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aus: Insectenfressende Pflanzen
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von: Charles Darwin
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Viertes Capitel.
Die Wirkung der Wärme auf die Blätter.

Art der Versuche. — Wirkungen kochenden Wassers. — Warmes Wasser verursacht rapide Einbiegung. — Wasser auf höherer Temperatur verursacht nicht sofortige Einbiegung, tödtet aber die Blätter nicht, wie ihr späteres Wiederausbreiten und das Zusammenballen des Protoplasma zeigt. — Eine noch höhere Temperatur tödtet die Blätter und coagulirt den eiweiszhaltigen Inhalt der Drüsen.

Bei meinen Beobachtungen über Drosera rotundifolia schienen die Blätter während sehr warmen Wetters schneller über thierische Substanzen eingebogen zu werden und längere Zeit eingebogen zu bleiben, als während kalten Wetters. Ich wünschte daher festzustellen, ob Wärme allein eine Einbiegung veranlassen würde, und welche Temperatur die wirksamste wäre. Es bot sich noch ein anderer interessanter Punkt dar, die Frage nämlich: bei welchem Hitzegrade das Leben vernichtet würde, denn Drosera bietet in dieser Beziehung ungewöhnliche Leichtigkeit der Beobachtung dar, und zwar nicht wegen des Verlustes des Vermögens sich einzubiegen, sondern wegen des der späteren Wiederausbreitung und ganz besonders in dem Ausbleiben des Zusammenballens des Protoplasma, wenn die Blätter, nachdem sie erwärmt waren, in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak eingetaucht werden[1]. [59] Meine Versuche wurden in der folgenden Art und Weise angestellt: Es wurden Blätter abgeschnitten, was nicht im Allergeringsten ihre verschiedenen Fähigkeiten beeinträchtigt, so wurden z. B. drei abgeschnittene Blätter, mit Stückchen Fleisch auf sie gelegt, in einer feuchten Atmosphäre gehalten, und nach 23 Stunden umfaszten sie das Fleisch dicht sowohl mit ihren Tentakeln als mit den Blatträndern; auch hatte sich das Protoplasma in ihren Zellen ganz gut zusammengeballt. Drei Unzen zweimal destillirten Wassers wurden in einem Porzellangefäsz erhitzt und ein empfindlicher Thermometer mit einem gestreckten Quecksilberbulbus schräg darin aufgehängt. Das Wasser wurde allmählich durch eine unter dem Gefäsze hin und her bewegte Spiritusflamme auf die erforderliche Temperatur gebracht; und in allen Fällen wurden die Blätter einige Minuten lang beständig in dichter Nähe des Bulbus hin und her bewegt. Dann wurden sie in kaltes Wasser oder in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak gethan. In andern Fällen wurden sie in dem Wasser, welches bis auf eine gewisse Temperatur erwärmt worden war, gelassen, bis es kalt geworden war. In andern Fällen wiederum wurden die Blätter plötzlich in Wasser von einer bestimmten Temperatur eingetaucht und dort eine genau angegebene Zeit gelassen. Wenn man bedenkt, dass die Tentakeln äuszerst zart sind, und dasz ihre Membranen sehr dünn sind, so scheint es kaum möglich zu sein, dasz der flüssige Inhalt ihrer Zellen nicht bis auf eine um einen oder zwei Grad niedrigere Temperatur als die des umgebenden Wassers erhitzt worden sein sollte. Jede weiteren Vorsichtsmaszregeln würden, wie ich glaube, überflüssig gewesen sein, da die Blätter in Folge des Alters oder constitutioneller Ursachen unbedeutend in ihrer Empfindlichkeit gegen Wärme von einander verschieden sind.

Es wird zweckmäszig sein, zuerst kurz die Wirkungen eines dreiszig Stunden langen Eintauchens in kochendes Wasser zu beschreiben. Die Ränder werden dadurch welk gemacht, die Tentakeln werden rückwärts gebogen, was, wie wir in einem spätern Capitel sehen werden, wahrscheinlich eine Folge davon ist, dasz ihre äuszern Flächen ihre Elasticität längere Zeit behalten, als ihre innern Flächen das Contractionsvermögen bewahren. Die purpurne Flüssigkeit innerhalb der Zellen der Stiele wird fein granulirt, es tritt aber keine echte Zusammenballung ein; auch erfolgt eine solche nicht, wenn die Blätter später in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak gethan werden. Die merkwürdigste Veränderung ist aber die, dasz die Drüsen undurchsichtig und gleichförmig weisz werden; dies dürfte der Gerinnung ihres albuminösen Inhaltes zuzuschreiben sein. [60] Mein erstes und vorläufiges Experiment bestand darin, dasz ich 7 Blätter in ein und dasselbe Gefäsz mit Wasser that und dies langsam bis auf eine Temperatur von 43,3°C. (110° F.) erwärmte; ein Blatt wurde herausgenommen, sobald die Temperatur auf 26,6°C. (80° F.) gestiegen war, ein anderes bei 29,4°C. (85°F.), ein anderes bei 32,2°C. (90°F.) und so fort. Jedes Blatt wurde, nachdem es herausgenommen war, in Wasser von der Temperatur meines Zimmers gethan, und bald wurden die Tentakeln bei allen unbedeutend, wenn auch unregelmäszig eingebogen. Sie wurden nun aus dem kalten Wasser entfernt und in feuchter Luft gehalten, während Stückchen Fleisch auf ihre Scheiben gebracht worden waren. Das Blatt, welches der Temperatur von 43,3°C. (110°F.) ausgesetzt worden war, wurde in 15 Minuten stark eingebogen, und in 2 Stunden umfaszte jeder einzelne Tentakel dicht das Fleisch. Dasselbe trat, wenn gleich nach etwas längerem Intervallen, mit den andern sechs Blättern ein. Es geht daher hieraus augenscheinlich hervor, dasz das warme Bad ihre Empfindlichkeit bei einer Reizung mit Fleisch erhöht hatte.

Ich beobachtete nun zunächst den Grad der Einbiegung, welche Blätter innerhalb bestimmter Zeiten erlitten, während sie immer noch in warmes Wasser eingetaucht blieben, welches so nahe als möglich auf derselben Temperatur gehalten wurde; ich will aber hier wie in andern Fällen nur einige wenige der von mir angestellten Versuche anführen. Ein Blatt wurde 10 Minuten lang in Wasser von 37,7°C. (100° F.) gelassen, es trat aber keine Einbiegung ein. Bei einem zweiten, in derselben Weise behandelten Blatte wurden indessen einige wenige seiner äuszeren Tentakeln in 6 Minuten sehr unbedeutend eingebogen, und in 10 Minuten trat bei mehreren eine unregelmäszige aber nicht starke Einbiegung ein. Ein drittes in Wasser von 40,5°—41,1°C. (105°—106° F.) gehaltenes Blatt wurde in 6 Minuten sehr mäszig eingebogen. Ein weiteres in Wasser von 43,3°C. (110° F.) gelassenes Blatt war in 4 Minuten etwas, und in Zeit von 6 zu 7 Minuten beträchtlich eingebogen.

Drei Blätter wurden in Wasser gelegt, welches ziemlich schnell erhitzt wurde; zu der Zeit nun, wo die Temperatur auf 46,1° bis 46,6°C. (115°—116° F.) gestiegen war, waren alle drei eingebogen. Ich entfernte dann die Lampe und in wenig Minuten war jeder einzelne Tentakel dicht eingebogen. Das Protoplasma innerhalb der Zellen war nicht getödtet, denn es war in deutlicher Bewegung zu sehen; auch breiteten sich die Blätter wieder aus, nachdem sie 20 Stunden lang in kaltem Wasser gelassen worden waren. Ein anderes Blatt wurde in Wasser von 37,7°C. (100° F.) getaucht, welches auf 48,8°C. (120° F.) erhitzt wurde; sämmtliche Tentakeln, mit Ausnahme der äuszersten randständigen, wurden bald dicht eingebogen. Das Blatt wurde nun in kaltes Wasser gelegt und in 7 Stunden 30 Minuten war es zum Theil und in 10 Stunden vollständig wieder ausgebreitet. Am folgenden Morgen wurde es in eine schwache Lösung von kohlensaurem Ammoniak gethan, worauf die Drüsen schnell schwarz wurden mit stark ausgesprochener Aggregation in den Tentakeln, wodurch gezeigt wurde, dasz das Protoplasma lebendig war und die Drüsen ihr Absorptionsvermögen nicht verloren hatten. Ein anderes Blatt wurde in Wasser von 43,3°C. (110° F.) gethan, welches auf 48,8°C. (120° F.) erhitzt wurde; alle Tentakeln, mit Ausnahme eines einzigen, [61] wurden schnell und dicht eingebogen. Dies Blatt wurde nun in einige wenige Tropfen einer starken Lösung von kohlensaurem Ammoniak (ein Theil auf 109 Theile Wasser) gethan; in 10 Minuten wurden sämmtliche Drüsen intensiv schwarz und in 2 Stunden war das Protoplasma in den Stielzellen ordentlich zusammengeballt. Ein anderes Blatt wurde plötzlich in Wasser von 48,8°C. (120° F.) getaucht und wie gewöhnlich umhergeschwenkt; in einer Zeit von 2 bis 3 Minuten waren die Tentakeln eingebogen, aber nur so weit, dasz sie zur Blattscheibe im rechten Winkel standen. Das Blatt wurde nun in dieselbe Lösung gebracht (d. h. ein Theil kohlensaures Ammoniak auf 109 Theile Wasser oder 4 Gran auf 1 Unze, was ich künftig immer als starke Lösung bezeichnen will), und als ich nach Verlauf von 1 Stunde wieder nach ihm sah, waren die Drüsen geschwärzt und das Zusammenballen war scharf ausgesprochen. Nach Verlauf von noch weiteren 4 Stunden waren die Tentakeln viel bedeutender eingebogen. Es verdient Beachtung, dasz eine Lösung, welche so stark ist wie diese, in gewöhnlichen Fällen niemals Einbiegung verursacht. Endlich wurde ein Blatt plötzlich in Wasser von 51,6°C. (125°F.) gethan und darin gelassen, bis das Wasser abgekühlt war; die Tentakeln wurden dadurch hellroth und wurden bald eingebogen. Der Inhalt der Zellen unterlag in einem gewissen Grade einem Zusammenballen, welches im Verlauf von 3 Stunden noch zunahm; aber die Massen von Protoplasma wurden nicht sphärisch, wie es beinahe immer vorkommt, wenn Blätter in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak getaucht werden.

Wir ersehen aus diesen Fällen, dasz eine Temperatur von 48,8° zu 51,6°C. (120°—125° F.) die Tentakeln zu schneller Bewegung anreizt, aber die Blätter nicht tödtet, wie sich entweder durch ihr später wieder eintretendes Ausbreiten oder durch die Zusammenballung des Protoplasma zeigt. Wir werden nun sehen, dasz eine Temperatur von 54,4°C. (130° F.) zu hoch ist, um eine sofortige Einbiegung zu verursachen, aber doch die Blätter nicht tödtet.

1. Versuch. — Ein Blatt wurde in Wasser von 54,4°C. (130° F.) getaucht und wie in sämmtlichen Fällen einige Minuten lang umhergeschwenkt; es fand sich aber keine Spur einer Einbiegung; dann wurde es in kaltes Wasser gebracht, und nach Verlauf von 15 Minuten war an einer kleinen Masse von Protoplasma in einer der Zellen eines Tentakels eine sehr langsame Bewegung deutlich zu sehen[2]. Nach wenig Stunden wurden sämmtliche Tentakeln und die Blattränder eingebogen.

2. Versuch. — Ein anderes Blatt wurde in Wasser von 54,4° zu 55° C. (130°—131° F.) gethan; und, wie vorher, es trat keine Einbiegung ein. Nachdem es 1 Stunde lang in kaltem Wasser gelassen worden war, wurde es in die starke Lösung von Ammoniak gethan, und in Zeit von [62] 55 Minuten waren die Tentakeln beträchtlich eingebogen. Die Drüsen, welche vorher heller roth gefärbt worden waren, waren nun schwarz geworden. Das Protoplasma in den Zellen der Tentakeln war deutlich zusammengeballt; aber die Kugeln waren viel kleiner als die gewöhnlich in nicht erhitzten Blättern unter Einflusz des kohlensauren Ammoniaks erzeugten. Nach Verlauf von weiteren 2 Stunden waren sämmtliche Tentakeln, mit Ausnahme von sechs oder sieben, dicht eingebogen.

3. Versuch. — Ein ähnliches Experiment wie das letzte, mit genau denselben Resultaten.

4. Versuch. — Ein schönes Blatt wurde in Wasser von 37,7°C. (100° F.) gebracht, welches dann auf 62,7°C. (154° F.) erwärmt wurde. Bald nach dem Eintauchen trat, wie sich hätte erwarten lassen, eine starke Einbiegung ein. Das Blatt wurde nun entfernt und in kaltes Wasser gelegt; da es aber einer so hohen Temperatur ausgesetzt worden war, breitete es sich niemals wieder aus.

5. Versuch. — Ein Blatt wurde in Wasser von 54,4°C. (130° F.) gelegt und dies auf 62,7°C. (145° F.) erwärmt; es trat keine sofortige Einbiegung ein. Das Blatt wurde dann in kaltes Wasser gebracht, und nach 1 Stunde 20 Minuten waren einige Tentakeln auf der einen Seite eingebogen. Dies Blatt wurde nun in die starke Lösung gethan, und in 40 Minuten waren alle dem Rande nahe stehenden Tentakeln ordentlich eingebogen und die Drüsen geschwärzt. Nach Verlauf von weiteren 2 Stunden 45 Minuten waren alle Tentakeln, mit Ausnahme von acht oder zehn, dicht eingebogen, während ihre Zellen in einem geringen Grade ein Zusammenballen des Protoplasma darboten; die Protoplasma-Kugeln waren aber sehr klein und die Zellen der äuszern Tentakeln enthielten etwas pulpöse oder zersetzte bräunliche Substanz.

6. und 7. Versuch. — Zwei Blätter wurden in Wasser von 57,2°C. (135° F.) gelegt, welches auf 62,7°C. (145° F.) erhitzt wurde; keines wurde eingebogen. Eins derselben zeigte indessen, nachdem es 31 Minuten in kaltem Wasser liegen gelassen worden war, eine geringe Einbiegung, welche nach Verlauf von weiteren 1 Stunde 45 Minuten zunahm, bis alle Tentakeln, ausgenommen sechzehn oder siebzehn, mehr oder weniger eingebogen waren; das Blatt war aber so bedeutend verletzt, dasz es sich nicht wieder ausbreitete. Das andere Blatt wurde, nachdem es eine halbe Stunde in kaltem Wasser gelassen worden war, in die starke Lösung gebracht; es folgte aber keine Einbiegung. Die Drüsen wurden indessen geschwärzt und in einigen Zellen trat ein geringes Zusammenballen ein, doch waren die Protoplasma-Kugeln äuszerst klein. In anderen Zellen, besonders an den äuszeren Tentakeln, fand sich viel grünlich-braune pulpöse Substanz.

8. Versuch. — Ein Blatt wurde in Wasser von 60°C. (140° F.) gebracht und wenige Minuten lang hin und her geschwenkt; dann wurde es eine halbe Stunde in kaltem Wasser gelassen; es trat indessen keine Einbiegung ein. Nun wurde es in die starke Lösung gethan, und nach 2 Stunden 30 Minuten waren die inneren, dem Rande nahe stehenden, oder submarginalen, Tentakeln gehörig eingebogen, auch ihre Drüsen geschwärzt; in den Zellen der Stiele trat ein unvollkommenes Zusammenballen ein. Drei oder vier von den Drüsen waren mit denselben weiszen [63] porzellanartigen Gebilden gefleckt, welche durch kochendes Wasser hervorgebracht werden. Ich habe dies Resultat in keinem einzigen anderen Falle bei einer so niedern Temperatur, 60°C, eintreten sehen, und nur bei einem einzigen Blatte unter vieren nach ähnlichem Eintauchen in Wasser von 62,7°C. (145° F.). Andrerseits wurden an zwei Blättern, von denen das eine in Wasser von 62,7°C. (145° F.), das andere in Wasser von 60°C. (140° F.) gelegt und bis zum Abkühlen des Wassers darin gelassen worden war, die Drüsen in beiden Fällen weisz und porzellanartig. Es ist daher die Dauer des Eintauchens ein bedeutungsvolles Element für das Resultat.

9. Versuch. — Ein Blatt wurde in Wasser von 60°C. (140° F.) gethan, was auf 65,5°C. (150° F.) erwärmt wurde; es trat keine Einbiegung ein; im Gegentheil bogen sich die äuszeren Tentakeln etwas rückwärts. Die Drüsen wurden wie Porzellan; einige von ihnen wurden aber purpurn gefleckt. Die Basen der Drüsen wurden vielfach mehr afficirt, als ihre Spitzen. Als das Blatt in der starken Lösung gelassen wurde, trat keinerlei Einbiegung oder Zusammenballung ein.

10. Versuch. — Ein Blatt wurde in Wasser von 65,5°C. (150° bis 150½° F.) gelegt; es wurde etwas welk, die äuszeren Tentakeln unbedeutend zurückgebogen, die inneren ein wenig nach innen gebogen, aber nur nach ihrer Spitze zu; diese letztere Thatsache zeigt, dasz die Bewegung keine wahre Einbiegung war, da im normalen Zustande der basale Theil allein sich biegt. Die Tentakeln waren wie gewöhnlich sehr hell roth geworden, die Drüsen beinahe weisz wie Porzellan, doch etwas rosa gefärbt. Nachdem das Blatt in die starke Lösung gelegt worden war, wurde der Inhalt der Zellen der Tentakeln schmutzig braun ohne irgend eine Spur von Zusammenballen.

11. Versuch. — Ein Blatt wurde in Wasser von 62,7°C. (145°F.) gelegt, welches auf 68,8°C. (150° F.) erwärmt wurde. Die Tentakeln wurden hell roth und etwas zurückgebogen, die Drüsen beinahe sämmtlich wie Porzellan; diejenigen auf der Blattscheibe blieben etwas rosa, diejenigen in der Nähe des Randes wurden vollständig weisz. Nachdem das Blatt erst wie gewöhnlich in kaltes Wasser gelegt und dann in die starke Lösung gebracht worden war, wurden die Zellen in den Tentakeln schmutzig grünlich braun, das Protoplasma nicht zusammengeballt. Nichtsdestoweniger entgiengen vier von den Drüsen der Verwandlung in den porzellanartigen Zustand, die Stiele dieser Drüsen wurden nach ihren oberen Enden hin spiral aufgekrümmt wie ein Waldhorn; dies kann indessen in keiner Weise als ein Fall von echter Einbiegung betrachtet werden. Das Protoplasma innerhalb der Zellen der gedachten Partie wurde in deutliche, wenn schon äuszerst minutiöse purpurne Kügelchen zusammengeballt. Dieser Fall zeigt deutlich, dasz das Protoplasma, nachdem es einige wenige Minuten lang einer hohen Temperatur ausgesetzt worden ist, der Zusammenballung fähig ist, wenn es später der Einwirkung des kohlensauren Ammoniaks ausgesetzt wird; vorausgesetzt, dasz die Hitze nicht hoch genug gewesen ist, eine Gerinnung zu verursachen.

Schluszbemerkungen. — Da die haarähnlichen Tentakeln äuszerst dünn sind und zarte Wandungen haben, da ferner die Blätter [64] einige Minuten lang dicht am Bulbus des Thermometers hin und her bewegt wurden, so scheint es kaum möglich, dasz sie nicht bis nahezu auf die Temperatur erwärmt worden sein sollten, welche das Instrument angab. Aus den elf letzten Versuchen ersehen wir, dasz eine Temperatur von 54,4° C. (130° F.) niemals die sofortige Einbiegung der Tentakeln verursacht, obschon eine Temperatur von 48,8°—51,6°C. (120°—125°F.) diese Wirkung schnell hervorbringt. Durch eine Temperatur von 54,4° C. (130° F.) werden die Blätter aber nur für eine Zeit lang paralysirt, da sie später, mögen sie nun einfach in Wasser oder in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak gethan werden, eingebogen werden, und auch ihr Protoplasma einem Zusammenballen unterliegt. Diese grosze Verschiedenheit in den Wirkungen einer höheren und niedrigeren Temperatur dürfte mit der beim Eintauchen in starke und schwache Lösungen von Ammoniaksalzen zu vergleichen sein: denn die ersteren regen keine Bewegung an, während die letztern energisch wirken. Ein vorübergehendes Aufheben des Bewegungsvermögens als Folge der Hitze wird von Sachs[3] Wärmestarre genannt; diese wird bei der Sinnpflanze (Mimosa) dadurch herbeigeführt, dasz sie wenig Minuten lang feuchter, auf 49°—50°C. (120°—122°F.) erwärmter Luft ausgesetzt wird. Es verdient Beachtung, dasz die Blätter der Drosera nach einem Eintauchen in Wasser von 54,4°C. (130°F.) durch eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak, welche so stark ist, dasz sie gewöhnliche Blätter lähmen und keine Einbiegung verursachen würde, zur Bewegung gereizt werden.

Werden die Blätter wenige Minuten lang selbst einer Temperatur von 62,7°C. (145° F.) ausgesetzt, so werden sie nicht immer getödtet; denn wenn sie nachher in kaltes Wasser oder in eine starke Lösung von kohlensaurem Ammoniak gelegt werden, so werden sie meistens, wenn schon nicht immer, eingebogen; auch erleidet das Protoplasma innerhalb ihrer Zellen eine Zusammenballung, wenn auch die hierdurch gebildeten Kügelchen äuszerst klein und viele der Zellen zum Theil mit bräunlicher schmutziger Masse gefüllt werden. In zwei Fällen wurden die Blätter, wenn sie in Wasser von einer niedrigeren Temperatur als 54,4°C. (130° F.) eingelegt wurden, welches Wasser dann auf 62,7 ° C. (145° F.) weiter erwärmt wurde, während der ersten Zeit ihrer Eintauchung eingebogen, waren aber später, als [65] sie in kaltem Wasser liegen gelassen wurden, unfähig, sich wieder auszubreiten. Werden die Blätter wenige Minuten einer Temperatur von 62,7°C. (145°F.) ausgesetzt, so verursacht dies zuweilen an einigen der empfindlicheren Drüsen ein Geflecktwerden mit dem porzellanartigen Aussehen; und bei einer Gelegenheit kam dies bei einer Temperatur von 60° C. (140° F.) vor. Bei einer andern Gelegenheit wurde, als ein Blatt in Wasser von dieser Temperatur von nur 60°C. (140°F.) gelegt und darin liegen gelassen wurde, bis das Wasser abgekühlt war, jede einzelne Drüse wie Porzellan. Werden Blätter wenige Minuten lang einer Temperatur von 65,5°C. (150°F.) ausgesetzt, so tritt meist diese Wirkung ein, doch behalten viele Drüsen eine rosa Färbung und viele bieten ein geflecktes Aussehen dar. Diese hohe Temperatur verursacht niemals echte Einbiegung; im Gegentheil werden die Tentakeln gewöhnlich zurückgebogen, wenn schon in einem geringeren Grade, als wenn sie in kochendes Wasser getaucht werden; und dies ist augenscheinlich Folge ihrer passiven Elasticität. Waren die Blätter einer Temperatur von 65,5°C. (150°F.) ausgesetzt, so wird das Protoplasma, wenn es nachher der Einwirkung des kohlensauren Ammoniaks ausgesetzt wird, in zersetzte oder breiige entfärbte Masse verwandelt. Kurz, die Blätter werden meistens durch diesen Wärmegrad getödtet; aber in Folge von Verschiedenheiten in Alter oder Constitution variiren sie etwas in dieser Beziehung. In einem anomalen Falle entgiengen vier unter den vielen Drüsen eines Blattes, welches in, auf 68,8° C. (156° F.) erhitztes Wasser eingetaucht worden war, der Verwandlung in porzellanartige Masse[4]; und das Protoplasma in den Zellen dicht unter diesen Drüsen zeigte einen unbedeutenden und auch unvollkommenen Grad von Zusammenballung.

Endlich ist es eine merkwürdige Thatsache, dasz die Blätter von Drosera rotundifolia, welche auf kalten Hochlandmooren durch ganz Grosz-Britanien gedeiht und (nach Hooker) innerhalb des Polarkreises existirt, im Stande sind, selbst für eine kurze Zeit einem Eintauchen [66] in Wasser zu widerstehen, welches auf 62,7°C. (145°F.) erhöht worden war[5].

Es ist wohl noch der Bemerkung werth, dasz Eintauchen in kaltes Wasser keine irgendwelche Einbiegung verursacht; ich brachte plötzlich vier Blätter, die ich Pflanzen entnommen hatte, welche schon mehrere Tage hindurch in einer hohen Temperatur, meistens ungefähr bei 23,8° C. (75° F.) gehalten worden waren, in Wasser von 7,2° C. (45° F.); sie wurden aber kaum irgendwie afficirt, und zwar nicht so viel wie einige andere Blätter von den nämlichen Pflanzen, welche zu derselben Zeit in Wasser von 23,8° C. (75° F.) eingetaucht wurden; diese wurden nämlich in einem geringen Grade eingebogen.


  1. Als meine Experimente über die Wirkungen der Wärme angestellt wurden, wuszte ich nicht, dasz der Gegenstand von mehreren Beobachtern sorgfältig untersucht worden war. So ist z. B. Sachs überzeugt (Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., 1874. p. 698, 701), dasz die allerverschiedensten Pflanzen sämmtlich umkommen, wenn sie 10 Minuten lang in Wasser von 45° bis 46°C. gehalten werden; und er gelangt zu dem Schlusse, dasz das Protoplasma in ihren Zellen, im feuchten Zustande, bei einer Temperatur von zwischen 50° und 60°C. coagulirt. Max Schulze und Kühne „fanden (citirt von Dr. Bastian in „Contemporary Review, 1874, p. 528"), dasz das Protoplasma der Pflanzenzellen, mit dem sie experimentirten, stets getödtet und verändert wurde, wenn es auf kurze Zeit einer Temperatur von 48°C. als Maximum ausgesetzt wurde". Da meine Resultate aus speciellen Erscheinungen abgeleitet sind, nämlich der späteren Zusammenballung des Protoplasma und dem Wiederausstrecken der Tentakeln, so scheint es der Mühe werth zu sein, sie mitzutheilen. Wir werden finden, dasz Drosera der Hitze etwas besser widersteht, als die meisten andern Pflanzen. Dasz sich in dieser Hinsicht beträchtliche Verschiedenheiten zeigen, ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dasz einige niedrige vegetabilische Organismen in heiszen Quellen wachsen, — wofür von Prof. Wyman Beispiele gesammelt worden sind (American Journal of Science, Vol. XLIV. 1867;. So fand z. B. Dr. Hooker Conferven in Wasser von 168°F., Humboldt bei 185°F., und Descloizeaux bei 208°F. (57,78°, 67.22° und 80°C.)
  2. Sachs gibt an (Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., 1874, p. 700), dasz die Bewegungen des Protoplasma in den Haaren einer Cucurbita aufgehört hätten, nachdem sie eine Minute lang in Wasser einer Temperatur von 47° bis 48°C. (117° bis 119° F.) ausgesetzt worden wären.
  3. Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., 1874, p. 857.
  4. Da die Undurchsichtigkeit und das porzellanartige Aussehen der Drüsen wahrscheinlich eine Folge der Gerinnung des Eiweiszes ist, so will ich noch nach der Autorität der Dr. Burdon Sanderson hinzufügen, dasz Eiweisz ungefähr bei 68,3° C. (155° F.) coagulirt, dasz aber bei Anwesenheit von Säuren der Grad des Eintritts der Gerinnung niedriger liegt. Die Blätter der Drosera enthalten eine Säure und vielleicht dürfte eine Verschiedenheit in der Menge derselben die unbedeutenden Verschiedenheiten in den oben mitgetheilten Resultaten erklären.
  5. Allem Anscheine nach sind kaltblütige Thiere, wie schon hätte erwartet werden können, für eine Erhöhung der Temperatur viel empfindlicher, als es Drosera ist. So höre ich von Dr. Burdon Sanderson, dasz ein Frosch schon in Wasser von einer Temperatur von nur 29,4° C. (85° P.) beunruhigt zu werden anfängt. Bei 35° C. (95° F.) werden die Muskeln rigid und das Thier stirbt in steifem Zustande.