Sonntagmorgen bei der Kirche von Ullenswang am Hardangerfjord

Textdaten
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Autor: L. Passarge
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Titel: Sonntagmorgen bei der Kirche von Ullenswang am Hardangerfjord
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 552–553, 563–564
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[552–553]

Sonntagmorgen bei der Kirche von Ullenswang am Hardangerfjord.
Nach dem Gemälde von Hans Dahl.

[563] Sonntagmorgen bei der Kirche von Ullenswang am Hardangerfjord. (Zu dem Bilde S. 552 u. 553.) Der Maler führt uns in eine echt norwegische Scenerie, zu dem Hardangerfjorde mit seiner krystallgrünen Fluth und dem ewigen „Schneelaken“ des Folgefjeld, zu jenem lieblichen Ufersaume, der mit herrlichen Fruchtbäumen bedeckt, von freundlichen Menschen bewohnt ist, über dem sich der dem skandinavischen Norden eigenthümliche Himmel durchsichtig wie eine Glasglocke und blau wie der Himmel Griechenlands ausbreitet. Es ist Sonntag und die Bewohner kommen von nah und fern, oft meilenweit, in ihren hübschen, leichtgebauten Kähnen, die pfeilschnell über den Wasserspiegel gleiten und nach dem Ufer streben, auf dessen Höhe die kleine, aber uralte „Stave-Kirche“, das heißt die Holzkirche, steht und die Gäste erwartet. Die Norweger sind ein frommes Volk; das lehrt sie schon ihre Natur und der lange dunkle Winter, wo die Steinlawinen niedergehen und der Fjord so manchen in die Tiefe reißt; sonntags fahren sie alle zur Kirche, nicht bloß die Männer und die Frauen, die mit ihrer Flügelhaube (Skaut) an Holbeinsche Bilder erinnern, sondern auch die ganze lustige Jugend, der frische Bursche, der ein paar Centner zu tragen vermag, die Töchter und Mägde der Bauern und der höher gebildete Backfisch, den man in Schweden „Rebhühnchen“ nennt. Sogar der Säugling wird mitgenommen und ruht an der Brust der glücklichen Mutter; denn wer sollte ihn wohl in dem leeren verschlossenen Hause daheim warten? Sie sind in der That alle da. Aber die Fahrt ist weit und der Sonntagsstaat verlangt Schonung. So nehmen denn die Frauen alles in einem „Löb“ oder einer „Tine“ mit, was sie doppelt schön machen soll. Nach der Landung flechten sie dann noch einmal ihr wunderbar schönes, hellblondes Haar, so licht und glänzend wie Weizenähren, sie bekleiden ihre nackten Füße mit weißen Strümpfen und knüpfen zierlich das Schuhband fest. Die eine hat gar einen kleinen Spiegel mitgenommen, die kleine Schwester hält ihn der Erröthenden vor, und beide schauen glücklich darein.

In der Kirche selbst – ich habe sie von Christiania ab bis nach Vadsö, nahe der russischen Grenze, manchen Sonntag besucht – sind Männer und Frauen getrennt; andächtig sitzen sie da und lassen sich keineswegs stören, wenn die Säuglinge gelegentlich ein mächtiges Geschrei [564] erheben. Das ist ein schönes Ausruhen von einer langen Wochenarbeit. Der „Vogt“ in Ibsens „Brand“ verspottet zwar diese Andacht, wenn er sagt:

„Sechs Tage seufzt man unterm Joche,
Am Sonntag fühlt man sich gerührt;
Wär’ Gottesdienst die ganze Woche,
Wer käm’ zur Kirche noch kutschiert?“

Aber das norwegische Volk empfindet es anders; es ist die Woche über nicht weniger fromm, als wenn es zur Sonntagskirche fährt, und es lauscht mit ernster Andacht den meist einfachen Worten seines Geistlichen. Freilich darf dieser kein Salbader sein, sonst ergeht es ihm wie jenem Geistlichen im Kivledale, den seine Gemeinde im Stiche ließ, als während der Predigt die „Bergjungfrauen“ draußen ihren Zaubergesang anstimmten. Denn die Stimme dieser Jungfrauen ist die reine, schöne der großen norwegischen Natur und dagegen kommt so leicht kein bloßer Moralist auf. L. Passarge.