Huldigung Karl’s V. in Gent

Textdaten
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Autor: Hans Boesch
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Titel: Huldigung Karl’s V. in Gent
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 536–537, 547
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[536–537]

Huldigung Karl’s V. in Gent.
Nach dem Oelgemälde von Alb. de Vriendt.

[547] Huldigung Karl’s V. in Gent. (Mit Illustration S. 536 u. 537.) Kaiser Karl V., in dessen Reich die Sonne nicht unterging, war stolz auf „sein Gent“, die reichste Stadt von Flandern; war sie doch damals mit ihren 35 000 Häusern und 175 000 Einwohnern eine der bevölkertsten Städte Europas. Als Alba ihm rieth, die rebellische Stadt zu zerstören, soll er ihn auf den Belfried geführt und auf das Häusermeer hinweisend ihm treffend erwiedert haben: „Wie viel spanische Häute braucht man wohl, um einen solchen Handschuh zu machen?“ Er meinte Gent mit diesem Wortspiele, das in französischer Mundart Gand (gant = Handschuh) heißt, und auch zu Franz I. von Frankreich sagte er einmal scherzend: „Ich kann Dein Paris in meinen Handschuh stecken.“

Theuer war Karl V. diese Stadt auch aus einem andern Grunde; in ihren Mauern, in dem Fürstenhofe von Gent, hatte er am 24. Februar 1500 das Licht der Welt erblickt und hier, noch in der Wiege, die ersten Ehren der Welt und die ersten Huldigungen empfangen.

Am 7. März fand „Nachts“ zwischen neun und zehn Uhr die Taufe statt, und Gent entwickelte dabei ein festliches Gepränge, wie es ein solches seit jener Zeit kaum wieder geschaut hat. Vom Prinzenhof bis zur St. Johanniskirche wurde eine etwa drei Fuß hohe Holzgalerie errichtet, welche 39 Ehrenpforten schmückten. In einem wahren Feuermeer von Fackeln und Lampions schwamm die Stadt, als der glanzvolle Zug mit dem Täufling und den Pathen von dem Fürstenhof nach der Kirche ging; auf den Kanälen wogten beleuchtete Schiffe, deren Lichterglanz sich in den Fluthen spiegelte, und griechisches Feuer flammte von den Thürmen und Bastionen.

In der Taufe erhielt der Sohn Philipp’s des Schönen und der Johanna von Kastilien den Namen Karl, zum Andenken an seinen Urgroßvater Karl den Kühnen von Burgund.

Höchste Auszeichnungen wurden dem fürstlichen Kinde bei dieser Gelegenheit zu Theil. Kaiser Maximilian ernannte seinen 14 Tage alten Enkel zum Herzog von Luxemburg, welchen Titel auch die deutschen Kaiser Karl IV., Wenzel und Sigismund geführt, und aus welchem man Prophezeiungen für die künftige Größe des Neugeborenen ableitete. Reiche Geschenke wurden ihm von allen Seiten dargebracht – ein festlicher Akt, der auf unserem Bilde dargestellt ist. An der Wiege des zarten Kindes sitzt die noch etwas bleiche Mutter, hochbeglückt, ihrem über Alles geliebten, neben ihr stehenden Gatten einen Stammhalter geschenkt zu haben. Von rechts nahen sich die Ersten des Landes und der Stadt, um dem Erben ihre Huldigungen darzubringen. Fürst Karl von Croi, dem noch heute blühenden Fürstenhause angehörend, einer der Pathen des jungen Prinzen, überreicht einen in Silber getriebenen, theilweise vergoldeten Helm von kunstreicher Arbeit, der den Prinzen in allen Fährlichkeiten schirmen und bewahren soll. Der zweite Taufpathe, der Marquis von Berg, Fürst zu Vargas, bringt ein Prunkschwert dar, bestimmt, von dem zukünftigen Kaiser zur Ehre seines Hauses, zur Vertheidigung seiner Lande, zum Schutze der Bedrängten und Unterdrückten allzeit siegreich geführt zu werden. Die behäbigen Väter der Stadt Gent widmen dem innerhalb ihrer Mauern Geborenen ein kostbares, silbernes, vollständig ausgerüstetes Schiff, eine prächtige Zierde der kaiserlichen Tafel.

Im Vordergrunde des Bildes haben unter anderen auch die fürstlichen Frauen Platz genommen, die den Prinzen aus der Taufe hoben: Margareta von York, die Schwester Eduard’s IV., und Margareta von Oesterreich, die Tante des Prinzen, die als Kind mit Karl VIII. von Frankreich verlobt, von diesem aber zurückgeschickt worden war. Diese Damen bestimmten dem Prinzen goldene Schalen mit köstlichen Steinen und ein mit Edelsteinen besetztes Reliquiar in Form eines gekrönten Jungfrauenkopfes. Links kniet der Vertreter der flandrischen Prälaten, in deren Namen er das Alte und Neue Testament in reichem Einbande übergiebt, auf dem die Worte „Scrutamini scripturas“ („Forschet in der Schrift“) eingegraben sind. Es sind damit jedoch die Ehrungen noch nicht erschöpft, die dem Prinzen erwiesen wurden; an den Orden des goldenen Vließ, welchen Kaiser Maximilian seinem Enkelchen gleichzeitig verliehen, erinnern die Insignien desselben, die von dem Schilde im Hintergrund herabhängen. Noch Seltsameres widerfuhr aber dem 14 Tage alten Kinde: es wurde der Sitte der Zeit gemäß von seinem Großvater mit Claudia, der Tochter Ludwig’s XII., verlobt.

Der Künstler hat es verstanden, den kleinen Bräutigam dadurch zum sofort erkennbaren Mittelpunkte seines Bildes zu machen, daß er das Interesse sämmtlicher Anwesenden auf das unscheinbare Kindlein vereinigte, mit dessen zarter Erscheinung die stattlichen Gestalten der Männer mit ihren ernsten prächtigen Charakterköpfen glücklich kontrastiren. Anmuthig beleben die geschickt gruppirten Damen das Bild, deren Darstellung dem Künstler Gelegenheit bot, seine vorzüglichen Kenntnisse in der Geschichte der malerischen Kostüme seines Vaterlandes bestens zu verwerthen. Alb. Vriendt, Historienmaler in Brüssel, der Schöpfer des Bildes, ist kein Neuling auf diesem Gebiete; er und sein Bruder Julian haben schon eine Reihe denkwürdiger Ereignisse aus der Geschichte ihres Vaterlandes durch ihre Arbeiten verherrlicht. Alb. Vriendt verbindet in seinen Werken strenghistorische Auffassung mit einer wahrheitsgetreuen Ausführung aller Details, ohne sich indeß in Einzelheiten zu verlieren. Er gehört zu jenen zeitgenössischen Historienmalern, die umfassende historische und archäologische Studien über die Zeit machen, der sie ihren Stoff entnommen, und die sich hierdurch so eingehende Kenntnisse über den Charakter des in Frage kommenden Volkes und die Zustände des betreffenden Landes, bis herab auf das geringste Detail der Kostüme, des Schmuckes, der Bewaffnung, der Zimmereinrichtung etc. verschaffen, wie sie vor einigen Jahrzehnten höchstens ein Museumsdirektor hatte. Hans Boesch.