Künstlerfahrten in Schleswig-Holstein

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Titel: Künstlerfahrten in Schleswig-Holstein
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aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 191
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Besuch eines Illustrators an der dänischen Front
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[191] Künstlerfahrten in Schleswig-Holstein. Aus einem uns soeben zugehenden Schreiben unseres zweiten Specialartisten, Herrn O. G. aus Weimar, von dem wir schon in der allernächsten Zeit eine Reihe ausgezeichneter Illustrationen vom Kriegsschauplatze bringen werden, geben wir die nachstehenden Mittheilungen, welche unsere Leser gewiß ebenso interessiren werden, wie uns selbst:

Sonntag den 28. Februar, schreibt Herr G., bot sich mir eine mit Vergnügen ergriffene Gelegenheit, mit einem fouragirenden Artillerieofficier bis Dorf Rinkenis zu fahren. Da ich jedoch in dem Orte, in welchem das einzige größere Gebäude, das Schulhaus, zu dem ersten in unmittelbarer Nähe des Kriegsschauplatzes befindlichen Lazarethe eingerichtet ist, keine Unterkunft finden konnte, so mußte ich mich, wohl oder übel, entschließen, Abends 9 Uhr, ankämpfend gegen heftigen Ostwind, den schlimmsten Wind, den es hier giebt, und auf verzweifelt schmutzigen und grundlosen Wegen, im Dunkel der schwärzesten Nacht, noch nach Gravenstein, dem Hauptquartier des Prinzen Friedrich Karl von Preußen, zu stolpern. Um in Gravenstein nicht arretirt oder zurückgewiesen zu werden, hatte ich von den Officieren in Rinkenis vom 60. Regimemt, das bei Missunde tapfer gefochten, die Parole mitgetheilt erhalten. Plötzlich ertönt seitwärts vor der Stadt dem arglosen Wanderer aus grausiger Finsterniß entgegen das furchtbare „Halt! werda?“ des Postens, der in seinem weißlichen Schafpelz kaum bemerkbar ist. „Gut Freund!“ – „Parole?“ – „Krieges-“ – „Losung?“ – „lust!“ – „Feldgeschrei?“ – „Albrecht!“ – „Kann passiren.“ So brüllt es und so antworte ich zwei Mal.

Es war Mitternacht. Mutterseelenallein in einer mir gänzlich fremden Stadt von etwa 4000 Einwohnern, fiel ich meinem Instinct vertrauend, von Müdigkeit, Hunger und Durst geplagt, in den ersten Gasthof, der sich zeigte, ein. O weh! Alles überfüllt! Jeder Winkel von Soldaten besetzt. Im zweiten ganz ebenso. Die Leute lagen theilweise bekleidet, bedeckt mit Mantel und Wolldecke, auf Stroh wie geschichtete Häringe aneinander, in jedem Zimmer 30, ja 50 Mann. Schon winkte mir die heitere Aussicht, eine Nacht unter dem freien, nichts weniger als italischen Himmel Schleswigs campiren zu müssen. Da erbarmte sich meiner ein menschenfreundlicher Pionierunterofficier von der Wache und verschaffte mir zwei ungepolsterte Stühle, mit der dankbar angenommenen Erlaubniß, dableiben zu dürfen. Nach Vertilgung einer schier Grüneberger Bouteille Rothweins sank ich von den Anstrengungen des Tages überwältigt, trotz des bretharten Lagers, in einen festen Schlummer und träumte von den Freuden eines eiderdunenen Bettes und sonstigen Annehmlichkeiten des menschlichen Lebens.

Nachdem ich mich am andern Morgen bei dem Commandanten, Major v. Unruh, legitimirt hatte, erhielt ich einen Passirschein, um einen befreundeten Officier zu besuchen, und wanderte aus der Sonderburger Chaussee den Vorposten unserer Armee zu. Freundlichst, ja cameradschaftlich wurde meine civilistische Seele aufgenommen. Während voller vier Tage theilten die Herren Krieger bereitwilligst Speise und Trank, Strohlager und Zimmer mit mir und bemühten sich überhaupt aufs Liebenswürdigste mir das Leben so angenehm zu machen, wie es die gegebenen einschränkenden und beschränkten Verhältnisse erlaubten.

Alle Truppen, Officiere wie Gemeine, die ich bis jetzt sah, sind vom besten Geiste beseelt, hängen am Prinzen Friedrich Karl mit wahrer Begeisterung [192] und vertrauen ihm mehr als jedem andem General. Wenn der nur allein die Sache in der Hand hätte, meinen sie, dann sollten bald keine Dänen mehr in Schleswig sein.

Uebrigens wird die Armee ausgezeichnet verpflegt. Jeden Tag giebt es Fleisch, Rind- oder Schweinefleisch, Erbsen, Linsen und Reissuppe und gutes Brod, Morgens und Nachmittags aber Kaffee. Freilich wird den preußischen Truppen kein Wein geliefert, wie den Oesterreichern, sondern nur Schnaps. An Tabak und Cigarren fehlt es auch nicht, und außerdem hat jede Compagnie ihren Marketender, bei dem man für Geld bekommen kann, was im Felde dem Soldaten irgend wünschenswerth. Von Gamaschendienst ist keine Spur mehr, Jeder raucht beim Marsch nach Belieben, steckt die Hosen in die Stiefeln und ist mit einer schützenden Kapuze versorgt, während der Hals, ganz nach Geschmack und Belieben, mit den verschiedenartigsten Shawls umhüllt wird und die Officiere ihre Colt’schen Revolver im Gürtel tragen. Genug, man kann das mannigfachste, manchmal selbst komischste Costüm bewundern. Trotz alledem aber herrscht eine tadellose Disciplin.

Nachdem wir uns am 29. vor. M. bei Nübel mit den Dänen, namentlich den trefflichen Castelljägern, gebornen Kopenhagenern, herumgeschlagen hatten, rückten wir Abends wieder ins Quartier. Während des Gefechts und Marsches skizzirte ich, wo und wie es nur irgend anging, tapfer darauf los, so daß Sie in der Kürze Bilder aus Gegenden erhalten sollen, wohin während des Krieges wohl noch kein anderer Maler gedrungen ist. Nächste Nacht um 11 Uhr gingen die Truppen in aller Stille wiederum bis Nübel vor, welches besetzt wurde. Der Assistenzarzt Dr. F–d–r und ich blieben indessen bei der Feldwache des ersten Vorpostens zurück, um uns Morgens gegen sechs Uhr nach Nübel zu begeben, wo die sechste und siebente Compagnie des 64. preußischen Regiments in ein Gefecht verwickelt wurde, welches wir von dem hoch gelegenen Kirchhofe des Dorfes bequem und ohne Gefahr überschauen konnten. In voreiliger Hast eröffneten die Dänen auf hundert Schritt das Feuer. Aus dem Gehölz hervortretend, verschwanden sie nach abgegebenem Schusse sofort wieder hinter den Bäumen, wie ich ganz deutlich sehen konnte. Die Unseren avancirten über die Knicks, erwiderten behende das Feuer und schossen scharf in ein Gehöft, aus dem sie von einer starken dänischen Feldwache angegriffen wurden. Nachdem so die Truppen sich von der Stellung des Feindes überzeugt, gingen wir nach der Nübelwassermühle zurück.