Der Arme und der Reiche (Meier)

Textdaten
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Autor: Ernst Meier
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Titel: Der Arme und der Reiche
Untertitel:
aus: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben, S. 139–141
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: C. P. Scheitlin
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Begriffsklärung Andere Ausgaben unter diesem Titel siehe unter: Der Arme und der Reiche.


[139]
40. Der Arme und der Reiche.

Der liebe Heiland und Petrus waren einmal mit einander auf Reisen; da kamen sie ganz ermüdet zu einem reichen Bauer und baten ihn, daß er ihnen ein Nachtlager geben möge. Der aber wies sie mit groben Worten ab und sagte: „da könnte mir jeder kommen; mein Haus ist nicht für Landstreicher gebaut. Geht zu meinem Nachbar da! der ist so ein gutmüthiger Narr und behält Euch vielleicht.“ – Da giengen sie fort und versuchten es bei dem Nachbar; der war ein ganz armer Mann und besaß nur ein kleines Häuschen, nahm aber doch die unbekannten Wanderer freundlich auf und hieß sie willkommen und versprach sogleich, ihnen ein Nachtlager zu bereiten so gut er [140] es könne; dann lud er sie zu seinem Nachteßen ein und setzte ihnen vor, was sich in seinem kleinen Haushalte vorfand. Die Gäste aber dankten herzlich für den guten Willen und aßen nichts, sondern schliefen bloß in der Hütte des Armen.

Ehe sie am andern Morgen sich verabschiedeten, sagten sie noch ihrem Wirthe: er dürfe drei Wünsche thun, die sollten ihm gewährt werden; doch möge er das Beste nicht vergeßen. Da überlegte er mit seiner Frau, was sie sich wünschen sollten, und beide meinten, daß sie erstens wohl ein beßeres Haus brauchen könnten, zweitens, so viel Geld, als sie zum Leben nöthig hätten, und drittens, nach dem Leben das Himmelreich. „Das Alles soll Euch werden!“ sprach der Heiland und gieng fort.

Wie der reiche Nachbar nun aus seinem Bett gestiegen war, sah er zum Fenster hinaus und guckte und guckte und glaubte noch zu träumen; denn es kam ihm so vor, als ob auf dem nämlichen Platze, wo Tags zuvor noch die ärmliche Hütte seines Nachbars gestanden, jetzt das prächtigste Haus stehe. Und so war es auch wirklich der Fall. Der Bauer hatte aber keine Ruhe, bis er selbst hinübergegangen war und das Haus berührt und erkannt hatte, daß es kein Luftgebilde war. Dann gieng er hinein und fragte den Nachbar: „um Gottes willen, Nachbar! wie kommt Ihr zu dem schönen Hause?“ Der sagte: „es sind zwei Fremdlinge bei mir übernachtet und haben mir beim Abschiede drei Wünsche gewährt, davon ist der eine dieß neue Haus.“ Da schlug sich der andre vor den Kopf und sagte: „dieß Glück war eigentlich mir zugedacht; sie wollten zuerst bei mir einkehren, [141] ich aber habe sie Dir zugewiesen.“ Darauf ließ er sich den Weg weisen, den sie eingeschlagen, spannte seine Pferde an den Wagen und eilte ihnen nach.

Nicht lange so traf er auch die beiden Wanderer auf der Straße und grüßte sie freundlich und fragte, ob sie nicht auch ihm drei Wünsche gewähren möchten, wie dem Bauer, bei dem sie übernachtet. Der Heiland aber erkannte sogleich, daß dieß derselbe Mann war, der ihn gestern Abend nicht hatte aufnehmen wollen und sprach: „Du hast uns so gröblich von Deiner Thür gewiesen und uns nicht einmal eine einzige Nachtherberge gewähren mögen, und verlangst jetzt noch oben drein solche Wohlthaten von uns?“ Wie der Bauer sich aber noch nicht zufrieden geben wollte und noch weiter und zudringlicher redete, da ward der Heiland zornig und machte es, daß er plötzlich, wie vom Schlage gerührt, todt zur Erde stürzte, und das war seine Strafe.

Anmerkung des Herausgebers

[310] 40. Der Arme und der Reiche. Mündlich aus Bühl. In Grimm’s Märchen entspricht Nr. 87, wo der Reiche ebenfalls drei Wünsche thun darf, die aber alle zu seinem Nachtheil ausschlagen, wie in der andern schwäbischen Erzählung Nr. 65. Vgl. auch bei Hebel: „drei Wünsche.“ Christus, für den sonst auch der liebe Gott genannt wird, vertritt hier die Stelle Wuotans, des Wunsch-Gottes.