obitum predicti magnifici principis in oppidum Frankenevort convenerit. – Diese Stelle hat Peters (ForschDG 20, 1880, S. 461) als Beweis dafür angeführt, dass das Wahlausschreiben von den Reichsfürsten erlassen war. Es wäre dies zwar an sich nichts Unmögliches, aber aus unserer Stelle geht es nicht hervor. Gewiss bedeutet „colloquium pro regni ordinatione“ den officiellen Wahltag (colloquium technisch = „Sprache“); aber das Einladungsschreiben setzt Wibald in dem betreffenden Satze als schon erlassen voraus, und spricht nur von der Correspondenz, welche den über alles Erwarten grossen Besuch zum Zweck und zur Folge hatte. Nur auf eine solche Correspondenz, nicht aber auf ein an alle Fürsten zu richtendes Wahlausschreiben passt der Ausdruek, dass die summi principes „sese inter se“ zum Erscheinen aufforderten. – Eher könnte der erste Satz unseres Citats für die Frage der Wahlleitung verwerthet werden. Er macht den Eindruck als ob die Absicht bestanden hätte, den Kölner zu veranlassen, an Stelle seines in Zwistigkeiten mit der eigenen Umgebung lebenden Mainzer Kollegen die Sache in die Hand zu nehmen. Was der Kölner darauf gethan hat, ist nicht bekannt.
  142. Ann. Brunwilar. ad ann. 1152 (Mon. Germ. SS. 16, 726–728): Faventibus archiepiscopis Arnoldo II Coloniensi, Hillino Treverensi, Fridericus dux Alemannorum in regem eligitur, et in media quadragesima Aquisgrani ab Arnoldo II archiepiscopo in regem ungitur.
  143. Friedrich I, S. 401.
  144. Wibald an Arnold II, 1152 Mai (Wib. ep. Nr. 381, S. 512): Princeps noster bonam de se merentibus spei fiduciam prestat: Qui magna cum benevolentia et iocunditate beneficii vestri recordatur, quod ei gratis et plus quam gratis in suis ad imperii culmen provectibus exhibuistis, et postmodum in suis primordiis singulari fide et constantia ad rei publicae et sua emolumenta indeficienter astitistis. Inde est, quod regnum Lotharingiae vestrum est, et per vestram provisionem et operationem cuncta disponere intendit.
  145. Tam pro anime nostre remedio, quam pro amore tuo, et honesto fidelique seruitio, quod nobis in expeditione jtalica, et ante, et post, liberaliter et laudabiliter impendisti. (Beyer, Mittelrhein. Urkundenbuch. Bd. 1 (Koblenz 1860) Nr. 611, S. 673. – Stumpf Nr. 3808.)
  146. Riezler, Gesch. Baierns 1, S. 661. 662.
  147. Wibald an Eugen III, 1150 Febr. (Ep. Nr. 232, S. 351.)
  148. Wibald an Cardinal Guido, 1150 nach April 20. (Nr. 252, S. 377.)
  149. Wibald an Herm. v. Constanz, 1150 März (nach Giesebrecht 4, 489), (Ep. Nr. 234, S. 353.)
  150. Wibald an Eugen III, 1152 März. (Ep. Nr. 375, S. 503/4); vgl. o. S. 3092.
  151. Stumpf Nr. 3615.
  152. Ep. Nr. 384. 388–391 u. a. m.
  153. Wibald an Eberhard von Bamberg, 1152 März 27 (Ep. Nr. 374, S. 502): bittet an dem Text des Briefes nicht zu stark zu ändern. „Siquidem, cum nos adhuc iuvenes curiam intravissemus ante annos sursum versum plus minusve triginta, invenimus in quibusdam viris gravioribus imperatoriae maiestatis reliquias de contubernio et disciplina Heinrici senioris, qui verba quae ad domnum papam et ad Urbem ab imperatore diriguntur, tanquam appensa et dimensa memoriter retinebant, neque novis legationibus immutari vel ei rudibus legatis alterari permittebant; ne videlicet maiestas imperii et ordo disciplinae obsolesceret.
    Ibidem (fortfahrend): Et ad comparationem quidem aliorum regum, videlicet Constantinopolitani, Ungarorum, Danorum, Northwegorun et aliorum tam barbarorum quam Latinorum, nostri principis verba humilia sunt. – P. Wagner (Eberhard II. v. Bamberg. Diss. Halle 1876, S. 20/1) will aus diesen Stellen das Gegentheil herauslesen: sein Entwurf sei zwar demüthig gehalten, sollte aber doch aus Vorsicht nicht geändert werden. Dies ist sprachlich und sachlich unmöglich. Auch die Vorsicht, die Wibald im folgenden betont, zielt darauf, dem Kaiserthum nicht zu nahe zu treten.
  154. Wibald an Arnold v. Köln, 1152 Mai (Ep. Nr. 381, S. 512): Princeps noster bonam de se merentibus spei fiduciam prestat. Qui magna cum benivolentia et iocunditate beneficii vestri recordatur etc.
  155. Schlussanmerkung: die vollständigen Titel der abgekürzt citirten Werke sind aus Dahlmann-Waitz (Quellenkde. d. Dt. Gesch. 5. Aufl. Gött. 1889) zu ersehen, zumeist aus S. 132–133. Giesebrecht, G. d. Dt. Kaiserzeit Bd. 4 ist nach der sogen. 4. Aufl. (Lpz. 1877–88) citirt, Wattenbach, Dtld.’s Geschichtsquellen, nach der 5. Aufl. (Berlin 1886). Die Quellenschriftsteller sind zumeist nach der Ausgabe in den Monumenta Germaniae citirt; Giselbert, Helmold und Otto von Freising nach den Separatausgaben (Hannover, Hahn. 8°); die Briefe Wibald’s von Stablo nach der Ausgabe bei Jaffé, Bibl. rer. germ. Bd. 1 (Berlin 1864); Cinnamus in der Ausgabe des Corpus scriptorum Byzantinorum (ed. Meineke. Bonn 1836); die Königsurkunden nach dem Verzeichniss bei Stumpf, Die Reichskanzler. Band 2 (Innsbruck 1865–83). Eine zusammenhängende Darstellung der hier besprochenen Verhältnisse bietet der Verf. in seiner „Deutschen Geschichte im ZA. der Hohenstaufen“ (Bibl. Dt. G. Stuttgart, Cotta).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage (in der Anmerkung): ὥσπες und περιτίθει