Jagd- und Lebensbilder aus Amerika. Nr. 3

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Titel: Jagd- und Lebensbilder aus Amerika. Nr. 3. Der Rackun
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aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 267–268
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Jagd- und Lebensbilder aus Amerika.
Nr. 3. Der Rackun.

Wer kennt nicht die Schuppenpelze, welche Amerika wie Europa mit der besten und stattlichsten Winterbekleidung für hartes Frostwetter versehen? Auch das Thier, welches sie liefert, der Rackun oder Schuppenpelzbär (Procyon lotor) ist bekannt genug, weniger sind es aber seine Gewohnheiten, die nur der Jäger beobachtet.

Es giebt zwei Arten derselben, den gemeinen Rackun (Procyon lotor) und den Krabbenesser (Procyon cancrivorus), welche durch ganz Amerika verbreitet sind. Man findet sie in den heißen Niederlanden von Louisiana und den tropischen Theilen von Mexiko, wie in den Schneeregionen von Canada und in den grünen Thälern von Californien, und kennt sie überall so, wie man den Fuchs in Europa kennt. Jedes Kind und jedes alte Weib spricht von dem „schlauen ollen Kun.“ Die Naturforscher haben ihn in die Familie der Ursidae, genus Procyon gereiht, Linné macht ihn geradezu zum Bären und klassifizirt ihn als Ursus, mir scheint indessen, daß er weit eher zum Fuchsgeschlecht gehört. Die Spanier nennen ihn auch „Zorro negro“ (schwarzer Fuchs).

Ein Schriftsteller beschreibt ihn so: „Er hat die Pfoten des Bären, den Leib des Dachses, den Kopf des Fuchses, die Nase des Hundes, den Schweif der Katze und scharfe Klauen, mit denen er die Bäume wie ein Affe erklettert.“ Die Bezeichnung des Schweifes ist nicht richtig, dieser ist vielmehr buschig, was der der Katze nicht ist. Der Rackun hat die Größe des Fuchses, ist aber ungleich dicker und pelziger im Leibe und seine Pfoten sind kürzer und er rennt wie eine Katze. Die Schnauze ist spitz und dazu geschaffen, alle Winkel nach Spinnen und Gewürm durchzuspüren. Die Farbe seines obern Pelzes ist dunkelbraun und beinahe schwarz mit grau gemischt, unten wird sie heller. Um seine Augen läuft ein schwarzer Streif bis zur Kehle. Die größte Schönheit des Thieres bildet sein Schweif, der sechs schwarze und sechs gräulichweiße Ringe und eine schwarze Spitze hat. Wenn die Jäger sich aus dem Fell eine Mütze machen lassen, wird der Schweif wie eine Feder daran befestigt, und dieses bildet eine kleidsame Kopftracht, welche namentlich die jungen Jäger lieben.

Der Rackun ist sehr verliebter Natur, aber wunderbarer Weise ist das Weibchen größer und schöner als das Männchen; sein Pelzhaar ist voller und tiefer gefärbt, ganz entgegengesetzt als man es sonst in der Natur findet.

Der Rackun klettert vortrefflich und sucht sich in den Höhlen der großen Bäume eine sichere Wohnung. Dort bringt das Weibchen im Frühling, gewöhnlich im April, vier bis sechs Junge zur Welt. Er lebt nur in Wäldern und zwar immer in der Nähe vom Wasser, denn er hat die Gewohnheit der Otter, Alles, was er frißt, erst in’s Wasser zu tauchen. Daher heißt er der Wascher (lotor). Auch liebt er häufige Waschungen und ist sehr reinlich. Ferner ist er äußerst gefräßig, und verschlingt das wilde Geflügel ebenso begierig wie Frösche, Eidechsen, Larven und Insekten jeder Art. Besonders liebt er das Süße und ist daher dem Zuckerrohr und dem jungen Wälschkorn der Pflanzer besonders gefährlich. Nachts überfallen ganze Schaaren dieser Thiere die Felder und richten dort unermeßlichen Schaden an, und wird dafür natürlich so viel als möglich verfolgt. Er ist aber auch der Feind aller kleineren Thiere, tödtet Hasen, Kaninchen, Eichhörnchen und jeden Vogel, den er erwischen kann, sodann ist er sehr hinter Schellfische, Krabben und Austern her, die Schaalen der letzteren öffnet er mit seinen Klauen so geschickt, wie es nur ein Austernhändler kann. Selbst die jungen Schildkröten sind vor ihm nicht sicher und man sagt, daß er sie zu fischen weiß, indem er seinen Schweif in’s Wasser hält. Dies klingt indessen zu sehr nach Buffon, als daß man es glauben könnte, obwohl ich es von amerikanischen Jägern gehört habe.

Die Rackun-Jagd ist vorzüglich Sache der Neger, denn man überläßt sie diesen gern, weil dazu kein Feuergewehr nöthig ist, das die Neger nicht tragen dürfen, und die Zahl der Thiere dadurch bedeutend verringert wird. Die Neger rühmen auch das Fleisch des Rackun, das dem der Schweine ähnelt, aber nur von jungen Thieren gut ist, und der Erlös von dem Fell, für das sie 121/2 Cents bekommen, hilft den armen Teufeln wesentlich zur Verbesserung ihrer Lage. Der Rackun und das Opossum bilden das Wild für die Neger und es wäre traurig für diese, wenn sie ausgerottet würden, ehe die Sklaverei abgeschafft ist.

In Tennessee wohnte ich einer Rackun-Jagd bei, die mir ihrer Neuheit wegen viel Spaß gewährte. Sie geschah des Nachts und ich ging mit einem alten Neger, Onkel Abe, und einem Jagdhunde, Pompo, nach dem Wälschkornfelde, um dort die Kuns aufstöbern zu lassen. Onkel Abe galt für einen gewaltigen Nimrod in der ganzen Nachbarschaft und ich war daher sicher, eine gute Jagd zu haben. Er trug nur eine Axt, ich hatte dagegen eine Doppelbüchse. Als wir an das Kornfeld kamen, das eine halbe Meile breit war, ließen wir den Hund los, und dieser begann alsbald zu spüren und nicht lange darauf anzuschlagen. Wir gingen an den verschiedenen Seiten des eingefenzten Feldes entlang, plötzlich rief Abe: „ein Wurm!“ und gleich darauf sahe ich Pompo hinter einem dunkeln Gegenstande einherlaufen, das mit einem plötzlichen Satze auf den Zaun sprang und herüber kletterte. Dieser war so hoch, daß der Hund ihm nicht folgen konnte.

„Ein Wurm, Massa!“ rief mir Abe wiederum zu, und ich verstand wohl, daß dies einen Rackun bedeuten sollte. Er half dem Hund über den Zaun, kletterte selbst hinüber und ich folgte.

Nach etwa fünf Minuten hörten wir den Hund unaufhörlich bellen. „Dat Wurm uf’n Boom sein.“

Ja, das konnte ich mir wohl denken, aber auf welchem, das war die schwierige Frage, die sich jetzt erhob, und von welcher der Erfolg unserer Jagd abhing. War es ein hoher Baum, konnten wir dem Rackun nachpfeifen. – Pompo stand vor einem solchen, ein paar hundert Schritte von uns. Natürlich hatte der Rackun sich dahin gerettet, denn die niedrigen konnten ihm nichts nutzen, und wir hatten nun nur noch die eine Hoffnung, daß der Baum nicht hohl sein möge, und meine Büchse ihn erreichen könnte. Abe hatte aber darauf wenig Vertrauen.

„Er uf seinem eignen Boom sein, Massa, und der ein großes Loch haben. Dat dumme Fenz! Wenn dat nich da war, Pompo ihn nich zu seinem eignen Boom gelassen hätte.“

Daraus lernte ich, daß die Kunst des guten Rackun-Hundes darin bestand, ihn von seinem Baum abzuhalten und solchem zuzutreiben, auf dem er sich nicht leicht verbergen kann. Der Rackun läuft nur ein paar hundert Schritt gut und entfernt sich deshalb selten von seiner Höhle, holt ihn aber der Hund ein, so kann er ihn abtreiben. Erreicht der Rackun dagegen seinen Baum, so bleibt nichts übrig, als diesen zu fällen, und da dies mehr Arbeit macht, [268] als ein Dutzend Rackuns werth sind, so läßt man dies gewöhnlich bleiben.

„Wie ich Euch sagen, Massa, kuck dar! Der’s der Boom is dick wie’n Heuhaufen.“

Ich sahe nach der Richtung, welche er bezeichnete, und sahe Pompo an der Wurzel eines großen Baumes stehen, an dessen Wurzel er unaufhörlich anschlug und wedelte.

„Wat da sein, Pompo,“ rief jetzt plötzlich Abe aus, „du dummes Zeug machen – dat Wurm nich da sein. ’Kun nie nich auf einen Knoppboom klettern – dat besser wissen sollen, oller Narre!“

Dies richtete meine Aufmerksamkeit auf den Baum. Ich erkannte in ihm eine Sycamore (plantanus occidentalis) und erfuhr darauf von Abe, daß deren Rinde dem Rackun zu glatt sei und er die Eichbäume, Pappeln und Ulmen vorziehe.

„Potz Blitz, er doch da sein,“ rief Abe aus. Kuckt dar, Massa! Er auf dem alten Weinstock rufgeklettert sein! Hatt’st doch Recht, Pompo, und Nigger der olle Narre. Hi–uz, olle Hund, hi–uz!“ – Jetzt sahe ich, daß eine Schlingpflanze von der Lianen-Art, die sich um den Baum schlang und bis an dessen Spitze hinaufschlängelte, dem Rackun als Leiter gedient hatte.

Diese Entdeckung half uns indessen nichts. Der Rackun war fünfzig Fuß hoch in seiner Höhle, wo der Sturm einmal den Baum abgebrochen hatte und sich eine weite Höhlung zeigte. Ihn zu fällen, wäre Wahnsinn gewesen und wir verließen ihn daher, um eine neue Jagd zu beginnen. Pompo trieb auch alsbald einen zweiten Rackun aus dem Kornfelde, aber wieder sprang es über den Zaun und nach dem Walde. Wir folgten dem Anschlag des Hundes und sonderbar: wieder führte er uns nach der alten Sycamore. Wir zogen daher zum zweiten Male ohne Erfolg ab, und begannen das dritte Treiben. Wieder derselbe Verlauf auf dem Felde, und man kann sich denken, wie groß unser Erstaunen war, als uns Pompo abermals nach derselben Stelle führte.

„Wuh, Massa,“ rief jetzt Abe aus, „das nicht mit rechten Dingen zugehen. Das derselbe Wurm sein! Dat’s nich der ’Kun, dat’s der Deibel. O Gotte doch, Massa, uns von hier fortgehen lassen.“

Ich war aber nicht gesonnen, dies zu thun. Meine Geduld war zu Ende und ich wollte etwas Näheres über diese Erscheinung wissen. Instinktmäßig griff ich nach Abe’s Axt und schlug sie in den Baum. Es klang ganz hohl. Noch ein Schlag. Die Axt brach durch. „Hallo,“ rief ich aus, „da sitzt der Teufel. Der Baum ist hohl bis zum Grunde, und wir können ihn fällen. Er muß herunter und wenn wir bis zum Morgen daran hauen sollten.“

Als Abe sah, daß ich so entschlossen war, faßte auch er wieder Muth.

„Wenn der Boom so hohl sein, Massa,“ sagte er, „wir die Würmer ausräuchern können. Dat’s Gras genug hier, um den Deibel selber auszuschmoken. Sollen wir’s dhun, Massa?“

„Versteht sich!“ rief ich aus. „Rasch an’s Werk.“ Es währte nicht lange, so hatten wir ein Loch in den Baum gehauen, durch das wir Gras und Reisig stecken konnten und zündeten dieses an.

Der Rauch that bald seine Wirkung. Wir sahen ihn aus der Rackun-Höhle zuerst in dünnen Striemen, dann immer dicker und dicker herauskommen, hörten ein Rappeln und Quitschen in dem hohlen Baum und nach kurzer Frist kam ein Rackun zum Vorschein und wandte sich der Liane zu, um herabzuklettern, dann folgte ein zweites und drittes, bis es ihrer sechs waren.

Die Scene, welche nun folgte, war köstlich. Ich hatte meine Büchse ergriffen und schoß damit die beiden ersten Rackuns. Sie stürzten nieder. Pompo ergriff ein Drittes, als es, die Liane entlang laufend, entwischen wollte, während Abe dem Vierten mit der Axt den Kopf spaltete, als er es erreichen konnte. Die beiden Andern rannten zurück und versuchten wieder in die Höhle zu kriechen, mußten aber wieder heraus und hatten mir nur Zeit gegeben, wieder zu laden und sie herab zu schießen. Wir packten daher die ganze Familie auf und Abe erklärte, „dat wäre die größte ’Kunjagd, die er je erlebt habe.“

Da es mittler Weile schon ziemlich tief in der Nacht war, beeilten wir unsern Rückweg und trabten „nach Huse.“