Textdaten
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Titel: Julius Fürst
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aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 137
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[137] Julius Fürst. Die deutsche Wissenschaft und Literatur, sowie die Universität Leipzig und viele gebildete Kreise dieser Stadt haben durch den am 9. Februar erfolgten Tod des Professor Dr. Julius Fürst einen besonders schmerzlichen Verlust erlitten. Ein reiches und unermüdlich emsiges Geistesleben, ein vielseitig bedeutsames, von ausgebreitetem Wissen, hoher Bildung und Begabung unterstütztes Wirken ist mit diesem Manne dahingegangen. Was er als Gelehrter und Universitätslehrer in seinen wissenschaftlichen Fächern, auf dem Gebiete der hebräischen und semitischen Sprachkunde und der neueren Bibelforschung Neues und Verdienstliches geleistet hat, ist während seines Lebens schon gewürdigt worden und wird nun wohl nach seinem Tode eine doppelt ernste Würdigung erfahren. Erwähnt sei hier nur ein bezeichnender Punkt. Prägt sich im Stil der Charakter des Menschen aus, so hat sich Fürst ein in hohem Grade für ihn bezeichnendes Zeugniß schon durch den schriftstellerischen Charakter seiner wissenschaftlichen Darstellung ausgestellt. In den meisten seiner Bücher finden wir geistesscharfe Gliederung und eine musterhafte Präcision und Correctheit mit schwunghafter Schönheit der Formen und moderner Eleganz des immer reinen, klaren und kernigen Ausdrucks zu einem wahrhaft eindrucksvollen Ganzen vereinigt. Eine so glänzende Bewältigung spröder und schwieriger Stoffe erscheint aber um so merkwürdiger, wenn man an die Jugend- und Bildungsgeschichte des Mannes denkt. Ihm hatte das Schicksal keine Rosen auf seine ersten Lebenswege gestreut, er gehörte zu der Reihe jener Persönlichkeiten, die sich aus den allerungünstigsten Verhältnissen, in stetem Kampfe mit gewaltig sich entgegenstemmenden Hemmungen zu den höchsten Stufen wissenschaftlichen Leistens im buchstäblichen Sinne emporgerungen haben.

Wie viele Andere seiner Heimaths- und Glaubensgenossen, war er als ein blutarmer, vierzehnjähriger Judenknabe von einem unwiderstehlichen Durst nach Wissen und Bildung aus seinem obscuren preußisch-polnischen Vaterstädtchen nach Berlin getrieben worden. So war auch einst der Knabe Moses Mendelssohn ohne Geld und Bekanntschaft in die große Stadt eingewandert. Aber seitdem hatten die Zeiten sich schon geändert; nicht wie Mendelssohn ging der junge Fürst zum Rabbiner; er wandte sich an den berühmten Philologen Bellermann, den humanen Director des Gymnasiums zum grauen Kloster, der ihm unentgeltliche Aufnahme in seiner Schule bewilligte und ihn zur Fristung seiner Existenz für den Unterricht im Hebräischen den jungen Theologen empfahl. Wie nun solch’ ein Jüngling, immer seine idealen Ziele im Auge, stolz, frisch und mit heiterem Muthe, durch Gymnasium und Universitätszeit sich durchgekämpft, unter den ernstesten Studien sich selber ernähren und auch noch Eltern und heranwachsende Geschwister unterstützen mußte, das wird einmal in einem umfassenden Lebensbilde Fürst’s wahrheitsgetreu geschildert werden. Für heut möge die Bemerkung genügen, daß Fürst zwölf Jahre nach seinem Eintritt bei Bellermann sein „Lehrgebäude der hebräischen und aramäischen Sprache“ veröffentlichte und dadurch schnell einen Weltruf erlangte. In Leipzig hatte er dieses große Werk vollendet und Leipzig war seitdem die bleibende Stätte seines Wirkens geblieben. Seit einer Reihe von Jahrzehnten mit dem Leben, den Interessen und der gebildeten Gesellschaft der Stadt verwachsen, kannte hier fast jedes Kind den keinen runden Mann mit der immer leuchtend weißen Halsbinde und dem immer freundlichen, von schalkhaftem Humor und harmlosem Frohmuth überstrahlten Gesicht. Man darf wohl sagen, daß Fürst nicht blos eine der geachtetsten, sondern auch der beliebtesten und wohlgelittensten Persönlichkeiten Leipzigs war; die Söhne der Alten, denen er einst Jugendfreund gewesen, waren stets vergnügt, wenn sie an die Kreise sich anschließen konnten, über die seine Anwesenheit das Gefühl eines eigenthümlich heiteren Behagens ergoß.

Von steifem Wissensdünkel war auch nicht die leiseste Spur in seinem Wesen; wer es nicht wußte, konnte auch nicht ahnen, daß er in ihm mit einem so namhaften Gelehrten und Schriftsteller zu thun hatte. Wie er aber als munterer Weltmann mit lebhafter Theilnahme allen Vorgängen des Tages folgte, so folgte er als Liberaler und als warmer deutscher Patriot auch mit hingebendem Ernste allen Fragen der Zeit und des Vaterlandes, bis er vor einigen Monaten durch schwere Krankheit niedergeworfen wurde. Auch der Redaction unseres Blattes hat er nahe gestanden als Mitarbeiter, als langjähriger Freund und stets bereitwilliger Rather in Fragen seines Faches.

Eine wichtige Seite seines Wirkens aber haben wir hier nicht berührt: seine Thätigkeit für die Reform seiner Religion und die Förderung seiner Glaubensgenossen. Die Leipziger jüdische Gemeinde hat dies bereits vor der Beerdigung durch Veranstaltung einer sehr würdigen Trauerfeier in der Synagoge anerkannt, bei der freilich Reden gehalten wurden, die uns das Wesen Fürst’s doch nicht treffend und warm genug zu bezeichnen schienen. Die Universität war beim Begräbniß durch Professoren und Studirende vertreten, ein überaus zahlreiches Gefolge aus allen Classen der Bevölkerung stand am Grabe des ebenso hervorragenden als liebenswürdigen Mitbürgers, dem sicher Unzählige mit uns ein treues Andenken bewahren werden!