Kaufhaus und Kornhaus
Freiburg war ehemals die Stätte eines lebhaften Handels und unterhielt rege kaufmännische Beziehungen zu den Nachbarorten und namentlich auch zum Schwabenlande. Es blühten hier besonders die Steinschleiferei und das Tuchgewerbe, so dass gewiss schon früh für den starken Verkehr ein besonderer Lagerraum oder ein Kaufhaus erforderlich war.
Urkundlich ist nun bezeugt, dass schon um das Jahr 1370 ein solches Gebäude bestanden hat und zwar unmittelbar hinter dem jetzigen Kaufhause. Seine Front war nach der Suttergasse (Schusterstrasse) gerichtet, woselbst der Hauptverkehr sich abwickelte. Dieses Waarenhaus barg auch die Stuben der Kaufhausherren, in denen die Waaren verzollt sowie die Abgaben und Gefälle entrichtet wurden, wie denn überhaupt der Mittelpunkt des gesammten städtischen Finanzwesens sich befand. Auch der Salzhandel, der im Mittelalter von grosser Bedeutung war, vollzog sich eben hier.
Von jenem älteren Gebäude, das je nach dem wechselnden Bedürfnisse mannigfache Umgestaltung erfahren musste, ist nichts mehr auf uns gekommen. Einem Umbau aber, der im Jahre 1518 vorgenommen wurde, entstammt das südlich nach dem Hofe hin gelegene, im Vieleck vorspringende Treppenhaus mit der sehr reichen Maasswerkbrüstung der Treppe sowie der bemerkenswerthe, leider theilweise vermauerte Kamin. An eine noch spätere Zeit erinnern die flottgezeichneten Stuckornamente in den nördlichen Räumen des Beurbarungsgebäudes, in welchem vormals die Kanzlei der vorderösterreichischen Regierung ihren Sitz hatte.
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Bald nachdem im Jahre 1514 die Todtenbestattung in der Umgebung des Münsters untersagt worden war, ergriff der Marktverkehr von dem Platze Besitz und nun verlegte man auch nach dieser Richtung hin die eigentliche Front des neu zu errichtenden Kaufhauses. Zu diesem Zwecke musste der Rath drei Häuser erwerben. Bei dem Neubau jedoch war
[426] man nicht nur auf die Erweiterung der Lagerräume bedacht, sondern auch auf die Herstellung eines würdigen Festsaales, dessen die Stadt bis dahin ermangelt hatte.
Das Werk, bei dem wir zum ersten Male auf Verschmelzung spätgothischer Grundformen mit Motiven der neu aufblühenden Kunst antreffen, ist bald nach 1520, wahrscheinlich durch den Meister Lienhard von Ettlingen, der von 1524 bis 1533 als Werkmeister am Münster thätig war, im Auftrage der Stadtverwaltung in Angriff genommen worden. Vollendet wurde es im Jahre 1532, wie die Zahl neben dem Meisterzeichen am Schlusstritte der Wendeltreppe bezeugt.
Das Kaufhaus ist ein zweistöckiges, von Staffelgiebeln eingeschlossenes Gebäude mit kreuzgewölbtem Laubengang und mit zwei aus den Ecksäulen [427] auskragenden Erkern. Im zweiten Stockwerk zieht sich vor der ganzen Länge des Baues ein Balkon auf Renaissancekonsolen hin, dessen Ballustrade mit hölzernen gedrehten Pföstchen versehen ist. Ueber der Halle zwischen den fünf grossen dreitheiligen Vorhangfenstern erscheinen unter Baldachinen auf Konsolen mit spätgothischer Profilirung die lebensgrossen Standbilder Kaiser Maximilian’s I. (erste Figur vom östlichen Erker), seines Sohnes Philipp’s II. von Spanien, sowie seiner Enkel Karl V. und Ferdinand I. Alle diese vier Porträtstatuen tragen Rüstungen und darüber die Ordenskette des goldenen Vliesses. Die schön gearbeiteten reliefirten und gemalten Wappen, welche die Brüstungen der Erker schmücken, stellen die Wahlreiche und Erblande dar, welche zur Zeit Karl’s V. unter habsburgischem Scepter vereinigt waren.
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Die Bogenhalle gibt uns ein Bild von den an anderer Stelle schon erwähnten, durch Hans Niesenberger ausgeführten, jetzt leider zerstörten Lugstühlen am Heiliggeistspital. Ihre Säulen entbehren der Kapitellkörper, die Bogengliederung sowie die Gewölberippen laufen sich in den Säulen todt. Die Wanddienste sitzen auf verschieden geformten Konsolen auf. Die Wappen in den Schlusssteinen der Rippenkreuzungen sind jenes von Oesterreich unter der Enns, das Stadtwappen,
[428] der österreichische Bindenschild und nochmals das Stadtwappen. Die grotesken Wasserspeier bilden interessante Leistungen des Schmiede- und Blechnerhandwerks.
Im Erdgeschosse befinden sich Lagerräume, welche noch jetzt zu Marktzwecken dienen.
Der Hof mit seinen Treppenhäusern, Thüren, Arkaden und mit der Fachwerkparthie, ein Verbindungsgang zwischen dem alten und neuen Kaufhaus, ist wegen seiner ungemein malerischen Gesammtwirkung höchst sehenswerth. Hier befindet sich auch der Aufgang zum Saale, die sogen. Kaisertreppe, eine bemerkenswerthe technische Leistung. Es ist eine stattliche von drei schön gegliederten Spindeln getragene Wendeltreppe mit der beträchtlichen Weite von 3,40 m. Der Auftritt beträgt im Mittel 40 cm, die Steigung 15 cm. Die untere Fläche des letzten Trittes zeigt, wie schon oben erwähnt, ein erhaben ausgeführtes Meisterschild mit der Zahl 1532. Die grosse Anzahl von Steinmetzzeichen, welche sich in diesem Treppenhause befinden, lässt einen ausserordentlich regen Baubetrieb voraussetzen.
Der Saal hat einen von sechs Pfosten getragenen Holzplafond, der früher (1631) mit Wappen und Gemälden geschmückt war. Die theilweise noch vorhandenen Wappen sind inzwischen mehrfach erneuert worden, wie denn überhaupt der Bau nach den zahlreichen Kriegen und Belagerungen Umgestaltungen erfahren hat.
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Die neueste durchgreifende Restauration erfolgte im Jahre 1880, wobei der Kunstsinn und die Opferfreudigkeit einer Anzahl Bürger sich in rühmlicher Weise bethätigten. Damals erhielten auch die zweitheiligen Fenster der Erkerthürmchen neue Glasgemälde nach Kartons von Professor Fritz Geiges. Sie führen die Abzeichen der Zünfte und sind in Stil und Composition trefflich gelungen. Im östlichen Erkerstübchen
[430] sind dargestellt die Zünfte der Zimmerleute und Maurer (Zum Monen), der Maler und Goldschmiede (Zum Riesen) und der Schneider und Tuchscheerer (Zunft der Gewandschneider zum Schäppele und der Tuchemer zum Rosenbaum).
Im westlichen[WS 1] Erker sind vertreten die Zünfte der Müller und Brotbäcker (Zum Elephanten), der Rebleute (Zur Sonnen), der Küfer (Zum Offtinger) und der Fischer und Metzger (Zum Sternen).
Am 3. October 1876 fand bei der Enthüllung des Siegesdenkmals zu Ehren der Anwesenheit Kaiser Wilhelm’s I. ein Festmahl in dem Saale statt, wesshalb ihm der Name Kaisersaal beigelegt wurde.
Schliesslich sei noch erwähnt, dass das östlich an das Kaufhaus [431] angebaute Haus, in welchem sich der gewöhnliche Zugang zum Saale befindet, durch die mittelalterlich eingerichtete Vereinsstube des Breisgau-Vereins Schauinsland (im dritten Stocke) bemerkenswerth ist.
Unter den geschichtlichen Profangebäuden Freiburgs hat keines eine so wechselvolle Geschichte und ist keines so verschiedenartigen Zwecken dienstbar gewesen wie das Kornhaus.
An seiner Stelle befand sich ehemals das Zunfthaus der Krämer, genannt zum Falkenstein. Hier aber gab zugleich die Stadt ihre öffentlichen Tänze und Feste, zuletzt bei der Anwesenheit Philipp’s des Schönen. Das alte Zunft- und Tanzhaus nun war ursprünglich einerseits mit dem Hause »zur Eidechse«, andererseits mit dem »zur Hölle« zusammengebaut. Die Gassen zu beiden Seiten des Kornhauses, welche jetzt den Münsterplatz mit der Engelstrasse verbinden, bestanden damals noch nicht.
Allein schon bald machte sich das Bedürfniss nach einem grösseren Festraume geltend. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren fürstliche Besuche in Freiburg keine Seltenheit und diese hatten natürlich grosse Feste im Gefolge. Dafür aber genügte das alte Tanzhaus nicht mehr. Als nun gar für das Jahr 1498 auch ein Reichstag angekündigt wurde, da beschloss der Rath, ein neues eigenes Tanzhaus zu errichten. Gleichzeitig jedoch sollte damit auch einem praktischen Bedürfnisse Rechnung getragen werden, indem man einen Raum zur Abhaltung des Kornmarktes schuf, welcher sich bisher mit einem Schuppen auf dem Münsterplatze hatte begnügen müssen.
Es wurde nun das Zunfthaus der Krämer nebst den beiden anstossenden Gebäuden erworben, und auf dem Platze ein nach allen Seiten freistehendes neues Tanz- und Kornhaus aufgeführt, das im Volksmund den Namen »zur Neuen Hölle« erhielt. Aber nicht lange sollte [432] der Bau seiner vornehmeren Bestimmung erhalten bleiben.
Schon im Jahre 1547 finden wir in den unteren Raum die Metzig verlegt, die ehedem, gleich den Brotlauben, in der Hauptstrasse sich befunden [433] hatte, während das obere Stockwerk nach der Fertigstellung des neuen Kaufhaussaales nahezu unbenutzt blieb, oder doch nur zu untergeordneten Zwecken verwendet wurde. Seitdem erscheint das Haus unter dem Namen »Grosse Metzig«, welchen es bis gegen Ende vorigen Jahrhunderts beibehielt.
Als sodann zu Ende des vorigen Jahrhunderts die mittelalterlichen Passionsspiele, welche man bis dahin auf dem Münsterplatze unter freiem Himmel abzuhalten hatte, ihr Ende fanden, und durch fahrende Schauspielertruppen die dramatische Kunst, freilich in bescheidenster Gestalt, auch in Freiburg ihren Einzug hielt, verlegte man die Comödienaufführungen, zugleich aber auch wieder den Kornhandel in die »Grosse Metzig«. Vom Jahre 1789 an wird das Haus im Brand-Kataster nur mehr als »Comödien- und Kornhaus« aufgeführt und nachdem man 1823 die ehemalige Augustinerkirche zum Stadttheater eingerichtet hatte, fand es wieder ausschliesslich als Kornhaus Verwendung. Im Jahre 1884 ist das Innere des Gebäudes einer umfassenden baulichen Veränderung unterzogen worden. Es machte sich damals, wie im Mittelalter,[WS 2] wieder [434] das Bedürfniss nach einem geeigneten Festsaale geltend. Für mancherlei Veranstaltungen war der Kaufhaussaal zu klein und die Festhalle zu
[436] gross. Angeregt durch zahlreiche Bürger, insbesondere durch die Vorstände verschiedener Vereine und gefördert durch den Opfersinn der Einwohnerschaft, entschloss sich die Stadtbehörde, die über der Kornhalle gelegenen als Vorrathsräume dienenden Stockwerke zu einem passenden Festsaale umzubauen.
Dem Baumeister war unter den gegebenen Verhältnissen keine leichte Aufgabe zugefallen. Es mussten zunächst die Gebälke herausgenommen oder abgeschnitten werden, um die oberen Geschosse miteinander zu vereinigen. Das Ganze erhielt sodann einen einheitlichen, harmonischen, architectonischen Inbau. Die für den Saal erforderlichen Nebenräume konnten der Markthalle entnommen werden. Den Zugang zum Saale vermitteln zwei, zu beiden Seiten des Haupteinganges angeordnete Treppen, deren Stufen aus Granit hergestellt sind. Die Beleuchtung lässt bei Tag zu wünschen übrig, was bei der eingeschlossenen Lage des Baues erklärlich erscheint. Der Saal ist vorzugsweise
[437] auf Oberlicht angewiesen; hierfür sind im Ganzen zehn Fensteröffnungen seitlich in den Deckenfeldern angeordnet und in bemaltem Glase ausgeführt. Zwei freischwebende, je 300 Kerzen starke Siemens’sche Sonnenbrenner, sowie 12 an den Pfosten angebrachte Wandarme zu je 5 Flammen, dienen zur abendlichen Beleuchtung und zwei Ventilationsschlöte von 1,50 m Durchmesser, welche über den Sonnenbrennern angebracht sind, bewirken die Lüftung. Die Erwärmung erfolgt durch eine Luftheizung nach Kauffer’schem System, die jedoch seit ihrem Bestehen eine zweckdienliche Veränderung erfahren hat. Die an der Dachconstruction hängende Decke ist vertäfelt und in Balkenfelder getheilt. Sie folgt nach zwei Seiten der äusseren Form des Daches, während der mittlere Theil den horizontalen Plafond bildet. Dem Holzinnenbau ist seine Naturfarbe gelassen; nur theilweise ist er ornamental bemalt. Zwei Pfostenreihen nehmen die Dachbinder und Längsverbindungen der Deckenconstruction auf. An der Rückwand ist eine Gallerie eingebaut, welche 2,80 m in den Saal hineinreicht und vom Vorplatze aus durch zwei Treppen zugänglich ist.
Das Orchesterpodium liegt 60 cm über dem Saalfussboden und nimmt eine Grundfläche von 100 qm ein. Es ist so eingerichtet, dass es je nach Bedarf durch Schiebvorrichtung vergrössert oder verkleinert werden kann. Ueber dem Podium sind die Büsten von Beethoven, Mozart, Liszt und Wagner aufgestellt; zwischen ihnen befinden sich die Wappenschilde Badens, der Stadt und des Breisgaues.
Der für kleinere Concerte, Versammlungen und Veranstaltungen [438] aller Art bestimmte Saal hat bei einer Länge von 29,4 m und einer Breite von 13,80 m eine lichte Höhe, vom Fussboden bis zum Spiegel
[439] der Decke von 7 m. Seine Grundfläche beträgt 405 qm. Er kann insgesammt 550 Personen bequem aufnehmen. Die Akustik ist eine gute.
Die Gesammtherstellungskosten des Umbaues beliefen sich auf 45,000 Mk.
Im Erdgeschoss wird allwöchentlich der Fruchtmarkt abgehalten, der jedoch bei der Art des heutigen Handelsverkehrs gegen früher bedeutend zurückgegangen ist.
Es möge schliesslich noch erwähnt sein, dass durch den Umbau das Aeussere des Kornhauses keine Veränderung erlitten hat, so dass die schlichte Würde der ursprünglichen Erscheinung noch erkennbar ist. Die unförmigen, glatten, spitzbogigen Fenster- und Thüröffnungen im Erdgeschoss, welche den Bau entstellen, wurden im Jahre 1823 gebrochen, als der Raum wieder dem Kornmarkte übergeben wurde. Ehedem waren es schmale Oeffnungen im Charakter der oberen Fenster.
Das Aeussere des Baues ist höchst einfach und schlicht gehalten und fast ganz ohne Relief. Es ist ein rechteckiges, regelmässiges Gebäude von 34,4 m Länge und 15,6 m Breite mit hochragendem Satteldach und Treppengiebeln an den Querseiten. Während die Ecken [440] der Fronten sorgfältig bearbeitetes Quaderwerk aufweisen, sind die Flächen in gewöhnlichem Bruchsteinmauerwerk aufgeführt und verputzt. Die Längsfronten zählen fünf Fensterachsen mit dreitheiligen Lichtöffnungen. Die vordere Giebelfront wird durch zwei Quergurtungen unterbrochen. Die eine derselben bildet die Fensterbank des zweiten Stockes, während die andere in der Höhe des Dachgesimses liegt und sich nach oben verkröpft, um wieder dem einen Stock höher liegenden Fensterpaare als Sohlbank zu dienen. Die mittleren zwei übereinander liegenden Stichbogenfenster waren die Aufzugsöffnungen für die Fruchtvorräthe.
Die Giebelvorsprünge sind aus Backsteinen hergestellt und mit Putzüberzug versehen, wie auch die die Giebel bekrönenden Fialen. Bemerkenswerth ist, dass die Lichtöffnungen in der Mitte des Giebels nicht in einer Achse liegen.
Erfreulicher Weise wird die Stadtverwaltung das Aeussere dieses geschichtlich werthvollen Denkmals demnächst einer stilgerechten Erneuerung unterziehen.