Karl von Holtei (Die Gartenlaube 1890/6)

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Karl von Holtei
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 195
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[195] Karl von Holtei. Der beliebte schlesische Volksdichter und Vorleser, von welchem Feodor Wehl in ihm gewidmeten Erinnerungsblättern manche ergötzliche Anekdote erzählt, hatte die üble Angewohnheit des Fluchens und Schimpfens. Einmal kam er bei dem jungdeutschen Schriftsteller Theodor Mundt mit der Gräfin Hahn-Hahn zusammen. Frau Mundt beschwor ihn, wenigstens an diesem Abend nicht so mit Flüchen um sich zu werfen. Holtei saß den ganzen Abend stumm wie ein Fisch. Endlich redete ihn die Gräfin an, warum er so schweigsam sei. „Erlauben Sie, Frau Gräfin,“ sagte Holtei, erhob sich ernst und würdevoll, ging zur Thür, machte sie auf und rief hinaus: „Dreimalhunderttausend Schock Kreuzdonnerwetter“ – schloß die Thür wieder zu, setzte sich auf seinen Platz und fuhr dann in seinem gefälligsten Tone fort: „Ein Fluch ist die Thürklinke zu meiner Unterhaltung; das ist unser Herrenrecht zu Arras! Nun, Gnädigste, stehe ich zu Dienst!“ Die Gräfin Hahn-Hahn war ganz erschrocken und rückte verlegen von ihm fort. Aber Holtei, der sich Holteiisch Luft gemacht hatte, begann nun so komisch von seiner Angewohnheit des Schimpfens und von Mundts Angst, er möchte sich derselben in Gegenwart der Gräfin überlassen, zu erzählen, daß diese dadurch heiter gestimmt wurde und später zu Holteis wärmsten Verehrerinnen gehörte.

In Berlin hatte Wehl seinen Freund Holtei ins Königsstädtische Theater abgeholt.[WS 1] Dieser war auf dem Wege trübsinnig und verstimmt; ein armer Schauspieler war bei ihm gewesen und hatte ihm sein Elend geklagt, Holtei hatte ihm an Geld gegeben, was er nur entbehren konnte. Kaum waren die Freunde in den Sperrsitzraum des Theaters getreten, als Holtei rasch wieder hinaus in die Gänge stürzte. Wehl eilt ihm verwundert nach und findet ihn draußen, wie er einen jungen Menschen schüttelt, dem er mit Donnerstimme zuruft:

„Du verfluchter Halunke! Mir lockst Du mit Deiner Hungerleiderei das Geld aus der Tasche, und hier finde ich Dich Kuchen im Theater fressen. Gieb heraus, was Du noch hast, und dann scher’ Dich zum Teufel und seiner Großmutter, die Deine Verwandtschaft sind!“

Der Gepackte gab ihm zitternd die Hand voll Silbergeld hin und verschwand. Holtei gab das Geld an Bettler, die er auf der Straße fand. Ein anderes Mal fand Wehl bei einem Besuch Holtei in Thränen aufgelöst; vormittags sei ein Student bei ihm gewesen, der ihn um zehn Thaler gebeten habe. „Wenn Sie mir diese Kleinigkeit verweigern, erschieße ich mich,“ habe er gesagt, und zwar in einer so zudringlichen Weise, daß Holtei ihn für betrunken gehalten und ihm die Thür gewiesen habe. Wenige Minuten danach habe er sich auf der Treppe wirklich erschossen. Holtei war außer sich. „Nie in meinem Leben wieder versage ich armen Bittenden meine Hilfe,“ stöhnte er ein Mal über das andere. „Der Tod dieses Unglücklichen wird mir ewig auf der Seele brennen.“ †     

  1. Vorlage: ahgeholt.