Textdaten
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Autor: Ernst Meier
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Titel: Hui in mein’ Sack!
Untertitel:
aus: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben, S. 270-272
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: C. P. Scheitlin
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[270]
78. Hui in mein’ Sack!

Ein armer Handwerksbursch war schon lange auf der Wanderschaft und hatte nur noch drei Kreuzer in der Tasche. Er gedachte im nächsten Orte sich Taback dafür zu kaufen, als eben ein andrer Handwerksbursch daherkam und ihn um eine Gabe ansprach. Er gab ihm einen Kreuzer, und war nicht weit gegangen, als ein zweiter kam und ihn um eine Gabe bat. Er gab auch diesem einen Kreuzer. Endlich kam noch ein dritter und sprach ihn um eine Gabe an. Er sagte, indem er in die Tasche langte und den letzten Kreuzer hervorzog: „das ist alles, was ich noch habe; doch es sei drum! da habt ihr ihn!“ und gab den letzten Kreuzer dem armen Handwerksburschen. Dieser dritte aber war der liebe Gott selbst. Der sprach nun zu dem freigebigen Handwerksburschen: „ich will Dir zum Dank für deine Gabe drei Wünsche gewähren; Du darfst sie nur aussprechen!“ Da wünschte sich der Handwerksbursch erstens: daß seine Pfeife beständig voll Taback sei und gleich von selbst brenne, wenn er sie anziehe. Zweitens wünschte er, daß Alles in seinen Sack fahren müße, sobald er rufe: „hui in meinen Sack!“ Und drittens bat er um die ewige Seligkeit. Ja das sei recht, sagte der liebe Gott, es solle ihm das Alles gewährt werden und verließ ihn.

Alsbald nahm der Handwerksbursch sein Pfeifchen aus der Tasche, steckte es in den Mund und fieng an zu ziehen, und da brannte es und dampfte es, daß es eine Lust war, und wie lange er auch rauchte, so gieng ihm der Taback [271] nicht aus. Am Abend suchte er ein gutes Wirthshaus und aß und trank, was ihm schmeckte. Da saßen reiche Kaufleute da, und als sie ihre Zeche bezahlten und Goldstücke wechseln ließen, dachte der Handwerksbursch: du sollst doch einmal den Sack probiren, und als die Kaufleute eben das Geld in den Beutel stecken wollten, so sprach er leis: „hui in mein’n Sack!“ und plötzlich fühlte er, daß sein Sack schwerer geworden war und dachte, jetzt ist es gut, nun bist du ein gemachter Mann. Die Kaufleute aber merkten nichts davon. So verschaffte sich der arme Handwerksbursch Geld, so oft es ihm ausgieng und zog am Tage mit seiner Pfeife im Munde vergnügt in der Welt herum.

Da hatte er sich einmal müd gelaufen und kam spät in einen Ort, darin nur ein einziges Wirthshaus war und wollte daselbst übernachten. Aber alles war schon von Fremden besetzt. Er bat den Wirth recht dringend, er möchte ihn doch behalten, er könne nicht weiter. Der Wirth aber sagte: „es ist mir unmöglich; ich habe da zwar noch ein Schloß, das steht ganz leer, weil Niemand darin übernachten kann, ohne sein Leben darin zu verlieren!“ Der Handwerksbursch aber sagte, er sollte ihn nur hineinlaßen, es werde ihm nichts geschehen. Darauf ließ er sich in das Schloß führen und aß zu Nacht und schloß die Thür fest zu und legte sich zu Bett. Als es eben Mitternacht war und er fest schlief, pochte es heftig an der Thür, daß er aufwachte und fragte: wer da? Er bekam aber keine Antwort, sondern man pochte immer heftiger. Endlich sprang die Thür auf und der leibhaftige Teufel trat herein und wollte den Handwerksburschen [272] holen, hatte aber keine Macht über ihn, weil er sich die ewige Seligkeit gewünscht, und suchte ihn daher bloß zu quälen. Als dieß dem Handwerksburschen zu arg wurde, rief er nur: „hui in mein’n Sack!“ und auf einmal war der Teufel ganz mäuschenstill und saß in dem Sack, während der Handwerksbursch ruhig fortschlief. Am andern Morgen aber nahm er seinen Knotenstock und schlug auf den armen Teufel im Sacke so lange los, als er sich nur rühren konnte, und als er meinte, er werde wohl genug haben, ließ er ihn los, worauf er eilig zur Hölle zurücklief. – Seitdem hat er sich in dem Schloße nicht wieder sehen laßen und aus Dankbarkeit behielt der Wirth den Handwerksburschen bei sich so lang er lebte.

Als er sein Ende herankommen sah, sagte er, sie sollten ihm doch den Sack mit in’s Grab geben und unter sein Kopfkissen legen. Das geschah denn auch. Als er nun gestorben und begraben war und vor die Himmelsthür kam, wollte Petrus ihn nicht einlaßen, weil er leichtsinnig in die Welt hinein gelebt habe und wies ihn zur Hölle. Wie er dort ankam und anklopfte, öffneten zwei junge Teufel und packten ihn an. Allein der oberste der Teufel rief plötzlich: „laßt doch den fahren, sonst geht’s uns Allen schlecht!“ Denn er sah, daß er den Sack bei sich hatte, darin er so jämmerlich war geprügelt worden und schob ihn sogleich wieder zur Hölle hinaus. Er gieng wieder an’s Himmelsthor und klopfte. Als Petrus aufthat, warf er sogleich seinen Sack hinein und rief: „hui in mein’n Sack!“ Da war er darin und Petrus mußte ihn da laßen.

Anmerkung des Herausgebers

[317] 78. Hui in mein’n Sack. Mündlich aus Kiebingen. Verwandt ist der Bruder Lustig, Nr. 62. Hans und der Teufel, Nr. 10; auch der Arme und der Reiche, Nr. 40.