Textdaten
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Autor: R. K.
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Titel: Javanischer Aberglaube
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 738–740
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Javanischer Aberglaube.


Jahre lang habe ich die Insel Java bewohnt, Jahre lang mich ihrer tropischen Pracht, ihrer immergrünen Wälder und Felder gefreut und in nahem Verkehr mit ihren Einwohnern deren Charakter und Lebensgewohnheiten, die öffentlichen Verhältnisse und das Privatleben kennen gelernt, besonders aber haben mich die eigenthümlichen Vorstellungen dieser halbcivilisirten Naturkinder von der Welt, ihrer Entstehung und Ordnung interessirt. Aus der Reihe meiner Beobachtungen will ich hier ein paar kleine Züge und Bilder mittheilen, von denen ich glaube, daß sie dem Leser als originell und bemerkenswerth erscheinen werden.

Nicht leicht sprechen die Javanen mit Europäern über Sitten und Gebräuche ihres Volks; eine scheue Zurückhaltung läßt sich bei ihnen nur schwer überwinden, und nur bei längerer Bekanntschaft kann ein Reisender diese oder jene Mittheilungen über Sitten oder Gebräuche aus ihnen herauslocken. Diese letzteren sind um so charakteristischer, als sie unverändert seit Jahrtausenden von Geschlecht zu Geschlecht bis auf den heutigen Tag sich fortgepflanzt haben.

In einem der zahlreichen Dörfer, welche versteckt unter hohen Fruchtbäumen am Abhange des Djamboc-Gebirges liegen – meine botanischen Excursionen hatten mich für einige Zeit daselbst verweilen lassen – gelang es mir, das Zutrauen meines Wirthes Pa Idja zu gewinnen. In lebhaftem Geplauder rauchten wir bald zusammen die gebräuchliche Maisstrohcigarette, und unser Gespräch drehte sich um das vor Kurzem stattgehabte Erdbeben.

„Warum haben denn die Leute,“ fragte ich endlich, „als sie beim Ausbruch des Erdbebens aus ihren Hütten herausliefen, sämmtlich mit so lautem Geschrei 'ada, ada' (hier, hier) gerufen? Was 'ada' sagen will, weiß ich sehr gut. Der Soldat giebt es als Antwort, wenn er beim Appell seinen Namen rufen hört. Aber was soll das Wort bei einem Erdbeben bedeuten?“

„Ihr wißt, Herr,“ entgegnete Pa Idja, „daß die große Erdschale auf der Schulter eines riesigen Büffels ruht. Oft liegt derselbe jahrelang still und trägt unverdrossen die schwere Bürde, manchmal aber wird es ihm zu sauer, und er muß sich durch Wechsel der Position einige Erleichterung verschaffen; er wälzt die Erde von der rechten auf die linke Schulter. Dann liegt er wieder still. Durch diese Bewegung entstehen die Erdbeben, und um den Büffel zu erinnern, daß wir doch auch noch auf der Erde sind, wird 'ada, ada' gerufen. Dann weiß das brave Thier, daß wir Javanen noch stets seiner gedenken, und nimmt bei allen Bewegungen die möglichste Rücksicht.“

Vom Erdbeben kamen wir auf die Erschaffung des Menschen und den Unterschied der Hautfarbe. Ich merkte schon lange, daß Pa Idja, auf seine Manier ein Naturphilosoph, gern meine Ansichten über diese Frage hören wollte, konnte ihm aber beim besten Willen hiermit nicht dienen. Ein mitleidiges Lächeln über meine Unwissenheit zeigte sich in dem braungelben Gesichte des Mannes, und nicht ohne einen Ausdruck der Ueberlegenheit rückte er bald mit seiner Erklärung heraus.

„Nach Erschaffung der Welt durch das große Oberwesen,“ sagte er, „stellte sich die Nothwendigkeit heraus, dieselbe auch durch Menschen zu bevölkern. Jener große Feuerberg, der Merapi, welcher dort vor uns seinen spitzen Gipfel in die Luft streckt, war der Ofen, Lehm von dem fruchtbaren Thalboden das Material, aus dem die ersten Menschen geformt wurden. Das Resultat war leider nicht befriedigend; denn hineingeworfen in den Feuerberg durch das große Oberwesen und nach etwas zu langer Zeit erst wieder herausgeholt, kam ein Mensch ganz schwarz und verbrannt heraus. Er erschien durchaus unwürdig, die gesegneten Gefilde Javas zu bewohnen, und wurde darum auch schleunigst unter die glühend heiße Sonne eines andern Landes verbannt. Die zweite Probe mit einer neuen Form fiel auch nicht glücklich aus. War der erste Mensch durch zu langes Verweilen im Feuerberg vollständig verbrannt, so zeigte Nummer Zwei bei dem Herausnehmen, daß auch hier nicht das richtige Zeitmaß gefunden war. Noch ganz weiß, entsprach auch dieser blanke Mann durchaus nicht dem Ideal, welches sich der große Schöpfer von dem ausgezeichnetsten Bewohner seiner Erde gebildet hatte. Unverweilt wurde deshalb auch dieser Mensch nach einem Lande verwiesen, in welchem die Natur es liebt, das Wasser und den Regen in weiße Steine zu verwandeln, und von wo noch jetzt die Menschen mit der kranken Farbe kommen, um das grüne Java zu sehen.“

Pa Idja nickte, als ich mir zu lächeln erlaubte, lebhaft mit dem Kopfe und fuhr dann fort:

„Vorsichtig gemacht durch die wiederholten Mißerfolge, wandte das Oberwesen bei dem dritten Versuch dem richtigen Moment des Herausnehmens eine größere Aufmerksamkeit zu, und siehe da, es kam ein Mensch hervor, welcher den gestellten Anforderungen völlig entsprach. Von angenehm bräunlich-gelber Farbe, wurde er sofort würdig befunden, das blühende Java zu bewohnen. Nicht der schwarz verbrannte noch der weiß gebliebene, zu wenig geröstete Mensch wurden dieses Vorrechtes würdig erachtet; nur den richtig [739] knusprig gebräunten Söhnen wurde vom Erdenbeherrscher die höchste Gunst beschieden.“ Hiermit endete Pa Idja seine Erklärung über den Unterschied der menschlichen Hautfarbe; ich habe dieselbe so wiedergeben, wie er sie mir erzählte. Sein Glaube daran war unerschütterlich.

Da meine botanische Ausbeute hier ziemlich reichlich war, trug ich meinem Wirthe auf, mir einen mit der Umgegend vertrauten Mann zu verschaffen, welcher mich neben meinen Bedienten auf meinen Excursionen begleiten sollte. Als ich den folgenden Morgen aus der Thür meines Wohnhauses trat, kauerte vor der Verandatreppe ein ältlicher Javane, welcher sich als der von mir gewünschte Führer präsentirte. Sariman war sein Name, und durch einen großen Strauß prächtiger Blumen suchte er sich eine günstige Einführung zu verschaffen. Wir wurden bald handelseins. Verschiedene Tage waren wir schon zusammen durch Feld und Wald gestreift und stets war mein Begleiter dabei voll munterer Laune gewesen, bis ich endlich eine Abnahme seiner Redseligkeit und einen traurigen Zug in seinem biederen Gesicht bemerkte.

„Sariman, was fehlt Dir? Beichte schnell; denn dein melancholisches Gesicht wird mir langweilig.“

Vergeblich bemühte sich Sariman, höchst fidel aus den Augen zu sehen; die tiefe Schwermuth schimmerte durch, und erst nach vieler Mühe gelang es mir, ihn zur Erzählung einer Geschichte zu bewegen, die hoffentlich den Lesern der „Gartenlaube“ so viel Spaß machen wird, wie sie mir selber zur Zeit bereitet hat, wenn auch für mich die Folgen keine angenehmen waren.

„Hier unten in dem Dorfe,“ so begann Sariman, „wohnte mein bester Freund mit Namen Wirodrono; er hielt mit seiner Frau zusammen einen kleinen Kaufladen, in welchem gebackene Pisang, Reis, Fisch und andere Nahrungsmittel verkauft wurden. Wir kamen alle Abende zu einander, um Lieder zu singen oder über das Wachsthum der Reisfelder zu sprechen; nie hatten wir Streit und unseren Frauen war diese Freundschaft angenehm. Vor vierzehn Tagen starb Wirodrono; ich hüllte den Todten in ein reines Kleid, trug die Leiche mit nach dem Begräbnißplatz und fertigte selbst das Bambusgitter über seinen Ruheplatz an; auch genug Reis mit Fisch sowie kupfernes Geld habe ich ihm für die Reise mitgegeben; kurzum ich erfüllte meine Freundschaftspflicht. Was geschah aber jetzt! O, es ist nicht zu glauben, und ich hätte es nie von Wirodrono gedacht. Schon früher habe ich Euch erzählt, Herr, daß ich 500 Schritte vom Dorf entfernt, links wo der kühle Bach zuerst sein Wasser an unsere Reisfelder abgiebt und wo die drei großen Waringibäume stehen, einen kleinen Garten habe, welcher mir die großen süßen Kartoffeln, Bohnen, Zwiebeln etc. liefert, deren Wohlgeschmack Ihr ja auch stets gepriesen habt. Vor einigen Tagen gehe ich in den Garten, um die reifen Früchte zu pflücken. Was sehe ich aber da? Alles durcheinander gewühlt und zerstampft, die besten Kartoffeln zerbissen und aus dem Grunde geholt! Ich warf mich zur Erde, raufte meine Haare und zürnte mit mir, weil ich vielleicht etwas gethan hatte, wofür dies eine Strafe sei. Aber nichts Böses war ich mir bewußt. Da fallen meine Augen auf die Spuren eines Thieres, und mit leichter Mühe entdecke ich, daß ein wildes Schwein der Zerstörer meines Gartens war. Noch denselben Abend stellte ich mich auf die Lauer, um das boshafte Thier mit meiner Lanze zu tödten; lange brauchte ich nicht zu warten – da hörte ich ein schweres Grunzen und den Bach herauf direct nach meiner Anpflanzung kam ein großer wilder Eber. Schon fasse ich die Lanze fest zum tödtlichen Stoß, da lähmte ein plötzlicher Schreck meine Glieder; denn in dem Eber, dem verruchten Schänder meines Eigenthums, erkannte ich meinen alten Freund Wirodrono. Ja, Herr, es war mein verstorbener Freund Wirodrono in Gestalt eines wilden Schweines.“

„Bist Du denn vollkommen verrückt, oder hat die Opiumpfeife Deine Sinne so umnebelt, daß Du ein Schwein für einen Menschen ansiehst?“ So fragte ich laut und lachend. Aber die kummervolle Miene meines Sariman bewies mir, daß der unter den Javanen noch allgemein verbreitete Glaube der Seelenwanderung an ihm einen gehorsamen Jünger hatte. Es sind dies noch Ueberbleibsel der früheren Brahminen-Herrschaft, und unter der achtzehn Millionen zählenden Bevölkerung Javas sollen nur sehr wenige sein, welche nicht an den Einfluß böser Geister glauben und trotz ihres mohammedanischen Glaubens nicht fest von dem Bestehen einer Seelenwanderung überzeugt sind.

Alle Versuche meinerseits, um Sariman von dieser absurden Vorstellung abzubringen, blieben erfolglos, und einigermaßen gekränkt durch meine Ungläubigkeit, berief er sich auf das Zeugniß meines Wirthes und noch mehrerer Dorfbewohner, welche gestern Abend gleichzeitig mit ihm nach dem Garten gegangen seien und einstimmig in dem Eber den alten Wirodrono erkannt hätten.

„Sariman,“ sagte ich endlich, „ich kannte Deinen alten Freund nicht, aber aus Deinen Erzählungen kann ich mir sehr gut eine Vorstellung von ihm machen. Laß uns heute Abend nach Deiner Anpflanzung gehen – da werden wir ja sehen.“

In meiner Wohnung befragte ich sofort den Wirth Pa Idja über das Gehörte, aber auch dieser Biedermann bestätigte mir mit der aufrichtigsten Miene, daß der alte Wirodrono in Gestalt eines wilden Schweines wieder in seine Heimath gekommen sei. Vor allen Dingen berief er sich auf drei Kennzeichen: die volle Brust mit grauen Haaren, die Ohren und namentlich die Augen. Die Augen – die Ähnlichkeit sei gar nicht zu leugnen und das ganze Dorf könne seine Worte bestätigen. Die angeführten Beweise, hauptsächlich was die Augen betrifft, konnten einen Schein von Annehmbarkeit haben; ich kann mir’s wenigstens denken, daß so einem alten grauen Javaner, besonders wenn ihm der Opiumgenuß nicht fremd ist, der Vergleich seiner Sehorgane mit einem schiefgeschlitzten Schweinsauge nicht allzu seltsam erscheinen mag; auch die Brust voll grauer Haare und die Ohren will ich noch passiren lassen, aber der Leib mit den vier Pfoten? Nein, das war doch zu arg.

Der Abend kam, und in Begleitung Sariman’s machte ich mich auf den Weg. Um den alten Wirodrono in Schweinsgestalt nicht zu verscheuchen, nahm ich verdeckte Aufstellung hinter einem dicken Waringibaume und erwartete den Aufgang des Mondes, die gewöhnliche Zeit, um welche das wilde Schwein kommen sollte. Sariman kauerte auf inländische Manier an dem Eingange seines Gartens, neben sich einige gebackene Pisange, durch welche er den ungebetenen Gast von der Zerstörung des Gemüses abzuhalten gedachte. Mein Standplatz war so gewählt, daß ich den Aufgang des Mondes nicht sehen konnte. Als er jedoch erschien, breitete er die volle Macht seines Zaubers über die tiefe Stille der wunderbar schönen, bisher in Dunkel gehüllten Landschaft. Nun gab auch Sariman bald das Zeichen, daß der erwartete Gast sich pünktlich einstelle. Gespannt schaute ich hinter meinem Baume hervor, und wirklich – das prächtigste Wildschwein, welches je ein Jägerauge erschaute, präsentirte sich meinen Blicken, ein echter alter Bursche mit grauer Brust und blinkenden Hauern. Von der Anwesenheit des Garteneigenthümers schien er nicht die geringste Notiz zu nehmen. Behaglich grunzend durchwühlte er mit dem breiten Rüssel die wohlgepflegten Anpflanzungen; von den gebackenen Pisangen, welche ihm Freund Sariman zuwarf, wollte er durchaus nichts wissen; links, und rechts flogen Erdklumpen in die Höhe und krachten Bohnenstangen; mit dem größten Appetit zermalmte er die süßen Kartoffeln und hatte für alle von Sariman in den flehendsten Worten an ihn gerichteten Ermahnungen ein taubes Ohr. Endlich verließ diesen aber die Geduld; laut scheltend über die Zerstörung seines Eigenthums, nahm er einige Steine und warf dieselben dem alten Freunde gegen den borstigen Leib, wodurch das Thier sich in der That bestimmt fühlte, den Schauplatz zu verlassen. Ich bemerkte gerade noch, wie es, vergnügt mit dem zierlich geringelten Schwänzlein wedelnd, sich durch die Umzäunung drängte und, den Bach durchstampfend, am Buschrande verschwand. Mein ihm nachgerufenes „Auf Wiedersehen!“ war vollständig ernstlich gemeint.

Während des Nachhausegehens nach dem Zusammentreffen mit Wirodrono-Wildschwein nahm ich mir denn auch fest vor, den ferneren Zerstörungen Einhalt zu gebieten. Wildschweinsbraten habe ich von jeher gern gegessen, und den Genuß der gepriesenen jungen Bohnen und Kartoffeln wollte ich auch nicht entbehren. Sariman verschwieg ich wohlweislich meine Absicht und sandte ihn nur gegen vier Uhr Nachmittags mit einem Briefe nach der drei Stunden entfernten Poststation. Gegen meinen Wirth hatte ich nebenbei geäußert, daß ich diesen Abend ohne Diener auf die Hirschjagd gehen wolle.

Wie den Abend zuvor, stand ich auch dann wieder hinter dem Waringibaume, um die Ankunft des Ebers zu erwarten; nur hatte ich heute mein Gewehr bei mir. Langes Warten war nicht [740] nöthig; vom Bache herauf hörte ich das bekannte Plätschern – dann wieder Stille, und siehe! seinen feisten Leib durch die Umzäunung drängend, erschien, behaglich grunzend, Wirodrono-Wildschwein auf der Bildfläche. „Warte, Freundchen!“ dachte ich, legte an und gab Feuer. Der Räuber fuhr zusammen; ganz wie ein „angeschossener Eber“ brach er durch die Hecke, raste in vollem Galopp, ohne zu grüßen, an mir vorbei und lief einem kleinen Hügel zu, wo er meinen Blicken entschwand. Da ich deutlich das Anschlagen der Kugel wahrgenommen hatte und reichliche Blutspuren mich zur Annahme eines Treffschusses berechtigten, so überließ ich das Thier für heute Nacht seinem Schicksale, begab mich nach Hause und genoß ohne alle Gewissensstörungen die Segnungen eines wohlthätigen Schlafes.

Als ich mit Sariman und vier andern Javanen mich des andern Morgens auf die Suche begab und meine Schritte direct nach dem vorhin erwähnten Hügel lenkte, fragte mich der javanische Diener:

„Habt Ihr dort Wild geschossen, Herr?“

„Nein,“ antwortete ich, „warum fragst Du mich danach?“

„Weil dort der Begräbnißplätz ist.“

Ich wußte das nicht und muß gestehen, daß mir die Mittheilung nicht besonders angenehm war. Hätte das dumme Thier nicht einen andern Weg einschlagen können? Die Sache fing wirklich an, fatal zu werden. Und was ich im Stillen fürchtete, das traf leider nur zu vollständig ein: starr und steif lag das von mir geschossene wilde Schwein da, und keine zwanzig Schritte davon entfernt war das noch ziemlich frische Grab des seligen Wirodrono.

Himmel, was für Augen machte mein Sariman! Einen wüthenden Schrei ausstoßend und heftig mit den Armen gesticulirend, stürzte er wie ein Rasender den Berg hinab, hinter ihm her die vier anderen Javanen. Da ich dem todten Eber keine Leichenrede halten wollte, machte ich mich auf den Weg, wählte jedoch einen Pfad, welcher mich sofort, ohne daß ich durch das Dorf gehen mußte, direct nach meinem Hause führte. Kaum war ich da angekommen, als meine zwei Diener, welche ich mir von Batavia mitgenommen hatte, mit den gesattelten Pferden aus den Ställen eilten; zugleich hörte ich im Dorfe das Alarmzeichen schlagen, welches alle streitbaren Einwohner vor der Wohnung des Oberhauptes versammelt, merkte überhaupt aus dem ganzen Rumor, daß es durchaus nicht recht geheuer sei. Höflichkeit gegenüber den Europäern ist eine Haupttugend der Javanen; was man nur irgend verlangt, wird gern gethan, doch muß man natürlich des Landes Weise, des Landes Ehre auch berücksichtigen. Ich gestehe gern, daß ich in dieser Beziehung gefehlt hatte, und hielt es nun in Anbetracht der nicht ganz civilisirten Sitten für das Beste, durch einen unceremoniellen Abschied allem Gedankenaustausch mit der Dorfbevölkerung über das Thema Wirodrono-Wildschwein aus dem Wege zu gehen. Leider aber hatte Sariman’s Botschaft sich so schnell im Dorfe verbreitet, daß ich keine Zeit mehr hatte, diesen Vorsatz auszuführen. Ehe ich mich's versah, war mein Haus rings von Javanen umstellt, welche zwar bei meinem Erscheinen sofort auf die gebräuchliche Manier ihre Ehrerbietung durch Niederkauern bezeigten, im Allgemeinen jedoch sehr lebhaft wünschten, daß ich meine Abreise einige Augenblicke verzögere. Ich sah durchaus keine Gelegenheit, um auf gütlichem Wege mich aus dieser unangenehmen Situation zu retten – also auf die Pferde! Dieselben standen gesattelt und gezäumt vor der Thür, auf ein von mir gegebenes Zeichen saßen wir im Sattel – und nun vorwärts, entweder darüber oder darunter! Einige Spornstöße – dann hörte ich nur noch ein wahrhaft teuflisches Kreischen, und mit weitausgreifenden Sätzen bog mein Fuchs den steilen Pfad hinab. Erst von der Station aus, wo ich mich vor Verfolgung sicher fühlte, entrichtete ich an Pa Idja durch einen Boten meine Schuld, indem ich zugleich von ihm mein Gepäck verlangte. Es wurde mir dasselbe gesandt, aber ich hielt es doch für angemessen, vorläufig den Ort zu meiden, wo verstorbene Freunde in Gestalt von wilden Schweinen nicht nur ihren Angehörigen, sondern auch dem harmlosen Fremdling Unannehmlichkeit und Gefahr bereiten.
R. K.