Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Im Sommerrefectorium
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 360–361, 371
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[360–361]

Das Sommerrefectorium im Kloster Maulbronn.
Nach dem Oelgemälde von Prof. W. Riefstahl.

[371] Im Sommerrefectorium. (Mit Illustration S. 360 und 361.) Es ist Besuch im Kloster angekommen, hoher geistlicher Besuch. Ob die beiden Aebte in den kurzen Stunden ihres Beisammenseins vorwiegend Geistliches oder auch Weltliches zu verhandeln haben, wissen wir nicht; es ist nicht einmal den dem Abt untergeordneten, an Gehorsam gewöhnten Insassen der weltabgeschiedenen Klause bekannt. Jedenfalls gilt es, die Gäste, nachdem sie sich den Reisestaub von Kutte und Kapuze geklopft und sich im Sommerrefectortium gesammelt haben, mit einem Labetrunk zu erfrischen. Und was könnte in den holden Tagen, da der Waldmeister seine zarte weiße Blüthe zu erschließen beginnt, erquickender sein als der goldigklare Rebensaft von der besten Lage der Klosterweinberghalden, vermählt mit dem wonnesamen Duft des würzigen Kräutleins?

Das Winterrefectorium mit seinen kurzen Doppelsäulen, mit seinen niedrigen rundbogigen Fenstern steht heute verlassen. Der Maitrank muß in den lichten, hochgesprengten, herzerhebenden Hallen des Sommerrefectoriums, wie sie der heitere kühne Geist des Uebergangsstils gewölbt hat, zubereitet, gespendet und genossen werden. Und warum sollten sich die Brüder heute nicht im Sommerrefectorium sammeln? Der Mai hat ja den Winter aus dem Feld geschlagen, die Fastenzeit ist voruber. Durch die Scheiben der schöngemusterten, schlanken, spitzbogigen Fenster fluthet das Licht und die Wärme des Frühlingstags, draußen an der mittäglichen Halde des Klosterberges blühen in rosigem Schimmer die Apfelbäume.

Der liebliche Sonnenstrahl umspielt die sieben Säulen, auf denen die Decke des Sommerrefectoriums ruht, von dem grünlich überhauchten Sockel an bis hinauf zu den feinen Gewölberippen, er umspielt die an den Wänden angebrachten Bilder, in deren Umrissen uns ein paar Heilige, ein Abt und ein fürstlicher Wohlthäter des Klosters entgegentreten, er umspielt die Gruppen der Brüder, die den Maitrunk bereiten und schlürfen. Er verklärt auch die Nische, in welcher das stolzragende Vorlesepult angebracht ist, dort wird sonst während des Mahles ein Abschnitt aus einem biblischen Buche, meist aus dem Buche Leviticus verlesen, und von dem Brauche, daß der Abt nach geschehener Vorlesung die Verfehlungen einzelner Brüder zu rügen pflegt, hat solche Rüge den Namen „einem den Leviten lesen“ erhalten. Heute steht kein Vorleser auf dem Pult; Maiweinduft und Levitenlesen würden schlecht zusammenstimmen, auch ist die Unterhaltung an den einzelnen Tischen der Brüder bis hinein dort in die kühle Ecke, wo Einer in jugendlichem Muthe das funkelnde Glas erbebt, schon zu lebhaft. –

Sieben Säulen sind’s, abwechselnd die eine schlank und leicht, sodaß sie ohne den gürtenden Wirtel in der Mitte fast zu schwach erscheinen würde, die andere von gedrungener Kraft. Vielleicht hat dem Baumeister, als er diesen eigenthümlichen Gedanken ausführte, der salomonische Spruch vorgeschwebt, daß die Weisheit ihr Haus auf sieben Säulen gründete.

Wie prächtig hat Meister Riefstahl den architektonischen Reiz dieses klösterlichen Raumes in seinem Gemälde wiedergegeben! Jeder, der einmal eingekehrt ist im Kloster Maulbronn in Schwaben und auch nur mit flüchtigem Blicke die Schönheiten dieses trefflich erhaltenen Schmuckkästchens altdeutscher Art und Kunst genossen hat, erinnert sich an die herrliche Halle, deren Linien der Maler hier nachgebildet hat und die im Volksmunde den anheimelnden Namen „das Rebenthal“ führt.

Und wenn auch der Künstler, dem wir so manches gelungene Werk verdanken, der malerischen Wirkung zu lieb die Mönche nicht in das schwarzweiße Gewand der Cisterzienser, mit denen Kloster Maulbronn thatsächlich früher besiedelt war, gekleidet, überhaupt das Costüm mit freiem, aber feinem künstlerischem Sinne behandelt hat: das ganze Bild ist doch ein echtes und gerechtes Maulbronner Klosterbild und heimelt nicht nur Den an, der, wie der Schreiber dieser Zeilen, manch liebes Jahr in Maulbronn heimisch gewesen ist.[1]



  1. Ein vortrefflicher, mit reichem Bilderschmuck gezierter Führer für das Kloster ist: Dr. Eduard Paulus „Die Cisterzienserabtei Maulbronn“.