Textdaten
Autor: Taras Schewtschenko
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Titel: Kaukasus
Untertitel:
aus: Франко І. Твори. Т. 52., S. 752–757
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1882
Erscheinungsdatum: 2008
Verlag: Наукова думка
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Erscheinungsort:
Übersetzer: Iwan Franko
Originaltitel: „Кавказ“
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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[752]
Kaukasus


Hoch ragt das Gebirg, von den Wolken umflort,
Das Elend sprießt auf und das Blut fließt auch dort.
Dort leidet Prometheus den ewigen Schmerz,
Der Adler zerhackt ihm die Brust und das Herz.

5
Doch immer erneut es und kräftigt sich schnell,

Und nimmer versiegt der lebendige Quell,
Nie stirbt unser Geist, nie ermattet sein Flug,
Nie führt ein Tyrann auf den Wogen den Pflug
Und fesselt den Geist, das lebendige Wort,

10
Und schändet den göttlichsten menschlichen Hort!


     Wir stemmen dir uns nicht entgegen,
     Wir richten deine Werke nicht.
     Wir schrein nur in der Nacht nach Licht,
     Wir mischen auf den dunklen Wegen

15
     Mit Schweiß und Tränen unser Brot!

     Die Henker martern uns, o Gott,
     Und treten unser Recht mit Füßen!
     Wann hebst du’s auf und läßt sie’s büßen
     Und gönnst den Hartgeprüften Ruh’

20
     Und blickst uns lebenspendend zu?


Wir glauben: gerecht bist du, mächtig und gut,
Die Freiheit erglänzt und die Wahrheit hienieden,
Die Menschheit veijüngt sich im ewigen Frieden,

[753]
Doch eh’ das geschieht, fließen Ströme von Blut!
25
Hoch ragt das Gebirg, von den Wolken umflort,

Das Elend sprießt auf und das Blut fließt auch dort!

     Dort trieben wir von Gottes Gnaden
     Die arme Freiheit unberaten
     Und nackt und hungrig in die Enge

30
     Und hetzten fort… Es fiel ’ne Menge

     Von wohlgedrilleten Soldaten…
     Von Blut und Tränen ganze Läufen,
     Um aller Zaren Durst zu lindern,
     Mit Kindern sie und Kindeskindern

35
     In Witwentränen zu ersäufen!

     Von Mädchenzähren, still vergossen
     In dunkler Nacht, von Muttertränen,
     Die wie ein sengend Feuer flossen,
     Von alten, blut’gen Vatertränen

40
     Nicht Flüß’, es floß ein ganzes Meer,

     Ein Feuermeer!
 O Ruhm und Ehr’
Den Hunden, den Treibern, den jagenden Scharen,
Und unseren gnädigen Väterchen Zaren!

45
 O Ruhm und Ehr’!

     Ja, Ruhm auch euch, ihr blauen Berge,
     Vom glüh’nden Gletschereis umstarrt!
     Ja! Ruhm auch euch, ihr kühnen Kämpen,
     Ob Tod, ob Fessel euer harrt!

50
     So kämpft nur fort, ihr werd’t doch siegen,

     Gott steht euch bei im guten Streit;
     Mit euch ist Kraft und heil’ge Freiheit,
     Mit euch ist die Gerechtigkeit!

     «Tschurek und Sakla – dein Revier,

55
     Sind nicht geschenkt und nicht erbeten,

     Und niemand – glaub’s nur – raubt sie dir
     Und niemand schmiedet sie in Ketten.
     Doch wir sind aufgeklärt ja schon,
     Wir lesen Gottes hehre Worte

60
     Und von des tiefsten Kerkers Pforte
[754]
     Bis zu dem golden-hohen Thron

     Sind wir bald Bettler, bald Spion.
     Kommt nur zu uns, da lernt ihr bald’s,
     Wie teuer sind das Brot, das Salz!

65
     Wir sind ja Christen: Schulen, Tempel

     Sind unser alles Gut, selbst Gott, –
     Nur dieser Sakla, zum Exempel,
     Warum steht er bei euch, zum Spott,
     Und nicht bei uns? Was schmeißen wir

70
     Euch den Tschurek nicht so, den euern,

     Wie einem Hund? Warum müßt ihr
     Das Sonnenlicht uns nicht besteuern?
     Dies und nichts mehr! Wir sind nicht Heiden,
     Wir sind ein echter Christenschlag:

75
     Wir sind mit wenigem bescheiden.

     Und schlösset ihr, statt uns zu meiden,
     Mit uns den freundlichen Vertrag,
     Wir lehrten vieles euch zumal.
     Dazu ist Rußland ja so groß,

80
     Sibirien so grenzenlos!

     Und Völker, Kerker – ohne Zahl!
     Von Krim bis Finnland, weit und breit
     In allen Sprachen alles schweigt
     Vor Wohlergehn!.. Bei uns – nicht übel! –

85
     Der heil’ge Mönch, der liest die Bibel

     Und lehrt: Ein König war einmal,
     Der hatt’ ein’n großen Schweinestall,
     Der raubte seines Freundes Weib,
     Erschlug den Freund zum Zeitvertreib, –

90
     Ist jetzt im Himmel! Seht ihr itzt,

     Wer da bei uns im Himmel sitzt?
     Ihr seid noch Wilde und Barbaren,
     Die Kreuzessegnung nicht erfahren:
     Da lernt ihr, wie man raubt, stibitzt,

95
     Geraubtes mit dem Pfaffen teilt

     Und grad dann in den Himmel eilt
     Mit ganzer Sippschaft nah und ferne[1]!..
     Bei uns?.. Was ist uns nicht bekannt?
     Wir säen Korn, wir zählen Sterne,

[755]
100
     Wir schimpfen das Franzosenland.

     Verkaufen und verspielen gut
     Die Menschen – keine Neger, nein! –
     Die Christen, nur vom Bauernblut.
     Wir schachern nicht – das ist nicht fein! –

105
     Mit dem Gestohl’nen, wie der Jud’, –

     Wir tun’s legal und wohlgemut!»

     Ihr tut’s legal? Ihr tut’s gesetzlich?
     Ihr liebt die Brüder? sagt ihr gleich?
     O Pharisäer, Wortverdreher,

110
     Des Himmels Fluch schwebt über euch!

     Ihr liebt die Haut auf euerm Bruder,
     Nicht seine Seel’, nicht seine Ruh’,
     Und häutet ihn legal, der Tochter
     Daraus zu machen einen Schuh,

115
     Dem Bastardkind zur Morgengabe

     Und für Pantoffel euerm Weib,
     Sich selbst für den, vor Weib und Kindern
     Geheimen, eklen Zeitvertreib!

     Für wen bist du am Kreuz gestorben,

120
     O Christus, hehrer Menschensohn?

     Für gute Menschen? Für die Wahrheit?
     Nein, den Tyrannen nur zum Hohn!

     Die Tempel, Bilder und Kapellen,
     Die Kerzen und der duft’ge Rauch

125
     Und vor dem Zeichen deiner Qualen

     Unzähliger Gebete Hauch –
     Für Raub und Mord und Blutvergießen!
     Laß reichlich Menschenblut nur fließen,
     Empfang dann von der dankbar’n Hand

130
     Ein Tuch, gestohlen aus dem Brand!


     Ja, aufgeklärt sind wir und wollen
     Aufklären andre ganz und gar!
     Der Wahrheit blendend Bild entrollen
     Vor deinem blinden Aug’, Barbar!

[756]
135
     Sollt alles lernen, aber schaut!

     Laßt euch von uns nur unterweisen:
     Wie man die starken Kerker baut,
     Wie man die Fesseln macht von Eisen,
     Wie man sie trägt und wie man flicht

140
     Die langen, knotenreichen Knuten,

     Wie man damit den Starrsinn bricht,
     Wenn eure Rücken drunten bluten –
     Das alles sollt ihr wissen, glaubet!
     Ergebt nur willig eure Wehr,

145
     Das Letzte, – weil wir schon geraubet

     Die Felder und das freie Meer!

Auch dich trieb man hin, du mein einziger Freund,
Mein Jakob, mein Edler! Nicht für die Ukrain’,
Nein, für ihren Henker hast müssen vergießen

150
Dein edles Blut und hast ausleeren müssen

Vom Moskauer Becher das Moskauer Gift…
O guter, o mein unvergeßlicher Freund!
Schweb auf mit lebendigem Geist in Ukrain’:
Flieg hin mit Kosaken, wo das Unheil sie trifft,

155
Und sei des Vergangnen ein treulicher Hüter

Und wein mit Lebend’gen herzlich und bitter
Und mich auch erwarte zum freien Verein!

Doch eh’ es kommt, will ich streun
In Liedern meine grimme Pein;

160
Da mag sie zeitigen geschwind,

Da mag sie rauschen mit dem Wind!
Der duft’ge Steppenwind, er flieht
Und trägt zu dir mein herbes Lied.
Mit Liebestränen nimmst du’s an

165
Und lispelst still die Wort’ für dich,

Erinnerst dich an den Kurhan,
An Steppen, Berge und an mich!
Umlispelt es so liebend dich
Und hörst das Lied du Wort für Wort,

170
So lieb unendlich, fort und fort,

Die Ukraine, Freund, und mich!


[757]
[Fassung 1882]


Auch dich, mein Freund, dich trieb man hin,
Mein Jakob, dich, so lieb und gut!
Nicht für die Mutter Ukrain’,
Für ihren Henker floß dein Blut;

5
Und aus dem moskowit’schen Becher

Hast du, ein unglücksel’ger Zecher,
Geleert das moskowit’sche Gift.
O guter Freund! Mit Flammenschrift
Schrieb deinen Namen in mein Herz

10
Dein Martertod! So flieg denn hin,

Ein lichter Geist, nach Ukrain’,
Den Heldengeistern zugesellt;
Schweb über Steppen, Fluß und Feld,
Treu hütend unsre letzte Hab’:

15
Der Vorzeit arg zerwühltes Grab,

Beweinend mit mitleid’gem Sinn
Der Gegenwart Ruin und Schmerz.

So walte du dort bis der große Befreier,
Der Tod, mich dem grausigen Kerker entreißt,

20
Dann feiern wir unsre Vereinigungsfeier –

Als freier Geist mit freiem Geist.

     Doch eh’ dem so ist, will ich streun
     In Liedern meine grimme Pein;
     Da mag sie zeitigen geschwind,

25
     Da mag sie rauschen mit dem Wind!

     Der duft’ge Steppenwind, er flieht
     Und trägt dir zu mein herbes Lied…
     Umlispelt es so liebend dich
     Und hörst das Lied du Wort für Wort,

30
     So lieb unendlich, fort und fort,

     Die Ukraine, Freund, und mich!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: fere