Im Kampf mit der Straßenschleppe
[563] Im Kampf mit der Straßenschleppe. Was man vom Standpunkt des gebildeten Geschmacks aus von der Straßenschleppe zu halten habe, das ist in Nr. 8 dieses Jahrgs. der „Gartenlaube“ deutlich ausgesprochen, und wir hoffen, daß das dort Gesagte einigermaßen Früchte getragen habe, weil wir der Ueberzeugung sind, daß das Unfeine dieser Mode jeder vernünftig denkenden Frau einleuchten müsse. Daß aber der Kampf mit dem geschwänzten Unhold damit noch nicht zu Ende sein werde, das war von vornherein klar. Nun hat in unseren Tagen glücklicherweise ein Wort eine größere Geltung als je in langer Frist von Jahrhunderten, es heißt „Hygieine“, und in dieser Großmacht der Gegenwart ist dem guten Geschmack ein bedeutender Bundesgenosse erwachsen. Der niederösterreichische Landessanitätsrath hat sich dahin geäußert, daß ein Verbot des Tragens von Damenschleppkleidern auf den Straßen entschieden empfehlenswerth sei, da durch das Nachschleppen langer Kleider der Staub in hohem Maße aufgewirbelt werde und so den Athmungswerkzeugen Stoffe zugeführt werden können, welche Infektionskrankheiten verursachen. Wirklich hat auch die Wiener Polizeidirektion Erhebungen darüber angestellt, ob ein solches Verbot wohl durchführbar sein würde, und wenn sie zu dem Ergebniß gelangen sollte, in der That von Amts wegen gegen die freiwilligen Straßenfegerinnen einzuschreiten, so können wir ihr nur einen vollen Erfolg – wünschen. Aber hübscher wäre es doch von der verehrlichen Damenwelt, wenn sie selbst sich den Geboten der Gesundheit und des Geschmacks unterordnen würde und nicht wartete, bis der Büttel kommt und sie dazu zwingt.