Textdaten
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Autor: R. P.
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Titel: Im alten Klostergarten
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 289, 292
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[289]

Im alten Klostergarten.
Nach einer Originalzeichnung von R. Püttner.

[292] Im alten Klostergarten. (Zu dem Bilde S. 289.) Wie weitete er mir das Herz, der Sonnenschein dieser maiduftigen Sonntagsfrühe, als ich bergan stieg in den Rebengeländen des Moselthales! Junges Grün die Fülle, wohin der Blick sich wandte, Vogelstimmen an allen Enden, dazwischen das Geläute ferner Glocken.

Und dort das spitzgieblige, von Baumkronen halb verdeckte Gemäuer mit dem blitzenden Sonnenglanz auf den turmgeschmückten Schieferdächern? Seine Mauern sind zerbröckelt, wuchernder Epheu deckt die Fenster und kriecht an dem eingefallenen Dach entlang. In friedlicher Stille liegt es da wie ausgestorben, nur zahllose Bienen schwärmen in dem Blütenmeere der verwachsenen Bäume und Gesträuche und ein paar Stare schwirren geschäftig umher, ihre Nester in den aufgesteckten Starenhäuschen bereitend.

Lange saß ich da mit meinem Skizzenbuche, ganz verloren in den Reiz dieses kleinen verwilderten Idylls. Endlich erweckten mich fröhliche Kinderstimmen. Zwei kleine Mädchen kamen die Stufen vor dem Hause herabgetrippelt, einer Katze nach, die in munteren Sprüngen vorauseilte. Als die Kinder meiner ansichtig wurden, kauerten sie still sich nieder am Wasserbecken nahe dem alten verwetterten Ziehbrunnen, mit wilden Rosen sich schmückend und dazwischen mich mit neugierigen Blicken musternd – eine reizende Staffage! Mein Bild war fertig.

„Wem gehört dies Haus und der Garten?“ frug ich später die rüstige Alte, die gekommen war, die Kinder zu holen. Und von ihr erfuhr ich dann hinter einem Glase Moselwein die Geschichte des seltsam romantisch dreinschauenden Hauses. Vor langen Jahren hatten es sich die geistlichen Herren von dem Kloster im Thal hier oben als Sommerhaus gebaut. Als unter den Drangsalen der Franzosenzeit Gebäude und Liegenschaften des Klosters gebrandschatzt und verschleudert wurden, da geriet auch unser Sommerhaus in fremden Besitz, wanderte von Hand zu Hand, bis es eines wackeren Wirtes Eigentum ward. Damals ging’s lustig zu im Hause. Im Sommer und Herbst kamen die Maler und die Studenten und Wanderfreunde aus aller Herren Ländern, durch die mondhellen Nächte hallten die Lieder von der Höhe ins Thal – was aber den Leuten die Herzen so warm und die Gedanken so fröhlich machte, das war nicht bloß des Wirtes goldener Wein, das war auch des Wirtes goldblondes Töchterlein. Und eines Tages geschah’s, daß solch ein fremder Gast von weit her wiederkam und das blonde Kind zum Weibe sich erbat. Mit schwerem Herzen fügte sich der Vater, sein Liebling zog mit dem Manne hinüber übers Meer, begleitet von heißen Segenswünschen. Sie sollten an ihr nicht in Erfüllung gehen! Krankheit kam und Unglück – und von bitterem Heimweh verzehrt, starb das arme Geschöpf fern von der Heimat im fremden Lande. Der Vater hat den Schlag nicht mehr verwunden. Sein Haus zerfiel, sein Garten verwilderte, seine Habe schmolz zusammen – er merkte es nicht und wehrte sich nicht; vor ein paar Jahren hat ihn der Tod erlöst von seinem Kummer. „Da haben wir uns denn vor einem Monat das alte Gerümpel gekauft“ – schloß die Frau ihren Bericht – „und wenn es gut geht mit der Wirtschaft und der Wein gerät im Mosellande, dann soll’s auch hier wieder besser werden und lustiger.“

Ich aber hatte im Herzen den Wunsch, es möchte alles so bleiben, wie ich es an diesem herrlichen Sonntagmorgen geschaut, das ganze träumerisch schöne Bild vom verlassenen Klostergarten! R. P.