Jagdgehilfen des Maharadscha von Dschaipur

Textdaten
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Autor: Kurt Boeck
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Titel: Jagdgehilfen des Maharadscha von Dschaipur
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 485, 495–496
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[485]

Jagdgehilfen des Maharadscha von Dschaipur.
Nach einer Originalaufnahme von Dr. K. Boeck.

[495]

Jagdgehilfen des Maharadscha von Dschaipur.

Von Dr. K. Boeck.
(Mit dem Bilde S. 485.)

Aus dem weißgetünchten Parkthor des Fürstenpalastes zu Dschaipur sprengt eine glänzende Reiterschar; umringt von zahllosen indischen Großen und Hofbeamten, begiebt sich der Maharadscha auf die Jagd. Jede dieser schlanken Figuren ist ein Muster kraftvoller Hinduschönheit, ein Stolz der Radschputana, des Mutterlandes der „Fürstensöhne“ und der Kriegerkaste. Wie leibhaft gewordene Märchengestalten rauschen sie auf feurigen Araberhengsten vorüber, strotzend von Goldstickereien auf karmesinroten Sammetjacken oder umweht von zartfarbigen Schleiern und Gewändern aus kostbaren Stoffen. Hier und da klirren Kettenpanzer und Stahlhandschuhe. Weithin blitzen damascierte krumme Schwerter und kleinrunde Schilde, in deren Erz des Goldschmieds Hammer gar zierliche Figuren aus Gold- und Silberdrähten getrieben hat.

Die braunen Gesichter der Reiter sind zumeist umrahmt von vollen schwarzen Bärten, in der Mitte gescheitelt und energisch zur Seite und nach oben gestriegelt, gerade so, wie sich der letzte Maharadscha getragen. Eng liegen die Turbanwindungen um die trotzigen Brauen, unter denen manchmal, heimlich und schnell, recht düstere Blicke aufzuflackern scheinen, wenn die Augen sich nach der hochragenden Felsenburg des Fürsten, dem Tigerhort, wenden, von dessen Abhängen ein „Welcome!“ („Willkommen!“) in riesengroßen weißen Buchstaben meilenweit in die Lande hinausleuchtet, dort hingepinselt als mehr oder weniger aufrichtige [496] Begrüßung des Prinzen von Wales, wie dieser den Maharadscha von Dschaipur im Jahre 1876 besuchte.

Nicht dem dschungelbeherrschenden Königstiger gilt der heutige Jagdzug. Wohl eilen die Jäger, die Schikari, wilde Gesellen mit ausgesucht struppigen Bärten, jauchzend und schreiend hinter dem Zuge her. Ausstaffiert mit seltsamen Filzhüten, phantastischen grauen oder grünen Gewändern, auch wohl in rauhen Fellen oder gestickten Kollern aus Büffelleder, schwingen sie lebhaft ihre Lanzen mit silbernen Spitzen und lassen den Goldbeschlag ihrer Schilde aus durchsichtiger Rhinoceroshaut im Sonnenschein funkeln. Doch heute fehlen die Jagdelefanten, von deren Rücken die hochgeborenen Schützen aus bequemem silbernen „Haudah“-Pavillon die anspringende Bestie niederzuschießen und schließlich das Zeichen zu geben pflegen, daß der Rüsselträger den erlegten Tiger triumphierend in die Luft emporschwingt, ehe die Beute in die Stadt geschleift wird.

Aber ein anderes Mitglied des Katzengeschlechts hat heute eine Rolle zu spielen, als Jagdgehilfe, nicht als Jagdopfer.

In hurtigem Trabe schleppen inmitten des Jägerschwarms vier Kulis einen Kasten, einen „Palki“, an Tragstangen auf den Schultern. Durch die nicht völlig zugeschobenen Thüren dieses Käfigs schimmert das scheckige Fell eines Leoparden, der mit verhüllten Augen auf dem gepolsterten Boden liegt.

Heute mußte dieser „Schittah“ sein Lager im Gehöft seines Wächters verlassen, der ihn großzuziehen und sorgfältig abzurichten verstand. Wie unser Bild auf der linken Seite zeigt, ruht er dort sonst auf einem der landesüblichen niederen Bettgestelle. An einer Fessel aus Silber, führt das kostbare Tier, wohlgepflegt von mehreren Dienern, das sorglose Dasein eines Grandseigneurs, selbst die lästigen Fliegenschwärme werden ihm von einem eigens hierzu angestellten Hindu durch Wedeln verscheucht. Eine lederne goldgestickte Kappe bedeckt seine Augen, denn nichts soll seine Aufmerksamkeit erregen, nichts soll ihm vor das Gesicht kommen als das Wild, auf das sein ganzes Sinnen gelenkt wird. Sobald es den Fürsten gelüstet, die flüchtigen Antilopen zu jagen, welche die Dschungeln und Steppen durcheilen, wird dieser Schittah auf das Jagdfeld getragen, wie ich es oben beschrieben habe. Ist man auf einem hügeligen Punkte angelangt, von dem aus die Jagdgesellschaft die buschreiche Ebene ringsum und das arglos dort äsende Wild übersehen kann, dann wird dem Leoparden erst angesichts dieser fernen Rudel die Haube von den Augen gehoben. Geblendet vom Sonnenlicht, steht er bewegungslos da, nur die Nüstern beben krampfhaft. Dann aber, sowie er sein Ziel erkannt hat, duckt er sich zusammen und schleicht langsam und lauernd der Herde entgegen. Kaum wittern die zierlichen Antilopen ihren blutgierigen Todfeind, so wenden sie sich zur hastigen Flucht – doch schon hat auch der Schittah sein Schleichen in pfeilschnellen Galopp verwandelt und durchfliegt förmlich die trennende Strecke; zwei, drei mächtige Sprünge – und er sitzt fest auf dem Nacken des nächsten Tieres. Tief drückt er Krallen und Zähne in das Fleisch des schlankgebeinten Opfers, das unter der Last des entsetzlichen Reiters stöhnend hin und her wankt; schnell eilen die Jäger herbei und erlösen das Wild durch einen wohlgezielten Lanzenstoß von seinen Qualen. Dem Schittah aber werfen seine Wärter wieder die Kappe über die Augen und belohnen ihn mit den Eingeweiden des Wildes. Auch daheim wird durch eine tägliche Ration Antilopenblut der Jagdeifer des Tieres auf den höchsten Grad gesteigert; auf unserem Bilde steht die Schale voll Blut am linken Ende des Bettgestells, auf dem der Schittah nach vollbrachtem Weidwerk der Ruhe pflegt.

Auf dem anderen Bette neben ihm sitzt ein zur Jagd auf Steppenhasen dressierter Luchs, der eifersüchtig und fauchend die langen Pinselohren bewegt, lüstern nach dem Antilopenblut, dessen Duft von dem Nachbarbette zu ihm dringt.

Schüttet im Sommer der Südwestmonsun langandauernde Regen über die ausgedörrten Steppen der Radschputana, dann stellen die Wärter die Betten ihrer Schutzbefohlenen in die im Hintergrund des Bildes sichtbare Hütte, müssen aber auch dort die gezähmten Bestien vor den Stichen giftiger Fliegen, Moskitos und anderer Landplagen des schönen Indiens durch fleißigen Gebrauch ihrer Wedel aus zusammengedrehten Schnüren bewahren.