Hund und Katze (Die Gartenlaube 1875/26)

Textdaten
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Autor: M.
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Titel: Hund und Katze
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aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 444
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[444] Hund und Katze. Im vorigen Jahre erhielt ich ein Hündchen männlichen Geschlechts, von einer den Wachtelhunden verwandten Bastardart, welches im Hause aufgezogen wurde. Als der Winter herannahte, fand sich dazu eine junge bereits erwachsene Katze ein, welche, in einem Winkel des benachbarten Hofes geboren, schon lange Zeit in der Nähe des Hauses sich herrenlos umhergetrieben hatte. Anfangs ungewöhnlich scheu und wild, nahm sie später, vom Hunger getrieben, die hingeworfenen Brocken an. Die rauhen Herbststürme trieben sie bald in Haus und Küche. Die ihr gebotene Gastfreundschaft vergalt sie durch zuvorkommendes Betragen gegen den kleineren Hund, der sie schließlich in seinen Korb mit aufnahm. Von diesem Augenblick an lebten beide hier in der zärtlichsten Gemeinschaft, schliefen, fraßen und spielten mit einander, und die Katze hatte sich auf diese Weise, als Spielkamerad des Hündchens, das Recht der Hausgenossenschaft erobert. Die Freundschaft erlitt dadurch keinen Abbruch, daß der Hund, als er ausgewachsen war, ungefähr die Größe der Katze erreichte, und ging zuletzt so weit, daß beide Thiere gegenseitig Eigenschaften von einander annahmen. Die ersten Anfangsgründe hündischer Bildung: das Aufwarten oder „Schönmachen“ erlernte die Katze, ohne jeden Unterricht, schneller als der Hund. Wenn sie bitten will, setzt sie sich, unaufgefordert, auf den Hinterbeinen kerzengerade in die Höhe. Der Hund dagegen begann sich nach Katzenart zu waschen, doch hat er diesen Trieb zur Reinlichkeit wieder verlernt, nachdem er die Erfahrung gemacht, daß seine Wäsche in eindringlicherer Weise, auch wider seinen Willen, von stärkerer Macht besorgt wurde. In ihren Spielen war die Katze jedoch ohne Ausnahme der nachgiebige Theil. Sie ließ sich vom Hunde am Fell durch den ganzen Hausflur zerren, so daß sie dabei häufig vor Schmerz schrie, ohne sich anders, als mit schwachen Pfotenhieben, bei eingezogenen Krallen, zur Wehre zu setzen. Offenbar machte ihr das Spiel Vergnügen, denn sie suchte den Hund immer wieder von Neuem auf und beide kugelten sich dann fröhlich über einander. Selbst der Ernst des Katzenlebens vermochte diese Eintracht nicht zu stören.

Im Frühjahre fanden sich Anzeichen, welche junge Familie in Aussicht stellten. Die Katze ließ sich seltener sehen, und bald entdeckte man auf dem Boden eine mit Stroh gefüllte Kiste, welche sie sich sorglich als Wochenbett zugerichtet hatte. Ich war begierig zu sehen, ob die innige Freundschaft beider Thiere unter so erschwerenden Umständen sich bewähren würde, als eines Tages sich im Stroh der Kiste ein lebendiges blindes Kätzchen, neben einem todten, bei der jungen Mutter vorfand. Aber was geschah? Die Katze, welche zum Fressen vom Boden herabgekommen war, suchte ihren Freund auf, und es war deutlich zu ersehen, daß sie sich bemühte, ihn die Treppe hinauf zu locken. Sie blieb von Zeit zu Zeit stehen, ging ihm, wenn er nicht gleich folgte, wieder entgegen und führte ihn endlich zu ihrer Kiste, um ihm das junge Kätzchen zu zeigen. Am nächsten Tage fand ich alle drei, die Mutter, das säugende blinde Kätzchen und den Hund, einträchtig im Stroh liegend und Hund und Katze sich gegenseitig leckend. Seitdem werden die Spiele zu Dreien fortgeführt. Die kleine Katze, welche jetzt schon laufen kann, bildet dabei den Gegenstand gemeinschaftlicher Zuneigung, und nicht ein einziges Mal ist beobachtet worden, daß diese Spiele in ernstliche Streitigkeiten ausgeartet wären, obgleich der kleine Hund das Kätzchen mitunter so gewaltsam behandelt, daß es laut schreit.

Unsere Hausthiere haben für gute Behandlung und Wohlthaten, die ihnen erwiesen werden, Sinn genug, um Liebe und Vertrauen für ihre lebendige Umgebung zu gewinnen. Daß diese Gefühle so weit gehen, ihnen den natürlichen Trieb, ihre Jungen zu schützen, unterzuordnen, ist freilich selten, aber ein Beweis dafür, in welchem hohen Grade das Geistesleben der Thiere gesteigert werden kann, wenn der Mensch sie zu sich heranzieht, statt, wie es leider so oft der Fall ist, den Keim der in ihnen ruhenden guten und liebenswürdigen Eigenschaften durch rohe und abstoßende Behandlung zu vernichten.
M.