John Brinckman (Die Gartenlaube 1893/48)

Textdaten
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Autor: Rudolf von Gottschall
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Titel: John Brinckman
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 818–819
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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John Brinckman.

Seit mehr als zwanzig Jahren ist ein Dichter verstorben, dessen Werke jetzt anfangen, allgemeinere Beachtung zu finden, während er bei Lebzeiten neben einem erfolgreicheren Mitstrebenden sehr in den Hintergrund trat: es ist das John Brinckman, ein plattdeutscher Erzähler und Poet, der aber auch eine hochdeutsche Dichtung verfaßt hat. John Brinckman wurde zu Rostock, wo sein Vater als Kaufmann und Reeder ansässig war, am 3. Juli 1817 geboren, besuchte dort das Gymnasium und studierte dann die Rechte, ein Studium, das er später mit demjenigen der neueren Sprachen und Litteraturen vertauschte. Zwei Jahre lang war er an einer Privatschule als Lehrer thätig; dann begab er sich auf Reisen, besuchte England und Nordamerika und trat in New-York bei einem älteren Bruder ins Geschäft. Später wurde er Sekretär des brasilianischen Generalkonsuls; doch wiederholte Anfälle des klimatischen Gallenfiebers zwangen ihn, nach Deutschland zurückzukehren. Hier war er mehrere Jahre als Hauslehrer thätig; im Jahre 1846 übernahm er eine Privatschule und Pensionsanstalt zu Goldberg; 1849 wurde er an die Güstrower Realschule als Lehrer der neueren Sprache berufen und verblieb in dieser Stellung, die ihm freilich nur ein geringes Gehalt abwarf, bis zu seinem Tode am 20. September 1870. Daß er sich in einer so gedrückten Lebenslage eine so unverwüstliche Heiterkeit bewahrt hat, wie sie sich in seinen plattdeutschen Erzählungen ausspricht, ist in der That erstaunlich.

John Brinckman hätte schon bei Lebzeiten sehr gut neben Fritz Reuter eine anerkannte Stelle finden können; aber es schien, als ob zwei schriftstellerische Größen gleicher Art, die beide der plattdeutschen Sprache sich bedienten, in dem kleinen Mecklenburg nicht nebeneinander Platz hätten. Fritz Reuter gewann nach heißem Ringen die Palme des Glückes und John Brinckman blieb neben ihm im Schatten. Und doch ergänzten sich beide vollkommen: Fritz Reuter schildert das mecklenburger Landleben, seine Helden sind Gutsbesitzer und Wirthschaftsinspektoren; Brinckman aber ist ein Marinemaler, seine Helden sind Schiffskapitäne, und obgleich sie fest im heimathlichen Boden wurzeln, so haben sie doch einen weiten Weltblick und reiche Abenteuer in der Ferne bestanden.

Dies gilt besonders von dem Helden in John Brinckmans Hauptwerk „Kasper Ohm un ik“, welches älter ist als Fritz Reuters „Ut mine Stromtid“ und bis jetzt in fünf Auflagen erschien (Rostock, Werthers Verlag). Der berühmte plattdeutsche Dichter Klaus Groth sagt von diesem Roman, er sei von einer Vollendung, daß man prophezeien dürfe, man werde ihn lesen, so lange man plattdeutsch lese, und die Zahl seiner Freunde und Verehrer werde wachsen mit den Jahren. Der Roman spielt in dem alten Rostock, wie es vor einigen Geschlechtern war, als die Schiffskapitäne auf eigenen Schiffen die Ostsee befuhren, Thran von Schweden holten und Aepfel nach Petersburg brachten, ein Handelsartikel, welchem der Held der Erzählung, Kasper Ohm, vorzugsweise seine Wohlhabenheit verdankt. Er ist ein Rostocker Kind von echtem Schrot und Korn, tüchtig in jeder Hinsicht, aber von einem Selbstgefühl beseelt, welches unbedingte Anerkennung verlangt, großsprecherisch, aber ohne in Größenwahn zu verfallen.

Von den kleineren Erzählungen, welche den zweiten Band von Brinckmans ausgewählten plattdeutschen Schriften bilden, ist „Peter Lurenz bi Abukir“ eine ergötzliche Münchhauseniade. „Voß und Swinegel“, die erste und älteste plattdeutsche Erzählung Brinckmans, die beim Erscheinen einiges Aufsehen erregte, ist eine mit behaglicher Breite erzählte Fabel; auch die anderen meistens harmlosen Geschichten tragen das Gepräge eines kerngesunden, von keiner Empfindsamkeit angekränkelten Humors.

Im Jahre 1859 erschien eine Gedichtsammlung „Vagel Griep“, die nach dem Wappen Rostocks benannt war. Diese Sammlung enthält frische Landschaftsbilder, ansprechende Genreskizzen besonders aus der Erntezeit und dem sonstigen landwirthschaftlichen Leben, herzinnige, tiefempfundene Familienbilder. Einzelne Poesien aber dürfen auf ganz besonderen poetischen Werth Anspruch machen, wie das elegische Gedicht „Die Kronen“ und das Gedicht eines durch das Hinscheiden des Sohnes tiefbetrübten Vaters „He sturw“, in welchem der Tod selbst in ergreifender Weise geschildert wird. Ein sehr anmuthiges Gemälde der Winterlandschaft findet sich in denl Gedicht „Nucklas“, welches dann in eine Darstellung des heiligen Christabends übergeht. Auch über diese Gedichtsammlung hat Klaus Groth ein sehr anerkennendes Urtheil gefällt; sie enthalte, meint er, mehr lyrische Schätze als die ganze plattdeutsche Litteratur.

Die einzige hochdeutsche Dichtung Brinckmans, „Die Tochter Shakespeares“, erschien lange Zeit nach dem Tode des Dichters im Jahre 1881; es ist eine schöne, bilder- und gedankenreiche Dichtung, der man das Vorbild Shakespeares und seines über den Räthseln des Menschenlebens brütenden Geistes wohl anmerkt, bedeutsam genug, um dem Namen Brinckmans auch in der hochdeutschen Litteratnr Gewicht zu verleihen. Rudolf von Gottschall.