Textdaten
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Autor: Ferdinand Schifkorn
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Titel: Huzulenjäger
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aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 687–688
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[677]

Huzulenjäger.
Nach einem Gemälde von A. Wierusz-Kowalski.
Photographie von Franz Hanfstaengl Kunstverlag A.-G. in München.

[687] Huzulenjäger. (Zu dem Bilde S. 677.) Wer je den Boden jener wildromantischen Bergwelt betreten hat, welche unter dem Namen „Karpaten“ Ungarn von Galizien scheidet, dem weht aus dem Bilde Kowalskis sofort jene rauhe und doch so köstlich erquickende Bergluft entgegen, welche das Leben unter den einfachsten Bedingungen, ja schon das Athmen zum Genusse macht.

Die Menschen zwar, welche uns des Malers Pinsel vor das Auge führt, haben selbst keine Ahnung von dieser Wunderwirkung ihrer Heimath auf den Fremdling, aber das verringert ihnen kaum den Genuß derselben. Die Gesundheit der Lunge, die unverwüstliche Ausdauer und Kraft des Leibes, die Schärfe der Sinne, Eigenschaften, welche sie mit ihren treuen vierfüßigen Gefährten, ihren Rossen und Hunden, theilen, lassen auch sie bei aller Armuth das Leben sonder Sorge und Kummer genießen, jeder Gefahr kühn ins Auge schauen.

Daß der Huzule diese Eigenschaften aber nur der stählenden Luft seiner Heimath verdankt, geht schon daraus hervor, daß derselbe keiner bevorzugten Rasse, sondern gleich anderen mit Sondernamen bezeichneten Karpatenbewohnern gemeinschaftlich dem großen Volksstamme der Ruthenen (auch Russinen, Rusniaken oder Kleinrussen genannt) angehört, welcher in der Stärke von etwa drei Millionen Seelen zu beiden Seiten der Karpaten bis in die Tiefebenen der angrenzenden Ländergebiete die fruchtbare Scholle bebaut, dort aber den Stammesgenossen in den Bergen so wenig gleicht wie sein Ackergaul oder Hofhund.

Es ist Spätherbst. Mit dem ersten Schnee ist für den Bergbewohner die Zeit gekommen, seinen und seiner Herden Todfeinden, den Wölfen, auf den Leib zu rücken.

Angethan mit einer Hose aus selbstverfertigtem Wollstoff, dem Leibrock aus gleichem Zeuge, die Lenden vom breiten Ledergurt – Messer, Schießbedarf und Tabaksblase enthaltend – umschlossen, die Füße mit wasserdichtem Ziegenhaarstoff und Opanken (Sandalen), den Kopf mit der Pelzmütze verwahrt, den Schafpelz um die Schultern geschlagen, ausgerüstet mit der alten, vom Vater auf den Sohn vererbten Flinte und dem unentbehrlichen „Nasenwärmer“ – einer kurzen Pfeife mit kaum fingerlangem Rohr – und begleitet von seinen treuen Hunden, so zieht der Huzulenjäger auf seinem Rosse wohlgemuth zum ernsten Weidwerk aus.[1]

Haben die Hunde die Witterung ihrer Gegner erfaßt oder ihre Spur entdeckt, dann wird des Jägers Muth und Umsicht zugleich auf die Probe gestellt. Denn auch die Wölfe haben ihre Kriegstaktik, und [688] es ist nichts Seltenes, daß sie den einzelnen Reiter in der Ueberzahl zu überfallen suchen.

Indessen unser Jäger scheint, wie sein scharf spähender Blick beweist, kein Neuling im edlen Weidwerk zu sein, und man darf getrost annehmen, daß er wie immer so auch heute mit reicher Beute beladen heimkehrt zu den Seinen. F. Schifkorn.


  1. Die häufig vorkommende Meinung, daß der Huzule eben so oft Räuber wie Jäger sei, mag daher rühren, daß das schwer zugängliche Wohngebiet der Huzulen zu allen Zeiten von Bösewichtern aller Art als Asyl benützt wurde. Dem Schreiber dieser Zeilen wenigstens wurde, obgleich er monatelang in unmittelbarer Nachbarschaft der Huzulen lebte und deren rauhe Heimath nach allen Richtungen durchstreifte, nicht der geringste Beleg für obige Annahme bekannt.