Kardinal Richelieu vor La Rochelle

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Titel: Kardinal Richelieu vor La Rochelle
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aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 553, 563–564
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[553]

Kardinal Richelieu bei der Belagerung von La Rochelle.
Nach einem Gemälde von A. A. Lesrel.

[563] Kardinal Richelieu vor La Rochelle. (Zu dem Bilde S. 553.) Als der Kardinal Jean Armand du Plessis, Herzog von Richelieu, im Jahre 1624 das französische Staatsruder in die Hände nahm, da war das erste Ziel, welches er sich steckte, die Unterwerfung der Hugenotten. Richelieu war nicht im eigentlichen Sinne unduldsam, vielmehr durchaus geneigt, auch den reformierten Unterthanen des Königs von Frankreich volle Gleichberechtigung mit ihren katholischen Mitbürgern zu gewähren. Aber ihre politischen und militärischen Verbindungen, durch die sie zu einer fast unabhängigen Gewalt wurden, sollten vernichtet, ihre politischen Versammlungen unterdrückt, ihre Festungen zerstört, ihre Heere aufgelöst werden. Sie sollten nicht ferner einen Staat im Staate bilden.

Der Kampf gegen die Hugenotten verdichtete sich schließlich in dem Kampf um La Rochelle, jene mächtige Seefeste an der Westküste von Frankreich, die den Hauptstützpunkt der Hugenottenmacht bildete. Ihre Eroberung war für das Königthum moralisch und politisch gleich wichtig. „So lange er Rochelle nicht innehat, ist der König nicht wahrhaft König von Frankreich,“ rief einmal Richelieu, und so bot er alles auf, diese Stadt in seinen Besitz zu bringen.

Die Belagerung hatte ihre großen Schwierigkeiten. Die Befestigungen waren außerordentlich stark, ja sie galten als uneinnehmbar, die Bevölkerung, die um ihr Alles, um Freiheit, Besitz und Religion kämpfte, war zum äußersten entschlossen, und die Verbindung mit England, die zur See immer noch offen stand, sicherte einen mächtigen Rückhalt. Nur wenn es gelang, diese Verbindung abzuschneiden, war Aussicht auf eine Bezwingung der Stadt vorhanden, und hier setzte denn auch Richelieu [564] der persönlich den Oberbefehl führte, im November 1627 den Hebel ein. La Rochelle liegt im Hintergrund eines verhältnißmäßig schmalen Meerbusens. Durch einen ungeheuren Steinwall, der von beiden Ufern aus gleichzeitig vorgeschoben wurde, schloß Richelieu die Mündung dieses Meeresarmes gegen die offene See hin ab, und nunmehr war die Aushungerung der Feste nur noch eine Frage der Zeit.

Wohl eilte im Mai 1628 eine englische Flottille herbei, um Lebensmittel in die Stadt zu bringen. Aber sie vermochte den von starken Streitkräften vertheidigten Steinwall der Belagerer nicht mehr zu durchbrechen, und ebenso wenig gelang dies einem zweiten Geschwader, welches im September desselben Jahres erschien. Die Bewohner von La Rochelle, mit ihrem unerschütterlichen Bürgermeister Jean Guiton an der Spitze, leisteten das Menschenmögliche im Ertragen der fürchterlichen Hungersnoth, endlich aber war ihre Kraft doch erschöpft, und am 30. Oktober 1628 ergab sich die Stadt dem Kardinal. Die auf wenig Köpfe zusammengeschmolzene Besatzung erhielt durch die Gnade des Königs freien Abzug, die Festungswerke und die Stadtmauern wurden geschleift, die municipalen Vorrechte vernichtet und die städtischen Güter zu den königlichen Domänen geschlagen. Die Macht der Hugenotten war aufs tiefste erschüttert, das Königthum aber triumphierte nicht bloß über sie, sondern auch über die Engländer, die ihnen nicht mehr hatten helfen können.

Mitten in diese weltgeschichtliche Belagerung hinein versetzt uns das Bild von A. A. Lesrel. In dem prunkvollen Gemache eines vor den Mauern von La Rochelle gelegenen Schlosses sitzt der Kardinal, Staatsmann und Feldherr an einem mit Büchern, Karten und Zeichnungen bedeckten Tische. Seine Hand zieht mit der Feder einen Strich in den vor ihm liegenden Plan – vielleicht ist es die Linie, die der verhängnißvolle Steinwall nehmen soll. Aber seine Gedanken sind noch mit anderem beschäftigt. Ein mächtiges Schiffsmodell im Hintergrunde deutet darauf hin, daß er gleichzeitig auf eine Verstärkung der französischen Flotte bedacht ist, denn nur so darf er hoffen, dem seemächtigen England dauernd die Spitze zu bieten.