In einem japanischen Garten
[323] In einem japanischen Garten. (Zu dem Bilde S. 312 und 313.) Wenn der Japaner von seinem Heimathland sagt, daß es der „Garten der Erde“ sei, so hat er gewiß nicht unrecht, denn nirgends dürften sich die klimatischen Verhältnisse für den Gärtner so günstig stellen wie hier. Infolgedessen ist auch der Schönheitssinn der Japaner in dieser Hinsicht stark ausgebildet. Jeder ist in gewisser Beziehung Kunstgärtner; der kleine Mann hat sein Gärtchen neben seiner Hütte so gut wie der Gutsbesitzer seinen Park, mit dem er seine Villa umgiebt, und hier wie dort herrscht der ausgeprägteste Sinn für landschaftliche Schönheit.
Die Parkanlagen der Großen und Begüterten haben oft eine weite Ausdehnung, und der Gutsbesitzer mit seiner Familie hat die mannigfaltigsten Gelegenheiten, sich der Natur, die ihn umgiebt, zu erfreuen. Hier ein lauschiges Plätzchen unter der breitästigen Matsufichte, die ihre Zweige wie ein Dach weithin ausstreckt, dort ein Fischteich, auf dessen Goldfische oder Karpfen der Wirth gewaltig stolz ist; sind doch manche der ältesten Thiere in dem klaren Wasser schon von seinem Vater oder gar von seinem Großvater gehegt worden!
Auch die schönen malerischen Bambushaine gehören so gut in einen wohlangelegten Park wie die Gruppen von eigenartig gezogenen Azaleen, die großen prachtvollen Bäume der Kamelie, der lieblich duftenden Paulownia und der verschiedenen Ahornarten, die, namentlich im Herbste, mit ihren buntfarbigen Blättern das Entzücken der Menschen bilden. Wie nun aber stets Geschmack und Liebhaberei verschieden sind, so pflegen auch die Besitzer oft diese oder jene Baumart, diese oder jene Blumensorte in ihren Gärten zu bevorzugen, und dann findet um die Zeit der Blüthe eine förmliche Wallfahrt zu diesen „Spezialisten“ statt. Von nah und fern kommen die Gäste, um zu schauen und zu bewundern, und die mit Recht so hoch gepriesene Gastfreundschaft der Japaner zeigt sich dann im hellsten Lichte.
Unser Bild führt uns einen solchen Besuch einer nachbarlichen Gutsherrschaft vor Augen. In dem Vorgarten der Villa sind die Herrschaften eben dem „Kango“ (Tragkorb) entstiegen, bei dem die Wärterin mit dem jüngsten Kinde noch verblieben ist. Augenscheinlich sind die Gäste hochwillkommen, denn der nie fehlende Begrüßungsthee ist ihnen bereits von der Dienerin entgegen getragen worden, noch ehe sie die Schwelle des Hauses überschritten haben. So wandeln sie, die erwachsenen Damen auf ihren sonderbaren Blöckchenschuhen, an dem Teiche mit seinen Silberreihern vorbei, dem Hause der Herrschaft zu.
Der Kango, mit dem der Japaner noch jetzt gerne reist, ist eines der sonderbarsten Dinge, die es giebt. Für den Europäer ist er eine Marter, der Japauer aber, von Jugend auf an das Unterschlagen der Beine gewöhnt, sitzt in dem tragbaren Korbe so bequem und behaglich wie wir in einem Landauer.
Fremdartig berührt uns immer die Kleidung der Japaner, trotzdem
wir sie jetzt seit vielen Jahren kennen. Und dennoch ist dieselbe, namentlich
für die klimatischen Verhältnisse Japans, so zweckmäßig, daß sie nur
Anerkennung verdient. Außerdem ist sie nationalökonomisch von
unberechenbarem Werthe – der glückliche Japaner weiß nichts von dem
Ungeheuer Mode, von dem Moloch, dem der Europäer Zeit und Geld
opfert. Von Alters her hat der Japaner nur einen einzigen Schnitt für
sein Gewand, er kennt keine Aenderung, er verachtet die mörderische
Schere, welche grausam und schonungslos in den Stoffen herumwirthschaftet;
ihm gilt es lediglich, das eigens zu dem Gewand gewebte Zeug nach
althergebrachter Vorschrift um den Körper zu legen, so lange bis es zerfällt.
Und wie unser Bild beweist, wissen vornehmlich die Japanerinnen ihre
Kleider so hübsch und reich zu gestalten, sie so anmuthig zu tragen, daß
unser Auge nur mit Wohlgefallen darauf ruhen kann. Und wenn in den
letzten Jahren die europäische Kleidung in Japan eingeführt worden ist,
so hat man auch schon einsehen gelernt, wie unklug dieser Schritt war.
C. W. E. Brauns.